Jahrgang 20 / Folge 23 2 Hamburg 13, Parkallee 86 / 7. Juni 1969

Organ der Landsmannschaft Ostpreußen e. V.

Jahrgang 20 / Folge 23 2 Hamburg 13, Parkallee 86 / 7. Juni 1969

H a ß a u s b r u c h a m B i l d s c h i r m

Fernsehkommentar wandelte bei „nationaler Pfingsttour" in Moskaus Spuren

B O N N H A M B U R G - Fernsehkommentator Dieter G ü t t b e s c h ä f t i g t e sich am Dienstag, dem 2 7 . M a i , in einem A R D - K o m m e n t a r mit den Pfingsttreffen der Heimatvertriebenen in einer Weise, wie sie sonst nur in der Hetz- propaganda des kommunistischen Lagers zu finden ist. Das g e s c h ä f t s f ü h r e n d e P r ä s i d i u m des Bundes der Vertriebenen, das auf eine H ä u f u n g von Verbalinjurien, Verzerrungen und b ö s w i l l i g e n Unterstellungen in dieser Sen- dung hingewiesen hat, legte Beschwerde bei der Intendanz ein und verlangte eine Gegen- darstellung.

Der Vorsitzende der U n i o n der Vertriebe- nen und F l ü c h t l i n g e in der C D U / C S U , Josef Stingl, bezeichnete die A u s f ü h r u n g e n G ü t t s als eine „ V e r t r i e b e n e n b e s c h i m p f u n g ohne- gleichen". G ü t t habe mit dieser Sendung einen traurigen M u t zur Unwahrheit bewiesen. „ W i e lange noch glaubt das Deutsche Fernsehen, sich solche Kommentare leisten zu k ö n n e n , die durch E m o t i o n u n d Unsachlichkeit dazu bei- tragen, die K l u f t zwischen Vertriebenen und Rundfunkpublizistik wieder a u f z u r e i ß e n , die in letzter Zeit, nicht zuletzt durch die B e m ü - hungen der U n i o n der Vertriebenen in der C D U , ü b e r b r ü c k t zu sein schienen", fragt Stingl.

Der K o m m e n t a r sei „ A u s d r u c k unverhohle- nen Hasses" u n d habe nichts mit Sachlichkeit und dem Recht zur K r i t i k zu h i n , stellt B u n -

desvertriebenenminister W i n d e l e n in einem

„ O f f e n e n Brief" an G ü t t fest. A u c h er kommt zu dem S c h l u ß , d a ß ä h n l i c h e Hetztiraden, wie G ü t t sie i n seinem Kommentar „ D i e nationale Pfingsttour" a u s g o ß , nur in der kommunisti- schen Propaganda zu finden seien. D e n V e r - triebenen R a c h e g e l ü s t e vorzuwerfen, sei glatte

„ B r u n n e n v e r g i f t u n g " . Auch Bundesminister Windelen h ä l t im Interesse der Gerechtigkeit und der W a h r h e i t eine Korrektur im Fern- sehen f ü r n ö t i g u n d stellt sich f ü r eine ö f f e n t - liche Diskussion zur V e r f ü g u n g .

W o b e i sich die Frage stellt: Ist eine Diskus- sion ü b e r h a u p t m ö g l i c h , wenn der G e s p r ä c h s - partner weder sachlich noch tolerant genug ist, um auf die Argumente seines Kontrahenten einzugehen?

Was dem Fernsehen manchmal fehlt:

K ö n i g s b e r g .

das m o r a l i s c h e G e s e t z i n m i r . " K a n t s G r a b m a l i n Foto: G r ü n

Gomulkas Rede in Bonn überbewertet

P o l i t i s c h e s W u n s c h d e n k e n f ü h r t a n d e n e c h t e n M ö g l i c h k e i t e n e i n e r A u s s ö h n u n g v o r b e i

Nachdem nicht nur eine zweiseitige K u r z - fassung der Rede, sondern der w ö r t l i c h e Text dessen bekannt ist, was der polnische Partei- chef G o m u l k a M i t t e M a i zu den Beziehungen zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland gesagt hat, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei man i n Bonn z u n ä c h s t einer M i ß d e u t u n g seiner W o r t e er- legen, die vielleicht auf ein ü b e r e i f r i g e s Wunschdenken z u r ü c k z u f ü h r e n war. Das ge- naue Studium der Rede G o m u l k a s d ü r f t e i n - zwischen jedoch eindeutig ergeben haben, d a ß hier keineswegs ein deutsch-polnisches G e - spräch vorgeschlagen wurde mit dem Ziel, auf der Grundlage des Rechts einen Ausgleich h e r b e i z u f ü h r e n . Vielmehr wird hier die hnd- g ü l t i g k e i t der Unterschrift unter die Oder- N e i ß e - L i n i e , und zwar in einer Weise wie Ulbricht diese in dem sogenannten Gorhtzer Vertrag vollzogen hat, verlangt. G o m u l k a er- wartet von der Bundesregierung, sie m ö g e unterschreiben, d a ß Polen die deutschen G e - biete nicht wieder z u r ü c k z u g e b e n braucht. Ua^

soll eine einseitige H a n d l u n g sein. Ein Beitrag Polens zu dieser A u s s ö h n u n g ist nicht vor- gesehen.

Kenner der V e r h ä l t n i s s e in der polnischen Hauptstadt kommen zu dem S c h l u ß , d a ß G o - mulka in Wirklichkeit nichts daran gelegen ist, d a ß B o n n seine Forderungen nach A n e r k e n -

nung der O d e r - N e i ß e - L i n i e akzeptiert. In Wirklichkeit ist es vielmehr so, d a ß Gomulka, der aus politischen wie aus p e r s ö n l i c h e n G r ü n - den auf die Kommunistische Partei der Sowjet- union bis zu seinem Lebensende festgelegt ist,, auch weiterhin einen bundesdeutschen Buh- mann f ü r jeine Politik dringend b e n ö t i g t . Innerhalb des polnischen Volkes ist, so wird immer wieder von neutralen Beobachtern ver- sichert, ein latenter Antirussismus vorhanden.

Hiervon will G o m u l k a ablenken und hierzu b e n ö t i g t er dringend den „ d e u t s c h e n Revan- chismus". Es kann heute mit Sicherheit ange- nommen werden, d a ß auch Stalin bei der For- derung nach der O d e r - N e i ß e - L i n i e diese anti- russischen G e f ü h l e i m polnischen V o l k ein- kalkulierte. Er wollte hier einen Zankapfel zwischen die Deutschen und die Polen wer- fen, um auf dies.- Weise die antirussischen G e - f ü h l e der Polen in eine andere Richtung zu lenken.

Heute braucht G o m u l k a diese angebliche

„ d e u t s c h e Gefahr" notwendiger denn je und aus diesem Grunde wird dem polnischen Volke auch verschwiegen, d a ß zum Beispiel seitens der Heimatvertriebenen und ihrer Sprecher immer wieder und mit Nachdruck darauf hin- gewiesen wird, d a ß die Forderung nach der Beseitigung des 1 9 4 5 geschaffenen Unrechts keineswegs eine neue Vertreibung hepauf-

b e s c h w ö r e n , sondern d a ß nach friedlichen M ö g l i c h k e i t e n eines Ausgleichs gesucht werden soll. D i e Deutschen und die Polen haben auf G r u n d ihrer geographischen Lage die Voraus- setzung dazu, in einem demokratischen Europa gute Mittler zwischen O s t und West zu sein.

Die mit dem Namen des amerikanischen Prä- sidenten T r u m a n verbundene L ö s u n g , Deutsch- land nicht zu z e r s t ü c k e l n , sondern in seinen Grenzen von 1 9 3 7 bestehen zu lassen, ging ebenfalls von dieser Mittlerfunktion aus und sieht hierin auch einen Ansatzpunkt f ü r die Bereinigung des deutsch-polnischen V e r h ä l t - nisses.

Parteichef G o m u l k a denkt nicht in polni- schen, sondern in sowjetischen Kategorien. Der eigentliche Sinn der Sowjetpolitik aber besteht darin, die Eroberungen des Krieges zu festigen und auszubauen. A u f dem H ö h e p u n k t ihres Sieges 1 9 4 5 gingen die S i e g e r m ä c h t e immer noch — und zwar aus guten G r ü n d e n — davon aus, d a ß Deutschland in seinen Grenzen von 1937 erhalten bleiben sollte. Das war und ist eine wichtige E r k l ä r u n g . Sie sollte Grundlage einer neuen Friedensordnung werden. W ü r d e Bonn aber einen Vertrag nach dem Muster Ulbrichts und nach dem W i l l e n Gomulkas unterschreiben, so w ü r d e es im Gegensatz dazu selbst diese wichtige E r k l ä r u n g nachträglich und ohne jede Gegenleistung a u ß e r Kraft setzen.

D i e M a c k e

d e s D i e t e r G ü t t

H . W . — Vielleicht wird man zu einem er- staunlichen Ergebnis gelangen, wenn man e r g r ü n d e t , weshalb ausgerechnet Herr Dieter G ü t t zu solch u n v e r s c h ä m t e m Kommentar kam, wie er ihn am 27. M a i - sozusagen als eine Nachbetrachtung zu den Pfingsttreffen der Heimatvertriebenen — ü b e r den abend- lichen Bildschirm gesprochen hat. W e r in Essen oder N ü r n b e r g dabei war und Gelegen- heit hatte, mit A u s l ä n d e r n zu sprechen — dabei handelte es sich nicht, wie G ü t t meinte,

„ u m abgelegte F ü r s t l i c h k e i t e n und honorige, wohl unwissende F e s t g ä s t e " — der w e i ß , wie a u ß e r o r d e n t l i c h beeindruckt gerade diese A u s - l ä n d e r waren von der jeder Pathetik abholden, n ü c h t e r n e n Aussage der verantwortlichen Poli- tiker, deren oberstes Anliegen die A u s s ö h - nung ist. Keiner von diesen a u s l ä n d i s c h e n G ä s t e n h ä t t e allerdings erwartet, d a ß diese A u s s ö h n u n g auf dem Boden des Verzichts ge- sucht wird.

Herr G ü t t d ü r f t e an diesem Pfingstsonntag weder unter den Massen in N ü r n b e r g noch in Essen gewesen sein. Das hat ein M a n n seines Gewichts auch nicht n ö t i g : er sieht es nicht als seine Aufgabe an, die M e i n u n g der deutschen Ö f f e n t l i c h k e i t wiederzugeber Vielmehr nimmt er sich das Recht, seine eigene M e i n u n g zu v e r ö f f e n t l i c h e n und diese als die ö f f e n t l i c h e Meinung auszugeben. U n d nach der M e i n u n g dieses Dieter G ü t t waren die Pfingsttreffen der Vertriebenen ein „ f r i v o l e s Fest", ihre Spre- cher aber sind eine „ g e i f e r n d e Kamarilla von V o l k s v e r f ü h r e r n " , sie werden als die „ F ü n f t e Kolonne der Bolschewisten" bezeichnet, die den Auftrag hat, die „ B u n d e s r e p u b l i k als re- vanchistische Moulage zu diffamieren" Nach G ü t t h ö r t e n sich die Reden der Sprecher an

„ w i e eine Zitat^nsammlung aus dem W ö r t e r - buch des Unmenschen" und „die Liste ihrer Drohungen und S c h m ä h u n g e n wird immer per- fider". A n die Bundesregierung richtet G ü t t die Frage, wie lange diese noch dulden wolle,

„ d a ß eine geifernde Kamarilla von Volksver- hetzern das Messer schwingen darf, um ver- leumderisch und hetzend einen Revisionismus zu predigen, der nur k l ä g l i c h mit der Berufung auf s c h ö p f e r i s c h e O r d n u n g s k r ä f t e und Aus- s ö h n u n g motiviert wird".

Namhafte Blätter, wie zum Beispiel der

„ R h e i n i s c h e M e r k u r " oder die „ N e u e Zürcher Zeitung" haben ü b e r e i n s t i m m e n d festgestellt, d a ß gerade die Pfingsttreffen der Welt klar- gemacht haben, d a ß die Vertriebenen eine Po- litik des Friedens betreiben. Auch in Rundfunk und Fernsehen waren Berichterstattung und Kommentare in der Regel sachlich gehalten.

„ D a s O s t p r e u ß e n b l a t t " hat in seiner letzten Ausgabe den Wortlaut der Rede gebracht, die der P r ä s i d e n t des Bundes der Vertriebenen und O s t p r e u ß e n s p r e c h e r Reinhold Rehs M d B in Essen gehalten hat. W e r immer diese Rede ge- h ö r t oder gelesen hat, wird sich fragen m ü s - sen, welche Passage auch nur in etwa die b ö s - willigen und u n v e r s c h ä m t e n Unterstellungen G ü t t s rechtfertigen k ö n n t e n .

W e n n Bundesminister Windelen zu der Feststellung kommt, d a ß dieser Kommentar G ü t t s nur als ein „ A u s d r u c k unverhohlenen Hasses" bezeichnet werden kann und jenen Hetztiraden gleicht, die sonst nur in der k o m - munistischen Propaganda zu finden sind, er- hebt sich die Frage, wer die Kommentatoren des Fernsehens engagiert und wem sie ver- antwortlich sind. Durch die U n v e r s c h ä m t h e i t e n des Herrn G ü t t ist hier ein Problem offensicht- lich geworden, das nicht einfach hingenommen werden kann. Dieser Fall sollte nun im Deut- schen Bundestag zur Sprache gebracht werden.

Er sollte A n l a ß bieten, einen l ä n g s t u n - e r t r ä g l i c h e n Zustand endlich einmal a b z u ä n - dern. W e n n der H a ß auf die Heimatvertriebe- nen die Macke des Herrn G ü t t ist, dann sollte man ihm keine M ö g l i c h k e i t bieten, sich auf dem Bildschirm zu produzieren. Er sollte diese Macke vielmehr zu Hause auskurieren.

7. Juni 1969 / Seite 2 £ x b £fipmi|jntbfoi. Jahrgang 20 / Folge 23

Gomulkas fragwürdiger Alleingang

S e l b s t d a s s o w j e t i s c h e E c h o a u f d i e s e A k t i o n w a r a l l e s a n d e r e a l s g ü n s t i g Z u m ersten M a l e seit seiner E i n s e t z u n g als

Chef der „ V e r e i n i g t e n P o l n i s c h e n A r b e i t e r - p a r t e i " i m J a h r e 1956 hat W l a d y s l a w G o m u l k a es gewagt, d i e F o r d e r u n g auf A n e r k e n n u n g d e r O d e r - N e i ß e - L i n i e durch B o n n i n g e w i s s e r H i n - sicht „ i s o l i e r t " z u erheben, statt i n d e r bisher

ü b l i c h e n W e i s e a l l e i n v o n d e r „ A n e r k e n n u n g der e x i s t i e r e n d e n G r e n z e n " z u sprechen. D a ß er damit d i e O d e r - N e i ß e - F r a g e v o n d e r einer A n - e r k e n n u n g d e r „DDR" faktisch abgehoben hat, o b w o h l er auch d a v o n sprach, ist nach j u g o - s l a w i s c h e r A n s i c h t v o r n e h m l i c h darauf z u r ü c k - z u f ü h r e n , d a ß er d i e N o t w e n d i g k e i t e r k a n n t hat, eine A n e r k e n n u n g der O d e r - N e i ß e - L i n i e durch B o n n z u erreichen, b e v o r es e v e n t u e l l w e g e n des z u n e h m e n d e n sowjetischen Engagements der S o w j e t u n i o n i m F e r n e n O s t e n z u e i n e r Ü b e r p r ü f u n g d e r sowjetischen E u r o p a - u n d D e u t s c h l a n d p o l i t i k k o m m t . D i e s e R e v i s i o n w i r d z w a r z w e i f e l s o h n e nicht v o r d e m K o m m u n i s t i - schen W e l t k o n g r e ß i n M o s k a u e r f o l g e n u n d auch danach noch g e r a u m e Z e i t auf sich w a r t e n l a s s e n ; aber i n W a r s c h a u erinnert m a n sich sehr w o h l daran, d a ß M o s k a u bereits verschiedent- lich — zuletzt z u j e n e r Z e i t , als C h r u s c h t s c h o w M i n i s t e r p r ä s i d e n t d e r S o w j e t u n i o n u n d P a r t e i - chef der K P d S U w a r — d i e H e r b e i f ü h r u n g eines besseren V e r h ä l t n i s s e s z u B o n n i n s A u g e g e f a ß t hatte. G o m u l k a w i r d sich also gefragt haben, was w o h l d e r K r e m l t u n k ö n n t e , w e n n erst e i n - m a l d i e v o n C h i n a h e r r ü h r e n d e B e d r o h u n g der Sowjetmacht k o n k r e t e r e G e s t a l t g e w i n n e n w ü r d e , als dies bereits durch d i e K a m p f - h a n d l u n g e n am U s s u r i erfolgt ist.

M o s k a u s M i ß t r a u e n

H i n z u d ü r f t e g e k o m m e n sein, d a ß m a n i n W a r s c h a u sehr w o h l d i e Verzichts- u n d a n - e r k e n n u n g s p o l i t i s c h e A k t i v i t ä t b e s t i m m t e r p o l i - tischer G r u p p e n u n d M a s s e n m e d i e n i n der B u n - d e s r e p u b l i k hinsichtlich d e r O d e r - N e i ß e - F r a g e registriert u n d auch d i e besonders v o n P a r i s her ü b e r m i t t e l t e n M a h n u n g e n v e r n o m m e n hat, die polnische Seite m ö g e doch e n d l i c h e i n m a l

„ p o s i t i v e r " auf d i e B e s t r e b u n g e n g e w i s s e r p o l i t i s c h e r K r e i s e i n W e s t d e u t s c h l a n d reagie- ren, welche d i e A n e r k e n n u n g d e r O d e r - N e i ß e - L i n i e durch d i e B u n d e s r e g i e r u n g durchsetzen w o l l e n , Solche M a h n u n g e n — s i e w u r d e n erst- mals angesichts des n e g a t i v e n p o l n i s c h e n Echos auf d i e Ost-Denkschrift der „ K a m m e r f ü r öffent- liche V e r a n t w o r t u n g " der E v a n g e l i s c h e n K i r c h e in D e u t s c h l a n d laut — w u r d e n v o n der p o l n i - schen P a r t e i - u n d R e g i e r u n g s s p i t z e b i s h e r des- halb nicht b e r ü c k s i c h t i g t , w e i l m a n i n W a r s c h a u d a r ü b e r Bescheid w u ß t e , m i t w e l c h e m M i ß - trauen M o s k a u j e d w e d e n p o l n i s c h e n Schritt „in westdeutscher R i c h t u n g " betrachten w ü r d e . G e - rade angesichts d e r E n t w i c k l u n g e n i n P r a g hat denn d e r K r e m l auch t a t s ä c h l i c h d i e west- deutschen V e r t r e t e r e i n e r V e r z i c h t s p o l i t i k i n der O d e r - N e i ß e - F r a g e nicht ohne G r u n d — ent- sprechende ö f f e n t l i c h e K o m m e n t a r e w u r d e n als B e w e i s betrachtet — v e r d ä c h t i g t , s i e w o l l t e n doch n u r das polnische V o l k d e r Sowjetmacht entfremden u n d „ d i e D D R i s o l i e r e n " . E b e n d e s h a l b hat denn G o m u l k a auch i n eben jener Rede, i n d e r er B o n n z u r A n e r k e n n u n g d e r O d e r - N e i ß e - L i n i e aufforderte u n d entspre- chende „ V e r h a n d l u n g e n " v o r s c h l u g , M o s k a u er- neut der u n a b d i n g b a r e n polnischen T r e u e v e r - sichert.

A n s p r ü c h e aufrechterhalten

T r o t z d e m w a r das sowjetische Echo auf d i e A k t i o n G o m u l k a s alles andere als g ü n s t i g . D a ß i n d e n sowjetischen M a s s e n m e d i e n d e r O d e r - N e i ß e - P a s s u s aus d e r R e d e des p o l n i s c h e n Par- teichefs w e n n ü b e r h a u p t , d a n n n u r k u r s o r i s c h u n d unter a u s s c h l i e ß l i c h e r H e r v o r h e b u n g d e r P o l e m i k gegen den angeblichen „ w e s t d e u t s c h e n R e v a n c h i s m u s " e r w ä h n t w o r d e n ist, zeigt deut- lich genug, w e l c h ä u ß e r s t n a c h t e i l i g e A u s - w i r k u n g e n es auf das o h n e h i n schon nicht ge- rade erfreuliche sowjetisch-deutsche V e r h ä l t n i s haben w ü r d e , w e n n B o n n sich auf d i e polnische A n e r k e n n u n g s - I n i t i a t i v e e i n l i e ß e .

K o m m e n t a r e v o n westdeutscher Seite, d a ß eine sogenannte „ N e u g e s t a l t u n g " des p o l n i s c h - westdeutschen V e r h ä l t n i s s e s durch A n - e r k e n n u n g der O d e r - N e i ß e - L i n i e g e n a u so

w i c h t i g s e i w i e d i e — doch auf ganz a n d e r e r G r u n d l a g e erfolgte — A u s s ö h n u n g z w i s c h e n F r a n k r e i c h u n d der B u n d e s r e p u b l i k ( F r a n k r e i c h hat b e k a n n t l i c h k e i n e r l e i M a s s e n a u s t r e i b u n g e n u n d A n n e x i o n e n vorgenommen!) w e r d e n i m K r e m l n u r a l s A n z e i c h e n d a f ü r betrachtet, d a ß es i n d e r B u n d e s r e p u b l i k i m m e r noch K r ä f t e gibt, d i e P o l e n selbst unter P r e i s g a b e u n m i t t e l - b a r e r deutscher Interessen u n d Rechts- a n s p r ü c h e s o w i e unter A n e r k e n n u n g d e r M a s s e n a u s t r e i b u n g e n aus d e r sowjetischen K l i e n t e l herausbrechen w o l l e n , ü b e r d i e s hat M o s k a u schon b i s h e r stets auf j e d e n west- deutschen V e r s u c h , d i e O s t p o l i t i k aufgrund e i n e r p o l n i s c h e n O r i e n t i e r u n g z u gestalten, m i t ä u ß e r s t e m M i ß f a l l e n reagiert, w i e e t w a d i e A n t - w o r t des K r e m l s auf d i e F r i e d e n s n o t e der B u n - d e s r e g i e r u n g w ä h r e n d d e r A m t s z e i t des Bundes- k a n z l e r s E r h a r d zeigte. K u r z u m : M o s k a u be- trachtet m i t Recht d i e O d e r - N e i ß e - F r a g e — u n d gerade diese — als s e i n e ureigenste A n - gelegenheit, u n d es h ä l t j e d w e d e a u ß e n p o l i t i s c h e A k t i v i t ä t B o n n s i n p o l n i s c h e r R i c h t u n g f ü r e i n e u n z u l ä s s i g e E i n m i s c h u n g i n seine Interessen- s p h ä r e , m a g dazu v o n deutscher oder p o l n i s c h e r Seite auch gesagt w e r d e n , w a s m a n w i l l .

D i e W a h r h e i t des S p r i c h w o r t e s , d a ß d e r selbst h i n e i n f ä l l t , d e r a n d e r n eine G r u b e g r ä b t , hat sich w i e d e r e i n m a l b e w a h r h e i t e t . D i e G r u b e s o l l t e d e n C S U - P o l i t i k e r n , B u n d e s t a g s a b g e o r d - neten D r . W a l t e r Becher u n d M a r c e l H e p p , d e m p e r s ö n l i c h e n Referenten des C S U - V o r s i t z e n d e n F r a n z - J o s e f S t r a u ß , gegraben w e r d e n . H i n e i n - gefallen ist das A u s w ä r t i g e A m t .

D i e b e i d e n C S U - P o l i t i k e r h a t t e n i m M ä r z e i n e n m e h r w ö c h i g e n Besuch i n der a m e r i k a n i - schen H a u p t s t a d t abgestattet u n d d a b e i d i e G e - l e g e n h e i t w a h r g e n o m m e n , m i t S e n a t o r e n , K o n - g r e ß a b g e o r d n e t e n u n d anderen f ü h r e n d e n p o l i t i - schen P e r s ö n l i c h k e i t e n K o n t a k t - u n d Informati- o n s g e s p r ä c h e z u f ü h r e n . D a z u dieser Z e i t i m a m e r i k a n i s c h e n Senat d i e R a t i f i z i e r u n g s d e b a t t e ü b e r d e n A t o m s p e r r v e r t r a g stattfand, w a r es n u r n a h e l i e g e n d , d a ß es z u e i n e m G e d a n k e n - austausch ü b e r dieses T h e m a k a m u n d d a ß d i e b e i d e n P o l i t i k e r den S t a n d p u n k t i h r e r P a r t e i , d i e d i e s e m V e r t r a g k e i n e s w e g s p o s i t i v gegen- ü b e r s t e h t , i n t e r p r e t i e r t e n .

Einseitige Beeinflussung

Fünf W o c h e n nach i h r e r R ü c k k e h r u n d w e n i g e T a g e nach d e r Ü b e r s e n d u n g eines v e r t r a u l i c h e n

Berichtes D r . Bechers a n e i n e h o h e B o n n e r B e h ö r d e erschien i n e i n e m d e r S P D n a h e s t e h e n - d e n Pressedienst e i n e M e l d u n g , d i e b e i d e n P o l i t i k e r h ä t t e n i n W a s h i n g t o n g e g e n d e n A t o m s p e r r v e r t r a g k o n s p i r i e r t u n d z u d i e s e m Z w e c k e sogar e i n e Z u s a m m e n k u n f t m i t Senator B a r r y G o l d w a t e r gehabt. N u n ist es sicherlich nichts E h r e n r ü h r i g e s , m i t einer p o l i t i s c h e n Per- s ö n l i c h k e i t , d e r 1964 fast 40 Prozent d e r a m e r i - k a n i s c h e n W ä h l e r i h r e S t i m m e n gaben u n d d i e i m v o r i g e n J a h r m i t ü b e r w ä l t i g e n d e r M e h r h e i t i n d e n a m e r i k a n i s c h e n Senat w i e d e r g e w ä h l t w u r d e , G e s p r ä c h e z u f ü h r e n . A b e r es w a r nicht d a z u g e k o m m e n . D i e betreffende M e l d u n g dar- ü b e r w u r d e auch dadurch nicht w a h r e r , d a ß sie fast v o n d e r ganzen W e l t p r e s s e gebracht w u r d e u n d d a ß sie auch das B u n d e s k a b i n e t t b e s c h ä f t i g t e . A u f f a l l e n d w a r , m i t w e l c h e m Eifer sich d i e Ostpresse des A m e r i k a - B e s u c h e s d e r b e i d e n P o l i t i k e r a n n a h m . H i e r b o t sich w i e d e r e i n m a l eine G e l e g e n h e i t , G e g n e r des A t o m - s p e r r v e r t r a g e s z u diffamieren.

V e r m u t l i c h u m d e n F a l l s p a n n e n d e r z u m a - chen, w u r d e i n d e r Presse d i e V e r s i o n v e r - breitet — u n d d i e B o n n e r K o r r e s p o n d e n t e n hat- ten sich dies bestimmt nicht aus d e n F i n g e r n gesogen — , d e n M e l d u n g e n ü b e r Bechers u n d H e p p s Besuch l i e g e e i n G e h e i m b e r i c h t des deut-

J e d e r P o l i t i k e r i n d e r B u n d e s r e p u b l i k s o l l t e s i d i j e d e n f a l l s d a r ü b e r i m k l a r e n s e i n , d a ß e i n e k o n s t r u k t i v e deutsche O s t p o l i t i k n u r d a n n m i t A u s s i c h t auf E r f o l g b e t r i e b e n w e r d e n k a n n , w e n n gerade g e g e n ü b e r W a r s c h a u d i e A n - s p r ü c h e auf eine gerechte L ö s u n g d e r O d e r - N e i ß e - F r a g e v o l l aufrechterhalten w e r d e n ; d e n n alles andere w ü r d e n u r z u e i n e r V e r s t ä r k u n g des sowjetischen Interesses an e i n e r fort- schreitenden Z e m e n t i e r u n g d e r „DDR" f ü h r e n , z u m a l O s t - B e r l i n doch auch d i e F u n k t i o n hat, W a r s c h a u z u z w i n g e n , k e i n e r l e i schwer- w i e g e n d e E i g e n i n i t i a t i v e auf a u ß e n p o l i t i s c h e m F e l d e z u entfalten. D a ß d e r f r ü h e r e f r a n z ö s i s c h e S t a a t s p r ä s i d e n t de G a u l l e diese G e g e b e n h e i t a u ß e r Betracht l i e ß , trug w e s e n t l i c h z u m Schei- tern seiner O s t p o l i t i k b e i . D i e s e L e h r e s o l l t e u m so mehr b e h e r z i g t w e r d e n , a l s doch d e r K r e m l offensichtlich eine Ä n d e r u n g seiner D e u t s c h l a n d p o l i t i k ü b e r h a u p t n u r d a n n i n s A u g e fassen k a n n , w e n n er dessen absolut sicher ist, d a ß sich daraus nicht n u r k e i n e r l e i B e e i n t r ä c h t i g u n g , s o n d e r n v i e l m e h r g e r a d e z u e i n e z u s ä t z l i c h e V e r s t ä r k u n g d e r P o s i t i o n der Sowjetmacht i n E u r o p a u n d i n der W e l t ergeben w ü r d e . Peter Rutkowski

sehen Botschafters i n W a s h i n g t o n a n das A u s - w ä r t i g e A m t z u g r u n d e . E s i s t k e i n gutes Z e u g - n i s f ü r e i n B u n d e s m i n i s t e r i u m , w e n n a n es ge- richtete G e h e i m b e r i c h t e d e r Ö f f e n t l i c h k e i t b e - k a n n t gemacht w e r d e n — auch w e n n dies d e n p o l i t i s c h e n A b s i c h t e n d e r P a r t e i des betreffen- d e n M i n i s t e r s zugute k ä m e . N o c h e i g e n a r t i g e r aber ist es, w e n n das betreffende M i n i s t e r i u m z u g e b e n m u ß , d a ß e i n solcher G e h e i m b e r i c h t gar nicht e x i s t i e r t . S o w a r es auch i m F a l l e der b e i d e n C S U - P o l i t i k e r . D e r angebliche G e h e i m - bericht w a r nach e i n e r V e r s i o n v e r s c h w u n d e n , nach e i n e r a n d e r e n V e r s i o n hat er g a r nicht e x i s t i e r t . E r w u r d e i n d e n A u s k ü n f t e n des A u s - w ä r t i g e n A m t e s z u e i n e m D i e n s t s c h r e i b e n des Botschafters i n W a s h i n g t o n an e i n e n Staats- s e k r e t ä r i m A u s w ä r t i g e n A m t z u r ü c k g e s t u f t . A b e r auch dessen O r i g i n a l t e x t ist auf u n e r k l ä r - liche W e i s e v e r s c h w u n d e n , u n d es e x i s t i e r t nach A u s k u n f t des P a r l a m e n t a r i s c h e n S t a a t s s e k r e t ä r s d a v o n l e d i g l i c h e i n e F o t o k o p i e . D a s e r i n n e r t b e d e n k l i c h a n ö s t l i c h e M e t h o d e n , belastendes' M a t e r i a l gegen P e r s ö n l i c h k e i t e n d e r B u n d e s - r e p u b l i k u n d zwecks B e r e i c h e r u n g d e r K r i e g s - v e r b r e c h e r p r o z e s s e n u r i n F o t o k o p i e n z u r V e r - f ü g u n g z u s t e l l e n .

Des R ä t s e l s L ö s u n g ü b e r d e n a n g e b l i c h e n G e h e i m b e r i c h t d ü r f t e i n d e r V e r ö f f e n t l i c h u n g eines F r a n k f u r t e r Blattes, das sich g e r n e als p u b l i z i s t i s c h e P l a t t f o r m f ü r d i e S P D - u n d F D P - L i n k e anbietet, z u suchen sein. D i e s e s B l a t t hat w ö r t l i c h e A u s z ü g e aus d e m v e r t r a u l i c h e n B e - richt Bechers an d i e h o h e B o n n e r B e h ö r d e z i - tiert. D e r V e r d a c h t i s t nicht v o n d e r H a n d z u w e i s e n , d a ß dieser Bericht z u m „ G e h e i m b e - richt des Botschafters" u m f u n k t i o n i e r t w o r d e n ist.

D i e s e r v e r s c h w u n d e n e G e h e i m b e r i c h t be- s c h ä f t i g t e auch d e n Deutschen B u n d e s t a g , u n d der P a r l a m e n t a r i s c h e S t a a t s s e k r e t ä r i m A u s - w ä r t i g e n A m t , G e r h a r d J a h n , m u ß t e sich w e n i g freundliche W o r t e g e f a l l e n lassen, a l s e r z u - geben m u ß t e , d a ß d e r g e n a n n t e G e h e i m b e r i c h t nicht e x i s t i e r e u n d d a ß auch das „ P r i v a t d i e n s t - schreiben" des deutschen Botschafters i n W a - s h i n g t o n an d e n S t a a t s s e k r e t ä r i m A u s w ä r t i - g e n A m t , G e o r g F e r d i n a n d D u c k w i t z , v e r - s c h w u n d e n s e i . E s f i e l e n W o r t e w i e „ d e s o l a t e r Z u s t a n d i m A u s w ä r t i g e n A m t " , „ t o l l e Z u s t ä n d e "

u n d „ M a u l k o r b " , a l s J a h n forderte, es s o l l t e n G e s p r ä c h e v o n B u n d e s t a g s a b g e o r d n e t e n v o r h e r mit d e n z u s t ä n d i g e n Botschaftern u n d d e m A u s - w ä r t i g e n A m t abgesprochen w e r d e n . „ W e r k o n t r o l l i e r t h i e r w e n ? W i r das A u s w ä r t i g e A m t , aber nicht das A u s w ä r t i g e A m t uns!", w a r d i e F e s t s t e l l u n g eines A b g e o r d n e t e n . D e m pflichtete auch B u n d e s t a g s p r ä s i d e n t K a i - U w e v o n H a s s e l b e i , a l s e r e r k l ä r t e , d a ß e r es nicht f ü r m ö g l i c h halte, d a ß B e a m t e k o n t r o l l i e - ren, w a s A b g e o r d n e t e i n D e u t s c h l a n d o d e r i n der W e l t machen. G e r ü g t w u r d e auch d i e T a t - sache, d a ß d e r Inhalt des P r i v a t d i e n s t s c h r e i b e n s des deutschen Botschafters z w a r an „ p a r t e i l i c h e Presseerzeugnisse m i t e i n e m ganz e i n d e u t i g e n p a r t e i p o l i t i s c h e n T r e n d " w e i t e r g e g e b e n w u r d e , d a ß aber d e r d a v o n betroffene Bundestagsab- geordnete, n ä m l i c h D r . Becher, d a v o n nicht in K e n n t n i s gesetzt w u r d e .

So endete e i n d i p l o m a t i s c h e s S a t y r s p i e l , d a ß d e n Z w e c k verfolgte, d i e deutsche Ö f f e n t l i c h - k e i t u n d das B u n d e s k a b i n e t t h i n s i c h t l i c h des A t o m s p e r r v e r t r a g e s e i n s e i t i g z u b e e i n f l u s s e n . D e n n nicht z u f ä l l i g w a r e n d i e M e l d u n g e n ü b e i d e n a n g e b l i c h e n G e h e i m b e r i c h t u n d das Treffen mit Senator G o l d w a t e r e i n e n T a g v o r d e i S i t z u n g des B u n d e s k a b i n e t t s , i n d e r d e r A t o m s p e r r v e r t r a g d i s k u t i e r t w e r d e n sollte, ersehn

n pn E . M .

W e r b u n g f ü r d i e A n n e x i o n s p o l i t i k

Studenten werden bevorzugt

D i e p o l n i s c h e n S t u d e n t e n , d e r e n h a u p t s ä c h - liches p o l i t i s c h e s I n t e r e s s e sich auf d i e F r a g e e i n e r L i b e r a l i s i e r u n g d e r g e s e l l s c h a f t l i c h e n V e r - h ä l t n i s s e i n d e r V o l k s r e p u b l i k k o n z e n t r i e r t , s o l - l e n v o n d i e s e r P r o b l e m a t i k a b g e l e n k t u n d ver- a n l a ß t w e r d e n , d e r „ V e r t e i d i g u n g d e r O d e r - N e i ß e - G r e n z e " i h r e v o l l e A u f m e r k s a m k e i t z u w i d m e n . D i e s w u r d e a n l ä ß l i c h d e r „ W o c h e der W e s t g e b i e t e " b e k a n n t g e g e b e n , d e r e n V e r a n - s t a l t u n g e n h a u p t s ä c h l i c h v o n d e r „ G e s e l l s c h a f t für d i e E n t w i c k l u n g d e r W e s t g e b i e t e " getragen w u r d e n .

Im R a h m e n d i e s e r B e s t r e b u n g e n , d i e p o l n i - schen S t u d e n t e n z u P r o p a g a n d i s t e n d e r A n - n e x i o n s p o l i t i k i n d e r O d e r - N e i ß e - F r a g e z u m a - chen, w u r d e n i n B r e s l a u u n d i n K r a k a u soge- n a n n t e „ D e u t s c h k u n d l i c h e S e m i n a r e " v e r a n s t a l - tet, z u d e n e n auch J o u r n a l i s t e n e i n g e l a d e n w u r - den. Im R a h m e n d i e s e r S e m i n a r e w u r d e insbe- s o n d e r e auf „ d i e p a t r i o t i s c h e n T r a d i t i o n e n " h i n - g e w i e s e n , d i e d u r c h d i e „ W i e d e r g e w i n n u n g der u r p o l n i s c h e n W e s t - u n d N o r d g e b i e t e " b e g r ü n - det w o r d e n s e i e n . D e s w e i t e r e n w u r d e n die

„ E n t w i c k l u n g s p e r s p e k t i v e n " d e r p o l n i s c h ver- w a l t e t e n deutschen O s t g e b i e t e b e h a n d e l t . E i n w e i t e r e r T h e m e n b e r e i c h , d e r besonders er- ö r t e r t w u r d e , betraf d a s D e u t s c h l a n d p r o b l e m als solches. H i e r w u r d e auf „ d a s Entstehen des ersten s o z i a l i s t i s c h e n deutschen Staates i n der e u r o p ä i s c h e n G e s c h i c h t e " h i n g e w i e s e n und die K o o p e r a t i o n z w i s d i e n W a r s c h a u u n d O s t - B e r l i n betont. H i n s i c h t l i c h d e r B u n d e s r e p u b l i k aber w u r d e b e h a u p t e t , d a ß dort „ d i e Gefahr des A n w a c h s e n s des N e o - N a z i s m u s u n d des M i l i t a r i s m u s " i m m e r g r ö ß e r w e r d e .

F ü r S t u d e n t e n s o l l e n auch „ I n f o r m a t i o n s r e i - sen" d u r c h d i e O d e r - N e i ß e - G e b i e t e v e r a n s t a l t e t w e r d e n , b e s o n d e r s nach O s t p r e u ß e n an d i e M a s u r i s c h e n Seen.

D i e O d e r - N e i ß e - G e b i e t e a l s F e s s e l f ü r P o l e n

Warschauer Blatt zeigt Polens Rolle auf

A n l ä ß l i c h des 24. J a h r e s t a g e s d e r U n t e r z e i c h - n u n g des s o w j e t i s c h - p o l n i s c h e n Freundschafts- u n d B e i s t a n d p a k t e s brachte d a s Z e n t r a l o r g a n der „ V e r e i n i g t e n P o l n i s c h e n A r b e i t e r p a r t e i " ,

„ T r y b u n a L u d u " , z u m A u s d r u c k , das B ü n d n i s z w i s c h e n W a r s c h a u u n d M o s k a u s t e l l e deshalb das „ F u n d a m e n t " d e r p o l n i s c h e n A u ß e n p o l i t i k dar, w e i l P o l e n sonst d i e O d e r - N e i ß e - G e b i e t e w i e d e r v e r l i e r e n k ö n n t e . D a b e i b e z o g sich das P a r t e i o r g a n auf e i n e f r ü h e r e R e d e G o m u l k a s , i n d e r d i e s e r e r k l ä r t h a l t e , P o l e n k ö n n t e „ o h n e das B ü n d n i s m i t d e r S o w j e t u n i o n s e i n e - W e s t - g e b i e t e nicht v e r t e i d i g e n u n d b e h a l t e n " , j a es k ö n n e d a n n auch nicht „ a l s s o u v e r ä n e r Staat e x i s t i e r e n " . „ D e s h a l b " a l s o s e i P o l e n f ü r die S o w j e t u n i o n e i n sicherer B u n d e s g e n o s s e , e i n V e r b ü n d e t e r , auf d e n m a n sich v e r l a s s e n k a n n , e i n B u n d e s g e n o s s e , d e r d i e S t ä r k e des s o z i a l i - stischen S y s t e m s i m K a m p f g e g e n d e n Imperia- l i s m u s e r h ö h t " . D i e „ T r y b u n a L u d u " e r k l ä r t e h i e r z u , d i e s e A u s f ü h r u n g e n G o m u l k a s habe sich „ d a s p o l n i s c h e V o l k z u H e r z e n g e n o m - m e n " .

D e r „ P r e s s e d i e n s t d e r H e i m a t v e r t r i e b e n e n "

b e m e r k t z u d i e s e m K o m m e n t a r d e r „ T r y b u n a L u d u " , d a ß d a r i n — b z w . i n d e n w i e d e r g e g e b e - n e n Ä u ß e r u n g e n G o m u l k a s — d i e R o l l e genau d e f i n i e r t w i r d , w e l c h e d i e O d e r - N e i ß e - F r a g e i n der s o w j e t i s c h e n A u ß e n p o l i t i k g e g e n ü b e r P o - l e n s p i e l t .

. . aber dafür bleibt der junge Porst an uns h ä n g e n ! "

Zeichnung i Hicks in

„ D i e Welt"

^£>os DftpraD&mbfoir

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Landsmannschaft O s t p r e u ß e n e. V . Chefredakteur:

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D o * O s f p r e u ß e n b l a t t ist- das O r g a n d a r Lands- mannschaft O s t p r e u ß e n und erscheint wöchentlich zur Information der M i t g l i e d e r des Fördericreises

d e r Landsmannschaft O s t p r e u ß e n . Anmeldungen bei jedem Postamt und bei der

Landsmannschaft O s t p r e u ß e n . Bezugspreis monatlich 2,40 D M . Postscheckkonto f ü r den Vertrieb:

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Für Aiixeigen gilt Preisliste N r . 16

Ein diplomatisches Satyrspiel

V e r s c h w u n d e n e r G e h e i m b e r i c h t i n d e r P r e s s e a u f g e t a u c h t

'Jahrgang 20 / Folge 23

i

t H B Oflpmißmblaif 7. Juni 1969/ Seite 3

Deutsch-Amerikaner

verachten die Verzichtler

U n s e r I n t e r v i e w m i t P r o f e s s o r D r . A u s t i n A p p / U S A

„Das Ostpreußenblatt" hat in seiner Folge 15 vom 12. A p r i l über den „Offe- nen Brief" berichtet, den der Ehren- präsident der „Föderation amerikani- scher Staatsbürger deutscher Herkunft"

in den USA, Professor Dr. Austin J . App, an Präsident Richard Nixon geschrieben hat.

In diesem Brief ersuchte Professor App den Präsidenten zu veranlassen, daß die Außenpolitik der U S A nunmehr auch die Frage der Massenaustreibun- gen der Nachkriegszeit in Europa mit Vorrang behandeln und für eine Wie- dergutmachung beziehungsweise für eine Wiederherstellung des Status guo ante Sorge tragen solle.

Diese Ausführungen haben — wie zahlreiche Leserbriefe erkennen lassen

— bei unseren Lesern größtes Interesse gefunden.

„Das Ostpreußenblatt" hat deshalb gerne Gelegenheit genommen, diese Fragen in einem Interview mit Profes- sor App zu vertiefen. W i r veröffentli- chen nachstehend dieses Gespräch:

O B : „Herr Professor App! Vor einigen Wochen haben Sie an den neuen Präsidenten der Ver- einigten Staaten ein Schreiben gerichtet, und in diesem „Offenen Brief" haben Sie Mister Nixon gebeten zu veranlassen, daß die Außenpolitik der USA nunmehr audi die Frage der Massen- austreibungen der Nachkriegszeit in Europa mit Vorrang behandelt und für eine Wiedergut- machung beziehungsweise für eine Wiederherstel- lung des Status quo ante Sorge tragen solle.

Wir haben auf diesen Offenen Brief an den Präsidenten der USA in unserer Zeitung hin- gewiesen, und ich darf Ihnen sagen, daß Ihre Aus- führungen bei unseren Lesern ein reges Inter- esse gefunden haben. Darf ich Sie heute einmal

tragen, ob Sie an eine moralische oder an eine materielle Wiedergutmachung gedadit haben?"

A p p : „ N e r i W e l l e m s , S i e m ü s s e n w i s s e n , d a ß ich seit J a h r e n Richdrd N i x o n als e i n e n u n s e r e r begabtesten. b e s t i n l o r m i e r t e s t e n u n d auch w o h l m e i n e n s t e n S t a a t s m ä n n e r betrachte, u n d ich habe i n den v e r g a n g e n e n J a h r e n stets d a f ü r gearbeitet, d a ß R i c h a r d N i x o n auf d e n S t u h l des a m e r i k a n i s c h e n P r ä s i d e n t e n k o m m e n s o l l t e . A l s ich nun d e n v o n Ihnen g e n a n n t e n Brief an d e n n e u g e w ä h l t e n P r ä s i d e n t e n gerichtet habe, habe ich b e z ü g l i c h e i n e r W i e d e r g u t - machung a n d i e H e i m a t v e r t r i e b e n e n aus d e n O d e r - N e i ß e - G e b i e t e n o d e r e t w a aus d e m S u - d e t e n g e b i e t nicht n u r an e i n e m o r a l i s c h e , s o n - d e r n ich h a b e auch an e i n e m a t e r i e l l e W i e d e r - g u t m a c h u n g gedacht.

S i e w i s s e n , d a ß an d e n 2 450 000 M e n s c h e n , flie b e i d e r V e r t r e i b u n g i h r L e b e n l a s s e n m u ß - ten, e i n e W i e d e r g u t m a c h u n g nicht m ö g l i c h ist.

A b e r u m so m e h r s o l l t e m a n verpflichtet sein, den ü b e r l e b e n d e n g e g e n ü b e r e i n e W i e d e r g u t - machung a n z u s t r e b e n

Ich d e n k e h i e r b e i an e i n e m a t e r i e l l e W i e d e r - g u t m a c h u n g d a h i n g e h e n d , d a ß d i e s e n M e n s c h e n ihre v e r l o r e n e n H ö f e u n d H e i m e z u r ü c k g e g e b e n w e r d e n u n d d a ß m a n i h n e n für a n d e r e V e r - luste f i n a n z i e l l e E n t s c h ä d i g u n g z u l e i s t e n hat.

W a s d i e s e E n t s c h ä d i g u n g angeht, so hat d i e B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d e i n ausgezeichne- tes V o r b i l d v o r A u g e n : das ist d i e W i e d e r - g u t m a c h u n g an d e m j ü d i s c h e n V o l k . "

O B : „Herr Professor App, idt verrate Ihnen sicherlich keine Neuigkeit, wenn ich feststelle, daß insbesondere die Heimatvertriebenen an einer echten Aussöhnung mit Polen interessiert sind.

Gerade in den letzten Wochen hat der polnisdie KP-Chef Gomulka erklärt, daß die Bundesrepu- blik sich bereit finden sollte, mit Polen einen Ver- trag abzuschließen.

Nach dem Muster jener Abmadiung, die Polen mit Ulbricht getroffen hat, soll er einen Verzicht auf die Oder-Neiße-Gebiete enthalten. Durch diesen Verzicht soll die polnische Westgrenze auch von der Bundesrepublik garantiert werden.

Teilen Sie die Auffassung bestimmter Kreise, daß durch einen derartigen Verzicht eine echte Aussöhnung möglich sein würde?"

V e r z i c h t b r i n g t k e i n e e c h t e A u s s ö h n u n g m i t P o l e n A p p : „ N e i n , d i e s e A u f f a s s u n g t e i l e ich

k e i n e s w e g s . V i e l m e h r v e r t r e t e ich d i e M e i - n u n g , d a ß e i n e A u s s ö h n u n g z w i s c h e n d e n D e u t - schen u n d i h r e n ö s t l i c h e n N a c h b a r n n u r auf b e i d e r s e i t i g e m g u t e m W i l l e n b e r u h e n k a n n . D a s

h e i ß t : d i e G e r e c h t i g k e i t m u ß d i e G r u n d l a g e für das k ü n f t i g e Z u s a m m e n l e b e n u n d für d i e O r d n u n g a l l d i e s e r P r o b l e m e s e i n . E i n V e r z i c h t der B u n d e s r e p u b l i k a u f H e i m a t u n d H e i m d e r H e i m a t v e r t r i e b e n e n aus d i e s e n G e b i e t e n k a n n n i e m a l s z u e i n e r echten A u s s ö h n u n g f ü h r e n .

N a t ü r l i c h g i b t es ü b e r a l l i n d e r W e l t K r ä f t e , die d e n d e r z e i t i g e n Z u s t a n d nicht m e h r ge- ä n d e r t h a b e n w o l l e n . Es g i b t auch i n d e n U S A P o l i t i k e r u n d a n t i d e u t s c h e Z e i t u n g e n , d i e es be- k l a g e n , d a ß W a s h i n g t o n d i e B u n d e s r e p u b l i k nicht z u e i n e m V e r z i c h t d e r O d e r - N e i ß e - G e b i e t e ü b e r r e d e t .

A b e r h i e r m ö c h t e ich e t w a s a n d e r e s s a g e n : es gibt i n d e n V e r e i n i g t e n S t a a t e n e i n e A n z a h l d e u t s c h - a m e r i k a n i s c h e r V e r b ä n d e w i e z u m B e i - s p i e l d i e S t e u b e n g e s e l l s c h a f t , d i e F e d e r a t i o n of A m e r i c a C i t i z e n s of G e r m a n y D e s c e n t , s o w i e den D e u t s c h - A m e r i k a n i s c h e n N a t i o n a l - K o n g r e ß . die auch i n A m e r i k a i m m e r w i e d e r d a r a u f h i n - w e i s e n , d a ß d i e O d e r - N e i ß e - G e b i e t e nicht den U S A g e h ö r e n u n d auch W a s h i n g t o n h i e r nicht befinden k a n n .

D i e s e G e b i e t e g e h ö r e n l e t z t l i c h nicht e i n m a l n u r B o n n a l l e i n . S i e g e h ö r e n d e n H e i m a t v e r - t r i e b e n e n , d i e d o r t i h r e H e i m a t h a t t e n . S e l b s t diese h ä t t e n nicht das Recht, auf d i e s e G e b i e t e zu v e r z i c h t e n , d e n n s i e d ü r f e n nicht auf d i e s e W e i s e das E r b g u t i h r e r K i n d e r u n d i h r e r N a c h - k o m m e n v e r s c h e n k e n .

N a t ü r l i c h w i s s e n d i e P o l e n sehr g e n a u , d a ß sie nach d e m W i l l e n d e r s o w j e t i s c h e n Besat- zungsmacht u n d i h r e r k o m m u n i s t i s c h e n F ü h r u n g

in diese G e b i e t e h e r e i n g e k o m m e n s i n d . S i e wissen, d a ß s i e w i d e r r e c h t l i c h auf a l t e m deut- schem G e b i e t s i t z e n . S i e h a b e n d i e V e r b r e c h e n der V e r t r e i b u n g e b e n f a l l s noch nicht b e w ä l t i g t . Daher s i n d sie m i ß t r a u i s c h u n d w i s s e n nicht, wie sie z u e i n e r w i r k l i c h e n V e r s ö h n u n g mit D e u t s c h l a n d k o m m e n s o l l e n . A u f d e r e i n e n Seite w i s s e n sie, d a ß s i e auf d e m G e b i e t sit- zen, das i h n e n nicht e i n m a l g e h ö r t , u n d auf d e r

a n d e r e n S e i t e h a b e n sie e i n e F u h r u n g . d i e ihnen i m m e r w i e d e r e i n r e d e t , d a ß es sich h i e r - bei u m a l t e n p o l n i s c h e n B o d e n h a n d e l t . A u d i w e n n sie h e u t e m e h r a l s 20 J a h r e dort ,ansassig sind, so ist es für sie doch i m m e r noch P r o v i - s o r i u m . "

O B : „Ein Provisorium im tatsächlidien Sinne, denn im Potsdamer Abkommen wurde eindeutig festgelegt, daß die Gebiete jenseits der Uder- Neiße keineswegs zu Polen gesdilagen, sondern ausschließlich den Polen bis zu einer Friedens- konferenz zur Verwaltung übergeben werden.

A p p : „ S i e h a b e n recht, d i e a m e r i k a n i s c h , ' Ö f f e n t l i c h k e i t ist sich v ö l l i g b e w u ß t , d a ß die O d e r - N e i ß e - G e b i e t e i n d i e s e m P o t s d a m e r A b -

k o m m e n nicht a n P o l e n o d e r a n die S p w j e t - u n i o n a n g e s c h l o s s e n w u r d e n .

Die Amerikaner wissen sehr genau, dafi es sich hierbei um ein Provisorium handelt und dafi hier keine Grenzregelungen in Potsdam vorgenommen wurden. Diese Frage der end- g ü l t i g e n Grenzen kann a u s s c h l i e ß l i c h bei einer e n d g ü l t i g e n Friedenskonferenz geregelt werden.

W e n n ich m i r p e r s ö n l i c h auch w ü n s c h e , d a ß W a s h i n g t o n seine A u f f a s s u n g auch e t w a s deut- l i c h e r z u r G e l t u n g b r i n g t , so ist doch unbestrit- ten, d a ß v o n Z e i t z u Z e i t e i n e n t s p r e c h e n d e r H i n w e i s s e i t e n s u n s e r e r A d m i n i s t r a t i o n erfolgt.

N a t ü r l i c h g i b t es auch i n d e n V e r e i n i g t e n S t a a t e n , b e i u n s e r e n P o l i t i k e r n u n d b e i den P u b l i z i s t e n K r ä f t e , d i e a m l i e b s t e n ü b e r das g a n z e P r o b l e m nicht m e h r sprechen w o l l e n . Sie m ö c h t e n das T h e m a der V e r t r e i b u n g als abge- schlossen betrachten. Es ist i h n e n — gerade als A m e r i k a n e r — p e i n l i c h , d a r a n e r i n n e r t z u w e r - den, d a ß sie d e r V e r g e w a l t i g u n g des Selbst- b e s t i m m u n g s r e c h t e s z u g e s t i m m t h a b e n . Sicher- l i c h g i b t es K r ä f t e , d i e g l a u b e n , d a ß m a n dieses T h e m a a m b e s t e n d a d u r c h e r l e d i g t , d a ß die Deutschen in e i n e n b e q u e m e n V e r z i c h t e i n - w i l l i g e n . /

Ich lege Wert darauf, Ihnen zu sagen, daß kein ehrlicher Amerikaner die Auffassung ver- tritt, d a ß eine derartige L ö s u n g gerecht sein k ö n n t e . Sie d ü r f e n sich darauf verlassen, d a ß kein a n s t ä n d i g e r Amerikaner von den Deut- schen etwas Derartiges verlangen oder ein der- artiges Ansinnen an sie stellen w ü r d e . "

E i n e s w e i ß i c h g a n z b e s t i m m t O B : „Und wie beurteilen Sie dieses Anerken- nungsgerede, das von verschiedenen politischen Parteien und audi in einer gewissen Publizistik immer wieder in Erscheinung tritt? Man hat ge- rade in der jüngsten Zeit den Eindruck, als be- stünde für diese Anerkennungstendenzen eine gewisse Hochkonjunktur."

A p p : „ J a , das beobachte ich sehr g e n a u . A b e r w e n n ich so lese, w a s i n d e r s o g e n a n n t e n ö f f e n t - l i c h e n M e i n u n g in der B u n d e s r e p u b l i k gesagt w i r d , d a n n k a n n ich n u r s t a u n e n . D i e M o r g e n - t h a u - E r z i e h u n g , d i e nach d e m K r i e g e i n Deutsch- l a n d p r a k t i z i e r t w u r d e , so scheint m i r , hat doch in d i e s e m V o l k d e r D i c h t e r u n d D e n k e r tiefe W u r z e l n geschlagen.

K e n n e n Sie den Begriff des b r a i n w a s h i n g ? Ich m ö c h t e i h n als die M a d i t der G e h i r n - w ä s c h e bezeichnen, w e n n ich diese D i n g e auf a m e r i k a n i s c h e V e r h ä l t n i s s e ü b e r s e t z e . Ich k a n n m i r k e i n e n A m e r i k a n e r v o r s t e l l e n — jedenfalls k e i n e n patriotischen A m e r i k a n e r —, der bereit w ä r e , z u m B e i s p i e l auf N e u - E n g l a n d zu ver- zichten.

S i c h e r l i c h freuen sich in A m e r i k a die W o r t f ü h r e r einer U m e r r j e h u n g s p o l i t i k ü b e r die V e r - / i c h t s t e n d e n z e n , die i n der B u n d e s r e p u b l i k er- k e n n b a r w e r d e n . A b e r s e i e n S i e versichert, e i n

Prof. Dr. A u s t i n A p p : „Eines weiß ich ganz bestimmt

g r o ß e r T e i l , ich m ö c h t e m e i n e n der ü b e r w i e - gende T e i l der e h r l i c h e n A m e r i k a n e r , hat für d e r a r t i g e E r s c h e i n u n g e n k e i n V e r s t ä n d n i s . E i n e s jedoch w e i ß ich b e s t i m m t :

D i e D e u t s c h - A m e r i k a n e r v e r a c h t e n diese V e r - z i c h t l e r m i t S i c h e r h e i t .

D a b e i s i n d diese V e r z i c h t l e r i n e i n e r . g ü n - s t i g e n L a g e ' . S i e v e r z i c h t e n j a meistens auf etwas, w a s i h n e n nicht e i n m a l g e h ö r t .

Sie v e r z i c h t e n auf das, w a s d e n H e i m a t v e r -

triebenen g e h ö r t , die hierzu nicht einmal ge- fragt werden."

O B : „Professor App, auch wir haben uns dar- über gefreut, daß Richard Nixon Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Die Europäer, ins- besondere die Deutschen in der Bundesrepublik, sehen darin die Möglichkeit für einen neuen An- fang. Ein Neubeginn in den Beziehungen zwi- schen den Vereinigten Staaten und Europa im allgemeinen und mit Deutschland im besonderen.

Wie glauben Sie wohl, daß Präsident Nixon zu der Frage der deutschen Wiedervereinigung steht?"

P r ä s i d e n t N i x o n f ü r W i e d e r v e r e i n i g u n g A p p : „Ich b i n der H o f f n u n g u n d der M e i n u n g ,

d a ß P r ä s i d e n t N i x o n m i t S i c h e r h e i t besser als s e i n V o r g ä n g e r begreift, d a ß D e u t s c h l a n d nicht e w i g g e s p a l t e n b l e i b e n k a n n . Ich m ö c h t e m e i - nen, d a ß er auch w e i ß , w e n n es nicht z u e i n e r W i e d e r v e r e i n i g u n g i n F r i e d e n u n d F r e i h e i t k o m m t , d a ß d a n n d i e G e f a h r wachst, d a ß diese W i e d e r v e r e i n i g u n g e i n m a l d u r c h k o m m u n i s t i - sche M a c h e n s c h a f t e n h e r b e i g e f ü h r t w i r d .

Ich glaube, d a ß P r ä s i d e n t N i x o n auch k e i n e n Z w e i f e l d a r a n l ä ß t , d a ß er die deutsche W i e d e r - v e r e i n i g u n g i n F r e i h e i t w i l l u n d f ö r d e r t . A b e r es ist e i n I r r t u m a n z u n e h m e n , d a ß d i e A m e r i k a - ner F u r d i t v o r der S o w j e t u n i o n u n d v o r i h r e n S a t e l l i t e n h a b e n . A b e r ich g l a u b e , w i r m ü ß t e n d i e S i t u a t i o n i n E u r o p a u n d auch das V e r h ä l t - n i s der U S A z u E u r o p a ganz a n d e r s sehen, w e n n e i n m a l das L a n d k o m m u n i s t i s c h beherrscht sein w ü r d e .

Ich p e r s ö n l i c h stehe auf d e m S t a n d p u n k t , d a ß , w e n n d i e s e r F a l l e i n t r e t e n w ü r d e , b e s t ü n d e k e i n e M ö g l i c h k e i t , das ü b r i g e E u r o p a z u retten.

Je m e h r sich diese E r k e n n t n i s i n d e n a n d e r e n e u r o p ä i s c h e n Staaten durchsetzt, desto m e h r besteht die M ö g l i c h k e i t , d a ß E u r o p a w i r k l i c h zu e i n e r g e m e i n s a m e n p o l i t i s c h e n E i n h e i t findet und entsprechend handelt."

O B : „Professor App, gilt die Atlantik-Charta auch für die Deutschen?"

G i l t a u c h f ü r d i e D e u t s c h e n A p p : „ J a , als die A t l a n t i k - C h a r t a i m J a h r e 1941 v e r k ü n d e t w u r d e u n d als im J a h r e 1942 z w e i u n d d r e i ß i g der a l l i i e r t e n S t a a t e n d i e -(

ses P a p i e r unterschrieben, d ü r f t e s i c h e r l i c h n i e - m a n d d a r a n g e z w e i f e l t haben, d a ß es k e i n e t e r r i t o r i a l e n V e r ä n d e r u n g e n o h n e d e n W i l l e n der betroffenen V ö l k e r geben d ü r f t e .

F ü r uns w a r k l a r , d a ß diese F e s t s t e l l u n g für die S i e g e r w i e für die B e s i e g t e n g e l t e n m u ß .

O b w o h l C h u r c h i l l s p ä t e r e t w a s an d i e s e m P r i n z i p r ü t t e l t e , w u r d e es n i e m a l s o f f i z i e l l ab- g e ä n d e r t . Das k a n n man auch nicht, w e n n nicht das Ideal der S e l b s t b e s t i m m u n g , für das A m e - r i k a v o r g e g e b e n hat in z w e i W e l t k r i e g e n ge- k ä m p f t zu haben, z e r s t ö r t w e r d e n s o l l . D i e Fest- '.•.qung .ohne den W i l l e n der b e t e i l i g t e n V ö l k e r g i l t auch o f f i z i e l l in v o l l e m U m f a n g für Deutsch- l a n d . "

O B : „Sie wissen sicherlich, Herr Professor, daß namentlich seitens der Ostblockstaaten die unter Hitler begangenen Untaten als Vorwand für die Annexion deutschen Gebietes und die Vertreibung deutscher Menschen benutzt werden und . . ."

F i n s t e r e B a r b a r e i

A p p : „ . . . w e i ß ich g e n a u , aber d a z u m ö c h t e ich folgendes s a g e n : es ist d e r e i g e n t l i c h e K e r n der 14 P u n k t e W i l s o n s u n d auch der A t l a n t i k - C h a r t a , d a ß nicht d i e T u g e n d e n oder U n t a t e n eines R e g i m e s d i e G r e n z e n b e s t i m m e n , s o n d e r n d a ß l e d i g l i c h der W i l l e d e r b e r e c h t i g t e n B e - v ö l k e r u n g m a ß g e b l i c h s e i n m u ß .

W a r u m s o l l e n d e n n zum B e i s p i e l ausgerech- net d i e O s t p r e u ß e n für H i t l e r s V e r h a l t e n be- straft w e r d e n ?

W o l l t e m a n e i n solches V o r g e h e n b i l l i g e n , so w ü r d e m a n i n d i e finstersten Z e i t e n d » r B a r - b a r e i z u r ü c k f a l l e n .

D i e A m e r i k a n e r betrachten als a m e r i k a n i s c h j e n e s L a n d , auf d e m sie schon l a n g e leben.

Seit G e n e r a t i o n e n l e b e n . U n d w o sie i h r ame- r i k a n i s c h e s L e b e n entfalten k ö n n e n . D e r gleiche G r u n d s a t z g i l t auch für D e u t s c h l a n d — m u ß auch für D e u t s c h l a n d g e l t e n .

Es ist u n m ö g l i c h , d i e B e v ö l k e r u n g eines G e bietes d u r c h V e r t r e i b u n g o d e r A b t r e n n u n g für dfe F e h l e r u n d V e r b r e c h e n e i n e r R e g i e r u n g v e r - a n t w o r t l i c h zu machen o d e r zu bestrafen. A u f dieses V e r h a l t e n d e r R e g i e r u n g hat doch die B e v ö l k e r u n g — g a n z g l e i c h wo i m m e r — einen m e h r als b e s c h r ä n k t e n E i n f l u ß . "

D i e ö s t l i c h e n N a c h b a r n . . ,

O B : „Sie wissen, daß die Bundesregierung daran interessiert ist, das Verhältnis zu unseren öst- lichen Nachbarn wieder in Ordnung zu bringen, die Wunden zu heilen, die der vergangene Krieg geschlagen hat und . . ."

A p p : „ . . . ach j a , z u d e n ö s t l i c h e n N a c h b a r n m ö c h t e ich Ihnen e t w a s s a g e n :

A l s V o r s i t z e n d e r des P h i l a d e l p h i a - K o m i t e e s für v e r s k l a v t e V ö l k e r b i n ich i m m e r a u ß e r - o r d e n t l i c h beeindruckt, w i e f r e u n d l i c h d i e V e r - treter d e r ö s t l i c h e n V ö l k e r D e u t s c h l a n d g e g e n -