Das Pestübel wurde schon von den Altenfast aus-schliefslich als ein Product des Nillandes betrachtet.
Wann
undwo
es aber ursprünglich entstanden sey, istmit Gewifsheit schwerlich zu ermitteln. Es liegtuns auch weniger an der Lösung dieser Frage. Wichtiger
mag
die Beweisführung seyn, dafs noch heutzutage die Pestin Aegypten sich erseuge; unddas scheintuns eben so schwierignichtzuseyn. Viele und namentlich die handeltreibenden Europäer wünschten freilich in ihremInteressejedeägyptischePestepidemie aus Konstan-tinopel abzuleiten. Alleinwer nureinigermafsendie Ge-schichte und die jetzige Lage der Dinge kennt, wird Aegypten seinenRang
als Pestmutter wohl kaumstreitig machen. Es gibtjedoch Theile des Landes, wohindiese Krankheit nie gedrungen ist, und wahrscheinlich auch nie dringen wird, d. i. Oberägypten jenseits Assuan—
ein Landstrich, der genanntes Privilegium mit den
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n
dem
derheifsenZone
theilt.Von
den ältestenQuellen der Geschichte bis aufdieWerke
der neuesten Zeitist fast keines, das nicht Aegypten als Pestland beglaubigt.Inkeinem Theite des Orients zählt
man
so riele derley Epidemien wie hier. Kein Jahr vergeht so zu sagen ganz ohne Pest. Das Uebel ist hier injederForm —
von
dem
einfachen, unschädlichenBubo, dendie Bewoh-ner Ausbruch nennen, biszu seiner complicirtestenund schrecklichsten Verwicklung. Es äufsert sich oftJahre lang nur sporadisch an Individuen und Orten, welche ferne vonallerGemeinschaft mit Pestkrankensind; d.i.zu Zeiten,
wo
das Uebel weder in Aegyptenallgemein, noch in den angranzenden Ländern davon eine Spurzu finden ist, wie die obigenBeispiele bezeugen. Ebenso verhält es sich mitder epidemischen Form. Eine Pest-epidemiebefällt einen Ort, und ungeachtet derfreiesten Communicatlonbleibt siedarauf beschränkt; währendzu andern Zeiten dieselbefastaufallenPunktendesLandesauftritt, ohne dafs die Absperrung auch nur im minde-sten gegen ihreVerbreitung hilft.
Wo
alle dieseUm-stände
zusammen
treffen, dawird wohl Niemand an der freiwilligenErzeugungdesUebelszweifeln.Was
nun aber die Ursachen der Pestbetrifft, so glaub'ich ist es hiereben sowenig möglichals bei den meisten Erscheinungeninder Natur, undnamentlichbei Krankheiten, heutzutage auch nur mit einigerWahr-scheinlichkeit
zum
Ziele der Erkenntnifs zu gelangen.Zwar
habendie reisendenSchriftsteller vieldarüber ge-sprochen und geschrieben; allein ihre Angabenmögen
auch noch so richtigund umfassend seyn: die Schlufs-folgen sind immerhin lahm undmangelhaft.Wäre
die Pest lediglich nur auf Aegypten beschränkt, so könnteman
wohl voraussetzen, dafs in einemso eigenthümlich geschaffenenundbegabten Lande dieNiederung des Bo-dens, dasAustreten desStromesmitdem
eigenthümlichen Bewässerungssystem, dieimFrühjahre eintretendenKham-1«
sinwinde und Hitze, die schlechte Bauart der
Wohnun-gen, das fehlerhafte BegräbtiifsSystem*), der angebliche Schmutz und dieunangemesseneLebensart der Einwoh-ner nebstihrerlymphatischenundverdorbenenConstitution,
zusammengenommen
das Uebel zu erzeugen vermöchten.Allein es gibtErdstriche, indenen ungefährdienämlichen Verhältnisseherrschen, ohne dafs diePestjesichdort ge-zeigthätte. IndenNachbarländernAegyptensfindetbeinahe nichts von allem
dem
statt; und doch bat die Krank-heitdort ebenfalls tiefeWurzelgeschlagen, und erzeugt sich daselbst wohl ebenso wie hier.Man
werfe einen Blick auf die Karte, und verfolge das Pestgebiet von den Barbaresken-Staaten bis an den Tigris und das Marmormeer. Welche Mannichfaltigkeitdes Erdreiches, der Erzeugnisse, dcsKlima's,derMenschenracenschliefst nicht diese Pestzone ein! Nur die einzige Thatsachc bleibt bei allem diesem fest, dafs die Pest an genann-tem Küstensaume herrschend, an Häufigkeit und Kraft abnimmt, je mehrman
ins Herz der Festländer ein-dringt. Allein was ist auch mit allen diesen Betrach-tungen gewonnen?—
So weifs man ja auch ziemlich gewifs, dals die Cholera ihre Geburtszone in Indien.*) Wollte manmit einemchrenwerthenSchriftsteller anneh-men, dafs diePestin Aegypten entstanden scy, weilman
diealte Begräbnifsweisc, d. i. die Austroclinung mitder Begrabung vertauschte, so wäre folgender geschichtliche Einwurf zu lösen: wie kommt es, dafs in Italien und Griechenland die furchtbarsten Pestepidemien r.u einer Zeit herrschten, als man dieLeichnameverbrannte?
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üebrigens ist die altägyptischc Mumienbildung unserer Ansicht nach wohl schwerlich alseinehygienische Maals-rcgcl su betrachten. Sie mag vielmehr die natürlichste Bestattungsart in einem Lande seyn, woLeichen, beson-ders etwasvomNilstromeentfernt, selbstschonamBande der Wüste, und namentlich an den früheren Salzseen, nie in Fäulnifs übergehen, sondern r.unatürlichen Mu-mienvertrocknen,wie uns der Augenscheintäglichlehrt.
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das gelbe Fieber seine
Wiege
in Amerika habe: wer hataberjegefunden, welche UrsachendieseUebelinihren Urstättenerzeugeni EsgibteinenPunkt,wo
dermensch, liehe Geistbis jetzt seineSchranken lindet, und notge-drungen umkehrt. So schmerzlich auch dasGeständnifs seyn mag, so ist es nun doch nichtzu läugnen: die Ur-sachen der Pest sind bis jetzt unbekannt. Dafs die-selben jedoch kosmischer Natur, undmehr
inirgend ei-ner besondern BeschaffenheitderAtmosphärealsanders-wo
zu suchen seyen, daranbleibtnachdem
Gesagten wohl kein Zweifel. DafsdieseAtmosphärevorzugsweise unter bestimmtenWärmegraden, undüberniederemLehm- und Kalkboden sich bilde und wirke, scheint ebenfalls be-stimmt zu seyn.Zwar
ist es ausgemacht, dafs hier zu Lande, wievielleichtauch anderswo, dieEntwicklung der CholeraineinzelnenFällen vorzüglich beischwachen Per-sonendurch animalischeEffluvienunddurchplötzlichein.tretendeNachtkältebei heifsenTagenbestimmtbefördert, odervielleichtsogarhervorgerufen werde. Ebensohaben dieselben Verhältnisse, welche anderswo einzelne und abgeschlossene Typhusepidemien hervorbringen, auch hier denselbenErfolg. Esistdaher wohlaufser Zweifel, dafs
man
einen Typhus auch künstlich erzeugen könne.Allein von derlei Pestfällen oderEpidemienhatunseine achtjährigeErfahrung auch nichtEin Beispiel geliefert.
So wie jedochdie CholeravonihremUrsitze aus sich in zwei Richtungen überdenErdballverbreitet hat, ebenso kann auchdie Pest vonihrem Urlande auswandern, wie die früher in Europa beobachteten Epidemien beweisen.
Wenn
oben von kosmischen, leider unbekannten Einflüssen als Bedingnifs zur Erzeugung der Pest die Bede ist, so kann diefs namentlich nurfür derlei Epi-demien seineAnwendung
finden.Was
aber bei jedem Krankheitsfalleanund für sich ganznatürlich in Betrach-tung kommt, das darf auch bei jedem Pestfalle nicht übersehen werden: ich meine die individuelleDisposi-DigitizedbyGoogle
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tion.
Wir
kennen übrigens von ihrenQuellen eben so wenigalsvon den atmosphärischen Elementen, welche fliese oder jene Epidemie hervorrufen. Die Pest hat darin nichts Besonderes vor anderen allgemein für an.steckend geltenden und hin und wieder auch epidemisch auftretenden Krankheiten. 80 z. B. können wohl auch sogar die Blattern an irgend einem Individuum sich Hafsern und dabei stehen bleiben, ohne dafs
man
ihre Entstehung aus äufseren Einflüssen beweisen kann, und ohne dafseineweitereVerbreitung derselbendurch der.lei oder durch ein Contagium statt fände.
Und
dochist die Blatter unter den acuten Uebeln der Prototyp aller ansteckenden Kiankheiten: denn sie IiiIst sich ein-impfen, was bei der Pest nichtder Fall ist. Geht
man
in diese Reihe derBetrachtangenbeidenfüransteckend gehaltenen Uebelnein, so
kommt man
nothwendig bald zur Leberzeugung, dafs die Grundsätze der Ansteckung auf sehr lockerem Grunde stehen.Doch
davon kann hier nurim Allgemeinen dieRede
seyn.Der
Inbegriff desGesagten ist: so wie z. B. in EinerPersonBlattern sich ausbilden können, ohne dafs dabei Berührung mit Blatterstoff oder andere epidemisch waltende äufsere Einflüsse anzunehmen sind, ebensowohl kann sich inJemand die Pest erzeugen, ohne dafs dazu allgemeine, atmosphärischeVerhältnissenothwendigsind. Die mensch-liche Individualität ist ja in jeder Hinsicht so
mannich-faltig, so eigentümlich, und eben darum so unergründ-lich gestaltet und begabt, dafs sie wohl
immer
in den Tabellen der positiven Wissenschaftenmehr
oder min-dernurin derForm
unendlicherBrücheverzeichnet wer-den kann. Daher ist sie auch der wahre SteindesAn.stofses inder sogenanntenpraktischen Arzneikunde.
So wenigwir also im Standesind, dieentfernteren undnäheren Ursachen zu bezeichnen, welche die Pest in besonderenFällenundinEpidemienhervorrufenund ver-breiten: so ausgemacht scheint es doch auf der andern
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Seite su seyn, dafs dieselbe in einzelnen Fällen