S
chach ist schön genug, um sein Leben dafür hinzuge- ben“ (Hans Ree, holländi- scher Großmeister).Bei der 14. Ärzteschach- meisterschaft Anfang April in Bad Neuenahr erzählte der Schachverleger Manfred Mädler folgende Begeben- heit: Ein Mann kam voller Begeisterung ins Telegrafen- amt und gab die Nachricht auf: „Habe Schönheitspreis gewonnen!“ Nachdem er das Gebäude verlassen hatte, fragte die Angestellte fas- sungslos ihre Kollegen: „Wie haben da erst die anderen ausgeschaut?!“
Diese Anekdote – eine von unzähligen, die Manfred Mäd- ler zu erzählen weiß – erinner- te mich an Dr. med. Siegbert Tarrasch, der vor hundert Jah- ren neben Emanuel Lasker der beste Schachspieler der Welt war. Beim Turnier in St. Petersburg 1914 gelang ihm gegen seinen „Intimfeind“
Aaron Nimzowitsch ein Juwel einer Mattkombination. Im Hochgefühl seines Triumphes
schrieb er noch während des Turniers in einer Berliner Zeitung, dass so leicht keine andere Partie diese an Glanz der Spielführung übertreffen werde, weshalb ihr wohl der
erste Schönheitspreis zufallen dürfte.
Dies kam der für die Preis- verleihung zuständigen Jury zu Ohren, woraufhin sie verär- gert anderweitig fündig wur-
de. Und wie reagierte unser geschätzter Kollege? „Diese für die Preisrichter ziemlich blamable Entscheidung liegt wohl hauptsächlich daran, dass der Vorsitzende des Kol- legiums Mr. Burn war, ein nüchterner Engländer ohne künstlerischen Geschmack, der die Schönheit einer Partie nach der Dicke der in ihr ge- opferten Figur bemisst.“
Doch sehen Sie selbst!
Hier sind wir bereits am Ende einer langen, herrlichen Opferkombination.Wie brach- te Tarrasch als Schwarzer am Zug den im freien Feld her- umvagabundierenden weißen König Nimzowitschs in späte- stens vier Zügen zur Strecke?
Lösung:
N
ichts ist an der Börse so sicher wie die Unsicher- heit. So auch im Fall der Übernahme der Schering AG durch den Leverkusener Bayer- Konzern. Im Glauben, alles sei in trockenen Tüchern, hat sich das vermeintlich sichere Take- over plötzlich als wieder völ- lig offen gezeigt, ein Kenner der Materie flüsterte mir gar zu, dass durchaus von einem Dilettantenstadel gesprochen werden könne.Der Machtkampf um Sche- ring war im Grunde bereits gelaufen. Merck bot zunächst 77 Euro je Schering-Aktie, und lange Zeit sah es danach aus, als würden die Darmstäd- ter das Rennen machen, bis eben Bayer als „weißer Rit- ter“ auftrat und, wohl auch abgestimmt mit Schering, den Übernahmepreis auf happige 86 Euro hochzog. Merck gab sich geschlagen, der Deal sei jetzt viel zu teuer, die Bayer- Verantwortlichen jubelten.
Die Annahmequote von 75 Prozent, an die das Angebot formal gebunden ist, würde sicher erreicht werden, zumal Schering-Großaktionäre, wie etwa die Allianz AG, der Of- ferte bereits zustimmten.
Dieses blinde Vertrauen sollte sich als schlimmer Feh- ler erweisen. Da Schering auch an der New York Stock Ex- change gehandelt wird, veröf- fentlichte die US-Wertpapier- aufsicht SEC die Information, dass Merck weiter Schering- Aktien aufkauft. Spätestens jetzt hätten bei Bayer die Alarmglocken läuten müssen.
Merck kaufte munter mas- siv weiter und spät, viel zu spät, wachte Bayer auf. Spätestens am 10. Juni war klar, dass Merck seinerseits gut ein Fünf-
tel der Schering-Aktien besaß und Bayer wohl nicht die 75 Prozent erreichen würde, um das Übernahmeangebot noch zu einem guten Ende bringen zu können. Plötzlich fingen die Leverkusener an, panisch selbst Aktien von Schering in riesigen Mengen zu kaufen,
um die Sache noch irgendwie in den Griff zu bekommen, mit der juristischen (nicht bedach- ten?) Folge, dass jeder gezahlte Preis, der über der offiziellen Offerte von 86 Euro liegt, sich dann automatisch für alle Ak- tionäre erhöht, selbst wenn sie das Angebot zuvor bereits an- genommen haben. Die fatale Folge: Die Übernahme, so sie überhaupt noch klappt, wird viel teurer.
Was nun? Bayer nahm erst einmal übel und verklagte die Merck AG auf Schadenser- satz wegen Verstoßes ge- gen amerikanisches Kapital- marktrecht. Dieser Akt der Verzweiflung macht vermut- lich nur die Anwälte reicher, ändert aber nichts an der Patt- situation und schon gar nicht an der Tatsache, dass es am Ende auch drei Verlierer ge- ben kann: Bayer, Merck und Schering. Die Machtspielchen der Beleidigten müssen been- det werden. Schnellstens. ) S C H L U S S P U N K T
[80] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 25⏐⏐23. Juni 2006
Unerklärliche Schönheit
Dr. med. Helmut Pfleger zu Bayer/Schering
Machtspielchen
Börsebius
Post Scriptum
In der Tat gab es ein Matt in drei Zü- gen:1. ..
.Dh2+ 2.
Ke6 (das sinn-
lose Damenopfer 2.Dg3 Dxg3+
hätte das Ganze um einen Zug
verlängert) T e8+ 3.Kd7 (3.Kf6
Dh4 matt) Lb5 matt.Eine A ugen-
weide, wie die beiden diagonalen
„Langschrittler“ Dame und Läu- fer den König tief im feindlichen
Lager aufspießen! Leserservice:
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„rund ums Geld“
Wie an jedem 1. Samstag des Monats können Sie auch am 1. Juli 2006 in der Zeit von 9 bis 13 Uhr Börsebius (Diplom-Ökonom Rein- hold Rombach) anrufen. Wenn Sie also in Finanzdingen der Schuh drückt, wählen Sie bitte die 02 21/
98 54 80-17.Die kostenlose Telefon- beratung ist ein spezieller Service des Deutschen Ärzteblattes für sei- ne Leser.