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Archiv "zur Bayer AG: Gefallener Engel" (14.03.2003)

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er Rechtsmediziner Pro- fessor Dr. Volkmar Schneider von der Frei- en Universität Berlin über- raschte kürzlich seine Studen- ten mit einem fesselnden Vor- trag über Gifte in Agatha Christies Kriminalromanen.

In Gemeinschaft mit seinem Assistenten Benno Rießel- mann hatte er nach Über- prüfung aller Romane der großen britischen Autorin zwei Romane zum Gegen- stand einer besonderen Über- prüfung gemacht, nämlich den Roman „Das fahle Pferd“

(The Pale Horse) und „Ni- kotin“ (Three Act Tragedy).

In beiden Romanen werden nämlich Vergiftungssympto- me und -wirkungen genau be- schrieben, und zwar fachkun- dig. Die offensichtliche Fach- kunde ist darauf zurückzu- führen, dass es sich bei der Autorin um eine ausgebildete Apothekerin handelt.

Als Agatha Christie wäh- rend des Ersten Weltkriegs als Apothekerin augebildet wurde, wurde ihre Neugier durch all das angesprochen, was sie zu ihrem Erstaunen bei ihrem Lehrherrn vorfand.

Sie betrieb ihre Ausbildung nicht nur im Bestreben, ihr Examen vor der gestrengen Apothekergilde zu bestehen, sondern machte sich auch aus persönlichem Interesse her- aus Notizen, deren Inhalt ihr später als Schriftstellerin zu- statten kam.

In sorgfältig gegliederten Notizbüchern erfasste sie in alphabetischer Reihenfolge Aussehen und Eigenschaften unterschiedlicher Substanzen, aber auch, woraus sie gewon- nen werden, ihre Wirkursa- chen und diejenigen Stoffe, mit denen sie sich nicht ver- tragen. Unter dem Stichwort Gentiana ist beispielsweise vermerkt: „Sieht aus wie rus-

sische Schokolade.“ Unter Kollodium findet sich die An- merkung: „Riecht nach Äther – weiße Rückstände an Kor- ken.“ Bei einem Extrakt aus Mutterkorn vermerkt Agatha Christie: „Riecht wie schlecht gewordener Fleischextrakt.“

Unter anderem vielschich- tig sind auch ihre Notizen.

Lehrbuchwissen reicht ihr of- fenbar nicht. Sie fertigte sich Tabellen über die Zuberei- tung von Antimon, Belladon- na, Digitalis und Morphium, ferner notiert sie die emp-

fohlenen Dosierungen, alles Dinge, die in ihren Romanen später irgendwann und ir- gendwie einmal Verwendung finden.

Bereits in ihrem ersten Kriminalroman lässt Agatha Christie durch Gift morden.

Eingedenk einer goldenen Regel für Kriminalgeschich- ten, möglichst kein unbekann- tes und nicht nachweisbares Gift einzusetzen, hielt sie sich an bekannte Substanzen, wie Zyankali, Morphium und Strychnin. Dr. jur. W. Beaumont

W

enn jemand noch ei- nes Beweises bedarf, wie hektisch die Zeit- läufe geworden sind, braucht er bloß die Kursveränderun- gen bei Aktien anzuschauen, selbst bei denen, wo früher Ausschläge von sechs, sieben Prozent im Jahr schon Erstau- nen auslösten oder Stirnrun- zeln, je nachdem.

Heute sind eben diese Wer- te wie Bayer, Post oder Sie- mens, um nur einige wenige der großen deutschen Blue- chips zu nennen, mit Kurshal- bierungen binnen Jahresfrist fast schon die Normalität denn die Ausnahme. Sind die Märkte verrückt geworden, sind die Anleger völlig über- geschnappt, oder korrigieren die Börsen nur die maßlose Gier der letzten Haussejahre?

Schwierige Fragen, noch komplexere Antworten. Es gibt natürlich auch Werte, die neben all den Sorgen um Kon-

junktur und Kriegsangst noch darüber hinaus mit ziemli- chen Individualproblemen zu kämpfen haben, wie etwa der ehemalige Börsenstar Bayer.

Wenn einer vor drei Jahren ei- nen Kurs von 12 Euro für den Leverkusener Konzern pro- gnostiziert hätte, wäre er ent- weder ausgelacht oder mögli- cherweise verprügelt worden, sicher aber hätte ihn kein Mensch ernst genommen.

Jetzt mehren sich sogar die Stimmen, die dem gefallenen Engel Bayer deutlich niedri- gere Werte attestieren, ihn sogar alsbald in der Pleite se- hen. Die Ursache: maßlose Entschädigungsforderungen in Sachen Lipobay/Baycol.

Die Antreiber: größenwahn-

sinnige und geldgierige US- Anwälte. In den Medien wer- den dieser Tage doch tatsäch- lich existenzgefährdende Scha- denssummen von bis zu 15 Milliarden Dollar kolportiert.

Bei einem Börsenwert von neun Milliarden Euro für den Gesamtkonzern (!) kann sich jeder an fünf Fingern zusam- menzählen, was das bedeutet.

Droht Bayer etwa der Garaus?

Meines Erachtens ist das alles ziemlich weit hergeholt.

Die Börse überschätzt, wenn ich das richtig sehe, die Di- mension des Lipobay-Skan- dals ganz eindeutig. Das Schlimmste zu unterstellen mag ja aus Vorsichtsgründen verständlich sein, angebracht ist es im Falle Bayer eigent-

lich nicht, hier herrscht Panik pur.

Was hilft, ist der Vergleich.

Die US-Firma Wyeth muss- te tatsächlich 14 Milliarden Dollar wegen nachgewiesener Fahrlässigkeit im Zusammen- hang mit den beiden Schlank- heitsmitteln Redux und Pon- dimin (Phen-Fen) berappen.

Aber: Im Falle Wyeth war die Zahl der betroffenen Kon- sumenten rund zehnmal so hoch wie bei Lipobay. Und anders als bei der Wirkstoffkombina- tion Phen-Fen hinterließ Lipo- bay bei den meisten keine blei- benden Schäden. Darüber hin- aus wurden bei Wyeth etwa fünf- mal so viel Klagen eingereicht.

Nach alledem dürfte Bayer mit rund drei bis vier Milliar- den Dollar „davonkommen“.

Stimmt diese Annahme, dann ist der Börsenkurs 100 Pro- zent zu niedrig. Die logische Folgerung daraus lautet klar:

kaufen jetzt, freuen später. ) S C H L U S S P U N K T

[100] Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 1114. März 2003

zur Bayer AG

Gefallener Engel

Börsebius

Post Scriptum

Agatha Christies Giftmorde

Foto:Becker & Bredel

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