Aktuelle Medizin
FÜR SIE GELESEN
und Mitarbeiter berichteten im Laufe der letzten Jahre über sechs Patien- ten, bei denen anläßlich von Hoden- biopsien wegen Sterilität intratubu- läre atypische Keimzellen gefunden werden konnten. Vier dieser Patien- ten entwickelten innerhalb von 1 bis 41/2 Jahren eigentliche Keimzellge- schwülste. Auch wir konnten bei neun von insgesamt 1635 Patienten, das heißt in 0,55 Prozent unserer Patienten mit Hodenbiopsien wegen Sterilität, derartige atypische Keim- zellen in den Biopsiepräparaten nachweisen. Bei fünf dieser Patien- ten traten nach Intervallen von Mo- naten bis sechs Jahren maligne Hodentumoren auf, drei Seminome, ein Teratom und eine Kombinations- geschwulst, das heißt ein Teratom und ein Seminom (Nüesch-Bach- mann und Hedinger, 1977).
Bei einem Teil dieser Fälle darf si- cher nicht einfach von einer Präkan- zerose oder einem Carcinoma in situ gesprochen werden, kann es sich doch bei diesen intratubulären aty- pischen Keimzellen nur um die schon geschilderte Randreaktion ei- nes bereits ausgebildeten Keimzell- tumors des Hodens handeln. Bemer- kenswert sind aber Beobachtungen wie unser erster Fall, bei dem das Seminom erst sechs Jahre nach der Biopsie klinisch in Erscheinung trat (Abbildungen 1 und 2). Vier unserer neun Patienten mit atypischen Keim- zellen sind bis heute tumorfrei ge- blieben. Bei solchen Fällen vor allem stellt sich die Frage, ob eine eigentli- che Präkanzerose im engeren Sinne vorliegen könnte und nicht einfach ein bereits beginnendes Seminom im Sinne eines Seminoma in situ.
Auch in kryptorchen Hoden können atypische Keimzellen, wie bereits betont, wegleitend für den Nachweis eines Keimzelltumors sein, sei es bei der Orchidopexie oder bei einem schon früher korrigierten Kryptor- chismus.
Bei den Gonadenstromatumoren sind entsprechende Frühverände- rungen oder eigentliche Präkanze- rosen bisher nicht bekannt gewor- den, es sei denn, man rechne Wu- cherungen hypoplastischer Kanäl- chen, wie man sie zum Beispiel in
kryptorchen Hoden oder vor allem in den Gonaden bei testikulärer Femi- nisierung sehen kann, zu derartigen Vorläufern. Tatsächlich sind derarti- ge Herde früher in Zusammenhang mit späteren Tumoren gebracht wor- den, allerdings mit Keimzelltumo- ren. Solche hypoplastischen Zonen entwickeln sich praktisch aber nie zu eigentlichen Sertolizelltumoren.
Zusammenfassend betrachtet, kön- nen im Hoden besonders in atrophi- schen Kanälchen Veränderungen auftreten, die als Präkanzerosen im engeren Sinne aufzufassen sind. Es handelt sich aber um relativ seltene Befunde. Präkanzerosen im weite- ren Sinne, präkanzeröse Krankhei- ten, dürften insofern eine größere Rolle spielen, als gewisse, allerdings auch relativ seltene Gonadenmißbil- dungen bis in fast einem Drittel der Fälle mit Hodentumoren, besonders Keimzellgeschwülsten, einhergehen können.
Literatur
Krabbe, S.; Skakkebaek, N. E.; Berthelsen, J.
G.; Eyben, F. V.; Volsted, P.; Mauritzen, K.;
Eldrup, J.; Nielsen, A. H.: High incidence of undetected neoplasia in maldescended testes, Lancet I (1979) 999-1000 — Nüesch-Bach man n, I. H.; Hedinger, Chr.: Atypische Spermatogo- nien als Präkanzerose, Schweiz. med. Wschr.
107 (1977) 795-801 — Pugh, R. C. B.: Pathology of the testis, Blackwell Scientific Publications, Oxford/London/Edinburgh/Melbourne 1976
—Skakkebaek, N. E.: Carcinoma in situ of the testis: frequency and relationship to invasive germ cell tumours in infertile men, His- topathology 2 (1978) 157-170 — Skakkebaek, N. E.: Possible carcinoma-in-situ of the testis, Lancet II (1972) 516-517
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med.
Christoph E. Hedinger
Direktor des Instituts für Pathologie der Universität Zürich
Schmelzberstraße 12 8091 Zürich/Schweiz
Budd-Chiari' Syndrom nach DTIC
Ein 59jähriger Patient mit metasta- siertem Melanom wurde einer fünf- tägigen Monotherapie mit dem Zy- tostatikum DTIC (Dimethyltriazeno- imidazolcarboxamid, 250 mg/m 2 pro die) unterzogen. Fünf Tage nach dem ersten Behandlungszyklus klagte er über Übelkeit und Schmer- zen im Epigastrium. Zu diesem Zeit- punkt wurde die Leber erstmals tast- bar. Bei rückläufigem Beschwerde- bild wurde fünf Wochen nach der ersten Therapie ein zweiter Zyklus mit DTIC begonnen. Nach zwei Be- handlungstagen mußte der Patient wegen starker epigastrischer Schmerzen, Dyspnoe und Benom- menheit als Notfall stationär aufge- nommen werden. Der Kreislauf war zentralisiert, RR 70/45, Atemfre- quenz 32/min, Leber 12 cm unter dem Rippenbogen tastbar. Patholo- gische Laborwerte: Albumin 2,9 g%, Bilirubin 1,6 mg%, GOT 162 IE, AP 2461E, LDH 345 IE, ph 7,17. Im weite- ren Verlauf: Bewußtseinsverlust, An- stieg der GOT auf 13 860 IE, der LDH auf 757 1E, der AP auf 287 IE, des Bilirubins auf 2,8 mg%, Abfall des Quickwertes, Exitus unter dem Bild des Atemstillstands am zweiten Tag nach der Aufnahme. Bei der Autop- sie fanden sich neben Lungen- und Hirnmetastasen des bekannten Mel- anoms eine 2500 g schwere Leber mit akuten Stauungszeichen, Nekro- seherden und frischen Thromben in den Lebervenen. Die Histologie zeig- te Iäppchenzentrale, hämorrhagi- sche Nekrosen sowie Koagulations- nekrosen. Eine Lebermetastasie- rung war nicht nachweisbar. Die Autoren weisen darauf hin, daß Thrombosierungen der Lebervenen nach verschiedenen Zytostatika be- schrieben worden sind. Der vorlie- gende Fall zeigt, daß DTIC auch in Form der Monotherapie ein solches Krankheitsbild auslösen kann. Grc
Asbury, R. F.; Rosenthal, S. N.; Descalzi, M. E.;
Ratcliffe, R. L.; Arsenlau, J. C.: Kepatic veno- occlusive disease due to DTIC Cancer 45 (1980) 2670-2674, University of Rochester, Cancer Center and Depts. of Medicine and Pathology, Rochester General Hospital, Rochester, New York
Hodentumoren
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
2488 Heft 42 vom 16. Oktober 1980