DigitizedbyGoogle
<36600489560013
<36600489560013
Bayer. Staatsbibliothek
DigitizedbyGoogl
ith.
k.
Ist denn
DIE PEST
wirklich ein ansteckendes Uebel?
Von
Db. f. pruner,
z. Z. Director des CentralspiulesinKairo, Mitgliedmehrerergelehrten GeselUchaften.
Ist denn
? h
DIE PEST
wirklich ein ansteckendes Uebel?
Von
Dr. F. PRUNER,
z. Z. Liirertoi- des CentraUpitalei inKairo,Mitgliedmehrerergelehrten
Hanc igiturterrorem animi teaebrasqueaeceifttest [Von radii lolisaeque lucidatela diei
Ducutiaat, ted natura*tpecies ratioqne.
Hftneheii)
Verlag
der literarisch.artistischen Anstalt.Meinen lieben Freunden
im
In- und Auslände
•Ii
Zeichen treuer Anhänglichkeit
gewidmet.
DigitizedbyGoogl
Vorwort.
Jahrtausende sind
verflossen, seitder Würg-
engel
niederstiegan
dieUfer des
Nils, seitApollo
seine vergifteten Pfeileabschofs
ins griechischeLager.Die angeseuchten Nationen sind
zerstreutund
vernichtet, dieGötter
selbstsind
vergessen;das Uebel
leideristgeblieben.Der Heide milderte mit Sühnopfern den Zorn der Götter, der Muselmann entgegnet der Seuche mit
stillerErgebung, der Christ
ziehtdagegen —
eingebildete— Schranken. Man
sehe
diese Parallelenicht
als eineParodie auf
dieVernunftgesetze an;
selbstdas mosaische Gesetz befahl
jaAbsperrung gegen den
Aussatz.Allein wenn
eserlauot
ist,die griechischenHel- den Thoren zu nennen, weil
sieden Zorn von Wesen beschwichtigen, deren Daseyn
fabelhaft ist;wenn
eserlaubt
ist,den Anhängern des
Is-lams
alsApathie und Stumpfsinn das
auszulegen,was
sieselbstFügung
indieunwiderstehlichen Rathschläge der Gottheit nennen
, somag
esdenn eben doch auch keine Sünde seyn
,wenn
von chrisdichem Aberglauben
inBezug auf
diePest
hiermit
einpaar Worten Erwähnung
ge- schieht.Denn
ein fürallemal
ist esinunserm
VI
Falle
buchstäblich wahr: der Heide
betet,der Muslim
bleibt, es fliehtder
Christ.Mit welchem Rechte nun
?das
ist hier die Frage.Ich bin
bei dieserernsten Untersuchung weit
entfernt,ehrwürdige
Institutionenantasten
,wohlwol- lende Männer
tadeln,und wenn auch
einnoch
so kleinesVerdienst mir
alleinaneignen zu wol-
len. Allein ich halte es
nichtsdestoweniger
für eineheilige Pflicht, indiesem Augenblicke,
wo zwei europäische Mächte mit Ernst und
Eifer eine
Frage anregen, welche gewife zu wolthätigen Resultaten führen wird, auch mein
Sclierflein
dem Vaterlande nicht vorzuenthal-
ten.Denn
diedeutschen Fürsten haben wäh- rend der Wanderung der Cholera im Werke
gezeigt,
wie sehr
sie bereit sind,durch That und
Beispielunabhaltbare Uebel zu mildern.
Es
istmir dabei wenig darum zu thun, meine Ansichten
beiAndern etwa einzuschwärzen.
Wäre
ichjedoch
so glücklich,beimeinen Col-
legen diefesteUeberzeugung zu begründen,
dafs die jetztvorwaltenden Ansichten über
dieAn-
steckungsfähigkeit
der
Pestauf jeden
Fall sehr schief stehen,und könnte
ichdem Publicum den Alp
erleichtern,der
esbeim blofsen Namen
des
Uebels zu erdrücken
scheint, sowürde mir das der
süfsesteLohn
für alleEntbehrungen seyn
,welche
ich seitJahren
, fernevom Va-
terlande
und den Freunden
, erleide.Kairo, im Mai 1839.
Dr. Pruner.
DigitizedbyGoogle
Inhalt.
I. <aiiltrl.
Hinblick aufden Gang der Epidemien in Aegypten vor und nach derletxten Pestepidemie .
II. Capltel.
Iit die PestinAegypteneinheimisch? Unter welchenFor- men äufsert sie sich daselbst? Und was sind ihre wahrscheinlichenUrsachen?
III. fapfttel.
Folgerungen ausdemVorhergehenden
Die Natur der Krankheit und ihre Behandlung u. t. w.
betreifend
DigitizedbyGoogl
I«
Capltel.
Hinblick
aufden Gang
derEpidemien
inAegyp-
ten vorund nach
der letzten Festepidemie.Man
erlaube mir erzählend zu beginnen und mit Schlüssen zu enden. Obgleich dieserGang
der Unter- suchung nicht in streng scholastischerForm
sich be- wegt, so ist doch diefs eben der ganz natürlicheWeg,
der mich zu den Endresultaten führte, welche die Ent- scheidung der Frage in sich schliefsen.Es
war im Augustmonate des Jahres 1831, als ich 1831- zu Tripoli in Syrien Folgendes beobachtete. Ein un- garischerBedienter, der kaum von einem rheumatisch- galligen Fieber zu genesen angefangen, erlaubt sich während der Convalescenz Unordnungen in Speise und Trank.Es
folgt grofse Abgeschlagenheit mit Frost, gal- liges Erbrechen und Kopfschmerz; unmittelbar darauf allgemeiner venöserTurgor mit Hitze: der Puls fieber- haft und weich, dieZungegelblichweifs, Drückeninder Magengegend und Angst.Man
verschreibt ein leichtes Brechmittel und gibt nach dessenWirkung
sechsGrane schwefelsauresChinin. DasFieberdauertfort, dieAngst mehrt sich mitZunahme
der andernSymptome.Am
zweiten Tage biliöser Durchfall, Schmerzen im Blind- und Grimmdarme.Man
machterweichendeUm-
schläge und gibt Gummiwasser.
Am
drittenTage find'ich beimeinerRückkehrvom
Libanon den Kranken in folgendem Zustande: kalte,DigitizedbyGoogle
2
blaue Extremitäten, die
Wärme
der übrigen Theile mäfsig, die desUnterleibesbedeutend; derKopfschwer, die Augen etwas geröthet und die Augäpfel etwas hervorspringend, ein blauer Halbkreisum
das untere, eingesunkene Augenlied, dieNase zugespitzt, dieLippenblaß». Das Athmen etwas beschleunigt undmit Seufzern unterbrochen, grofse Angst.
Der
Puls schnell, häufig, schwach, klein, manchmal unregclmäfsig.Der
Zungen, beleg dünn, etwas gelblich,kaum
dann und wannetwas trocken.Der
Unterleib etwas aufgetrieben, inderrech- ten Seite, besonders bei tiefem Drucke etwas schmerz, haft, das linke Hypochondrium besonders aufgedunsen;gelbgrüner Durchfall mit weifsen Flocken.
Der
Krankefühlt sich sehr schwach und delirirt; dessen ungeachtet setzt er sich Ton Zeit zu Zeit auf,
kömmt
zu sich und klagt selbst über dieVerwirrungderIdeen.— Er
nimmt Gummiwasser mitBaldrianthee, später eine leichte aura camphorata. Augenblicklich tritt etwasWärme
ein.—
Abends zwei Senfteige an die
Waden
und einen an das HnkeHypochondrium;WaschungenmitlauemKampheressig.Am
vierten Tage Morgens nimmt die Kälte allge- mein zu, blofs dieWärme
des Unterleibes wächst; der Puls wankt. Brechreiz und Erbrechen desGummiwas-
sers. Ohnmacht, der Kopf zurückgeworfen mit leich- tem Kinnbackenkrampfe. Die Senfteige haben nichts gewirkt.
—
Umschläge von heifsemWasser an dieFütse;dreiGrane
Kampher
mitBaldrianthee. Momentane Rück- kehr des Bewufstseyns; sodann Sonor: der Kranke ant- wortet jedochauf die wiederholten Fragen stammelnd.-—Abermals heifses Wasser an die
Waden
mit demselben Erfolge, doch nur sehr vorübergehend.Der Tod
sanftum
12*/2
Uhr
Nachmittags. DerMund
weit offen und etwas krampfhaft verzogen.Die Leichenöffnung wird
am
nächstenMorgen um 7%Uhr vorgenommen
bei20° Rectum.DieExtremitätensind wenigsteif,aber sehrdunkelblau, sowie auchdieZeugungs-DigitizedbyGoogle
3
theile. .AasallenOeffnungen strömt schaumige Flüssig, keit, besondersaus
dem
After beidem
leichtestenDrucke auf denUnterleib.Der
Geruchmäfsig. Der Bauchleicht meteoristisch; in seiner Höhle Ergufs von etwas bräun- lichem Wasser.Der Grimmdarm
hier und dort etwas auf der Schleimhaut geröthet. Die Schleimdrüsen des Magens und Dünndarms sind leicht angeschwollen, wie beim anfangenden morbusmucosus IT agleri, dabei roth undbräunlich injicirt. Die Peyer'schenDrüsenimIleum und namentlich gegen dasCöcum
hin geschwollen aber nichtverschworen. DieMilz bedeutendaufgetriebenund erweicht. Diemescnterischen undlymphatischenDrüsen überall geschwollenundmitschwarzemBlutegefüllt.DieanderenHöhlendesLeichnamswurdennicht geöff- net;dennderKlostervater,indessenBehausungderKranke verstorbenwar, hattemir schonwährenddesletztenTages der Krankheittheilsmitumschreibendenundtheilsmitkla- renAusdrücken,theilsmitstillerMimikundtheilsmit lautem Geschrei zu verstehen gegeben,dafsesmitdieserKrankheit einbesonderes Bedeutenhabe. Alsichnunvollendsineiner EckedesGartensohne seinWissenzur Zergliederungge- schritten war, da überraschte er mich mit Heulen und Schreien, beschwur mich, unduntersagtemirförmlich weiter zufahren, „dennich würde dasKloster fürJahre langcompromittiren."
Wohl
hatte ichselbst, sowie auch meinreisender College währendder Krankheit den Kopf wechselseitig geschüttelt, undesdrangsichunsbesonders gegen dasEnde
der Gedanke auf, dasUebel sey pestar- tigerNatur.Wir
getrauten uns übrigens daskaum
zu gestehen: sosehrwarenwirnochNeulingehierzu Lande.Es
mögen
die Aerzte selbst entscheiden, welches der wahreCharakterdieserKrankheit gewesen,? ImVerlaufe meiner Untersuchungen werd' ichwieder auf diesen Fall zurückkommen.Man
wird dann sehen, zuwelchemZweck
ich ihn hier angeführt. Ich selbst hattedenselben fast vergessen, bisich später
—
im Jahre1834—
michDigitizedbyGoogle
4
überzeugte, dals es gut sey, ihn im Gedächtnisse zu behalten.
Zurselben Zeit
—
gegenEnde
Julius—
warderCholera, morbusbereits inganzAegypten eingebrochen, nachdem er zuvor in Arabien unter den Pilgern schrecklich ge- haust hatte. So wie deren Karawanen in Syrien ein*zogen, brachauclidort dasUebel an verschiedenenPunk- ten aus, jedochwenigerheftig alsinArabien und Aegyp-
ten. Aleppowarübrigens schonimJahre1803voneiner bedeutenden Cholera - Epidemie heimgesucht worden, welche angeblich 8 Jahre lang von Indien aus zu ihrer
Wanderung
dahingebrauchthalte.W
irerreichtenBeth- lehem, als dort die Seuche bereits imAbnehmen
war.Ebenso fanden wir zu Alexandrien im Marinespital nur noch einige Fälle, die zurNothhinreichten, unsein Bild
vom
Verlaufe dieser Krankheit zu verschallen. Es istübrigens dieseEpidemie von andern Aerzten beschrieben worden, undich weise blol's darauf hinmit
dem
Bemer- ken, dafs seit der erwähnten Kpoche. wieman
später sehen wird, jeneKrankheit in Aegypten und denumlie- genden Ländern nieganzerloschensey. ZugleicherZeit meldeten die Zeitungen, dafsinKonstantinopel Pest und Cholera wüthe. Letztere wardem
Aufhören nahe zur Zeit,wo
gewöhnlich in Alexandrien die Wechselfieber beginnen. Dieses Jahrfolgten deren nurwenige undei- nige Typhusfieber. Auch in Kairo und derUmgegend
folgteallgemeine Gesundheit der Seuche.
183?* Im Monate Märzdes Jahres1832
kam
ichzufälligvon Abuzabelin die Hauptstadt, und wurde von hier nach Boulacquegeschickt,um
einen krankenMann
zu besehen, deraufser allenandern Zeichen der Pest auch zweiBubo- nen hatte.Er
starbam
fünften Tage der Krankheit.Diefs war das erste deutliche und mir unvergeßliche Bild von einem Uebel, das ich bishernurausBeschrei- bungen gekannt.
Ohne
besonderenLärm
zu schlagen, berichte ich die Sache meinen Vorgesetzten, und ichzedbyGoogle
5
hörte nichts weiter von ähnlichen Fallen, bis im Monat Junius mir eine grofse Anzahl Buboncnkranhc auf die chirurgische Abtheilung kamen, die ich damals im Spi- rale zu Abuzabcl besorgte. Diese Bubonen waren von keinem Allgemeinleiden begleitet; sie waren
— zum
Ueberflusse sey das gesagt—
weder von syphilitischer nach scrophulöscr Natur. Zu gleicher Zeit sah ein ver- dienter Arzt zu Kairo im Militärspital einige Pestfälle.In Oamiettc brach eine Epidemie aus, die von einem meiner Freunde genau beobachtet, und auch von ande- ren in der Sache sehr erfahrenen Aerzten als Pestepi- demie bezeichnet wurde. Sic begann im
Harem
des Gouverneurs, war sehr bösartig, ging jedoch von den Eingebornen nicht auf die Garnison über.—
EinigeMo-
nate später fanden sich Pestfälle in einem österreichi- schen Schiffe zu Alexandrien, welches aus Konstantino pcl
angekommen
war. Die kranken Matrosen waren in der Stadt gewesen, und hatten mit den Bewohnernder- selben nach Gutdünken Gemeinschaft gepflogen.Man
setzte das Schiff, wie mich der dienstthuende Arzt selbst versicherte, erst dann in Quarantaine, als die Kranken das Bett nicht mehr verlassen konnten, das heifst, als bereits Carbunkel und Bubonen bei ihnen
zum
Ausbruchegekommen
waren.War
diese Pest aus Konstantinopcl oder ägyptischen Ursprunges? fragte ich mich damals. Das SchiffwarschonseiteinigenWochen
in den Hafen eingelaufen. Obgleich
man
fürchtete, die Pest würde dieses Jahr nicht ausbleiben, so erschien doch an ihrer Stelle während des sehr strengen Win-ters 1833 nur eine heftige Grippe, im Frühjahre und 1833.
Sommer
etwas Typhus.Ich glaubte diese kleine Lebersieht voraus senden zu müssen, und werde später auf manches darin Ent- haltene wieder zurückkommen.
Im März 1834 bemerkten wir in Kairo mehrere1834.
Pestfälle. Darunter behandelten wir einen an der
Magd
DigitizedbyGoogle
eines Arztes mit Bubonen in den beiden Achseln. Zur nämlichenZeitkamen TruppenausSyrien, die an unge- mein hartnäckigen Wechselfiebern litten, welchehierin Kairo zuden seltenem Krankheiten gehören. Esstarben viele dieserKranken. Die Leichenöffnungen wiesen be- ständigMilzübclnach: von der einfachen Anschwellung, Erhärtung und Erweichung bis zur Vereiterung, und bei einigen sogar bis
zum
Brande. Gegen den Herbst zu nahmen diese Fiebermehr
den Charakter dercotu tinua remittens an; und bei Vielen war das üebel so bösartig, dafs sieam
vierten oder fünften Tage in der Exacerbation oder ineinemförmlichen Paroxysmus star- ben. So schlimme Krankheiten erregten unsere ganze Aufmerksamkeitum
so mehr, da seitdem
Monate Ju- lius in Alexandrien häufiger Pestfälle vorkamen.Man
werfe einen Blick'zurück auf die Krankheitsgeschichteam
Eingänge des Capitcls. Sie ist ein treues Bild der Fieber, welche damals in Kairo herrschten. In den Leichen häufig Petechien auf den serösen Häuten, be- deutende Anschwellungen der Lymphdrüsen im Unter- leibe, die Zeichen venöser Congestion im Gehirnundin den Baucheingeweiden. Aufserdem die genannten Milzübel.
Wir
bemerkten uns alsdann gegenseitig oft bei den Leichenöffnungen, dafs ein pestilentieller Cha- rakterin diesenKrankheitennichtzu läugnensey. Dazukam
eine kleine Blatterepidcmie mit Anfang des Win- 1835. ters, undim Jänner die ersten neuen Pestfällc. Im Fe- bruar begann dieEpidemie zu Kairo, während sie schon einige Monate in Alexandrien gewüthet hatte, und all-} mählich verbreitete sie sich über ganz Aegypten. Es
; kann hier
um
so weniger meinZweck
seyn, eine aus- führliche Beschreibung dieser allgemeinen Seuche zu liefern, da ich damals in einem Auftrage des Vicekö- nigs inArabien mich befand. Ich halte jedoch für un- erläfslich, folgende kleine Uebersicht aus den münd- lichen Mittheilungen meiner Collegcn hier anzureihen,DigitizedbyGoogle
7
um
so mehr, da anscheinendfür die Ansteckung spre- chende Thatsachen darin nicht ermangeln. Ich werde jedoch nur das als Thatsache anfuhren, was wirklich von gültigen Augenzeugen bemerkt wurde. Die min- deste Ungenauigkcit und Verschiebung der Ereignisse dabei führt zu falschen Ansichten. Ich selbst waram
Anfange meiner Untersuchungenzum
Thcil darin be.fangen, da hier, wie überall in derWelt, die Leiden- schaft und der Parteigeist gar leicht den Gegenstän- den und Begebenheiten eine eigeneFarbe geben. Erst als ich genau und kritisch die Thatsachen untersuchte und sonderte, gelangte ich zu ganz anderen Resultaten.
Der
erste Pestfall, welcher den Acrzten und Be- hörden hier aufßcl, fand sich an einem Malteser, der nach 25tägigcr Nilfahrt von Alexandrien inKairo ankam.Er
hatte bereits die anfänglichenSymptome
der Krank- heitam
letzten Tage seinerHeise, konnte jedoch noch herumgehen, und starb nach zwei Tagen mit Bubonen.Erst nach 23 Tagen erkrankte dessen Bruder, nach ei- nigen Tagen ebenfalls ein zweiter Bruder, und beide starben; ebenso zwei Bediente undeine Sklavin, so wie auch ein im Nachbarhausc wohnender Grieche, der an- geblich von der Terrasse aus mit der Sklavin Gemein- schaft gepflogen halte.
Man
hatte von vorn herein diese Häuser in Quarantainc gesetzt.Von
nun an ka-men
auch in das, Centralspital, welcheszum
Pestspitale umgewandeltworden, mehrerederlei Fälle von der hef- tigstenArt, und zwar an Personen, die mit jenen keine Gemeinschaft gehabt hatten; und in kurzem ward das Lehel allgemein, und stieg auf seinen höchsten Grad.Nach der ersten Leichenöffnung im Pestspitale starb ein neuangekommenerfranzösischer Arzt, und bald dar- aufein Pole desselben Fachesund imnämlichen Dienste.
Sehr viele Krankenwärter und vieleApotheker erkrank- ten daselbst und starben. Die Häuser Ihrer Hoheiten und die öffentlichen Anstalten wurden auf Rcgierungs-
DigitizedbyGoogle
8
!
- I
befehl in Ouarantaine gesetzt. Viele, besonders euro- päische Privatleute folgten demselben Beispiele. In den ineisten öffentlichen Anstalten, besonders in den Schulen, bemerkte
man
auch nicht Einen Pestfall; in vielen Häusern von Privaten, und selbst imHarem
des Vicekönigs,wo man
ebenfalls die strengste Quarantaine beobachtete, fanden sich jedoch häufig Pestfälle. Beide Reihen von Thatsachen sind unläugbar. Im Verlaufe der Epidemie starben noch zwei alte Acrzte an der Pest, beide abgelebt und seit etwa 30 Jahren hier zu Lande ansässig. In den Häusern, wohin die Pest drang, erkrankten gewöhnlich mehrere Individuen, und in vie- len starben fast alle Bewohner. Das Lehel verbreitete sich bis nach Oberägypten, und Reisende kamen damit behaftet bis nach Gedda in Arabien,wo
sie mit den Einwohnern in Gemeinschaft traten, ohne dafs die Krankheit auch nur auf Ein Individuum daselbst über- ging. Es herrschten in dieser Stadt so wie zu Mekka damals unter den Pilgern bösartige, gallige Fieber.Viele Personen starben daran schon nach einem vier- tägigen Leiden, das in seinem Verlaufe
dem
gelben Fieber ähnlichwar. Allein auch nicht EinPestfall kam zu unserer Henntnifs. Die Pestepidemicnahm
ab in der zweiten Hälfte des Maimonats, und erlosch gänz- lich zu Kairo mitEnde
Iunius. ImAugust zeigten sich in genannter Stadt viele Cholerafällc. «Eine allgemeine Gesundheit folgte.1836« Nichtsdestoweniger bemerkte
man
im Jahre 1836vom
Jänner an neuerdings mit katarrhalischenKrankhei- ten und Masern untermischt gelinde Pestfalle, nament- lich Bubonen ohne Allgemeinleiden.Vom
Februar bis Iuniusdagegen trat die Pest in derselbenForm
wie im verflossenen Jahre wieder auf; nur war sie ungemein weniger ausgebreitet.So ward ich z. B.
am
29 März Nachmittags zu ei- ner Griechin gerufen. Diese Frau hatteMorgens beimDigitizedbyGoogle
Eintritte ihrer Menstruation während eines Streites mit der Dienerschaft sich etwas erhitzt, undplötzlich traten folgende
Symptome
ein: Schüttelfrost, Kopfschmerz, Abgeschlagenheit, zweimal galligesErbrechen mit etwas Schleim. Die Kranke kann sich nich'tmehr
aufrecht halten, und legt sich zu Bette. Ich fand sie brennend heifs, das Gesicht und die Augen bläulich aufgedunsen, mitdem
Gefühle, als hätten diese in der Augenhöhle nichtRaum
genug; grofse Angst, der Puls fast unzähl- bar, schnell, weich, etwas turgescirend; die Herzgrube beim Drucke etwas schmerzhaft, die Zunge feucht und weifslich belegt; die Menstruation unterdrückt. Zwan- zig Blutegel an die Schamtheile und eine Weinstein- Limonade wurden verordnet.—
Abends alle Symptome gesteigert, besonders der Kopfschmerz and die Angst;abermaliges Eibrechen mit großer Unruhe, die an Ver- zweiflung gränzt. Der Unterleib aufgetrieben. Seit gestern kein Stuhlgang. Sechzehn Blutegel hinter die Ohren nebst einem erweichenden Klystiere; Gaslimona- ten.
—
Die Nacht vergeht schlaflos.—
Den
30 Morgens klagt die Kranke über Schmerzin der Achselgegend, mit
dem
Bemerken, dafs sieschon seit 20 Tagen eine kleine Drüsengeschwulst daselbst habe. Die Untersuchung zeigt einen Bubo. Die Ma- gengegend ist ganz besonders empfindlich; die Angst wächst; der Puls#stgesunken. ZwanzigBlutegel an die HerzgrubemitCataplasmen. Ein erweichendesKlystir.—
Es erfolgtDiarrhöe.
—
Ich hegte keinen Zweifelmehr
über die Natur der Krankheit.Man
ruft jedoch einen andern Arzt zurConsultation, der die vorjährigeEpide- mie vonihrem Anfange biszum Ende
beobachtet hatte.Er
stimmt dahin überein, dafs die Kranke pestkrank sey.Wir
halten es jedoch klüger, darüber zu schwei- gen: denn bereits hattenmehr
als dreifsig Personen mitdieserKranken commumeirt Gegen Abendklagtsie über rasendeSchmerzeninder rechtenAchselgegendundinDr.Prmner, überdie Pest. 2
10
derselbenHälfteder Brust
— vom
FortschreitenderDrü.sengeschwulste.
—
Ihr Antlitzbekömmt
einen eigen, thümlichen Anstrich: die Augen glänzen, ohne die Ge- genstände zufixiren, dieNasespitztsich zu, unwillkür- liches, krampfhaftes Lächeln, Stammeln, schnelles und mit SeufzernundGeschrei unterbrochenesAthmen.Ex
consilionoch 50 Blutegel an dieHerzgrube.
—
Den
31 Morgens tritt nach einer sehr stürmischen Nacht etwasRuhe
ein, allein nur vorübergehend. Bald verdoppelt sich die Intensität allerSymptome
des Collap- tas. Schweifte, anfänglichwarm,
bald aber an den Ex- tremitäten erkaltend; die Diarrhöe vermehrt, und der Krankenunbewufst; der Puls wandelbarundaufjedeArt unregelmäfsig; dieAngst unaussprechlich. Baldrianthee mitKampher
nebst heifsen Umschlägenmit einerstarken Senfabkochung an die Waden.Kaum
einige Reaction zeigt sich.Von
Zeit zu Zeit leichtes Delirium. Das Blut fliefstnochaus denletzten Blutegelstichen, und istschwer zu stillen. Sehnenhüpfen mit convulsivischem Lachen.
—
Abends erkennt die Kranke Niemand mehr;jedochantwortet sievernünftigaufkurzeundwiederholte Fragen, undbeschäftigtsich stetsmitAnempfehlungihrer Kinder analleUmstehende. Sehnenhüpfen, Flokenlesen undMückenfangen. GrofseAngst wecbseltmitauffallender Ruhe; das Gesicht drückt wenig Leiden aus.
Der
Puls hat bereits an derbrachialis aufgehört^und doch spricht die Kranke noch einigemal ziemlich laut. Eserscheinen Petechien von den Extremitätenzum Rumpfe
fortlau- fend. Endlichum
81/» Uhr Nachts hert die Respiration, mit Einem Male auf wie abgeschnitten.—
Niemand vondenVielen, welchedieKrankebesucht und gepflegt hatten, kanntendie Natur des Lehels. Be.
sondere Rücksichtenbewogen dieAerzte
zum
Schweigen.Keiner vonden Besuchernerkrankte. EinigeTagespä- tersahen wir eine Jüdin mit denselben
Symptomen am
drittenTageder Krankheit verscheiden. Sie hatte eben-
DigitizedbyGoogle
11
fallseinen
Bnbo
unterderAchse), undPetechien brachen währendderAgonieaus. Hier wuftteJedermannum
die NaturdesLebeis. DiePatientinwurdedessen ungeachtet von ihren zahlreichen Freundinnen lieberoll gepflegt.Niemand aus ihrer
Umgebung
erkrankte, AehnlicheEr- eignisseerzählenunsdieAlexandriner-Aerzte.Nunmehr
kamen aber derlei Fälle auch zahlreicher insKrankenhaus, welchesichdamalsdirigirte, und viele sah ich in der Stadt mit glücklichem und unglücklichem Ende. Im nahe gelegenenSpitale su Abuzabel beobach- teteman
gleichfalls mehrere Pestfälle. Niemand dachte dieses Jahr an eine Quarantaine. Nirgends fand sich eine Spur, dafsdieKrankheit sichvoneinerPerson zur andernfortpflanzte. Die meisten ins Spitalkommenden
Krankenhattenschon beiihrer AufnahmedieSymptome
der Krankheit klar und vollständig.Man
legte sie in eigene kleine Säle. Diejenigen, welche erst im Spitale pestkrank wurden, waren nur 3—
4, undbefanden sicham
Anfange des Lebeis unterdenübrigen Kranken. Nie-mand
vondem zum
Krankendienstebestimmten Personale erkrankte an derPest; einigeaberwohlam
Typhus, der damals epidemisch in der Stadt und besonders unter den Truppen herrschte, jedoch mit geringer Sterblich- keit. Viele behandelnde Aerzte erkranktenam
Typhus, keiner vonihnen starb. Er hatte damalsleichtkatarrha- lischen Charakterund trat ohnebesondere Coroplication auf.Zu
Damiette herrschte eben dazumal diePestepi- demisch.Der
nächste Winterverflielstmitdenhiergewöhn-jgj^
liehzu solcher Jahreszeit herrschenden leicht katarrha- lischenLebein. ImFrühjahreerscheintneuerdings etwas Typhus mit bösartiger Dysenterie undeinigen Blattern, gegen den Herbst Cholerafalle ,*) besonders unter den
*)In ungefähr 11 Tagen beobachteten wir 39 Cholerafalle im Ccntralspitale, davon nur 4 von aufsen kommend,
dieübrigen an sehwachen undabgezehrten Subjecten mit 2 *
S
DigitizedbyGoogle
1%
ConvalescentonimSpitale. Eineinziger Pestfallaneinem koptischen Schreiber
kömmt
zu unsererKenntnifs.1838. Merkwürdiger undbedeutenderistdieKrankheitsfolge des Jahres 1838. Nach der gewöhnlich hier allgemein herrschenden Gesundheit
vom
OctobcrbisEnde
Jänners erscheintmitEinem Maleeineallgemeine, heftigeGrippe.Dieersten davon Befallenenwaren fastganze zwei
Com-
pagnien dessyrischen Garderegiments, welche denMeh-
mels d. i. den nach Mekkabestimmten Teppich begleitet hatten. Bronchien, und Pleura-Entzündung war dabei vorherrschende AtTection mit bedeutender Congestion
zum
Kopfe. Viele starbenanHydrothoraxundEmpyema.
Zusehendsentwickelte sich gegen
Ende
desMärzmonats der Typhus unter den Truppen, und bald erfolgte die furchtbarste Epidemie dieser Art, dieman
vielleicht je gesehen. Beieinem Krankenstande von2500in derHöhe
der Epidemie waren fast2000 vondem
Uebel befallen.Die Sterblichkeit stieg bis 50 des Tages.
Was
dabei merkwürdigwar,istderUebergangdesTyphusbeiVielen indieselbe Choleraformwiediedes vorigen Jahres. Die meisten Todfälle fanden im Zustande der Cyanose statt.*) Blattern folgten. Zur selben Zeit ist die Pest zuJeru- salem, Bethlehemu.s.w.—
,
folgendem Charakter: mäfsiges Erbrechen, leichterCho- leradurchfall mit schnell eintretenderCyanose und gänz- lichemVertrocknen binnen 12
—
18Stunden. Es starben2 DrittheilederdavonBefallenen.
•
*) Diese grausame Epidemie herrschte ausschließlich unter den Truppen; bei den Stadtbewohnern fand sich davon keine Spur. FünfneueRegimenter warennämlichinaller Eile gebildet worden. Die dazu bestimmten Becruten ka-
menermüdet, entblöfst, undvielehalb verhungert inder Hauptstadtan. DaselbstwurdedereneineUnzahl anfangs in schlechtenLocalitätenzusammengepfercht, sodanninenge Casernen vertheilt, w.> sie mit Eineinmale strengenUe- bungen währendder Hitze unterworfen wurden, und un-
DigitizedbyGoogle
18
• • •
Den
Winter 1839hindurch viele katarrhalischeUe- 1839.bei, gegen das FrühjahrBlattern, Rose, Morbillen, Urti- cariamitdengewöhnlichen Pleura- undBronchien- Ent- zündungen. ZweiPestfällefinden sichzuEmbabe, inder gewohnteKost genossen. Dazukamnoch öfters Wasehen der KleiderimFlusse nacktund derSonneausgesetzt; bei der NachtKühle oder miasmatischeLuft. Alle dieseUm- stände wirkten nebstden bei Becrutcn gewöhnlichen
mo
raiischenVebeln zur schlechtenJahreszeit. KeinWunder denn, dafsTyphussich erzeugte. DieKrankenselbstbrachte manin Orte, die wohl den Namen vonSpitälern fuhren, aberin derThatwahreCloaken sind:so unglücklichund mangelhaftistihre Einthcilung, sobeschranktistihrRaum, so angefüllt sind sie mit Abtritten. Soz. ß.waren 1700 Kranke in einenRaumzusammengedrängt, der 900 Retten enthält. Zwei Drittheile derKrankenwärter und mehrere Aerzte erkrankten. Von den erstem starben sehr viele, Niemand von den letzteren. Die Krankenschienen oftin volle Convalescens getreten: dasTypbusfieber hatte auf- gehört, Zunge und Haut warenfeucht, alleübrigen Func- tionen geregelt. AbernacheinigenStundenundoft plötz- lichward dieZungebläulich,der Pulskleinundspastisch, es zeigten sich cholerischerDurchfall undCyanose. Der Toderfolgtelängstens amdrittenTagenachdemBeginnen diesesZustande*. IndenLeichen fandensich venöseCon.
gestionen,leichte Veränderungenauf der Schleimhautdes Darmcanals; weniger Leber- und Milz- Affcctionen, als es hier beim genuinen Typhus der Fall zu seyn pflegt.
Viele starben auchandenFolgen der Pleura-und Bron- chien-Entzündung, welcheden Typhusmanchmalcompli- cirtc. ParotidengeschwülstcbegleitetendenselbendiefsJahr wohlnoch häufigeralsimvorhergehenden. BeiManchen, die sehr schnell starben, fanden sich wohl auchin den .
Leichnamen Petechien, besonders auf den serösen Häu- ten. In der Stadt fanden sich zur selben Epoche viele hartnäckige Diarrhöen undschlimme acute Dysenterien, welche mitBrandendeten.
—
Esisthierwohlder Ort zu bemerken, dafs bei dieser, sowiebeidenvorhergehenden Typhusepidemien an einigen wenigen Kranken sich dieSymptome zeigten, welche das gelbe Fieber charak- tertsiren.
DigitizedbyGoogle
14
NähevonKairo. Hier trittebenfallsderTyphuswieder auf, jodoch wenig häufig. Damit intercurriren einige Fälle vonBubonen. Soeben erfahrenwir, diePestsey zuGazaan dersyrischen
G
ranze.—
Man
wird im Verlaufe der folgenden Untersuchun- gen sehen, dafsdiese kleine Uebersicht nichtunwesent- lich ist, sondern dafs die darin enthaltenen Tbatsachen grofsesLichtauf eine soschwierigeMaterie, wiedievon ans gewählte, werfen können.—
si
II« Capltel.
Ist dieFest in
Aegypten einheimisch?
un- terwelchen Formen
äufsert sie sich daselbst?und was
sind ihrewahrscheinlichen Ursachen?
Das Pestübel wurde schon von den Altenfast aus- schliefslich als ein Product des Nillandes betrachtet.
Wann
undwo
es aber ursprünglich entstanden sey, istmit Gewifsheit schwerlich zu ermitteln. Es liegtuns auch weniger an der Lösung dieser Frage. Wichtiger
mag
die Beweisführung seyn, dafs noch heutzutage die Pestin Aegypten sich erseuge; unddas scheintuns eben so schwierignichtzuseyn. Viele und namentlich die handeltreibenden Europäer wünschten freilich in ihremInteressejedeägyptischePestepidemie aus Konstan- tinopel abzuleiten. Alleinwer nureinigermafsendieGe- schichte und die jetzige Lage der Dinge kennt, wird Aegypten seinenRang
als Pestmutter wohl kaumstreitig machen. Es gibtjedoch Theile des Landes, wohindiese Krankheit nie gedrungen ist, und wahrscheinlich auch nie dringen wird, d. i. Oberägypten jenseits Assuan—
ein Landstrich, der genanntes Privilegium mit denLän-
DigitizedbyGoogle
n
dem
derheifsenZone
theilt.Von
den ältestenQuellen der Geschichte bis aufdieWerke
der neuesten Zeitist fast keines, das nicht Aegypten als Pestland beglaubigt.Inkeinem Theite des Orients zählt
man
so riele derley Epidemien wie hier. Kein Jahr vergeht so zu sagen ganz ohne Pest. Das Uebel ist hier injederForm —
von
dem
einfachen, unschädlichenBubo, dendieBewoh- ner Ausbruch nennen, biszu seiner complicirtestenund schrecklichsten Verwicklung. Es äufsert sich oftJahre lang nur sporadisch an Individuen und Orten, welche ferne vonallerGemeinschaft mit Pestkrankensind; d.i.zu Zeiten,
wo
das Uebel weder in Aegyptenallgemein, noch in den angranzenden Ländern davon eine Spurzu finden ist, wie die obigenBeispiele bezeugen. Ebenso verhält es sich mitder epidemischen Form. Eine Pest- epidemiebefällt einen Ort, und ungeachtet derfreiesten Communicatlonbleibt siedarauf beschränkt; währendzu andern Zeiten dieselbefastaufallenPunktendesLandesauftritt, ohne dafs die Absperrung auch nur im minde- sten gegen ihreVerbreitung hilft.
Wo
alle dieseUm-
stände
zusammen
treffen, dawird wohl Niemand an der freiwilligenErzeugungdesUebelszweifeln.Was
nun aber die Ursachen der Pestbetrifft, so glaub'ich ist es hiereben sowenig möglichals bei den meisten Erscheinungeninder Natur, undnamentlichbei Krankheiten, heutzutage auch nur mit einigerWahr-
scheinlichkeit
zum
Ziele der Erkenntnifs zu gelangen.Zwar
habendie reisendenSchriftsteller vieldarüber ge- sprochen und geschrieben; allein ihre Angabenmögen
auch noch so richtigund umfassend seyn: die Schlufs- folgen sind immerhin lahm undmangelhaft.Wäre
die Pest lediglich nur auf Aegypten beschränkt, so könnteman
wohl voraussetzen, dafs in einemso eigenthümlich geschaffenenundbegabten Lande dieNiederung desBo- dens, dasAustreten desStromesmitdem
eigenthümlichen Bewässerungssystem, dieimFrühjahre eintretendenKham-1«
sinwinde und Hitze, die schlechte Bauart der
Wohnun-
gen, das fehlerhafte BegräbtiifsSystem*), der angebliche Schmutz und dieunangemesseneLebensart der Einwoh- ner nebstihrerlymphatischenundverdorbenenConstitution,
zusammengenommen
das Uebel zu erzeugen vermöchten.Allein es gibtErdstriche, indenen ungefährdienämlichen Verhältnisseherrschen, ohne dafs diePestjesichdortge- zeigthätte. IndenNachbarländernAegyptensfindetbeinahe nichts von allem
dem
statt; und doch bat die Krank- heitdort ebenfalls tiefeWurzelgeschlagen, und erzeugt sich daselbst wohl ebenso wie hier.Man
werfe einen Blick auf die Karte, und verfolge das Pestgebiet von den Barbaresken-Staaten bis an den Tigris und das Marmormeer. Welche Mannichfaltigkeitdes Erdreiches, der Erzeugnisse, dcsKlima's,derMenschenracenschliefst nicht diese Pestzone ein! Nur die einzige Thatsachc bleibt bei allem diesem fest, dafs die Pest an genann- tem Küstensaume herrschend, an Häufigkeit und Kraft abnimmt, je mehrman
ins Herz der Festländer ein- dringt. Allein was ist auch mit allen diesen Betrach- tungen gewonnen?—
So weifs man ja auch ziemlich gewifs, dals die Cholera ihre Geburtszone in Indien.*) Wollte manmit einemchrenwerthenSchriftstelleranneh- men, dafs diePestin Aegypten entstanden scy, weilman
diealte Begräbnifsweisc, d. i. die Austroclinung mitder Begrabung vertauschte, so wäre folgender geschichtliche Einwurf zu lösen: wie kommt es, dafs in Italien und Griechenland die furchtbarsten Pestepidemien r.u einer Zeit herrschten, als man dieLeichnameverbrannte?
—
üebrigens ist die altägyptischc Mumienbildung unserer Ansicht nach wohl schwerlich alseinehygienische Maals- rcgcl su betrachten. Sie mag vielmehr die natürlichste Bestattungsart in einem Lande seyn, woLeichen, beson- ders etwasvomNilstromeentfernt, selbstschonamBande der Wüste, und namentlich an den früheren Salzseen, nie in Fäulnifs übergehen, sondern r.unatürlichenMu- mienvertrocknen,wie uns der Augenscheintäglichlehrt.
—
Digitizedby
17
das gelbe Fieber seine
Wiege
in Amerika habe: wer hataberjegefunden, welche UrsachendieseUebelinihren Urstättenerzeugeni EsgibteinenPunkt,wo
dermensch, liehe Geistbis jetzt seineSchranken lindet, und notge- drungen umkehrt. So schmerzlich auch dasGeständnifs seyn mag, so ist es nun doch nichtzu läugnen: dieUr- sachen der Pest sind bis jetzt unbekannt. Dafs die- selben jedoch kosmischer Natur, undmehr
inirgend ei- ner besondern BeschaffenheitderAtmosphärealsanders-wo
zu suchen seyen, daranbleibtnachdem
Gesagten wohl kein Zweifel. DafsdieseAtmosphärevorzugsweise unter bestimmtenWärmegraden, undüberniederemLehm- und Kalkboden sich bilde und wirke, scheint ebenfalls be- stimmt zu seyn.Zwar
ist es ausgemacht, dafs hier zu Lande, wievielleichtauch anderswo, dieEntwicklung der CholeraineinzelnenFällen vorzüglich beischwachenPer- sonendurch animalischeEffluvienunddurchplötzlichein.tretendeNachtkältebei heifsenTagenbestimmtbefördert, odervielleichtsogarhervorgerufen werde. Ebensohaben dieselben Verhältnisse, welche anderswo einzelne und abgeschlossene Typhusepidemien hervorbringen, auch hier denselbenErfolg. Esistdaher wohlaufser Zweifel, dafs
man
einen Typhus auch künstlich erzeugen könne.Allein von derlei Pestfällen oderEpidemienhatunseine achtjährigeErfahrung auch nichtEin Beispiel geliefert.
So wie jedochdie CholeravonihremUrsitze aus sich in zwei Richtungen überdenErdballverbreitet hat, ebenso kann auchdie Pest vonihrem Urlande auswandern, wie die früher in Europa beobachteten Epidemien beweisen.
Wenn
oben von kosmischen, leider unbekannten Einflüssen als Bedingnifs zur Erzeugung der Pest die Bede ist, so kann diefs namentlich nurfür derlei Epi- demien seineAnwendung
finden.Was
aber bei jedem Krankheitsfalleanund für sich ganznatürlich inBetrach- tung kommt, das darf auch bei jedem Pestfalle nicht übersehen werden: ich meine die individuelle Disposi-DigitizedbyGoogle
18
_——
—
tion.
Wir
kennen übrigens von ihrenQuellen eben so wenigalsvon den atmosphärischen Elementen, welche fliese oder jene Epidemie hervorrufen. Die Pest hat darin nichts Besonderes vor anderen allgemein für an.steckend geltenden und hin und wieder auch epidemisch auftretenden Krankheiten. 80 z. B. können wohl auch sogar die Blattern an irgend einem Individuum sich Hafsern und dabei stehen bleiben, ohne dafs
man
ihre Entstehung aus äufseren Einflüssen beweisen kann, und ohne dafseineweitereVerbreitung derselbendurch der.lei oder durch ein Contagium statt fände.
Und
dochist die Blatter unter den acuten Uebeln der Prototyp aller ansteckenden Kiankheiten: denn sie IiiIst sich ein- impfen, was bei der Pest nichtder Fall ist. Geht
man
in diese Reihe derBetrachtangenbeidenfüransteckend gehaltenen Uebelnein, so
kommt man
nothwendig bald zur Leberzeugung, dafs die Grundsätze der Ansteckung auf sehr lockerem Grunde stehen.Doch
davon kann hier nurim Allgemeinen dieRede
seyn.Der
Inbegriff desGesagten ist: so wie z. B. in EinerPersonBlattern sich ausbilden können, ohne dafs dabei Berührung mit Blatterstoff oder andere epidemisch waltende äufsere Einflüsse anzunehmen sind, ebensowohl kann sich inJemand die Pest erzeugen, ohne dafs dazu allgemeine, atmosphärischeVerhältnissenothwendigsind. Diemensch- liche Individualität ist ja in jeder Hinsicht so mannich-
faltig, so eigentümlich, und eben darum so unergründ- lich gestaltet und begabt, dafs sie wohl
immer
in den Tabellen der positiven Wissenschaftenmehr
oder min- dernurin derForm
unendlicherBrücheverzeichnetwer- den kann. Daher ist sie auch der wahre SteindesAn.stofses inder sogenanntenpraktischen Arzneikunde.
So wenigwir also im Standesind, dieentfernteren undnäheren Ursachen zu bezeichnen, welche die Pest in besonderenFällenundinEpidemienhervorrufenundver- breiten: so ausgemacht scheint es doch auf der andern
Digitizedby
G
19
Seite su seyn, dafs dieselbe in einzelnen Fällen
mehr
ausdem
behaftetenIndividuumheraus,beiEpidemienaber indasselbehineinerzeugt werde. Dabeikommen
freilich wieder im ersten Falle ebensowohl die äufseren Ver- hältnisse, als im letzterendie individuelle Dispositionin Anschlag, wie dasbeiEntstehungjederKrankheit bisherIII* Capltel.
«•r.r»,»Folgerungen
ausdem Vorhergehenden.
Obwohl
wir dieUeberzeugung hegen, dafsausdem
Gesagten zur Genfige erhellt, ob es möglich sey, beidem
heutigenStandederDingemitSicherheiteineFrage zu beantworten, welche die Interessen der gesammten Menschheitsonahe berührt, sokanndochmancheandere Reihe vonThatsachen erst späterimVerlaufe diesesCa- pttels berührt werden. Esscheintuns wesentlich, auch die Angaben nicht ganz aufserAugen
zulassen, welche dieGeschichte der Pestkrankheitenthält. Ja wirmüssen sogardie, sey esauch noch so unsichernundselbstabge- schmackten Ideen berühren, welche noch heutzutageimWesten
und Ostenunter AerztenundLaieninBezugauf dieAnsteckungsfähigkeit der Pest im Gangesind.DieSchriftstellerdes AlterthumsunddesMittelalters, darunterauch besondersdie arabischen, leitetendasEnt- stehen der Pest abvon kosmischen, sowohl tellurischen alsatmosphärischen Verderbnissen, und betrachtetensie
mehr
oder minder als eine Strafe der Gottheit Darauf gründetsichdasDogma
inder muselmännischenTradition, welches seine Kraft bis auf denheutigenTag
fastuner- schüttert bei den Gläubigen bewahrt:„Wenn
irgendwoI
20
die Pest sich einstellt, so verlasset denOrt nicht, falls ihr euch dort befindet; geht aber auch nicht hinein,
wenn
ihraufserhalb §eyd.".>35smag
übrigenswohldem
Gesetze des Islams auch die einfache Beobachtung zu Grunde liegen, dafs sehr oft Personen, welche ausden inncirtenOrtenwährend einer Epidemie sich entfernen, doch aufdem Wege vom
Uebel befallen werden; und dann wird der Fall natürlich noch verzweifelter. Ein Ansteckungsstoffaber, dersichvoneinemWesen
aufdas andere übertrage, ja der selbstallemgleichsamanklebe, was mit einem Pestkranken in Berührungkomme,
istin seinem ganzenUmfange ersteineSchöpfungneuererZeit.Was
einigealteSchriftstellerdabeicontagianennen,ward imSinne derInfectiongebraucht. Jedoch habenverdiente Aerzte, welcheselbst imletztenJahrhunderte Pestepide- mienbeobachteten, alsbereits dieFurcht des Entfernten und UnbekanntendenGeistder Meistenineherne Fesseln geschlagen, stets mit Unbefangenheit undWürde
dafür gestritten, dafs die Pestdurch ein Ansteckungsgift sich wedererzeuge nochverbreite. Allein ihreStimme wurde leidervom
Geschrei derMehrzahl übertäubt. Unwissen- heit, Interesse, Leidenschaftund andere ebenso unsau- bere als leideroftnur zumachtige Hebelhabendie Sa- che dahin gebracht, dafsman
besonders in Europa vordem
Lappenvom
KleideeinesPestkranken mit Schauder undEntsetzenflieht,dagegenmitallenElementenloszieht,undunbarmherzig arme Beisendc ins Gefängnifs sperrt.
Wäre
dieherrschendeGrundideerichtig, sowiebisjetzt allgemeinangenommen
ist, so könntefreilich keineVor-sichtzugrofs,undkeineStrengevielleichtzutadeln seyn.
Gesetzt aber auch, einige ältere Schrifsteller und darunter auch die späterenarabischen, wiez.B.Daoud, gestehen der Pesteine ansteckendeKraft zu, sogeschieht diefs in einem ganz andern Sinne.
Nimmermehr
würde einer von allendiesen zugestehen, einPestkranker oder seinKleid könne, nach Europa gebracht, die Pest überDigitizedbyGoogle
den Erdballverbreiten; unddoebliegtdiese Ansichtden heutigenAnstalten buchstäblichundwerkthätigzu Grunde.
Wie kommt
es aber, dafs dieAlten andere Krankheiten, wiez. B. dieLepra, füransteckend hielten unddagegen Absonderunggeboten,ohne eine ähnlicheIdee und ähn- liche Maafsrcgcln auf die Pest überzutragen? Wahr- scheinlich war dieseKrankheitim Alterthum nichtmehr
ansteckend, als sie es inder 1hat heutzutageVielen zu seyn scheint.Wären
aber selbst die Alten einstimmige Zeugenfür einPest-Contagium, so würdedasuns ebenso wenigbeweisen, als das uralte Lcpracontagium, welches durchausnichtmehr
existirr. Davonüberzeugten wir uns fast in allenTheilen der Erde,wo
dieseKrankheit früher entstand und noch hauset.Wir
fanden nichtEine That- sache, welche für die Anstechungsfähigkcit der Lepra spräche. HättediesesUebcl, wieso viele andere, viel- leicht indem
Maafse, als esan Häufigkeitabnahm, auch anHeftigkeitverloren! Könntennicht ähnlicheUrsachen die Seltenheit der Pest in Europa heutzutage wenig- stenseben so begreiflichmachen,alsdieThürme
undKet- ten, dieman
dagegenaufgeführtund gezogen?Denn
das ist ja dasLieblingsargument derContagionisten.Jedoch wir kehrenvondieser kleinen Abschweifung zurück
zum
GangeunsererUntersuchung.Es
erhelltaus denimI.CapitelangegebenenThatsachen, dals Pcstfälle inAegypten, sowie auchinandern Ländern, alljährlichvorkommen, und dafsdabeijede Art Verkehr mit derlei Krankenstattfindet, ohnedafs dieKrankheitimmindesten sichweiterausbreite.
Man
ersiehtdaraus ebenfalls, dafs sievonZeitzuZeitallgemeinwird; und danntrittsie alswahre Epidemieauf. Hieristesnunnamentlich,
wo
die Ansteckung ihre Verfechter findet, unddasanscheinend nicht ganz ohne Grund. So gibtes nochjetztselbstin KairoLeute—
undeh'ichgenau dieThatsachenuntersuchte, neigte ichselbstzudieserMeinung—
welche behaupten, der erwähnte Malteser habe nach einer25tägigen Ucber-DigitizedbyGoogle
2t
fahrtdiePesttobAlexandrien nach Kairogebracht,unddiese KrankheitseyvonihmaufseineBruder 23 Tagenachsei.
nem
Hinsterbenübergegangen. Alleinderersteerkrankte imAngesichte vonKairo, währenddie Sterbelisteninder Stadt bereitsbedeutend angeschwollen waren, undwäh- rend, wieich späterbestimmterforschte, viele Pilgerindem
Hafen von Boulacque bereits an der Pest starben.Hier zuLandeistdiefs wohl möglich, ohnedafsdieRe- gierungnur im mindesten davonKenntnifs habe.
Wäre
die Pest
vom
ersten Bruder aufden zweiten durch An- steckung übergegangen, sowärederZeitraumvon 23 Ta- gen wirklich einBeweis, dafsdas angebliche Contagium 23Tage, ohnezu wirken, schlummernkönne. Alleinpo- sitive Thatsachen lassen uns fast mit voller Sicherheit schliefsen, dafsdas sogenannteStadium incabationisnicht über 5 Tage währenkönne. Dasselbeist bestimmtnoch kürzerim AnfangeundinderHöhe
der Epidemien.Wie
wäre ferner das Uebel von jenem Hause aus in die Stadt gedrungen?Man
beobachtete ja die strengste Quarantaine. Uebrigens kamen auchdiezuerst insKran- kenhaus eintretendenFälle aus ganz andern Tbeilen der Stadt.IchberührtegeflissentlichdieseganzeBeihevon That- sachen,
um
mittelst eines Beispieles zu beweisen, wie leicht bei derlei Vorfallen verschiedeneund daher auch falscheDeutungender Ereignisse möglich werden.Aber, wird
man
mirsagen, derersteSpitalarzt, wel- cher starb, erkrankte nach der ersten Leichenöffnung, der zweite bald nachher; ebenso eine grofseAnzahlvon Apothekern, Bedienten u. s. w.Man
bemerke jedoch wohl, dafs beideAerzteneueAnkömmlingehierzuLande waren.Nun
sindwohl alleSchriftstellereinstimmig, dafs derlei Personen eine ganz besondere Empfänglichkeit für die Krankheit haben.Es
istübrigens auch durchaus weder meine AnsichtnochAbsicht zu behaupten, dafs es gleichgültigsey, mitKranken, besonderswährendder Epi-DigitizedbyGoogle
demien, in beständigemVerkehre zu seyn. Im Gegen- theileist es eine unbestreitbareThatsache, dafs inHeu- sern, wohin diePestdringt, sie fastnie aufEinePerson beschränktbleibt: ja esgibt Fälle,
wo
voneinergrofsen AnzahlEinwohner nur wenigedem
Lebcl entgehen. Es kann dabei allerdings eine wie bei Typhus undanderen derleiKrankheitennicht bestrittene lnfection statt linden.Ja es ist
mehr
als wahrscheinlich, daTs diefs wirklich derFall sey. Es scheint jedoch, dafs dieseVerbreitung durch lnfection bei der Pest selbst weniger statt linde als beim Typhus.Denn
dieser erzeugt sich oft durch lnfection, was bei der Pest durchaus nichtangenommen
werden kann, wie ausdem
Vorhergehenden erhellt.Im Fortgange der Epidemie stofseu wir auf eine andere Reihe von Thatsachen, die in unseren Zeiten wirklich anscheinend den stärksten
Grund
für ein allen failsiges Ansteckungsgift geliefert haben: es ist diefs der Erfolg der Absperrung, deren positive Resultate unläugbar zu seyn scheinen. Defswegen ist es uner- läfslich, hierinetwasmehr
insEinzelne zu gehen. Eine genaue Untersuchung der Falle,wo
dieQuarantaine das Uebel gänzlich abhielt, zeigt, dafs esnamentlichbeiAn-stalten der Fall war, welche junge, gesunde und wohl verpflegte Subjecte enthalten, wie z, B. Schulen, Col- legienu.s.w.
Nun
isteswohlnichtsehr gewagt, vorauszu- setzen, dafsdieepidemischenEinflösse meistohneWir- kung an Individuen vorübergehen, die, durch ein an- dauernd regelmäfsiges Leben unddjßm EinflüssederLei.denschaften und der Furcht entzogen, keine oder nur eine sehr schwachePrädisposition erworben haben. In derThatsind esjaauchnur gerade wiederderleiLebensver- hältnisse, welchealle erfahrenenSchriftstellereinstimmig alsdas besteVerwahrungsmittelgegendiePestangegeben haben.Ganzanders jedochverhältes sichmitHäusern, deren Inneres aus mannichfaltigen Elementenzusammengesetzt
ist, und
wo
verschiedene Lebensordnungen herrschen,24
wie es wirklich zahlreiche Thatsachen beweisen. So
z. B. schützte die Absperrung durchausnicht dieHäuser der Grofsen,
wo
die Lebensordnung mindergeregeltist,und derenBewohner
zum
Theil mehr oder weniger er-müdendenArbeiten, Leidenschaften, Unordnungenu.s.w.
unterliegen. Daher sind auch die unglücklichen Skla- vinnen gewöhnlich die ersten Opfer der Seuche.
Wie kommt
es aber, dafs Europa seit Errichiung derQuarantänen von diesenEpidemien frei blieb? wirdman
weiter frage?.Man
beweise doch umgekehrt, dafs die Verschleppung eines Contagiums früher dieUrsache jener Gcifsel war! Könnten denn wohl nicht wieder Umstände eintreten, unter welchen die Pest neuerdings sich in Europa epidemisch zeigenmöchte?Wer
wagte es, für das Gegentheil Bürge zu seyn? Die neuliche und endlicheWanderung
der Cholera trotz allen Cor- donen ist zu frisch in unserem Gedächtnisse, als dafs wir es für nölhig hielten, auf derlei Möglichkeiten wei- terhinzuweisen.Dessenungeachtetbleibt eineFrage zulösen, welche alle möglichen Schwierigkeiten und Widersprücheinsich zu fassen scheint. Ich will das anBeispielen erläutern, wie deren wirklich selbst vor kurzem noch beobachtet wurden. Ein Schiff segelt z. B. von Smyrna ab, wäh- rend daselbst die Pest haust. Auf
dem Wege
nach Marseille erkrankt einer der Shiftsofficiere an demsel- ben Uebel.Man
bringt ihn ins Lazareth zu Marseille,wo
er nach zwei Tagen stirbt. Die zwei Wärter des Verblichenen erkranken gleichfalls an der Pest und sterben. Zu Marseille selbst ist nicht eine Spur davon zu finden. Dafs der kranke Officierdurch epidemische Einflüsse in Smyrna denKeim
der Pest aufgenommen habe, daran lafst sichum
so weniger zweifeln, da bei derleiUmständen vorauszusetzenist, daserwähnteSchiff sey daselbst in regelrichtigerOuarantainegelegen. Allein die Wärter—
woher haben sie wohl dasUebelsich ge-DigitizedbyGoogl
35
holt?
—
Die Antwort kann hiernur Eineseyn, nämlich:vom
krankenOfficiere, folglichdurch Ansteckung.Ohne
sogleich meineAnsicht hierüber zuerörtern, erlaubeich mir ein anderesauthentisches Beispiel, dasmirvon
dem
gelehrtesten ScheriffausMekka mitgetheilt wurde, hier anzuführen. DieCholera herrscht unter den Pilgern zu Mekka,
wo
sieschon wiederholte Malesich gezeigt hatte.Einerdavonentflieht in seineHeimath nach Thaif, drei Tagreisen von Mekka im Gebirgegelegen.
Der
Flücht- lingerkrankt an ganannter Krankheitkurz vorseiner Au kunftan derväterlichen Schwelle.Man
pflegt ihn daselbst wohl.Er
stirbtjedoch, undnach derReihe sterben noch fünfandere Personen in demselbenHause. Niehatman
vor oder nach diesem Ereignisseimgenannten Thaif auch nur EinenFallvon Cholera gesehen.Der
Erzählerdiels ist ein Mann, dervielgereistundmit denbesten Gaben desGeistes ausgestattet ist. Dessen ungeachtet wird er wohl nie von der Behauptung abstehen, die Cholerasey im höchsten Grade ansteckend, ja sie sey ansteckender alsdiePest, wieer sich selbstauszudrückenpflegte. Lnd dochglaub' ichaneinCholera-Contagiumebensowenigals diemeistenAerztein allen Ländern derErde; undgäbe es ein dergleichen Contagium in der That, so haben auf jeden Fall unsere Cordone leider dagegennichts ge fruchtet. Ichkehredemgemäfs von Arabienundder Cho- lerazurück zur Pest nachMarseille, undsage: verbreitet in irgend einem Falle die Pest sichdurch Infection, so istesgewifsindiesemundähnlichen.Denn
essind auch alle Bedingnissedazu gegeben.\Man
versetze sicheinen Augenblick in dieLage eines solchen von der Pest er- griffenen Beisenden und der ihn umgebenden Wärter.Furcht, Angst und Verzweiflung voreinen» Üebel, das ihrer Meinung nach unabwendbarist, und vor
dem
die letzte Hoffnung, dieHoffnung der Flucht abgeschnitten ist, bestürmen ihre Seele.Wer
kennt aber nicht, undwer
läugnet den Einflufs der moralischen Stimmung undDr.Pruner, überdie Pest. 3
DigitizedbyGoogle
26
"Verstimmung aufdie Abwendung, Erzeugung undVer- breitung der Krankheiten
—
undnamentlichderPest! Zahl- Jose Beispiele haben uns gezeigt, dafs die Furchtsamen, unddarunter namentlichdieContagionisten, die erstenund meisten Opfer der Seuche Hefern. Die Aerzte haben insbesondereinAegyptenbeiderletztenSeuchethatsäch- lich bewiesen, welch ein sicheres Gegengift für dieses tebel Muth und wahre Menschenliebe seyen.Von
den zahlreichen Verfechtern der Nichtansteokungistauchfast nicht Einer gestorben, ungeachtetman
die Kranken be- rührte, Pesthemden sichselbst ankleidete, Bubonen-Eiter und Blut sich einimpfte, und Leichen inMenge
zerglie- derte.Man
denke sich dagegen einenWärter in einem Ouarantaine-Lazareth, dessen Augen und Ohren bestän- dig mit den Schrecknissen aller möglichen Vorbereitun- gen gegen ein Uebel erfüllt werden, welches nun alles dessen ungeachtet plötzlich in seine Nähe gebracht ist.Man
füge hinzu dieWirkung schlechter Localitäten, den häufigen Mangelam
Nothwendigsten, die niedere mora- lische Stufe, auf welcher solche Wärter gewöhnlich stehen, undman
wird sehr wahrscheinlich die These folgender Massen umkehren: hätten nicht Vorurlheile und Uebertreibung bereits die Geisteskraft gänzlich un- terdrückt,undjedemoralische llülfsquelle in denen auf- gesogen, welche mit solch einem Kranken in Berührungkommen;
würde menschlichere Pflege und Ternünftige Freiheit an die Stelle der barbarischen Verlassenheit und der gefürchteten Absperrung treten, könnteman
wohl dann dieselben unglücklichen Resultate bei derlei einzelnen Pestfällen erwarten? Unsere Erfahrung hat uns hierzu Lande an zahlreichen Beispielen dasGegen-theil gezeigt.
Man
sehe die Thatsachen im ersten Ca- pitel, welche auf die sporadische Pest Bezug haben, und urtheile.Was
endlich vollends die Mittheilungder Pest durch Stoffe anbelangt, welche mit Pestkranken in BerührungDigitizedbyGoogle