Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007 A2749
G E L D A N L A G E
H
ier am Rhein ist es gute Sit- te, dass der Nachbar für alle Fälle einen Schlüssel zum Haus hat. Aus gutem Grund. Mir etwa waren als gebürtiger Schwabe die Tücken des Gewässers durchaus nicht bekannt, zumindest nicht, wie schnell der Bach anschwel- len kann.Als ich vor gut 25 Jahren nach ei- nem Kurztrip nach Köln einschweb- te, bestaunte ich von oben, vorläufig noch eher amüsiert, die allerorts nassen Wiesen, nichtsahnend, dass sich die trüben Fluten in meinem Keller daselbst breitmachten. Trotz des verstrichenen Vierteljahrhun- derts schäme ich mich noch heute über mein blindes Vertrauen in das das damalige treuherzige Verspre- chen des Häusleverkäufers, seines Wissens gebe es in „unserer“ Straße kein Hochwasserproblem. Nun gut, seither liegt mein Schlüssel zwei Häuser weiter, es kann ja immer et- was passieren.
Diese Form der Nachbarschafts- hilfe kommt natürlich nicht nur im Rheinland vor, sie ist sicher überall in der Republik verbreitet, sei es, um im Urlaub die Blumen zu gießen oder den Zierfischen im Aquarium Gutes zu tun oder die Katze hygie- nisch zu unterstützen und mit Futter bei Laune zu halten, auf dass der Haustiger nicht die Tapeten herun- terreiße.
Was aber, wenn der gute Nachbar der Katze versehentlich auf den Schwanz tritt, die entsetzt hoch- springt und dabei eine Leuchte um- wirft, die ihrerseits wiederum das Glas des Aquariums sprengt, und sich dann Fische wie Wasser auf dem sündhaft teuren Teppich ver- breiten. Wer kommt, von den mög- lichen dunklen Schatten auf dem Nachbarschaftsfrieden mal abgese- hen, für den Schaden auf?
Das Bürgerliche Gesetzbuch sagt hier eindeutig, dass der Helfer voll schadensersatzpflichtig ist (§ 823
BGB), eine Vorschrift also, die dem gesunden Menschenverstand nicht immer Rechnung trägt.
Den Gerichten ist hier aber dan- kenswerterweise zu attestieren, dass ihnen das soziale Miteinander doch wichtig ist, denn in etlichen Urteilen wurde unterstellt, dass „ein still- schweigender Haftungsausschluss“
vereinbart worden sei, so etwa auch durch das Landgericht Aachen (Az.:
40 536/86). Der Richter wies die Schadensersatzpflicht des Beklagten ab, denn „hätte der Helfer gewusst, auf welche Gefahren er sich einließ, wäre er niemals ohne Haftungsver- zicht bereit gewesen zu helfen“.
Ein solches Urteil ist aber sicher- lich nur bei leichter Fahrlässigkeit zu erwarten, nicht jedoch, wenn sich Freunde bei der Umzugshilfe über- mütig einen Fernseher zuwerfen, der dann zu Bruch geht.
Für alle Fälle lohnt zum einen das Abfassen einer kurzen Nicht- haftungsnotiz, wenn eine Nachbar- schaftshilfeaktion ansteht, erst recht aber der Abschluss einer Privathaft- pflichtversicherung, die ausdrücklich auch für Gefälligkeitsschäden ein- steht. Auf dass die gute Nachbar- schaft keinen Schaden erleide. I BÖRSEBIUS