Wenn es um die Therapie von leichten bis mittelschwe- ren Schlafstörungen, nervö- sen Unruhezuständen und Depressionen geht, sollte man nicht gleich mit Kano- nen auf Spatzen schießen,
meinte Prof. Rudolf Bauer (Düsseldorf) beim Workshop
„Phytopharmaka bei Depres- sionen“ in Garmisch-Parten- kirchen. Der vermehrte Ein- satz von Phytopharmaka, so Bauer, habe seinen Grund zum einen im günstigen Wirkprofil und zum anderen in der geringen Nebenwir- kungsrate.
In Europa werden derzeit um die zwanzig verschiedene pflanzliche Arzneidrogen als Sedativa und Antidepressi- va eingesetzt. Für etwa die Hälfte davon ist in Deutsch- land die Wirksamkeit anhand wissenschaftlicher Kriterien anerkannt worden. Dazu zählen Johanniskraut, Hop- fenzapfen, Melissenblätter und Baldrianwurzeln. Die- se werden teilweise auch
sinnvoll kombiniert. Obwohl die klinische Wirksamkeit von Johanniskraut (Hyperi- cum perforatum) schon in zahlreichen Studien nachge- wiesen wurde, ist die Frage, welche Inhaltsstoffe der
Pflanze wirksam sind, nicht endgültig geklärt. So konnte für Hypericin, Hyperorin und für die enthaltenen Flavono- ide eine selektive Hemmwir- kung der Monoaminooxida- se-A (MAO-A) nachgewie- sen werden. Auch die Dop- amin-b-Hydroxylase wird durch Hypericin inhibiert.
Flavonoid- und xanthon- haltige Fraktionen hemmen die Catecholamin-Methyl- transferase (COMT), und für Hyperforin wurde gefunden, daß es die Wiederaufnahme von Neurotransmittern hem- me. Die Summe dieser Effek- te, erklärte Bauer, führe zum Ausgleich des aminergen Transmitterdefizits, das ur- sächlich mit der Depression in Zusammenhang stehe.
Darüber hinaus konnte für
die Biflavonoide (Biapigenin und Amentflavon) gezeigt werden, daß sie eine große Affinität zum Benzodia- zepinrezeptor aufweisen. Die geringe Konzentration der einzelnen Inhaltsstoffe läßt allerdings noch keine end- gültigen Schlüsse hinsicht- lich der Therapierelevanz zu. Derzeit werden die Hy- pericine als Leitsubstanz ver- wendet, um die repro- duzierbare Herstellung von Hypericum-Präparaten (Es- bericum® forte, Schaper &
Brümmer) zu dokumen- tieren.
Mit den Ergebnissen einer prospektiven, multizentri- schen Anwendungsbeobach- tung stellte Dr. Frank Donath (Charité Berlin) die Wirk- samkeit der Kombination von Baldrian, Hopfen und Melisse in einem fixen Verhältnis (Sedacur® forte Beruhigungsdragees) dar.
512 Patienten mit der Dia- gnose „psychophysiologische Insomnie“ nahmen über vier Wochen das Präparat ein.
291 Patienten standen nach der Therapie eine Woche in einer medikationsfreien Fol- low-up-Phase zur Verfügung.
79 Prozent der Behandelten berichteten zum Therapieen- de über einen Rückgang der Beschwerden um mehr als 50 Prozent. Auch in der an- schließenden medikationsfrei- en Woche verringerten sich die Ausgangsbeschwerden signifi- kant. Rebound-Effekte wur- den nicht beobachtet.
Wie beim Johanniskraut ist auch bei der Kombination von Hopfen, Melisse und Baldrian die Summe vieler Einzelkomponenten für die Wirksamkeit verantwortlich.
Hauptinhaltsstoffe beim Hop- fen sind die instabilen Hop- fenbitterstoffe Humulin und Lupulon sowie ätherisches Öl; bei der Melisse ist nach heutigen Erkenntnissen das komplex zusammengesetzte ätherische Öl als Hauptwirk- prinzip anzusehen; beim Baldrian ist ebenfalls das ätherische Öl verantwortlich, wobei dem Valeron eine be- sondere Bedeutung zuge- schrieben wird.
Dr. Klaus-Wolfgang Her- berg (TÜV Rheinland, Köln) stellte wissenschaftliche Er- kenntnisse zu den vorgestell- ten Phytopharmaka in bezug auf die Alltagssicherheit vor.
Beide Präparate wurden wie das Vergleichspräparat Plaze- bo jeweils 15 Tage lang dop- pelblind und randomisiert im Cross-over-Design von 18 Probanden eingenommen.
Am Ende jeder Einnahme- phase wurde zusätzlich zur Klärung möglicher Interakti- onseffekte Alkohol (0,5 Pro- mille Blutalkoholkonzentra- tion) gegeben. Mit einer com- putergesteuerten Testein- richtung beim TÜV Rhein- land wurden fünf Testverfah- ren zur Erfassung von Dauer- konzentration, Wahrnehmung, Bewegungskoordination, Vi- gilanz und Reaktionsvermö- gen präsentiert. Ergänzt wur- den diese Tests durch Befin- dens-Skalen und die Erfas- sung weiterer Sicherheits- parameter. Es ließen sich damit keine Leistungsunter- schiede zwischen Phytophar- maka und Plazebo erkennen.
Auch unter Alkoholeinfluß waren die Leistungen beider Medikationsvarianten nicht schlechter als unter Alkohol allein. Ursula Petersen
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A-680 (52) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 12, 20. März 1998
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Therapie von leichten Schlafstörungen
Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen
Humulus lupulus, die Hopfenzapfen, stellen ein altbe- kanntes und be- währtes pflanzli- ches Beruhigungs- mittel dar. Wirksam sind die instabilen Hopfenbitterstoffe und das ätherische Öl. Hopfenzapfen sind Bestandteil der Kombinationspräpa- rate zur Behand- lung von Unruhezu- ständen und Ein- schlafstörungen.
Foto: Schaper & Brümmer