Anticholinergika sind die Mit- tel der Wahl bei der medika- mentösen Therapie der über- aktiven Blase, werden aber oft schlecht toleriert: „Nach sechs Monaten nehmen nur noch 20 Prozent der Patienten die Medikation ein“, erklärte Dr. med. Theodor Klotz (Wei- den). Unerwünschte Neben- wirkungen wie beispielsweise Mundtrockenheit, verschwom- menes Sehen, Obstipation und kognitive Beeinträchtigungen seien die Ursache der man- gelnden Compliance.
Diese Situation dürfte sich nun bessern, da mit Darifena- cin ein erster selektiver Mus- karin-3-Rezeptorantagonist für die Behandlung der über- aktiven Blase verfügbar ist.
Die Anticholinergika, die laut Aussage von Dr. med. Christi- an Hampel (Mainz) besser als Antimuskarinergika bezeich- net würden, greifen generell an den Muskarin-Rezeptoren (M1, M2 und M3) an und ha- ben damit Wirkungen auf vie- le Organsysteme – einschließ- lich Herz und Gehirn.
Weniger Miktionen und Inkontinenzepisoden
Die überaktive Blase geht vor allem aber auf eine Akti- vierung der Muskarin-3-Re- zeptoren (M3-Rezeptoren) zurück, die vorwiegend in der Blase lokalisiert sind. Von ei- ner spezifischen Hemmung dieser Rezeptoren, wie sie mit Darifenacin (Emselex®) jetzt möglich ist, versprechen die Wissenschaftler sich eine bes- sere Verträglichkeit der Be- handlung bei gleich guter kli- nischer Wirksamkeit.
Dies belegen nach Anga- ben von Klotz die klinischen Daten: Darifenacin wurde in 98 kontrollierten Studien bei mehr als 10 000 Patienten ge- prüft und führt zu einer signifi- kanten Besserung der Schlüs-
selsymptome Detrusorhyper- aktivität, gesteigerte Miktions- häufigkeit, imperativer Harn- drang und Inkontinenzepiso- den. Konkret bewirkte Dari- fenacin einen Rückgang der Miktionsfrequenz um mehr als 20 Prozent. „Etwa zwei Drittel der mit dem selektiven M3- Rezeptorantagonisten behan- delten Patienten erleben eine um mindestens 50 Prozent ver- minderte Rate an Inkontinenz- episoden, bei einem Viertel geht vor allem die belastende
Inkontinenz um 90 Prozent zurück“, betonte der Pharma- kologe. Gleichzeitig werde der M3-Rezeptorantagonist infol- ge seiner Selektivität gut ver- tragen.
Nebenwirkungen, wie sie mit anderen anticholinerg wirksamen Substanzen auf Herz und Gehirn gesehen werden, gibt es nach Aussage von Klotz nicht. Die Substanz verursache deutlich weniger Mundtrockenheit, keine we- sentlichen Sehstörungen und auch keine relevanten Ne- benwirkungen hinsichtlich des ZNS oder der kardiovas- kulären Situation. Die gute Verträglichkeit spiegele sich in einer geringen Therapieab- bruchquote wider, die sich nicht signifikant von Placebo unterscheide.
Wie bedeutsam eine effek- tive und gut verträgliche me- dikamentöse Therapie der überaktiven Blase ist, machte Dr. med. Daniela Marschall- Kehrel (Oberursel) deutlich:
Die Betroffenen – 16 Prozent der erwachsenen Bevölke- rung – stehen unter einem er- heblichen Leidensdruck. Be- fragt man Patienten mit über- aktiver Blase anhand von standardisierten Interviews nach ihrer Lebensqualität, so ergeben sich nach Marschall- Kehrel ausgeprägtere Beein- trächtigungen als beispiels- weise bei Asthmatikern oder Diabetikern, was die Notwen- digkeit der Behandlungsform unterstreiche. Christine Vetter
Emselex® Pressekonferenz der Bayer Vital GmbH in Berlin
V A R I A
A
A2492 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 37⏐⏐16. September 2005
Muskarin-3-Rezeptorantagonist
Neue Therapieoption bei überaktiver Blase
Unternehmen
Die Prognose von Schizophre- niekranken wird wesentlich durch die Kontinuität der an- tipsychotischen Behandlung bestimmt. Mit jedem Krank- heitsrezidiv verschlechtern sich die Chancen auf eine schnelle und vollständige Remission.
Jede psychotische Exazerbati- on birgt darüber hinaus für den Patienten das Risiko hinsicht- lich seiner beruflichen und so- zialen Integration, und so in ei- nen Teufelskreis zu geraten, aus dem er nur schwer wieder herausfindet.
Als förderlich für Compli- ance und Therapiepersistenz gilt der Einsatz von atypi- schen Antipsychotika und Neuroleptika in Depotform.
Lange Zeit gab es nur ein
„Entweder-oder“ – also ent- weder eine Therapie mit aus- gewogenem Nutzen-Risiko- Profil (Preis, mehrmals tägli- che Einnahme der Medikati- on) oder Injektionen eines Standardneuroleptikums in wöchentlichen bis monatli-
chen Abständen mit dem Risi- ko für extrapyramidal-moto- rische Nebenwirkungen oder sogar irreversible Bewe- gungsstörungen.
Als Fortschritt gilt daher die Einführung von Risperidon in Depotform als Risperdal® Consta®. Bereits Ende 2004 wurde die Zulassung für dieses erste langwirksame „Atypi- kum“ noch einmal erweitert:
Die Umstellung auf das intra- muskulär injizierbare Risperi- don ist von jeder antipsychoti- schen Vormedikation möglich.
Aktuelle Untersuchungen lassen erkennen, dass die The- rapiemodifikation problemlos ist und in zahlreichen Fällen sogar zu einer signifikanten Verbesserung der Krankheits- symptomatik geführt hat. Wie Dr. med. Thomas Aubel (Dort- mund) berichtete, gilt das Gleiche für die Verträglich- keit. Dies decke sich mit den Erfahrungen aus seiner Klinik, in der seit August 2002 unge- fähr 200 Patienten auf Risper-
dal Consta umgestellt worden seien. Dafür empfiehlt Aubel folgendes Vorgehen:
> Bei Risperidon-naiven Patienten sollte vor Einsatz der Risperidon-Depotform die Verträglichkeit durch vor- herige Gabe von Risperidon- Tabletten/Lösung (beispiels- weise 1 mg an zwei aufeinan- der folgenden Tagen) über- prüft werden.
> Weil sich nach erstma- liger intramuskulärer Gabe zunächst ein therapeutischer Spiegel aufbauen muss, sollte in den ersten drei Wochen die orale antipsychotische Thera- pie beibehalten und erst dann ausschleichend (über minde- stens eine Woche) abgesetzt werden.
> Danach reichen Risperi- don-Injektionen im zweiwö- chigen Abstand für die Auf- rechterhaltung eines gleich- mäßigen Psychoseschutzes aus.
> Eine eventuelle Vorbe- handlung mit Anticholinergika kann nach Absetzen des oralen Neuroleptikums über vier Wo- chen ausschleichend beendet werden. Gabriele Blaeser-Kiel
Pressekonferenz „Perspektive geben – die direkte Umstellung auf eine lang- wirksame Atypikatherapie der Schizo- phrenie“ in Beerse/Belgien, Veranstalter:
Janssen-Cilag