Pharma-Politik: Nichts überstürzen!
Das (zweite) Arzneimitelgesetz '76, das am 1. Januar 1978 in Kraft trat, hat sich nach übereinstimmender Meinung prominenter Sprecher so- wohl der Regierungsparteien als auch der Opposition bewährt. Allerdings bestehe noch eine „weiche Stelle"
bei den noch nicht nachzugelassenen Alt-Arzneimitteln. Die pharmazeuti- sche Industrie sollte alles daranset- zen, um die Kärrnerarbeit der Nach- zulassung noch vor dem Ultimo-Da- tum, dem 1. Januar 1990, zu bewälti- gen. Dies ist das Fazit der Politiker- Statements vor der Jahresversamm- lung des Bundesfachverbandes der Heilmittelindustrie e. V. (BND am 22.
September in Stuttgart.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Her- mann Kroll-Schlüter, vertrat die Auf- fassung, daß wie immer geartete Po- sitivlisten überflüssig seien, wenn die Nachzulassung im Sinne des „Geiß- ler-Papieres" erfolge. Der CDU-Spre- cher wies zugleich auf den umstritte- nen Komplex der Parallel- und Reim- porte hin, der jetzt so sehr Schlagzei- len macht und von den Krankenkas- sen als Mittel zur Kostendämpfung propagiert wird. Kroll-Schlüter: „Ich halte es für überaus schädlich, wenn auf dem Umweg des staatlichen Diri- gismus, des unterschiedlichen Preis- rechts und des Lohngefälles in ande- ren europäischen Ländern wettbe- werbliche Vorteile hierzulande ausge- nutzt werden!" Insgesamt könne dies auch zu höheren volkswirtschaft- lichen Kosten führen, wenn man auch den Aspekt der Arzneimittelsicherheit einbeziehe. Im übrigen müsse auch die Pharmakapolitik im Gesamt der Gesundheitspolitik der neuen Bun- desregierung beurteilt werden; hier sei Geduld und langer Atem ange- zeigt, statt eines gehabten gesund- heitspolitischen Aktionismus.
Auch die Generalsekretärin der FDP, Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer, stell- te den Primat der Arzneimittelsicher-
heit bei der Beurteilung von Parallel- und Reimporten vor marktwirtschaft- liche Überlegungen. Die gegenwärti- gen Marktturbulenzen bezeichnete die FDP-Politikerin als „Wildwest-Metho- den", gegen die auf höchster europä- ischer Ebene vorgegangen werden müßte.
Im übrigen seien an die Arzneimittel- importeure die gleichen Qualitätsprü- fungen und Anforderungen zu stellen wie an die übrigen Arzneimittelher- steller. Denn die Arzneimittelimpor- teure müßten im Sinne der einschlä- gigen Gesetze und Verordnungen wie Hersteller beurteilt werden. Ein Dop- pelstandard sei nicht hinzunehmen.
Unter Umständen müßten zusätzliche Bestimmungen in das Arzneimittelge- setz aufgenommen werden. Anderer- seits sei die Bundesregierung gehal- ten, die in den EG-Verträgen be- schlossene Freizügigkeit des inner- europäischen Handels zu gewährlei- sten, auch wenn die Preisbildung und sozialgesetzlichen Auflagen in ande- ren europäischen Ländern nicht im- mer nach marktwirtschaftlichen Prin- zipien geordnet seien.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Jaunich forderte die Bundesre- gierung auf, durch eindeutige Aussa- gen Diskussionen darüber zu been- den, ob die „Negativliste" erweitert werden soll oder nicht. Zunächst soll- te der Erfahrungsbericht der Bundes- regierung über die Auswirkungen die- ses Instrumentes abgewartet werden, ehe Schlußfolgerungen daraus gezo- gen werden. Die Ruhe an der Kosten- front im Gesundheitswesen sollte ge- nutzt werden, so der SPD-Politiker und Gewerkschaftssekretär im Privat- beruf, um die Strukturfragen zu lö- sen. Das geltende Sachleistungsprin- zip in der Krankenversicherung habe sich prinzipiell bewährt, doch müsse man prüfen, wo die Grenzen der
„Krankenschein-Medizin" zu ziehen sind. HC Spektrum. der Woche
Aufsätze - Notizen Selbstmedikation
zeptpflichtiger Arzneimittel zur Vorbeugung, Linderung oder Hei- lung von Mißbefindlichkeiten und Gesundheitsstörungen durch den Verbraucher selbst im Vorfeld pro- fessioneller Hilfe durch den Arzt darstellen. Der Begriff ist in der Praxis unscharf und führt zu man- chen Auslegungsschwierigkeiten und Mißverständnissen. Die Ver- wendung früher ärztlich verordne- ter Medikamente aus der Haus- apotheke für andere als ursprüng- lich unter ärztlicher Anleitung ge- stellter Indikationen kommt häufig vor und dehnt nach Ansicht Über- las die Selbstmedikation weiter als erwünscht aus. Rechtlich werden indes Arzneimittel für die Selbst- medikation durch die in § 48 des Arzneimittelgesetzes (AMG) '76 zur Begründung der Verschrei- bungspflicht bestimmt. Anders als etwa in den USA kommt es nach deutschem Recht allein darauf an, ob das konkrete Arzneimittel unter Berücksichtigung von Inhaltsstof- fen und Darreichungsform, Indika- tionsgebiet und Dosierung auch ohne ärztliche Überwachung si- cher ist oder nicht.
Die Sicherheit jeder Behandlung hängt von zwei Faktoren ab: dem Informationsstand des Behandeln- den und dem Stand seiner Hand- lungsmöglichkeiten. Im Zuge der zunehmenden Informiertheit der Bevölkerung läßt sich die Grenze der Selbstmedikation weiter aus- dehnen.
2. Die Methodik der Risiko-Nut- zen-Abwägung ist bei der Selbst- medikation im Einzelfall wenig for- malisiert. Die Fakten und Informa- tionen, die der Verbraucher braucht, könnten empirisch bes- ser fundiert und besser dargebo- ten werden. Die „globale Arznei- mittelsicherheit" ist aus der Sicht der obersten Gesundheitsbehör- de, dem BGA, auch auf dem Feld der Selbstmedikation gewährlei- stet.
3. Die Selbstmedikation kann den Gesundungswillen des Patienten bei leichten Gesundheitsstörun- gen und Befindlichkeitsänderun-
108 Heft 41 vom 14. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A