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Archiv "Hauptversammlung der Bayer AG: Der Dinosaurier vom Rhein" (28.05.2010)

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A 1082 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 21

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28. Mai 2010

HAUPTVERSAMMLUNG DER BAYER AG

Der Dinosaurier vom Rhein

Bayer ist eines der letzten großen Chemie-Konglomerate und vereint drei Geschäftssparten unter einer Holding.

Nach dem schwierigen Jahr 2009 soll es jetzt wieder aufwärtsgehen.

E

s ist acht Uhr Vormittag. Am Eingang zum Congress-Cen- trum der Kölner Messe stehen die ersten Bayer-Aktionäre. Sie sind früh aufgestanden, um vor der gro- ßen Masse zur Hauptversammlung in die riesige Messehalle Nummer sieben zu gelangen. Den Demons- tranten vor der Eingangstür schen- ken sie wenig Beachtung. Junge Frauen von der Vereinigung „Coor- dination gegen Bayer-Gefahren“

halten ein Spruchband in der Hand und klagen an: „Die Pille fordert Opfer!“ und „Stoppt den geplanten Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline durch Nordrhein-Westfalen!“. Da- neben stehen Aktivisten vom Um- weltbund und protestieren gegen das „Bienen-Sterben“, an dem In- sektizide aus der Bayer-Produktion Schuld seien. Aber die Anteilseig- ner schauen weg. Geduldig passie- ren sie die Sicherheitsschleusen und lassen ihre Taschen kontrollieren.

Dann heißt es warten. Im riesi- gen „Bistro“ gibt es Bananen und Laugenbrezeln. Um Punkt zehn Uhr tritt dann Bayer-Vorstandschef Werner Wenning an das Redner- pult, zum letzten Mal. Ende Sep- tember verabschiedet er sich in den Ruhestand. Hinter ihm sitzen auf ei- ner großen, blau illuminierten, etwa 60 Meter langen Bühne neben- einander aufgereiht die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat.

„Wir sind optimistisch für die Zu- kunft“, sagt Wenning und „wir wol- len in diesem Jahr wieder wach- sen.“ Die Aktionäre leisten ge- dämpften Beifall.

Hinter ihnen liegt ein schwieriges Jahr 2009. Der Umsatz des Kon- zerns sank um circa fünf Prozent auf 31,2 Milliarden Euro, und das Kon- zernergebnis brach um knapp 21 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro ein.

Bayer hat viele Belastungen auf ein-

mal in die Bilanz gepackt: Kosten für Restrukturierungen und die Inte- gration des Pharmaunternehmens Schering, das Bayer 2006 für 17 Milliarden Euro gekauft hat, sowie Rückstellungen für Rechtsstreitig- keiten, beispielsweise mit Generika- firmen in Indien. Diese Sonderein- flüsse summierten sich auf 766 Mil- lionen Euro.

Der Umsatz soll jährlich um fünf Prozent wachsen

Dieses Jahr soll alles besser werden.

Das Restrukturierungsprogramm sei

„abgeschlossen“, sagt Wenning und formuliert ein neues Ziel: Bis 2012 soll der Umsatz jährlich um fünf Prozent steigen. Das Ergebnis je Ak- tie soll um durchschnittlich zehn Prozent auf dann fünf Euro klettern.

Die Zahlen für das erste Quartal zei- gen in die richtige Richtung. Der operative Konzerngewinn stieg um fast ein Viertel auf 1,3 Milliarden Euro. Ursache dafür ist vor allem die Erholung im Kunststoffgeschäft.

Wenning versteht es, den richti- gen Blickwinkel zu wählen. Im ver-

gangenen Jahr sei der Kurs der Bayer-Aktie um 40 Prozent gestie- gen. Die jährliche Performance lag in den vergangenen fünf Jahren – die Dividende mit einbezogen – bei durchschnittlich 22 Prozent. In bei- den Zeiträumen entwickelte sich die Aktie besser als der Deutsche Aktienindex (DAX) und besser als der EuroStoxx 50. Ende 2009 war der Konzern mit einer Marktkapita- lisierung von 46 Milliarden Euro die Nummer drei im DAX.

Die Aktionäre belohnen ihren Vor- stand für diese Nachrichten mit Bei- fall. Marc Tüngler von der Deut- schen Schutzvereinigung für Wertpa- pierbesitz, die sich als Anlegerschüt- zerin versteht, wird Wenning dafür während der Fragerunden für die Aktionäre sogar den Titel „Warren Buffet vom Rhein“ verleihen.

Doch es gibt auch eine andere Sichtweise. Betrachtet man die Ver- änderung der Marktkapitalisierung, addiert dazu die gezahlten Dividen- den sowie den Wert von Aktienrück- käufen und zieht davon Kapitalerhö- hungen ab, dann hat Bayer für seine Der scheidende

Vorstandschef, Werner Wenning, präsentiert den 4 000 Aktionären das Jahresergebnis.

Foto: picture alliance/Sven Simon

Foto: dpa

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28. Mai 2010 A 1083 Aktionäre seit Anfang 2000 nur etwa

13 Milliarden Euro an Zusatzwert geschaffen. Damit liegt Bayer im Vergleich zu anderen DAX-Industrie- konzernen nur auf Rang sechs, nach Eon, Siemens, BASF, RWE und VW.

Bayer steht vergleichsweise schlecht da, weil das Unternehmen viel Geld für Akquisitionen ausgegeben hat.

Für Aktienrückkäufe blieb nichts üb- rig, und auch die Dividende wächst nicht in den Himmel. Für 2009 liegt sie bei 1,40 Euro und stagniert damit auf dem Niveau des Vorjahres.

Künftig will Bayer vor allem in wachstumsstarke Schwellenländer investieren. Für Forschung und Entwicklung sollen in diesem Jahr 2,9 Milliarden Euro ausgegeben werden – so viel wie nie zuvor in der Geschichte der Konzerns. Bay- er forscht im Wettlauf mit dem Konkurrenten Boehringer Ingel- heim mit Hochdruck an seinem neuen Hoffnungsträger Xarelto:

Das Medikament soll in Zukunft zur Schlaganfallprophylaxe bei Vor- hofflimmern und für die Behand- lung tiefer Beinvenenthrombosen eingesetzt werden. Bisher ist es in mehr als 80 Ländern zur Thrombo- seprophylaxe bei erwachsenen Pa- tienten nach geplanten Hüft- oder Kniegelenkersatzoperationen zuge- lassen. Die Zulassung für die ande- ren Indikationen erwartet Bayer im zweiten Halbjahr dieses Jahres.

Bayer braucht dringend einen neues starkes Medikament. Unter den Top-Ten-Produkten des Kon- zerns verbucht nur das Krebsmittel Nexavar noch zweistellige Umsatz- wachstumsraten. Bei den früheren Bestsellern, dem Multiple-Sklero- se(MS)-Präparat Betaferon und den hormonellen Verhütungsmitteln der Yasmin-Produktgruppe, ging der Ab- satz im ersten Quartal zurück. Der Patentschutz für Betaferon ist abge- laufen, neue biotechnisch herge- stellte Generika drängen auf den Markt. Zudem haben Novartis und die Merck-Gruppe die Zulassung für neue MS-Mittel beantragt, die nicht mehr injiziert werden müssen.

Auch andere frühere Gewinn- bringer wie das Herzmittel Adalat oder das Antibiotikum Ciprobay ha- ben seit Jahren keinen Patentschutz mehr und verlieren zunehmend an

Umsatz. Die Produkte der Yasmin- Gruppe sind durch Diskussionen um ein mögliches erhöhtes Schlag- anfall- und Embolierisiko belastet.

Die Umstrukturierungen in der Ära Wenning

Nach einer Stunde ist Wennings Vortrag vorbei. Die Zuhörerreihen in der großen Messehalle haben sich inzwischen gelichtet. Es ist elf Uhr, im Bistro gibt es jetzt Bock- würste und Frikadellen mit Bröt- chen. Die Aktionäre sind zufrieden mit Wenning, der seit 44 Jahren bei Bayer arbeitet – die letzten acht Jahre als Vorstandsvorsitzender.

Im Saal geht es inzwischen ohne Pause weiter: Wenning habe Bayer ein neues Gesicht gegeben, würdigt der Aufsichtsratsvorsitzende, Man- fred Schneider, die Leistung des Vor- standsvorsitzenden. Wenning hatte seinen Vorstandsposten in harten Zeiten angetreten: Bayer musste den für seine gefährlichen Nebenwir- kungen berüchtigten Cholesterin- senker Lipobay vom Markt nehmen, und zudem lahmte die Chemiekon- junktur. Dann begann Wenning um- zustrukturieren: Während seiner Amtszeit wurden 43 Milliarden Eu- ro für Käufe und Verkäufe hin- und herbewegt. Zu den größten Verände- rungen zählen der Kauf von Sche- ring und die Ausgliederung eines Teils des Chemiegeschäfts, der unter dem Namen Lanxess 2005 an die Börse gebracht wurde.

Verblieben sind unter dem Dach einer Holding die eigenständigen Konzerne Pharma, Agrochemie und Kunststoff. Mehr als 100 000 Mitar- beiter arbeiten in mehr als 300 Ge- sellschaften. Theoretisch ließe sich dieses Geflecht leicht zerschlagen.

Die Agrosparte Bayer Crop Science könnte an die Börse gebracht wer- den oder der Kunstoffbereich Mate- rial Science verkauft werden. Insbe- sondere der Bereich Kunststoffe ist sehr konjunkturanfällig. Es gibt im- mer wieder Stimmen, die eine Kon- zentration auf die Pharmabranche fordern. Konkurrenten wie Novartis, Roche oder Sanofi-Aventis haben sich bereits in reine Gesundheits- konzerne gewandelt.

Wennings Werk ist auch die neue Gewichtung der einzelnen Ge-

schäftssparten. Der Anteil der er- tragsstarken und wenig konjunktur- anfälligen Bereiche Gesundheit und Agrochemie ist auf etwa 73 Prozent gestiegen. Anfang der 90er Jahre lag er noch bei circa 43 Prozent. Inzwi- schen generiert der Gesundheitsbe- reich die Hälfte des Umsatzes.

Branchenkenner erwarten, dass der neue Vorstandsvorsitzende, der Niederländer Marijn Dekkers, den Kunststoffbereich abspalten wird.

Bayer selbst betont allerdings stets, dass alle Sparten erhalten bleiben sollen. Dekkers war im Januar in den Vorstand eingetreten und wird das Unternehmen ab Oktober füh- ren. Der Manager ist in den USA aufgewachsen. In Deutschland hat er bisher noch nicht gearbeitet. Er gilt als Umstrukturierer, angenehm im Umgang, hart in der Sache.

Zuletzt hat er den Laborausrüster Thermo Electron geleitet und das in Dutzende Teilgesellschaften zer- splitterte Unternehmen auch durch die Übernahme des größeren Kon- kurrenten Fisher Scientific auf Kurs gebracht. Der Umsatz des Unterneh- mens stieg unter seiner Leitung um das Fünffache.

International betrachtet gibt es noch Aufholbedarf

Die Erwartungen an Dekkers sind hoch. Wenning hat zwar die Kehrt- wende geschafft und das Unterneh- men wieder auf das Ertragsniveau der späten 90er Jahre gehievt. Bay- er verdient zudem besser als die meisten deutschen Industriekon - zerne. Aber im Vergleich zu inter- nationalen Konkurrenten sind die Wachstumsraten und die Ertrags- kraft der einzelnen Bereiche noch steigerungsfähig.

Um 19.27 Uhr erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende, Manfred Schneider, den Hauptversamm- lungsmarathon für beendet. Nur wenige der insgesamt 4 000 Aktio- näre, die Ende April die Bayer- Hauptversammlung besuchten, ha- ben bis zum Schluss ausgehalten und alle drei Fragerunden verfolgt.

Trotz der circa 30 kritischen Rede- beiträge von Aktionären und diver- ser Gegenanträge wurde der Vor- stand wie erwartet entlastet. ■ Petra Prenzel

W I R T S C H A F T

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