A 1224 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 24|
18. Juni 2010OSTEOPOROSE
Teriparatid bei hohem Frakturrisiko
Die osteoanabole Therapie mit dem rekombinanten Parathormon-Fragment ist effektiv, aber aufwendig. Sie ist daher eine Option, wenn es trotz adäquater Vortherapie zu einer Verschlechterung im Krankheitsverlauf kommt.
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it dem Wirkstoff Teriparatid (Forsteo, Lilly Deutschland GmbH) steht ein rekombinantes Pa- rathormon-Fragment rhPTH (1–34) zur subkutanen Injektion zur Verfü- gung, das die Neubildung von Kno- chensubstanz durch Anregung der Osteoblasten bewirkt und die festi- gende Trabekelstruktur wiederher- stellt. Auch der Anstieg des bioche- mischen Markers Serum-PINP wäh- rend der Therapie belegt dies.Wie Dipl.-Ing. Christian Graeff (Universität Schleswig-Holstein, Kiel) berichtete, ist die bislang üb - liche Knochendichtemessung (eine 2-Spektren-Röntgenabsorptionsmes- sung) nicht für Therapiekontrollen bei Osteoporose ausreichend, da vor allem über die Festigkeit der Knochenarchitektur keine Aussa- gen zu erhalten sind. Er wies auf spezielle CT-unterstützte Verfahren zur Finite-Elemente-Analyse (FEA) hin, mit der sich die mechanische Festigkeit von Strukturen im Kno- chen mit Hilfe komplizierter Rech- nerprogramme ermitteln lässt. Mit hochauflösender Computertomogra- phie plus FEA lässt sich sogar das Frakturrisiko einzelner Wirbel im Rahmen einer Mikrostrukturanaly- se ableiten und damit die osteo- anabole Wirksamkeit der Substanz Teriparatid im Rahmen mehrerer Studien nachweisen.
Hierzu gehören: EUROFORS- Studie (zwei Jahre Therapie mit Te- riparatid), FACT-Studie (Vergleich Alendronat versus Teriparatid über 18 Monate) und OPTAMISE. Hier wurden mit Alendronat beziehungs- weise Risedronat vorbehandelte postmenopausale Frauen über zwölf Monate mit Teriparatid therapiert.
Zusammengefasst ergeben die Stu- dien, dass es unter Teriparatid unab- hängig von einer Vorbehandlung mit Antiresorptiva bereits nach
sechs Monaten zu einer signifikan- ten Verbesserung der Mikrostruktur im Knochen und gleichzeitig zu ei- ner Erhöhung der mechanischen Knochenfestigkeit kommt (FACT- Studie: 21,1 Prozent Festigkeits - zuwachs mit Teriparatid versus 3,7 Prozent unter Alendronat). Kno- chensubstanz wird entsprechend dem Wolff’schen Gesetz vorwie- gend dort angebaut, wo hohe Belas- tungen auftreten, wie etwa am Wir- belkörper, der einem erhöhten Frak- turrisiko unterliegt.
Der Dachverband Deutschspra- chiger Wissenschaftlicher Gesell- schaften für Osteologie (DVO) gab Teriparatid in der aktuellen Leit - linie den Empfehlungsgrad A zur Reduktion vertebraler Frakturen bei Osteoporose.
Neubildung belastbarer Knochensubstanz
Die sekundäre Osteoporose bei Männern, prä- und postmenopausa- len Frauen, ausgelöst durch lang - jährige Glukokortikoidgabe, ist durch ein gegenüber der primären Osteo- porose deutlich erhöhtes Frakturrisi- ko belastet. Prof. Dr. Uwe Lange (Bad Nauheim) erklärte, unter Glu- kokortikoidgabe komme es zur ver- mehrten Aktivität der Osteoklasten und dann zur Unterdrückung der Osteoblastengenese. Unter Teripa- ratid dagegen komme es zur Neubil- dung belastbarer Knochensubstanz.
Den Nachweis führte eine place- bokontrollierte doppelblinde Head- to-Head-Studie über Teriparatid ge- genüber Alendronat an 428 Patien- ten (277 postmenopausale Frauen, 64 prämenopausale Frauen und 83 Männer). Alle Patienten erhielten zusätzlich Calcium 1 000 mg/die und Vitamin D 3 (800 IE). Nach 18 Monaten Therapie war der Kno- chenmineraldichtewert der LWS un-
ter Teriparatid doppelt so hoch wie unter Alendronat (7,2 Prozent ver- sus 3,49 Prozent).
Teriparatid erhielt den Empfeh- lungsgrad B des DVO und zur Re- duktion peripherer osteoporotischer Frakturen und in Bezug auf die Be- handlung der glukokortikoidindu- zierter Osteoporose aufgrund der gegenüber Alendronat überlegenen Wirkung. Der Therapieeffekt bleibt auch nach Absetzen der Teriparatid- gabe in der Nachbeobachtungszeit von 18 beziehungsweise 24 Mona- ten erhalten. Das Auftreten mittel- schwerer und schwerer vertebraler Frakturen war um 70 Prozent gegen- über der Placebogruppe vermindert.
Teriparatid, das für eine 24-mo- natige Behandlungszeit bei Osteo- porose zugelassen ist, zeigt eine gute Verträglichkeit. Unerwünschte Nebenwirkungen waren vor al - lem Gliederschmerz, Übelkeit und Schwindel. Der Serum-Calcium- Spiegel bleibt in der Regel im mitt- leren Normbereich und bedarf kei- ner ständigen Überwachung. Teri- paratid wird in Form einer Glaspa- trone (750 µg in 3 ml) angeboten;
ein damit verbundenes Injektions- gerät gibt jeweils die subkutan zu spritzende Tagesdosis von 20 µg frei. Die Lösung muss kühl (zwei bis acht Grad Celsius) gelagert werden.
Nach einem Therapiehinweis des Gemeinsamen Bundesausschusses 2007 bietet Teriparatid eine Option für postmenopausale Patientinnen mit manifester Osteoporose, bei de- nen es trotz einer ausreichend lan- gen und adäquaten Vortherapie zu einer Verschlechterung im Krank- heitsverlauf kommt. ■ Dr. phil. Barbara Nickolaus
Lunch-Symposium anlässlich des Kongresses Osteologie 2010 „Osteoanabole Therapie – offene Fragen, aktuelle Antworten“ in Berlin; Veranstalter:
Lilly-Pharma