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Archiv "Methoden der Regionalanästhesie" (19.04.1990)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Methoden der

Regionalanästhesie

Rainer Schwab und Wolfgang Dick

1.1 Bedeutung der Regionalanästhesie

Die Regionalanästhesie ermög- licht dem Patienten, einen sonst schmerzhaften Eingriff in völliger Empfindungslosigkeit bei erhalte- nem Bewußtsein zu tolerieren (Ta- belle 1). Einzelne Methoden sind

„konkurrenzlos", andere haben Al- ternativen in der Allgemeinanästhe- sie. Eine endgültige Aussage zur Be- wertung der Vor- und Nachteile im operativen Bereich gegenüber der Allgemeinanästhesie ist derzeit nicht möglich, da großangelegte multizen- trische Studien nicht verfügbar sind.

1.2 Wirkungsweise der Regionalanästhesie

Durch die Injektion von Lokal- anästhetikum um einen Nerven wird seine Erregungsleitung reversibel blockiert. Sowohl die sensible als auch die motorische Funktion des Nerven in seinem Versorgungsgebiet werden distal der Injektionsstelle durch Veränderung der Nerven- membran in ihrer elektrophysiologi- schen Eigenschaft unterbrochen. Die sensible und die motorische Funk- tion werden — unter Umständen qua- litativ unterschiedlich — unterbro- chen.

1.3 Lokalanästhetika

Procain, Tetracain und Lidocain (Ester) sind historisch-klassische Lo- kalanästhetika, Mepivacain, Bupiva- cain und Etidocain (Amide) gehören zu den pharmakologischen Neuerun- gen (Tabelle 2). In den letzten Jahren werden zunehmend die esterartigen

Die wechselvolle Geschichte der Lokal- beziehungsweise Regional- anästhesie nahm 1884 mit der Verwendung des Kokains durch Koller ihren Anfang. Erst in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahr- hunderts gaben neue Methoden und Materialien, verbesserte Kenntnisse und neue Lokalanäs- thetika der Regionalanästhesie neue Impulse. Ihr Anwendungs- spektrum reicht von operativen und diagnostischen Eingriffen über die Geburtshilfe und post- operative Analgesie bis zur Be- handlung chronischer Schmerzzu- stände.

Lokalanästhetika durch die Amid- Verbindungen verdrängt. Die ver- schiedenen Substanzen werden in definierten Konzentrationen, mit un- terschiedlichen Zusätzen in iso-, hy- po- und hyperbarer Form angeboten.

In aller Regel reichen Lokalanästhe- tika ohne Vasokonstriktorenzusatz aus. Die Wahl des jeweils geeigneten Lokalanästhetikums sollte sich vor allem an der erforderlichen Wirk- dauer orientieren.

2. Methoden der Regionalanästhesie

2.1 Operative und diagnostische Eingriffe

2.1.1 Infiltration

Durch subkutane, intrakutane und intramuskuläre Injektion, meist mit fächerförmiger Nadelführung

oder in Form des Feldblocks werden die sensiblen Afferenzen blockiert und damit ein eng begrenztes Areal betäubt. Anwendungsgebiete sind kleine chirurgische und diagnosti- sche Eingriffe, zum Beispiel Wund- versorgungen oder schmerzhafte Punktionen mit dicklumigen Kanü- len. Die verwendeten Lokalanästhe- tika werden eher niedrig konzen- triert und wirken (etwa Mepivacain ein Prozent), je nach erforderlichem Volumen und Dauer des Eingriffes, kurz. In der Regel wird das Verfah- ren vom Operateur selbst durchge- führt und ist bei Verwendung dünn- ster Nadeln für den Patienten kaum unangenehm.

2.1.2 Periphere Leitungsanästhesie

Die Anästhesie einzelner oder mehrerer definierter peripherer Nerven wird als Leitungsanästhesie bezeichnet, zum Beispiel die Oberst- sehe Anästhesie, die isolierte Blok- kade einzelner Nerven des Armes (N. radialis, N. ulnaris, N. medianus) oder der unteren Extremität (N. pe- roneus, N. tibialis, N. saphenus). In- dikationen sind Eingriffe im Versor- gungsgebiet der blockierten Nerven oder die Ergänzung unvollständiger Plexusanästhesien (Abbildungen 1 a und b). Auch diese Methoden wer- den oft durch den Operateur selbst durchgeführt, insbesondere wenn es sich um operationsgebietnahe Re- gionalanästhesien handelt (HNO- Ophtalmologie, Geburtshilfe). >

Klinik für Anästhesiologie (Direktor:

Professor Dr. med. Wolfgang Dick) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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2.1.3 Intravenöse Regionalanästhesie

Ein Verfahren zur Anästhesie der oberen Extremität (unter Um- ständen auch der unteren) ist die in- travenöse Regionalanästhesie. Mit- tels einer Venenverweilkanüle am Handrücken wird in den zuvor „blut- entleerten" Arm (Auswickeln und Esmarch-Binde am Oberarm) 20 bis 40 ml Lokalanästhetikum injiziert.

Hierdurch werden Eingriffe in Blut- sperre bis zu einer Dauer von 30 bis 40 Minuten ermöglicht. Es werden nur kurz- bis mittellang wirkende Lokalanästhetika mit geringerer to- xischer Potenz eingesetzt, da es nach versehentlichem oder geplantem Ab- lassen des Manschettendruckes zum systemischen Einstrom einer gewis- sen Restmenge an Lokalanästheti- kum kommen kann (Abbildung 2).

Abbildung 1 a (rechts) Periphere Leitungs- anästhesie der Handnerven: N.radialis — Anatomische Orientierung und Analgesie- zone —1 b (unten) N. medianus und N ulna- ris (Zeichnungen: Roberto Guamerio/medi- zin heute, Heft 3/1989)

A-1270 (58) Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990

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Abbildung 2: Die intravenöse Regionalanästhesie (aus: Dick/Brandt: Anästhesiologie. Ver- lag Edition Medizin, Weinheim, S. 98)

Tabelle 1: Anwendungsbereiche der Regionalanästhesie operative/diagnostische Infiltrationen

Eingriffe Leitungsblockaden

rückenmarknahe Verfahren Plexusblockaden

i. v. Regionale Geburtshilfe Peridural-Anästhesie

spinale Anästhesie Pudendus-Blockade

postoperative Analgesie kontinuierliche Peridural-Anästhesie kontinuierliche Plexusblockaden Infiltrationen

Leitungsanästhesie Plexusblockaden

kontinuierliche Verfahren Sympathikusblockade Schmerztherapie

2.1.4 Rückenmarksnahe Verfahren

2.1.4.1 Spinalanästhesie In den Subarachnoidalraum (Li- quorraum) werden in Höhe der Lumbalsegmente (meist zwischen L 3 und L 4, da sich in dieser Höhe das Rückenmark bereits in die Fila- mente aufgelöst hat), je nach ge- wünschtem Anästhesieniveau 2 bis 5 ml eines geeigneten Lokalanästheti- kums injiziert (Abbildung 3 a). Dies ermöglicht Eingriffe im Bereich der unteren Körperhälfte bis zu einer Dauer von ein bis drei Stunden. Die Ausbreitung der Anästhesie wird be- stimmt durch die Höhe des Injek- tionsortes, die Art des verwendeten Lokalanästhetikums und die ange- wandte Technik. Nach 5 bis 20 Minu- ten ist das Lokalanästhetikum übli- cherweise „fixiert", so daß die defini- tive Lagerung des Patienten vorge- nommen werden kann Infolge Blok- kierung auch sympathischer Fasern kann es zu vorübergehender Beein- flussung des kardiovaskulären Sy- stems (Blutdruckabfall, Bradykar- die) und der Blasenfunktion kom- men. In Abhängigkeit von der Barizi- tät des Lokalanästhetikums kann die Spinalanästhesie isobar, hyper- und hypobar durchgeführt werden. Kli- nisch üblich sind iso- und hyperbare Formen. Wegen der bei jüngeren

Patienten nicht unerheblichen Inzi- denz postspinaler Kopfschmerzen wird neben Verwendung dünnster Nadeln die Methode eher nicht un- terhalb des 40. Lebensjahres emp- fohlen.

2.1.4.2 Periduralanästhesie Bei der Periduralanästhesie (auch Epiduralanästhesie genannt) wird das Lokalanästhetikum in den Periduralraum injiziert (Abbildung 3 b). Da es sich um den gleichen Wirkort (Spinalnerven) wie bei der Spinalanästhesie handelt, benötigt diese Methode eine längere An- schlagzeit infolge der größeren Dif- fusionsstrecke. Allerdings ergeben sich hierdurch auch einige Vorteile:

Die Anpassung an die physiologi-

schen Gegebenheiten kann langsa- mer erfolgen, die erwünschte Wir- kung läßt sich besser segmental steu- ern. Bei einmaliger Injektion durch die Spezialkanüle (Tuohy-Nadel) spricht man von der „Single-shot- Technik", durch Einführen eines dünnen Katheters durch diese Nadel kann die Dauer der Anästhesie be- liebig verlängert werden (postopera- tive Analgesie, Geburtshilfe, Tumor- schmerztherapie). Die Durchfüh- rung der Periduralanästhesie ist im Vergleich zur Spinalanästhesie tech- nisch und zeitlich (Anschlagzeit) aufwendiger und erfordert weitaus mehr Erfahrung.

2.1.5 Plexusanästhesien 2.1.5.1 Plexus brachialis

Der Plexus brachialis wird im Bereich der lateralen Halsseite von vorn, je nach angewandter Technik supraklavikulär oder interskalenär erreicht (Abbildung 4). Durch Injek- tion des Lokalanästhetikums in den perineuralen, den Plexus umhüllen- den bindegewebigen Raum werden die drei Hauptäste des Pl. brachialis anästhesiert. Die Ausbreitung der Anästhesie hängt neben der ange- wandten Technik vom injizierten Volumen ab. Die Methode ermög- licht Eingriffe im Bereich des Ober- und Unterarmes, bei interskalenärer Injektion auch Eingriffe in der vor- deren Schulterregion.

2.1.5.1.1 Axillärer Zugang Im Gegensatz zu vorstehender Technik wird hier der Plexus bra- chialis weiter peripher im Bereich

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der Axilla erreicht. Diese Methode wird wegen ihrer realativ einfachen und komplikationsarmen Technik häufig für Eingriffe im Unterarm- und Handbereich eingesetzt. Bei notwendiger Blutsperre kann gele- gentlich die Analgesiezone im Ober- armbereich unzulänglich sein, so daß durch Infiltrationsanästhesie oder Leitungsblockade der nicht erreich- ten N. intercostobrachialis und N.

cut. brachü med. eine zusätzliche Anästhesie vorgenommen werden muß.

2.1.5.2 Ischiadicusblockade Ähnlich dem Armbereich kann durch Ausschaltung des N. ischiadi- cus, gegebenenfalls ergänzt um die Blockade des N. femoralis, Schmerz- freiheit für Eingriffe an der unteren Extremität erzielt werden.

2.2 Geburtshilfe

2.2.1 PDA in der Geburtshilfe Zu den Besonderheiten bei die- sem speziellen Indikationsgebiet zählen:

❑ Das Anlegen der Peri- duralanästhesie wird unter Umständen in Linksseitenlage vorgenommen, wodurch die anatomische Orientierung er- schwert werden kann.

❑ Die verwendeten Lo- kalanästhetika werden in ge- ringerem Volumen und niedri- ger Konzentration eingesetzt.

Auch die Sectio caesarea kann in Periduralanästhesie durchgeführt werden, sofern keine Kontraindika- tionen bestehen und die Schwangere mit dieser Art der Anästhesie einver- standen ist.

2.2.2 Pudendus-Blockade Die Leitungsanästhesie des N.

Pudendus wird in der Regel durch den Geburtshelfer durchgeführt.

Postpartal kann unter der noch an- haltenden Anästhesie eine Episioto- mie versorgt werden.

2.3 Postoperative Analgesie

2.3.1 Kontinuierliche Periduralanästhesie

Zur postoperativen Analgesie kann der für die operative Anästhe- sie verwendete Periduralkatheter weiterbenutzt werden. Wenn weiter- hin Lokalanästhetika eingesetzt wer- den, so reichen niedrige Konzentra- tionen einer lang wirksamen Sub- stanz (zum Beispiel Bupivacain 0,125 Prozent oder 0,25 Prozent) und meist auch ein geringes Volumen aus. Dadurch läßt sich die moto- rische Blockade (Immobilisation) begrenzen, andererseits können schmerzhafte krankengymnastische Übungsbehandlungen mit größerer Effektivität und für den Patienten erträglicher durchgeführt werden.

Nachinjektionen müssen je nach Wirkzeit des Lokalanästhetikums re- gelmäßig erfolgen, alternativ wird gelegentlich die kontinuierliche In- fusion über Pumpen eingesetzt. An- stelle von Lokalanästhetika werden gelegentlich auch Opiate (vorzugs- weise Morphin) in vergleichsweise kleinen Dosen (3 bis 5 mg in 5 bis 10 ml physiologischer Kochsalzlösung) eingesetzt. Dieses Verfahren hat den Vorzug einer effektiven Analgesie bei unbeeinflußter motorischer Funktion und geringen systemischen Nebenwirkungen; an die Überwa- chungsmaßnahmen sind aber beson- ders im Hinblick auf die respiratori- sche Funktion (späte Atemdepres- sion) strengere Anforderungen zu stellen als an die PDA mit Lokalan- ästhetika.

2.3.2 Kontinuierliche Plexusblockaden

Bei der kontinuierlichen Plexus- blockade wird ebenfalls das für die intraoperative Anästhesie verwende- Abbildung 3 a (oben) Spinalanästhesie:

Anatomische Orientierung und Nadelfüh- rung (aus: Astra (Hrsg.): Regionalanästhe- sie. 3. Aufl., Fischer Stuttgart, S. 145) — 3 b (unten) Periduralanästhesie: Anatomische Orientierung und Ausbreitung der Anästhe- siezone (Zeichnungen: Roberto Guamerio/

medizin heute, Heft 3/1989) A-1274 (62) Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990

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intersUkutike Blocköde

supraklaNikoläre Blockade

te System weitergenutzt. Die Sicher- heitsanforderungen sind ähnlich de- nen der kontinuierlichen Peridural- anästhesie. Eine kontinuierliche, maschinelle Infusion des Katheters (Perfusor) ist möglich, allerdings un- ter strengeren Uberwachungsmaß- nahmen.

2.4 Zur Therapie

chronischer Schmerzen

Die Methoden der Regionalan- ästhesie sind ein äußerst wirkungs- volles Verfahren zur aktuellen Be- seitigung von Schmerzen, deren Ur- sache keiner anderen, kausalen The- rapie zugänglich ist. Oft ergibt sich durch mehrfache Anwendung der Anästhesie („Blockadeserie") auch durchaus eine längerfristige oder an- haltende Besserung des Beschwerde- bildes bis hin zur Schmerzfreiheit.

Abbildung 4: Anästhesie der oberen Extre- mität: Verschiedene Techniken der Plexus- brachialis-Blockade (aus: Dick/Brandt; An- ästhesiologie (Kurzlehrbuch). Verlag Editi- on Medizin, Weinheim, S. 95)

Bei nachstehend beschriebenen Verfahren sind Konzentration und Volumen der verwendeten Lokalan- ästhetika meist niedriger als bei ope- rativen Interventionen. Außerdem haben sich einige eigenständige Ver- fahren etabliert, deren Einsatz für operative Zwecke ungeeignet ist (zum Beispiel Sympathikusblockaden).

2.4.1 Infiltrationen

Infiltrationsbehandlung im Rah- men der Schmerztherapie bedeutet Injektion von Lokalanästhetika (zum Beispiel Bupivacain) auch in Gelen- ke und Bänder. Sie bewirkt eine tem- poräre Unterbrechung des nozizepti- ven Regelkreises. Indikationen sind schmerzhafte Funktionsbeeinträchti- gungen der genannten Strukturen und damit häufig Ursache eines chronischen Beschwerdebildes. 1>

Tabelle 2: Wichtige Eigenschaften häufig eingesetzter Lokalanästhetika (ohne Zahnheilkunde)

Substanz Jahr Ester/Amid Wirkdauer anästhetische Toxizität Empfänger/Höchstdosis Potenz mit/ohne Adrenalin (mg)

Procain 1905 Ester kurz 1 1 500/1000

(z. B. Novocain®)

Tetracain 1930 Ester lang 10-16 10 20

(z. B. Pantocain®)

Lidocain 1944 Amid mittel 4 2,1 300/500

(z. B. Xylocain®)

Mepivacain 1957 Amid mittel 2-4 2,3 300/500

(z. B. Scandicain®)

Prilocain 1960 Amid mittel 4 1,3 400/600

(z. B. Xylonest®)

Bupivacain 1963 Amid lang 16 12,5 150

(z. B. Carbostesin®, Bupivacain Woelm®)

Etidocain 1972 Amid lang 16 12 300

(z. B. Duranest®)

Carticain 1974 Amid mittel 6 1-2 500

(Ultracain®)

Als Vasokonstriktoren werden unter anderem Adrenalin, Noradrenalin, Octapressin zugesetzt.

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Abbildung 5 a (links) Blockade des Ganglion stellatum; 5 b (Mitte) Blockade des Plexus coeliacus (Pl. solaris); 5 c (rechts) Blockade des lumbalen Sympathikus (aus: Dick/Brandt:

Anästhesiologie (Kurzlehrbuch). Verlag Edition Medizin, Weinheim, S. 105/106)

2.4.2 Periphere Leitungs- und Plexusblockaden

Für die Durchführung von peri- pheren Leitungs- und Plexusblocka- den im Rahmen der Schmerzthera- pie haben sich einige zusätzliche Verfahren etabliert, so zum Beispiel die Ischiadikus-Blockade oder die Blockade des Plexus lumbosacralis (auch Drei-in-Eins-Block genannt).

Einsatzmöglichkeiten sind Schmer- zen im Bereich der unteren Extremi- tät, der Leiste und der Hüfte. Die paravertebrale und die interkostale Blockade sind eigenständige Metho- den der Schmerztherapie und haben ihre Indikationen in segmental be- grenzten, thorakalen Schmerzen wie Herpes Zoster und Rippenserien- frakturen.

2.43 Rückenmarknahe Verfahren

Die Spinalanästhesie hat in der Therapie chronischer Schmerzen nur eine untergeordnete Bedeutung.

Beachtliche Verbreitung hat im Ge- gensatz dazu die Katheter-Peridural- anästhesie gewonnen, die zur Be- handlung von Tumorschmerzen im Bereich der unteren Körperhälfte eingesetzt wird. Allerdings werden hier nur in Ausnahmefällen (zum

Beispiel zur Testung der korrekten Lage) Lokalanästhetika benutzt, vor- zugsweise Opiate wie Morphin. Re- spiratorische Komplikationen schei- nen bei dieser Patientengruppe auch bei hohen Dosen, sofern die Dosis- steigerung kontinuierlich erfolgt ist, nicht aufzutreten. Die Liegedauer der sorgfältig zu pflegenden Peridu- ralkatheter kann Wochen bis Mona- te betragen.

2.4.4 Sympathikusblockaden Bei Sympathikusblockaden wer- den gezielt sympathische Fasern (C- Fasern) blockiert, ohne daß periphe- re Nerven in ihrer Funktion beein- trächtigt werden (Abbildungen 5 a bis 5 c). Die deutliche Mehrdurchblu- tung im Blockadebereich ist häufig erwünscht.

Chronische Schmerzen sowie Durchblutungsstörungen im Bereich des Kopfes und des „oberen Qua- dranten", aber auch akute Beschwer- debilder wie Hörsturz, Herpes Zo- ster oder sympathische Reflexdystro- phie können Indikationen für die Methoden sein. Wichtige Komplika- tionsmöglichkeiten bestehen in ver- sehentlicher intravasaler oder peri- duraler Injektion. Die Blockade des Plexus coeliakus (Pl. solaris) bei chronischen Oberbauchschmerzen

(zum Beispiel chronische Pankreati- tis), Malignomen des Magen, der Le- ber und vor allem des Pankreas ist sowohl durch Punktion von doral als auch von ventral möglich. Punktion unter Bildwandler- oder CT-Kon- trolle ist empfehlenswert.

Die Blockade des lumbalen Grenzstranges wird in Höhe des LWK 2 oder 3, je nach gewünschter Lokalisation rechts oder links vorge- nommen Die Ganglienkette wird in Höhe der lateralen Vorderkante der Wirbelkörper erreicht Eine Bild- wandlerkontrolle ist bei einiger Übung nicht erforderlich, aber emp- fehlenswert. Indikationen sind ne- ben chronischen Karzinomschmer- zen im Bereich des Beckens und der unteren Extremitäten Durchblu- tungsstörungen oder Phantom- schmerzen. Auch hier kann nach po- sitiver diagnostischer Blockade eine neurolytische Blockade mit Alkohol unter Röntgen oder CT-Kontrolle erfolgen.

3. Voraussetzungen der

Regionalanästhesie 3.1 Information

und Organisation

Die Aufklärung des Patienten sollte den üblichen Anforderungen an die Durchführung von Anästhe- A-1276 (64) Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990

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sien folgen (sogenannte Stufenauf- klärung). Sie sollte ebenso wie die Einwilligung des Patienten schrift- lich dokumentiert werden. Dem Pa- tienten ist nach entsprechender In- formation ein Mitbestimmungsrecht zur Auswahl der Anästhesiemethode zuzubilligen, sofern nicht stichhalti- ge Gründe für oder gegen die Regio- nalanästhesie sprechen. Zwischen Operateur und Anästhesist sollte Einvernehmen über das beabsichtig- te Verfahren herrschen.

3.2 Kontraindikationen Dazu gehören Gerinnungsstö- rungen (angeboren oder medika- mentös induziert, zum Beispiel durch Heparin, Marcumar, ASS), besonders bei rückenmarknahen Methoden, Sepsis sowie Infektionen im geplanten Injektionsbereich.

Ebenso zählt die Ablehnung des Pa- tienten dazu.

3.3 Komplikationen Zu den verfahrenseigenen Kom- plikationsmöglichkeiten zählen:

❑ Allergische Reaktionen, In- toxikationen

❑ intravasale Injektionen, Ner- venverletzungen

❑ Pneumothorax (bei einigen Methoden), vasovagale Reaktion, Hypotonie

❑ versehentliche Duraperfora- tion (bei der Periduralanästhesie)

❑ postspinale Kopfschmerzen und Harnverhalt.

Zur Vermeidung oder Behand- lung dieser Komplikationen sind prinzipiell die gleichen Überwa- chungsmaßnahmen erforderlich wie bei der Allgemeinnarkose. In jedem Falle müssen Medikamente, Ausrü- stung und Erfahrung zur Behand- lung von Intoxikationen, Uberemp- findlichkeitsreaktionen und zur Durchführung einer kardiopulmona- len Reanimation verfügbar sein.

Literatur

1. Astra Chemikals (Hrsg.): Regionalanästhe- sie. Fischer-Verlag, Stuttgart, 1989 2. Dick, W.; Friedberg, V.; Lanz, E. (Hrsg.):

Geburtshilfliche Regionalanästhesie. Wis- senschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 1988

3. Dick, W.; Brandt, L. (Hrsg.): Anästhesiolo- gie. Edition Medizin, Weinheim, 1988 4. Larsen, R. (Hrsg.): Anästhesie. Urban und

Schwarzenberg, München 1987

5. Nemes, C.; Niemer, M.; Noack, G. (Hrsg.):

Datenbuch Anästhesiologie Bd. 1. Fischer- Verlag, Stuttgart, 1985

6. Dudziak, R. (Hrsg.): Lehrbuch der Anästhe- siologie. Schattauer-Verlag, Stuttgart, 1982 7. Nolte, H. (Hrsg.): Die Technik der Lokalan-

ästhesie. Springer-Verlag, Berlin 1966 8. Ahnenfeld, F. W.; Bergmann, H.; Burri, C.;

Dick, W.; Halmagyi, M. P.; Hossli, G.; Rüg- heimer, E. (Hrsg.): Lokalanästhesie. Sprin- ger-Verlag, Berlin, 1978

9. Auberger, H. G.; Niesel, H. C.: Praktische Lokalanästhesie. Thieme-Verlag, Stuttgart, 1982

Anschrift für die Verfassen

Dr. med. Rainer Schwab Klinik für Anästhesiologie Klinikum der Universität Mainz Langenbeckstr. 1

6500 Mainz

Schwangerschaft

nach Nierentransplantation

Urämische Patientinnen sind in der Regel steril; Schwangerschaften bei Dialysepatientinnen sind selten (0,5 Prozent). Nach einer erfolgrei- chen Nierentransplantation ist we- gen der erneut beginnenden Ovarial- funktion eine Konzeption möglich, zumal die Mehrzahl der transplan- tierten Patientinnen im gebärfähigen Alter ist. Zur Kontrazeption werden am häufigsten Ovulationshemmer und Intrauterinpessare verwandt.

Wegen der erhöhten Infektionsge- fahr unter der Immunsuppression soll auf das Intrauterinpessar ver- zichtet werden, ebenso auf Ovulati- onshemmer mit höheren Östrogen- anteilen wegen des zusätzlichen hy- pertensiven Risikos. Dagegen läßt die Behandlung mit niedrig dosier- ten Gestagenen die geringsten Ne- benwirkungen erwarten, die Low- dose-Progesteron-Gabe in Form der Minipille hat sich bewährt.

Eine Schwangerschaft nach ei- ner Nierentransplantation ist für

Mutter und Kind mit hohen Risiken belastet. Voraussetzung für eine eventuelle Gravidität ist das Fehlen einer erblichen Nierenerkrankung.

Als günstigster Zeitpunkt für den Eintritt einer Schwangerschaft wer- den 18 bis 24 Monate nach Trans- plantation angesehen. Eine Gravidi- tät ist nur bei enger Kooperation zwischen Eltern, Nephrologen, Gy- näkologen und Pädiatern vertretbar.

Im Rahmen einer derartigen Koope- ration werden 14 Schwangerschaften bei zwölf Patientinnen betreut, zwei Patientinnen sind zweimal schwan- ger geworden. Alle Schwangerschaf- ten werden als Risikograviditäten angesehen, die Entbindung erfolgt immer durch Sectio, der weitere Verlauf ist bei allen Müttern und Kindern komplikationslos. Neben den typischen Schwangerschaftsbe- funden ist die Diagnostik von Virus- infektionen (Hepatitis, Zytomegalie, Herpes) bedeutsam.

Abstoßungsreaktionen der Nie-

FÜR SIE REFERIERT

re werden im bisherigen Überwa- chungszeitraum nicht registriert, ei- ne Langzeitbeobachtung der Kinder ist im Hinblick auf die immunsup- pressive Behandlung der Mütter während der Schwangerschaft uner- läßlich. Das mögliche teratogene Ri- siko dieser Therapie steht deshalb im Zentrum der Überlegungen, da Azathioprin die Plazentabarriere nachgewiesenermaßen passiert. Bis- lang ist jedoch bei den bisher beob- achteten Schwangerschaften kein te- ratogener Effekt erkannt worden.

Für Cyclosporin A ist im Tierversuch und den bisher beschriebenen Schwangerschaften keine Mutageni- tät und Chromosomenaberration nachweisbar. mle

Baltzer, J.: Nierentransplantation und Schwangerschaft. Nieren- und Hochdruck- krankheiten, 18, Nr. 12, 1989, 527-532.

Prof. Dr. med. J. Baltzer, Städtische Kran- kenanstalten, Frauenklinik, Lutherplatz 40, D-4150 Krefeld 1.

Referenzen

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