• Keine Ergebnisse gefunden

Der Einfluss von Romifidin, Ketamin und Lidocain auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert beim Pferd

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Der Einfluss von Romifidin, Ketamin und Lidocain auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert beim Pferd"

Copied!
162
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Der Einfluss von Romifidin, Ketamin und Lidocain auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert

beim Pferd

Cuvillier Verlag Göttingen

(2)

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Aufl. - Göttingen : Cuvillier, 2013

Zugl.: Hannover (TiHo), Univ., Diss., 2013 978-3-95404-542-6

© CUVILLIER VERLAG, Göttingen 2013 Nonnenstieg 8, 37075 Göttingen Telefon: 0551-54724-0

Telefax: 0551-54724-21 www.cuvillier.de

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.

1. Auflage, 2013

Gedruckt auf umweltfreundlichem, säurefreiem Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

(3)

Der Einfluss von Romifidin, Ketamin und Lidocain auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert

beim Pferd

INAUGURAL – DISSERTATION Zur Erlangung des Grades einer Doktorin

der Veterinärmedizin

- Doctor medicinae veterinariae - ( Dr. med. vet. )

vorgelegt von Kristin Charlott Iburg

Bünde

Hannover 2013

(4)

1. Gutachter: Prof. Dr. S.Kästner

2. Gutachter: Prof. Dr. M.Hoedemaker

Tag der mündlichen Prüfung: 14.11.2013

(5)

In Dankbarkeit meinen Eltern gewidmet

(6)
(7)

Inhaltsverzeichnis

 

1  Einleitung ... 13 

2  Literaturübersicht ... 15 

2.1  Schmerz ... 15 

2.1.1  Funktion des Schmerzes ... 15 

2.1.2  Physiologie des Schmerzes ... 16 

2.1.2.1  Transduktion ... 16 

2.1.2.2  Transmission ... 17 

2.1.2.3  Modulation und Projektion ... 17 

2.1.2.4  Perzeption ... 18 

2.1.3  Pathologischer Schmerz ... 19 

2.1.3.1  Periphere Sensibilisierung ... 19 

2.1.3.2  Zentrale Sensibilisierung ... 20 

2.1.3.3  Der NMDA-Rezeptor ... 20 

2.1.4  Schmerzerkennung und Schmerzmanagement beim Pferd ... 21 

2.2  Nozizeptive Testverfahren ... 23 

2.2.1  Anwendung und Zweck (Algesimetrie) ... 23 

2.2.2  Stimulationsmodalitäten ... 24 

2.2.2.1  Mechanische Stimulation ... 24 

2.2.2.2  Elektrische Stimulation ... 25 

2.2.2.3  Chemische Stimulation ... 26 

2.2.2.4  Thermostimulation ... 26 

2.2.2.5  Limitierungen und Einflussfaktoren der Messmethoden ... 29 

2.3  Medikamente ... 32 

2.3.1  Alpha-2-Agonisten ... 32 

2.3.1.1  Wirkungsmechanismus... 33 

2.3.1.2  Unerwünschte Nebenwirkungen ... 34 

2.3.1.3  Romifidin ... 35 

2.3.1.4  Dosierung und Applikation ... 36 

(8)

2.3.2.1  Wirkungsmechanismus... 37 

2.3.2.2  Anwendung von Ketamin beim Pferd ... 38 

2.3.2.3  Unerwünschte Nebenwirkungen ... 40 

2.3.2.4  Dosierung und Applikation ... 41 

2.3.3  Lokalanästhetika ... 41 

2.3.3.1  Wirkungsmechanismus... 42 

2.3.3.2  Lidocain ... 43 

2.3.3.3  Unerwünschte Nebenwirkungen ... 45 

2.3.3.4  Dosierung und Applikation ... 47 

3  Material und Methode ... 48 

3.1  Probandengut ... 48 

3.2  Versuchsaufbau ... 48 

3.2.1  Wireless Thermal Testing System (WTT2) ... 48 

3.2.2  Vorbereitung der Pferde ... 51 

3.2.3  Die Versuchsdurchführung ... 52 

3.2.4  Das Messprotokoll ... 53 

3.2.5  Kontrollpunkte ... 53 

3.2.6  Management nach Ende der Messungen ... 58 

3.3  Statistik ... 58 

4  Ergebnisse ... 60 

4.1  Verhalten und Toleranz der Pferde während der Versuche ... 60 

4.2  NaCl-Gruppe ... 61 

4.2.1  Hauttemperatur ... 61 

4.2.2  Reaktion der Pferde auf die thermische Stimulation ... 61 

4.2.3  Thermische Schwellenwerte ... 61 

4.2.4  Herz und Atemfrequenz ... 62 

4.3  Romifidin ... 63 

4.3.1  Hauttemperatur ... 63 

4.3.2  Reaktion der Pferde auf die thermische Stimulation ... 63 

4.3.3  Thermische Schwellenwerte ... 63 

4.3.4  Verhalten und Sedationsgrad ... 64 

(9)

4.3.5  Herz und Atemfrequenz ... 65 

4.4  Ketamin ... 66 

4.4.1  Hauttemperatur ... 66 

4.4.2  Reaktion der Pferde auf die thermische Stimulation ... 67 

4.4.3  Thermische Schwellenwerte ... 67 

4.4.4  Verhalten und Sedationsgrad ... 68 

4.4.5  Herz und Atemfrequenz ... 69 

4.5  Romifidin + Ketamin ... 70 

4.5.1  Hauttemperatur ... 70 

4.5.2  Reaktion der Pferde auf die thermische Stimulation ... 70 

4.5.3  Thermische Schwellenwerte ... 70 

4.5.4  Verhalten und Sedationsgrad ... 72 

4.5.5  Herz und Atemfrequenz ... 72 

4.6  Lidocain ... 74 

4.6.1  Hauttemperatur ... 74 

4.6.2  Reaktion der Pferde auf die thermische Stimulation ... 75 

4.6.3  Thermische Schwellenwerte ... 75 

4.6.4  Verhalten und Sedationsgrad ... 77 

4.6.5  Herz und Atemfrequenz ... 77 

4.7  Romifidin + Lidocain ... 78 

4.7.1  Hauttemperatur ... 78 

4.7.2  Reaktion der Pferde auf die thermische Stimulation ... 79 

4.7.3  Thermische Schwellenwerte ... 79 

4.7.4  Verhalten und Sedationsgrad ... 81 

4.7.5  Herz und Atemfrequenz ... 81 

4.8  Vergleichende Betrachtung der Schwellenwerte der Rom-, Ket- und RomKet-Gruppe ... 83 

4.9  Vergleichende Betrachtung der Schwellenwerte der Rom-, Lido- und RomLido-Gruppe ... 84 

4.10  Vergleichende Betrachtung der Schwellenwerte der Rom-, RomKet- und RomLido-Gruppe ... 85 

(10)

4.11  Vergleichende Betrachtung der Schwellenwerte der Lido- und RomKet-

Gruppe ... 86 

4.12  Vergleichende Betrachtung der Schwellenwerte der Ket- und RomLido- Gruppe ... 87 

4.13  Vergleichende Betrachtung der Schwellenwerte der Rom-, Ket- und Lido- Gruppe ... 88 

4.14  Überblick über die Schwellenwerte aller Gruppen ... 89 

4.15  Vergleichende Betrachtung des Sedationsgrades der Rom-, RomKet- und RomLido-Gruppe ... 91 

5  Diskussion ... 92 

5.1  Diskussion der Methode ... 92 

5.1.1  Bestimmung des thermisch nozizeptiven Schwellenwertes ... 92 

5.2  Diskussion der Ergebnisse ... 98 

5.2.1  Romifidin ... 98 

5.2.1.1  Einfluss von Romifidin auf die Hauttemperatur ... 98 

5.2.1.2  Einfluss von Romifidin auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert ... 98 

5.2.1.3  Einfluss von Romifidin auf das Verhalten und den Sedationsgrad 100  5.2.1.4  Einfluss von Romifidin auf die Herz- und Atemfrequenz ... 101 

5.2.2  Ketamin ... 103 

5.2.2.1  Einfluss von Ketamin auf die Hauttemperatur ... 103 

5.2.2.2  Einfluss von Ketamin auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert ... 103 

5.2.2.3  Einfluss von Ketamin auf das Verhalten und den Sedationsgrad .. 105 

5.2.2.4  Einfluss von Ketamin auf die Herz- und Atemfrequenz ... 106 

5.2.3  Kombination von Romifidin und Ketamin ... 106 

5.2.3.1  Einfluss von Romifidin-Ketamin auf die Hauttemperatur ... 106 

5.2.3.2  Einfluss von Romifidin-Ketamin auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert ... 106 

5.2.3.3  Einfluss von Romifidin-Ketamin auf das Verhalten und den Sedationsgrad ... 108 

(11)

5.2.3.4  Einfluss von Romifidin-Ketamin auf die Herz- und Atemfrequenz . 108 

5.2.4  Lidocain ... 109 

5.2.4.1  Einfluss von Lidocain auf die Hauttemperatur ... 109 

5.2.4.2  Einfluss von Lidocain auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert ... 110 

5.2.4.3  Einfluss von Lidocain auf das Verhalten und den Sedationsgrad .. 110 

5.2.4.4  Einfluss von Lidocain auf die Herz- und Atemfrequenz ... 111 

5.2.5  Kombination von Romifidin und Lidocain ... 112 

5.2.5.1  Einfluss von Romifidin-Lidocain auf die Hauttemperatur ... 112 

5.2.5.2  Einfluss von Romifidin-Lidocain auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert ... 112 

5.2.5.3  Einfluss von Romifidin-Lidocain auf das Verhalten und den Sedationsgrad ... 113 

5.2.5.4  Einfluss von Romifidin-Lidocain auf die Herz- und Atemfrequenz . 115  5.2.6  Fazit ... 116 

6  Zusammenfassung ... 119 

7  Summary ... 122 

8  Literaturverzeichnis ... 124 

9  Anhang ... 151 

(12)
(13)

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

AM Arzneimittel

AMG Arzneimittelgesetz

bzw. beziehungsweise

cm Zentimeter

EEG Elektroenzephalogramm

IL-1β Interleukin-1-Beta

IL-6 Interleukin-6

IL-8 Interleukin-8

i.v. intravenös

Ket Ketamin

kg Kilogramm

Lido Lidocain

MAK minimale alveoläre Konzentration

mg Milligramm

min Minuten

ml Milliliter

mmHg Millimeter Quecksilbersäule

n Anzahl

NaCl Natriumchlorid

NGF Nerve Growth Factor

NMDA N-Methyl-D-Aspartat

NSAIDS Nichtsteroidale Antiphlogistika

Rom Romifidin

RomKet Romifidin-Ketamin

RomLido Romifidin-Lidocain

s. siehe

s.u. siehe unten

(14)

T Zeitpunkt

Tab. Tabelle

TE% Temperaturabweichung in Prozent

TNF Tumornekrosefaktor

WTT2 Wireless Thermal Testing System

µg Mikrogramm

µm Mikrometer

Sonderzeichen:

α alpha

β beta

δ delta

% Prozent

°C Grad Celsius

< kleiner als

§ Paragraph

(15)

1 Einleitung

Der Einsatz von Analgetika in der tierärztlichen Praxis hat heute einen deutlich höheren Stellenwert als noch vor einigen Jahrzehnten (DOHOO u. DOHOO 1996;

CAPNER et al. 1999). Im Vergleich zur Humanmedizin ist der Einsatz jedoch noch immer als gering zu beurteilen, was vor allem auf die mangelnde Fähigkeit, Schmerz beim Tier zu erkennen und zu beurteilen, zurückzuführen ist (FLECKNELL 2008).

Auch wenn der Standard der Schmerztherapie in der Pferdepraxis noch nicht an den in der Kleintiermedizin heranreicht, ist die Notwendigkeit eines guten Schmerzmanagements beim Pferd dennoch anerkannt (TAYLOR et al. 2002).

Die Schmerzbeurteilung beim Tier erfolgt in den meisten Fällen durch eine Beurteilung des Verhaltens (MOLONY u. KENT 1997; LE BARS et al. 2001; ASHLEY et al. 2005; VINUELA-FERNANDEZ et al. 2007). Die Erkennung von schmerz- assoziiertem Verhalten setzt somit Kenntnisse des Normalverhaltens einer Tierspezies voraus (TAYLOR et al. 2002). Durch die Annahme, dass Tiere Leiden und Schmerzen empfinden können (MORTON u. GRIFFITHS 1985; FLECKNELL 1994; HAWKINS 2002), wurden die meisten Anwendungsgebiete für Analgetika in der Veterinärmedizin vom Menschen auf das Tier übertragen. Wissenschaftliche Studien und Beobachtungen über die Schmerzempfindung und Schmerzentstehung bei unseren Haustieren sind für eine fundierte Schmerztherapie unerlässlich (HAWKINS 2002; TAYLOR et al. 2002; VINUELA-FERNANDEZ et al. 2007;

FLECKNELL 2008). Trotz des Verständnisses, dass Tiere Schmerzen empfinden, wird die Anwendung einer analgetischen Therapie beim Pferd kontrovers diskutiert.

Als Gründe für einen restriktiven Umgang werden die Maskierung möglicher Krankheitszustände, mögliche Überbelastungen erkrankter Gliedmaßen und die Sorge vor unerwünschten Nebenwirkungen genannt (TAYLOR et al. 2002). Jedoch ist eine analgetische Therapie nicht nur notwendig für die Therapie von akutem Schmerz, sondern dient auch der Vorbeugung der Entwicklung von pathologischen Hyperalgesien (WHAY et al. 1998).

(16)

Bei invasiven Eingriffen am Kopf beim stehenden Pferd ist eine gute Analgesie und Sedation erforderlich, um Abwehrbewegungen und daraus folgende Verletzungen von Tier und Mensch zu vermeiden. Studien zur Verwendung von Opioiden beim Pferd demonstrieren unerwünschte Nebenwirkungen wie erhöhte lokomotorische Aktivität, Drangwandern und vor allem unkontrolliertes Kopfnicken/Kopfzucken (MAMA et al. 1993; NOLAN et al. 1994; CARREGARO et al. 2007), was zum Teil einen Eingriff am Kopf unmöglich machen kann. Um diesen unerwünschten Nebenwirkungen aus dem Weg zu gehen, ist die Suche nach geeigneten analgetisch wirksamen Arzneimitteln, die in Kombination mit einem sedativ wirksamen Alpha-2- Agonisten eingesetzt werden können, speziell für die Verwendung bei Eingriffen am Kopf des Pferdes, wünschenswert und sinnvoll. Eine klinische Studie aus der Pferdeklinik der Tierärztlichen Hochschule Hannover (HOPSTER et al. 2013) konnte zeigen, dass sich die Kombination von Alpha-2-Agonisten mit Ketamin oder Midazolam vorteilhaft auf die Sedierungsqualität der Pferde bei Zahnextraktionen auswirkte und so die Durchführbarkeit der Eingriffe erleichterte.

Deshalb war es das Ziel dieser Studie, die Medikamente Romifidin, Ketamin und Lidocain allein und in Kombination miteinander hinsichtlich ihrer antinozizeptiven Wirkung, ihrer Wirkungsdauer und ihrer Wechselwirkungen sowie möglicher unerwünschter Nebenwirkungen standardisiert zu untersuchen.

(17)

2 Literaturübersicht

2.1 Schmerz

2.1.1 Funktion des Schmerzes

Der Begriff „Schmerz“ wird von der International Association for the Study of Pain (IASP) als „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlichen oder möglichen Gewebeschäden verbunden ist oder in solchen Kategorien beschrieben wird“ definiert. Erst 1986 formulierte Zimmermann einen Zusatz für das Tier, in welchem er Schmerz als eine „aversive Empfindungserfahrung, verursacht durch aktuelle oder potentielle Verletzung (Schädigung), die ihrerseits schützende motorische und vegetative Reaktionen auslöst, sowie erlerntes Meideverhalten bewirkt und das spezifische Artverhalten – einschließlich des Sozialverhaltens – modifizieren kann “ beschreibt (ZIMMERMANN 1986).

Wie aus der Definition hervorgeht, handelt es sich um eine für das Individuum negative Erfahrung. Dennoch wird Schmerz als notwendig angesehen, um Schäden und Verletzungen in allen Bereichen des Lebens zu erkennen, zu vermeiden und ihnen vorzubeugen (BATESON 1991; LE BARS et al. 2001).

So ermöglicht Schmerz im Zuge einer unvermeidbaren Verletzung eine beschleunigte und ungestörte Heilung, da Kontakt und Berührungen, beziehungsweise zu starke Belastung vermieden werden, bis eine vollständige Heilung eingetreten ist (WOOLF u. MANNION 1999). Akuter Schmerz stellt ein Alarmsignal für externe und interne Stimuli dar und dauert nur solange an, wie der noxische Stimulus andauert (COSTIGAN et al. 2009).

Erbliche Erkrankungen, die sich in einer angeborenen Unempfindlichkeit gegenüber schmerzhaften Reizen äußern, führen zu schweren Verletzungen und Selbstzerstörung, was die Notwendigkeit einer ungestörten Schmerzwahrnehmung verdeutlicht (COSTIGAN et al. 2009).

(18)

2.1.2 Physiologie des Schmerzes

Wie bereits erläutert, stellt Schmerz eine neurophysiologische Schutzfunktion dar, die vor Trauma und Gewebeschäden schützen soll (MUIR u. WOOLF 2001). Die Wahrnehmung von Schmerz und noxischen Reizen, die Nozizeption, läuft bei allen Säugetieren nahezu identisch ab (VINUELA-FERNANDEZ et al. 2007). Man unterteilt sie in folgende Phasen: Transduktion, Transmission, Modulation, Projektion und Perzeption (MUIR 2010b).

2.1.2.1 Transduktion

Die Schmerzwahrnehmung beginnt in der Peripherie durch die Aktivierung von speziellen Schmerzrezeptoren, den Nozizeptoren, welche sich in drei Gruppen kategorisieren lassen: „high threshold“ Mechanorezeptoren, welche durch Druck aktiviert werden, „low-threshold“ Mechano-Hitzerezeptoren, die auf Druck und Hitze reagieren und polymodale Rezeptoren, welche auf Druck, Hitze oder chemische Substanzen ansprechen (GREER u. HOYT 1990).

Weiter lassen sich Nozizeptoren auch in Bezug auf ihre Ansprechbarkeit für Capsaicin, den aktiven Inhaltsstoff der Chillischote, charakterisieren (CATERINA et al. 1997). Wird ein Nozizeptor durch Capsaicin aktiviert, resultiert dies in einem brennenden Schmerz, ausgelöst durch die Öffnung hitzegesteuerter Ionenkanäle und der Freisetzung entzündlicher Mediatoren (CATERINA et al. 1997). Ein Rezeptor, der auf Neuronen mit geringem Durchmesser beschränkt ist und ebenfalls durch Capsaicin aktiviert werden kann, ist der Vanilloid-1 Rezeptor, ein nicht-selektiver Kationenkanal (TOMINAGA et al. 1998) und ein Signalgeber für noxische thermische Stimuli (CATERINA et al. 1997; TOMINAGA et al. 1998). Der Vanilloid-1 Rezeptor wird neben Capsaicin und Vanilloid-Komponenten durch Hitze und Protonen aktiviert (TOMINAGA et al. 1998), was zu einer Depolarisation der Nervenfaser und einer erhöhten Ionenleitfähigkeit führt (MARSH et al. 1987; OH et al. 1996).

Die Aktivierung der Nozizeptoren durch noxische Stimuli führt somit zur Bildung von Aktionspotentialen (MUIR u. WOOLF 2001).

(19)

2.1.2.2 Transmission

Nervenfasern in der Peripherie, sogenannte Neuronen erster Ordnung (CLARK u.

CLARK 1999), leiten die Schmerzinformation weiter und lassen sich in schnelle, myelinisierte Aδ-Fasern mit einem Durchmesser von 1-5 µm und langsame, unmyelinisierte C-Fasern mit einem Durchmesser von 0,25-1,5 µm unterteilen (BRITTON et al. 1996). Durch die schnelle Weiterleitung der Aktionspotentiale über Aδ-Fasern werden diese für den ersten, „scharfen“ Schmerz verantwortlich gemacht, wohingegen sich die Aktivierung von C-Fasern in dem sogenannten zweiten,

„dumpfen“ Schmerz äußert (CLARK u. CLARK 1999; MUIR 2010b). Die Leitungsgeschwindigkeiten der Nervenfasern werden in der Literatur mit 6-30 Metern pro Sekunde für Aδ-Fasern und mit 0,25-1,25 Metern pro Sekunde für C-Fasern angegeben (BRITTON et al. 1996).

Zusätzlich existieren Aβ-Fasern mit einem Durchmesser von 5-15 µm (BRITTON et al. 1996), welche für die Fortleitung von nicht-schmerzhaften Reizen wie Berührungen, Druck und Vibrationen verantwortlich sind und so bereits durch Stimuli niedriger Intensität aktiviert werden. Diese weisen eine Leitungsgeschwindigkeit von 30-70 Meter pro Sekunde auf (MUIR u. WOOLF 2001).

Die peripheren Nervenfasern leiten den Reiz an das Rückenmark weiter (KITCHELL 1987).

2.1.2.3 Modulation und Projektion

Die afferenten Nervenfasern treten über die Dorsalwurzeln der Spinalnerven in das Rückenmark ein und vereinigen sich im Dorsalhorn mit Neuronen zweiter Ordnung (KIDD u. URBAN 2001; MUIR u. WOOLF 2001; MUIR 2010b). Man unterscheidet nozizeptor-spezifische Neuronen, die ausschließlich schmerzhafte Stimuli an das Gehirn projizieren und sogenannte „wide dynamic range“-Neuronen, die gleichermaßen auch nicht-schmerzhafte Stimuli weiterleiten (CLARK u. CLARK 1999). Schmerzhafte Stimuli führen zu einer Freisetzung verschiedener Neuropeptide aus den afferenten Nervenfasern (KIDD u. URBAN 2001). Dazu zählen insbesondere Substanz P, welche aus den zentralen Endungen der C-Fasern

(20)

freigesetzt wird (DUGGAN et al. 1988) und Glutamat, der vorherrschende erregende Neurotransmitter an allen Nozizeptoren (JULIUS u. BASBAUM 2001).

2.1.2.4 Perzeption

Nachdem die sensorische Information im Rückenmark moduliert wurde, wird sie anschließend für die endgültige Verarbeitung in das Gehirn projiziert, wo sie dann spezifische Antworten nach sich zieht (MUIR u. WOOLF 2001). Die Informationen werden an den Thalamus geleitet, von wo sie weiter im somatosensorischen Kortex und limbischen System verarbeitet werden (CLARK u. CLARK 1999; PRICE 2000).

Zusätzlich kommt es zu einem hemmenden oder erregenden Einfluss über absteigende Bahnen vom Gehirn, besonders im Bereich des periaquäduktalen Grau weiter über die rostroventrale Medulla (HEINRICHER et al. 2009), auf die spinalen Zellen (ZHUO u. GEBHART 1990; BRITTON et al. 1996; GJERSTAD et al. 1999;

GJERSTAD et al. 2001; HEINRICHER et al. 2009). Wann es zu Verschiebungen des Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung kommt, kann von verschiedenen Reizen und Zuständen unterschiedlicher Intensität abhängen (ZHUO u. GEBHART 1990; HEINRICHER et al. 2009). So kann eine immense Stressreaktion zu einem vermehrt hemmenden Einfluss führen und sich in einer verringerten Schmerzwahrnehmung äußern, wohingegen Entzündung und Schmerzen zu einer Erregung und so zu pathologischen Zuständen wie zentraler Sensibilisierung und Hyperalgesie führen können (HEINRICHER et al. 2009).

(21)

2.1.3 Pathologischer Schmerz

Wie bereits beschrieben erfüllt akuter Schmerz oft protektive Funktionen, welche die Heilung von geschädigtem Gewebe ermöglichen sollen. Im Gegensatz dazu gibt es Schmerzformen, denen keine protektiven Funktionen zugeschrieben werden können (MUIR u. WOOLF 2001).

Neuropathischer Schmerz entsteht als Antwort des Körpers auf eine primäre neuronale Schädigung im peripheren oder zentralen Nervensystem und führt zu einer gesteigerten sensorischen Wahrnehmung (COSTIGAN et al. 2009).

Entzündlicher Schmerz resultiert aus einer Gewebeschädigung und der entzündlichen Antwort auf diese und hält normalerweise nur solange an, bis die primäre Gewebeschädigung abgeheilt ist (COSTIGAN et al. 2009). Geht der Schmerz jedoch über die akute entzündliche Phase hinaus, kann sich ein pathologisch chronischer Schmerz entwickeln (COSTIGAN et al. 2009). Beide dieser pathologischen Schmerzarten können in Allodynie, primärer und sekundärer Hyperalgesie und peripherer sowie zentraler Sensibilisierung resultieren (MUIR 2005).

2.1.3.1 Periphere Sensibilisierung

Geschädigtes und verletztes Gewebe setzt chemische Substanzen wie Prostaglandine, Bradykinine, Zytokine und diverse Ionen frei, welche für die Entstehung von peripherer Sensibilisierung, primärer Hyperalgesie und Allodynie verantwortlich sind (JULIUS u. BASBAUM 2001; KIDD u. URBAN 2001; MUIR 2010b). Hyperalgesie beschreibt eine übersteigerte und lang andauernde Antwort auf einen noxischen Reiz, wohingegen unter Allodynie ein Schmerzempfinden auf einen unter normalen Umständen nicht-schmerzhaften Reiz verstanden wird (MUIR 2010b). Durch aktivierte Immunzellen findet eine gesteigerte Produktion von Zytokinen (IL-1β, IL-6, IL-8, TNFα) und Wachstumsfaktoren (NGF) (DRAY 1995) statt, welche zu einer Erniedrigung des Schwellenwertes des Nozizeptors führt. Die Folgen sind eine Erhöhung der Aktivierungsbereitschaft und eine daraus resultierende übersteigerte Schmerzantwort (MUIR u. WOOLF 2001; COSTIGAN et al. 2009). Die periphere Sensibilisierung erklärt somit die Aktivierung von peripheren

(22)

Nozizeptoren durch Stimuli geringer Intensität (WOOLF u. MAX 2001) und stellt den Hauptgrund der gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber schmerzhaften Reizen im Bereich einer Verletzung oder Entzündung dar (WOOLF 2004).

2.1.3.2 Zentrale Sensibilisierung

Obwohl eine Hypersensibilität nach entzündlichen Stimuli und Prozessen meist auf einer peripheren Sensibilisierung beruht, können anhaltende und wiederholte Stimuli zu einer Veränderung der Funktion und Aktivität von zentralen neuronalen Mechanismen führen und sich so in einer zentralen Sensibilisierung manifestieren (COSTIGAN u. WOOLF 2000; KIDD u. URBAN 2001), die zeitlich über die Dauer der Stimuli hinaus geht (COSTIGAN u. WOOLF 2000). Anhaltende Ausschüttung von Neuropeptiden aus afferenten Nervenfasern führt zu einer Aktivitätskaskade verschiedener Systeme und einem vermehrten Kalziumionen-Einstrom (KIDD u.

URBAN 2001). Periphere Verletzungen führen so zu einer gesteigerten zentralen Aktivität im Rückenmark (WOOLF 1983). Das Ergebnis ist eine gesteigerte Antwort von Neuronen im Rückenmark auf bereits bestehende Stimuli und auf Stimuli, welche normalerweise unterhalb der erregbaren Schwelle liegen (KIDD u. URBAN 2001).

Zusätzlich können Aβ-Fasern unter diesen Umständen die Funktionen von C-Fasern übernehmen und zentrale Sensibilisierung mit Allodynie und sekundärer Hyperalgesie auslösen (COSTIGAN u. WOOLF 2000).

Eine akute Steigerung des Schmerzempfindens, das „wind-up“ Phänomen, wird durch zeitlich nah beieinander liegende, sich wiederholende noxische Stimuli hervorgerufen (WOOLF 2004).

2.1.3.3 Der NMDA-Rezeptor

Beim NMDA-Rezeptor (N-Methyl-D-Aspartat) handelt es sich um einen ionotropen Glutamatrezeptor, der durch die erregenden Transmitter Glutamat und Glycin aktiviert wird (MUIR 2010a) und daraufhin seinen Ionenkanal für Kalzium, Natrium und Kalium öffnet (KOHRS u. DURIEUX 1998). Unter normalen Umständen besteht ein spannungsabhängiger Block des Ionenkanals durch Magnesiumionen (FELSBY et al. 1996; COSTIGAN u. WOOLF 2000).

(23)

NMDA-Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle in der Übertragung sensorischer Informationen und vermitteln die Erregung von Neuronen im zentralen Nervensystem (HAAS u. HARPER 1992).

Zusätzlich haben sie Bedeutung bei der Entstehung von pathologischen Schmerzzuständen und der Ausprägung von zentraler Sensibilisierung (DICKENSON 1990; WOOLF u. THOMPSON 1991; KRISTENSEN et al. 1992; MA u. WOOLF 1995; ULTENIUS et al. 2006). Eine Reihe intensiver Stimuli der C-Fasern führt zu einem Aufheben des spannungsabhängigen Magnesiumblocks des NMDA- Rezeptors (DICKENSON 1990; MA u. WOOLF 1995; BRITTON et al. 1996;

COSTIGAN u. WOOLF 2000). Folge der Aufhebung des Magnesiumblocks ist ein Kalziumeinstrom (MACDERMOTT et al. 1986), der unter anderem zur Aktivierung von Proteinkinase C führt. Die Proteinkinase C erhöht die Ansprechbarkeit des NMDA-Rezeptors auf Glutamat, reduziert weiter den Magnesiumblock des Ionenkanals und führt so zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von dessen Öffnung (CHEN u. HUANG 1992). Hält die gesteigerte Erregbarkeit nur während der Stimuli an, resultiert dies im sogenannten „wind-up“-Phänomen. Die temporale Summation, eine Erhöhung des Schmerzempfindens durch wiederholte Stimuli der gleichen Intensität (KNOBLOCH et al. 2006), stellt eine Form von „wind-up“ dar (PRICE et al.

1994).

Kommt es zu Veränderungen der Erregbarkeit, die über die Dauer des Stimulus hinausgehen, resultiert dies in zentraler Sensibilisierung (COSTIGAN u. WOOLF 2000).

NMDA-Rezeptor Antagonisten können somit die Entwicklung von zentraler Sensibilisierung verhindern (WOOLF u. THOMPSON 1991; KRISTENSEN et al.

1992) und der Entstehung von Allodynie vorbeugen (FELSBY et al. 1996).

2.1.4 Schmerzerkennung und Schmerzmanagement beim Pferd

Pferde äußern Schmerz oftmals nur durch unspezifische Verhaltensänderungen, welche jedoch nicht direkt Aufschluss über den Ursprung oder den Schweregrad geben (ASHLEY et al. 2005). Zusätzlich haben Pferde aufgrund ihrer evolutiven Stellung als Beute- und Fluchttier ihre Schmerzäußerungen in der Regel auf ein Minimum reduziert (TAYLOR et al. 2002; ASHLEY et al. 2005).

(24)

Da die meisten Untersuchungen und Studien bezüglich Schmerzen und Schmerzmanagement beim Pferd an gesunden Tieren mit experimentell induziertem Schmerz und noxischen Stimuli vollzogen wurden (CHAMBERS et al. 1990;

SPADAVECCHIA et al. 2002; SPADAVECCHIA et al. 2005; LOVE et al. 2011b;

POLLER et al. 2013a, b), ist die Aussagekraft für Pferde mit bestehenden schmerzhaften Erkrankungen schwer einzuschätzen (MUIR 2010b).

Zur Beurteilung von Schmerz beim Pferd können Verhalten, Interaktion mit der Umgebung, Futteraufnahme und physiologische Parameter wie die Herz- oder Atemfrequenz herangezogen werden (MORTON u. GRIFFITHS 1985; PRICE et al.

2003; RIETMANN et al. 2004; GRAUBNER et al. 2011). So kann beispielsweise eine veränderte Herzfrequenz einen Hinweis auf einen schmerzhaften Zustand geben, eine unveränderte Schlagfrequenz kann diesen jedoch nicht ausschließen. Es zeigte sich zum Beispiel in einer Studie von RAEKALLIO et al. (1997a, b) kein Unterschied in der Herzfrequenz bei Pferden, die nach einem arthroskopischen Eingriff entweder Phenylbutazon oder kein Analgetikum erhielten. Auch in anderen Untersuchungen konnte nur ein moderater beziehungsweise schwacher Zusammenhang zwischen physiologischen Parametern wie Herz- und Atemfrequenz und Schmerz beim Pferd beobachtet werden (GRAUBNER et al. 2011). Auch die Bestimmung von Katecholaminen und Kortikosteroiden lieferte keinen sicheren und verlässlichen Aufschluss über das tatsächliche Vorhandensein von Schmerz, so dass diese Parameter als unspezifisch gelten, da sie durch andere Faktoren beeinflussbar sind (RAEKALLIO et al. 1997a; RAEKALLIO et al. 1997b). In weiteren Studien wurden verschiedene Aktivitätsmuster und Verhaltensscores genutzt, um Schmerzen beim Pferd aufzudecken. Beispielsweise zeigten Pferde nach Arthroskopie vermehrt abnorme Standpositionen, vermehrte Unruhe und verbrachten weniger Zeit mit der Futteraufnahme als Kontrollpferde ohne operativen Eingriff (PRICE et al. 2003). Bei Pferden mit Hufrehe zeigte sich die häufige Gewichtsumverteilung zwischen kontralateralen Gliedmaßen als ein Anzeichen für Schmerz (RIETMANN et al. 2004).

GRAUBNER et al. (2011) beschrieben unter anderem die Haltung des Kopfes unterhalb der Höhe des Widerrists, ein Anlegen der Ohren, einen aufgekrümmten

(25)

Rücken sowie Appetitsverlust als aussagekräftig im Hinblick auf postoperative abdominale Schmerzen beim Pferd.

2.2 Nozizeptive Testverfahren

2.2.1 Anwendung und Zweck (Algesimetrie)

Die Forschung an Labortieren diente zur Erlangung eines besseren Verständnisses von Schmerzmechanismen und Schmerztherapien unter kontrollierten Bedingungen (CHAPMAN et al. 1985). Zusätzlich dienen die Testverfahren zur präklinischen Erprobung von potentiellen Pharmaka und Analgetika (GUILLEMETTE et al. 2012).

Die meisten Schmerzmodelle an Tieren verwenden als Messgröße den nozizeptiven Schwellenwert (LE BARS et al. 2001) und werden genutzt, um die Effizienz von Analgetika einzuschätzen und optimale Dosierungen für den klinischen Gebrauch zu entwickeln (LOVE et al. 2011a). Die Entwicklung von ethisch vertretbaren und wiederholbaren Testmethoden zur Einschätzung und Beurteilung von schmerzhaften Zuständen ist eine Voraussetzung zur objektiven Evaluierung von Analgetika (DIXON et al. 2002). Zusätzlich können diese Testverfahren Aufschluss über das Vorliegen und Ausmaß einer Hypersensibilisierung geben (ASHLEY et al. 2005) und bieten die Möglichkeit, zwischen peripherer und zentraler Sensibilisierung zu unterscheiden (LOVE et al. 2011a). Tiere mit einer schmerzhaften Vorerkrankung können demnach eine Erniedrigung des nozizeptiven Schwellenwertes aufweisen (LEY et al. 1996;

WHAY et al. 1998).

Die Bestimmung eines nozizeptiven Schwellenwertes erfolgt mittels eines quantifizierbaren Stimulus bis eine Reaktion beobachtet wird (LOVE et al. 2011a).

Eine ideale Stimulation sollte wiederholbar, einfach und verlässlich und durch einen klar definierten Endpunkt gekennzeichnet sein und keine dauerhaften Gewebeschäden hervorrufen (BEECHER 1957).

Der Anstieg eines nozizeptiven Schwellenwertes nach Verabreichung von Analgetika wird als antinozizeptiver Effekt angesehen (LOVE et al. 2011a).

(26)

2.2.2 Stimulationsmodalitäten 2.2.2.1 Mechanische Stimulation

Die mechanische Stimulation mit einer Hufzange ist ein in der Praxis weit verbreitetes Hilfsmittel, um schmerzhafte Prozesse im Bereich des Hufes von Pferden zu lokalisieren (LOVE et al. 2011a).

Der mechanische Schwellenwert ist die geringste Kraft, die Schmerz auslöst (FISCHER 1987).

Um eine bessere Objektivierbarkeit zu ermöglichen, wurden verschiedene mechanische Schwellenwert-Testsysteme für das Pferd entwickelt. Diese bestehen aus einer Manschette mit einem abgerundeten Stift, welcher dorsal am Röhrbein des Pferdes aufgebracht wird. Der Druck innerhalb der luftgefüllten Manschette und somit auch der Druck des Stiftes auf das Pferdebein wird so lange erhöht, bis eine klar erkennbare Reaktion, beispielsweise in Form von Anheben der Gliedmaße, erfolgt (LOVE et al. 2011a).

Die mechanische Stimulation wurde genutzt, um die analgetische Wirkung von Detomidin zu testen und zu bestätigen. Weiter ermöglicht ein mechanischer Stimulus die Unterscheidung zwischen der Gabe reiner Sedativa und Analgetika, da Sedativa wie Acepromazin nicht zu einer Erhöhung des Schwellenwertes führten (CHAMBERS et al. 1990; CHAMBERS 1994). Die mechanische Stimulation mittels Druckalgometer stellt eine geeignete, objektive und nicht-invasive Methode dar, um den mechanischen nozizeptiven Schwellenwert beim Pferd zu ermitteln und muskuloskeletale Schmerzen beim Pferd nachzuweisen (HAUSSLER u. ERB 2006b).

Weitere Hilfsmittel zur Bestimmung des sensorisch mechanischen Schwellenwertes bei Mensch und Tier sind die sogenannten von-Frey Monofilamente. Es handelt sich um Filamente unterschiedlicher Dicke, die eine konstante Kraft auf einen Bereich der Haut ausüben. Je dicker ein Filament, umso größer ist die ausgeübte Kraft (BOVE 2006).

(27)

Nachteilig stellt sich bei der mechanischen Stimulation die Tatsache dar, dass tatsächliche noxische Stimuli in ihrem vollen Ausmaß häufig mit Gewebeschäden einhergehen (LE BARS et al. 2001).

Die Beurteilung viszeraler Schmerzen kann mittels Dehnung entsprechender Darmteile erfolgen. Hierfür wurden beim Pferd Ballonkatheter chirurgisch in das Zäkum implantiert (PIPPI et al. 1979; PIPPI u. LUMB 1979) oder über den Magen in das Duodenum eingeführt (MERRITT et al. 2002). Weniger invasiv ist die Methode der kolorektalen Dehnung, bei der ein Ballon rektal eingeführt und kontrolliert aufgeblasen wird (SKARDA u. MUIR 2003; ROBERTSON et al. 2005; SANCHEZ u.

MERRITT 2005; ELFENBEIN et al. 2009). Diese Methoden haben sich vor allem für die Evaluierung viszeraler Analgetika als geeignet erwiesen (SANCHEZ u. MERRITT 2005).

2.2.2.2 Elektrische Stimulation

Viele Voraussetzungen für einen optimalen Stimulus sind bei der elektrischen Stimulation gegeben. Die Stimuli sind quantifizierbar, reproduzierbar, nicht-invasiv und führen zu einheitlichen Signalen (LE BARS et al. 2001). Die elektrische Stimulation wird beim Pferd genutzt, um verschiedene Arzneimittel wie beispielsweise Alpha-2-Agonisten, Opioide, Lokalanästhetika und Ketamin auf ihre analgetische Wirkung zu untersuchen (SPADAVECCHIA et al. 2002; MOENS et al.

2003; KNOBLOCH et al. 2006; PETERBAUER et al. 2008; FERNANDES DE SOUZA et al. 2011). Für die Ermittlung von nozizeptiven Schwellenwerten mittels elektrischer Stimulation wird eine Elektrode auf die Haut aufgebracht und die Stromstärke schrittweise erhöht, bis eine eindeutige Reaktion erfolgt (SCHATZMANN et al. 2001;

SPADAVECCHIA et al. 2002; MOENS et al. 2003; SPADAVECCHIA et al. 2005;

PETERBAUER et al. 2008; FERNANDES DE SOUZA et al. 2011). Mittels Elektromyographie ist eine quantifizierbare Auswertung auch am anästhesierten Pferd möglich (KNOBLOCH et al. 2006; LEVIONNOIS et al. 2010). Da es sich bei dem elektrischen Impuls um einen unspezifischen und unnatürlichen Reiz handelt, der neben Aδ- und C-Fasern auch Nerven anspricht, die in keinem Zusammenhang mit Nozizeption stehen, ist die klinische Aussagekraft noch nicht genau geklärt (LE BARS et al. 2001).

(28)

2.2.2.3 Chemische Stimulation

Versuche, in denen die chemische Stimulation verwendet wird, bieten am ehesten den Vergleich zu natürlich induziertem, klinischem Schmerz und induzieren einen langsam einsetzenden und lang andauernden Reiz (LE BARS et al. 2001). Die Tests beinhalten oft die Injektion einer irritierenden Substanz wie Formalin in die Haut von Labortieren (DUBUISSON u. DENNIS 1977; ABBOTT et al. 1995; SUFKA et al.

1998). Auch beim Pferd werden irritierende Substanzen in Gelenke appliziert, um eine Synovitis zu induzieren und Arzneimittel auf ihre analgetische und antiinflammatorische Wirkung zu testen (WELCH et al. 1991; OWENS et al. 1996).

Ein Nachteil dieser Tests besteht darin, dass ein gesetzter Stimulus nicht mehr unterbrochen werden kann (CHAMBERS 1994).

2.2.2.4 Thermostimulation

Die Thermostimulation wird in der Regel auf der Haut durchgeführt. Hier werden, abhängig von der Stimulationsdauer zunächst sogenannte Thermorezeptoren, dann Thermorezeptoren gemeinsam mit Nozizeptoren und schließlich Nozizeptoren allein angesprochen (LE BARS et al. 2001). Welche Nervenfasern aktiviert werden, hängt von der gewählten Heizrate ab. Bei Ratten, deren Pfoten mit einer Heizrate von 6,5

°C pro Sekunde stimuliert wurden, zeigten sich hauptsächlich Aδ-Fasern angesprochen, wohingegen Heizraten von 0,9 °C pro Sekunde nur C-Fasern aktivierten (YEOMANS et al. 1996). Studien an Pferden verwenden in der Regel niedrige Heizraten. Daher ist davon auszugehen, dass hier ebenfalls hauptsächlich C-Faser angesprochen werden (LOVE et al. 2011a).

Studien aus der Humanmedizin, in denen Thermostimulation genutzt wurde, zeigen, dass eine Ablenkung des Patienten zu Unterschieden in der Schmerzwahrnehmung und Schmerzintensität führt (MIRON et al. 1989). Aus diesen Gründen und aus der Tatsache heraus, dass sich ältere Methoden der Algesimetrie größen- und temperamentsbedingt nicht für die Anwendung bei der Katze eigneten, entwickelten DIXON et al. (2002) eine Methode für diese Spezies. Ziel war es, dass sich die Katzen während der Stimulationsphasen frei bewegen können und Stress und

(29)

Ablenkung durch eingeschränkte Bewegungsfreiheit und eine unbekannte Umgebung weitgehend vermieden werden können.

Thermostimulation mithilfe von Kontaktwärme:

Ein Testsystem zur thermischen Stimulation mithilfe von Kontaktwärme für die Evaluierung von Analgetika wurde ursprünglich für die Katze entwickelt, in weiteren Studien genutzt und schließlich auch beim Pferd verwendet (DIXON et al. 2002;

ROBERTSON et al. 2003; ROBERTSON et al. 2005; STEAGALL et al. 2007; LOVE et al. 2008; MILLETTE et al. 2008; ELFENBEIN et al. 2009; POLLER et al. 2013a, b).

Der thermische Stimulus wird durch ein Heizelement hervorgerufen, welches direkt auf der Haut des Tieres aufgebracht wird (DIXON et al. 2002). Um eine konstante Auflage des Heizelementes auf der Haut zu gewährleisten, wird das Heizelement auf einer aufblasbaren Druckmanschette befestigt (ELFENBEIN et al. 2009; LOVE et al.

2011a). Dies hat den Vorteil, dass ein permanenter Hautkontakt und ein gleichmäßigerer Anstieg der Heiztemperatur ermöglicht wird, welcher zu genaueren Ergebnissen führt (YARNITSKY u. OCHOA 1990). Vor jeder Messung wird die Hauttemperatur erfasst und notiert (ELFENBEIN et al. 2009; LOVE et al. 2011a;

POLLER et al. 2013a). Damit sich der Temperatursensor der Hauttemperatur anpassen kann, werden Heizelement und Druckmanschette 5 bis 10 Minuten vor jedem Messvorgang auf der Haut platziert (DIXON et al. 2002; SANCHEZ et al.

2007; ELFENBEIN et al. 2009; LOVE et al. 2011b; POLLER et al. 2013a). Eine Fernbedienung, über die das Heizelement gesteuert wird, ermöglicht dem Untersucher einen gewissen Abstand zum Probanden und dem Tier eine ausreichende Bewegungsfreiheit. Wenn das Tier eine Reaktion auf den thermischen Stimulus zeigt, wird der Heizvorgang manuell beendet. Bleibt eine Reaktion aus, wird der Heizvorgang automatisch bei einer vorher festgelegten Temperatur (cut-out) gestoppt, um Gewebeschäden zu vermeiden (DIXON et al. 2002). In der Literatur variieren die cut-out Werte von 45°C (SANCHEZ et al. 2007; SANCHEZ et al. 2008;

ELFENBEIN et al. 2009) über 55°C (ROBERTSON et al. 2005; LOVE et al. 2008) bis zu 60°C (DIXON et al. 2002). Da das ursprünglich von DIXON et al. (2002) entwickelte Gerät mit einer Heizrate von 0,85°C pro Sekunde beim Pferd

(30)

Verbrennungen verursachte, wurde das Testsystem modifiziert, so dass mittlere und langsame Heizraten möglich sind (LOVE et al. 2008). Heizraten von 0,6°C am Widerrist (ROBERTSON et al. 2005; ELFENBEIN et al. 2009; POLLER et al. 2013a) und 0,8°C am Kopf haben sich als geeignet erwiesen (POLLER et al. 2013a). Die Evaluation von Analgetika mit Hilfe des thermischen nozizeptiven Schwellenwertes erwies sich in mehreren Studien am Tier als geeignet (DIXON et al. 2002;

STEAGALL et al. 2007; MILLETTE et al. 2008; LOVE et al. 2011a; POLLER 2012).

Thermostimulation mithilfe von Strahlungswärme:

Während bei der Verwendung eines Heizelements eine bestimmte Schwellenwerttemperatur gemessen wird, wird bei der Nutzung einer strahlenden Lichtquelle die Dauer bis zur Reaktion betrachtet (PIPPI u. LUMB 1979; LOVE et al.

2011a). Dafür wird eine Lampe auf einen rasierten und mit Tinte geschwärzten Bereich der Haut gerichtet (PIPPI u. LUMB 1979; KALPRAVIDH et al. 1984;

KAMERLING et al. 1985; QUEIROZ-NETO et al. 1998; CARREGARO et al. 2007;

DHANJAL et al. 2009).

Ist nach Anwendung von Analgetika ein zeitlicher Anstieg zwischen Setzen des Stimulus und der Reaktion zu beobachten, wird dies als ein antinozizeptiver Effekt bewertet (LOVE et al. 2011a).

In einer Studie von KAMERLING et al. (1985) wurde die Lampe auf die Haut oberhalb des Widerrists gerichtet und der Pannikulusreflex als Endpunkt gewählt.

CARREGARO et al. (2007) projizierten die Lichtquelle auf die Haut dorsal der Schulter und auf die Gliedmaße und betrachteten die Dauer bis zum Einsetzen des Pannikulusreflexes und des Anhebens der Gliedmaße. Um eine Konditionierung auf das Licht zu vermeiden, wurden zwischen den Messungen Scheintests mit Licht jedoch ohne noxischen Stimulus durchgeführt (KAMERLING et al. 1985;

CARREGARO et al. 2007; DHANJAL et al. 2009).

Ein Vorteil der Verwendung einer strahlenden Lichtquelle ist, dass kein zusätzlicher taktiler Stimulus gesetzt wird und keine Interaktion mit Mechanorezeptoren stattfindet (LE BARS et al. 2001; LOVE et al. 2011a).

(31)

Um Gewebeschäden zu verhindern, muss eine maximale Dauer für den verwendeten Stimulus festgelegt werden (CARREGARO et al. 2007; DHANJAL et al. 2009).

2.2.2.5 Limitierungen und Einflussfaktoren der Messmethoden

Kein nozizeptives Testverfahren kann einen klinischen Schmerz vollständig simulieren (LOVE et al. 2011a). Daher lassen die Verfahren immer nur begrenzte Aussagen über die Wirksamkeit von Analgetika zu. Dazu kommt, dass einige in der Praxis eingesetzte Analgetika nicht untersucht werden können. So ist es nicht möglich, nicht-steroidale-Antiphlogistika (NSAIDS) ohne einen vorherigen entzündlichen Reiz zu testen (STEAGALL et al. 2007). Nach einer chemisch induzierten Entzündungsreaktion wurden thermische und mechanische Stimulation genutzt um die Wirkung von NSAIDS bei der Katze zu untersuchen (TAYLOR et al.

2007a; TAYLOR et al. 2007b)

Wahl des Endpunktes und der Stimulationsstelle:

Bei der Betrachtung von Reaktionen auf einen noxischen Stimulus stellt sich die Frage, ob die dokumentierte und registrierte Reaktion auf den Reiz spezifisch für den gesetzten Stimulus ist. So stellt zum Beispiel das Auftreten eines Flexorreflexes nicht unabdingbar die Reaktion auf einen nozizeptiven Reiz dar, da diese Art von Reflex auch durch nicht-noxische Stimuli ausgelöst werden kann (LE BARS et al. 2001).

Die Wahl der Stimulationsstelle kann besonders beim Pferd im Hinblick auf den gewählten Endpunkt eine Fehlerquelle darstellen. Werden beispielsweise Gliedmaßen stimuliert und das Anheben einer Gliedmaße als Endpunkt definiert, können bestimmte Analgetika, insbesondere Opioide, durch ihre lokomotorische Wirkung, mit der erwarteten Reaktion interferieren (KAMERLING et al. 1985). Wird der Pannikulusreflex als Endpunkt einer Stimulation festgelegt, können in bestimmten Gebieten Insekten unabhängig von einem noxischen Stimulus diese Reaktion herbeiführen (LOVE et al. 2011a). So hat sich herausgestellt, dass der Pannikulusreflex ein sensitiverer Parameter zur Einschätzung von analgetischen Eigenschaften von Opioiden ist, da das Anheben einer Gliedmaße mit der Opioid- induzierten Lokomotion interferiert (KAMERLING et al. 1985; LOVE et al. 2011a).

(32)

In einer Studie, in der die mechanische Stimulation an Pferden durchgeführt wurde, zeigten die Tiere an knöchernen Regionen der Gliedmaßen höhere mechanische nozizeptive Schwellenwerte als an Stellen mit vermehrtem Bindegewebe (HAUSSLER et al. 2007).

Bei der Thermostimulation unter Nutzung eines Heizelementes bleibt anzumerken, dass die Hauttemperatur möglicherweise nicht exakt die Temperatur auf Niveau der Nozizeptoren widerspiegelt. Informationen über Tiefe und Dichte der Aδ und C- Fasern in der Haut des Pferdes sind nicht bekannt und es bleibt zu vermuten, dass die Nozizeptoren in tieferen Schichten liegen, als dies bei Katzen oder Nagern der Fall ist (LOVE et al. 2011a).

Gesundheitsstatus des Probanden:

Um Analgetika auf ihre antinozizeptive Effizienz zu untersuchen, sollten die Tiere vorher einer umfassenden Allgemeinuntersuchung unterzogen werden, da schmerzhafte Verletzungen oder Erkrankungen die Schwellenwerte verändern und Ergebnisse verfälschen können (LOVE et al. 2011a).

Bei einer vergleichenden Betrachtung von gesunden und lahmen Rindern fiel eine signifikante Erniedrigung der mechanischen nozizeptiven Schwellenwerte bei den erkrankten Tieren auf (LEY et al. 1996; WHAY et al. 1998).

Gerittene Pferde wiesen höhere mechanische nozizeptive Schwellenwerte auf als untrainierte Pferde, was verdeutlicht, dass mechanische Schwellenwerte abhängig vom Trainingszustand des Tieres variieren können (HAUSSLER u. ERB 2006a).

Einfluss der Hauttemperatur:

Veränderungen der Außentemperatur können den nozizeptiven Schwellenwert zum einen durch Schwankungen der Hauttemperatur und des Blutflusses, sowie zum anderen durch Einflüsse auf das Testgerät beeinflussen (LOVE et al. 2011a).

Die Hauttemperatur korreliert mit der Umgebungstemperatur und eine Studie von POLLER et al. (2013a) zeigte, dass niedrige Außentemperaturen von unter 10°C deutlich höhere thermische Schwellenwerte zur Folge hatten, als Außentemperaturen von über 20°C.

(33)

Arzneimittelbedingte Veränderungen des Blutflusses im Hautgebiet können zur Beeinflussung der Hauttemperatur führen. So führte die Detomidin bedingte (0,01 und 0,02 mg/kg i.v.) Vasokonstriktion in einer Studie von ELFENBEIN et al. (2009) zu einer signifikanten Erniedrigung der Hauttemperatur, auch wenn dies keinen Einfluss auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert hatte. In oben genannter Studie wurde daraus gefolgert, dass sich Alpha-2-Agonisten aufgrund ihrer peripheren vasokonstriktiven Wirkung nicht verlässlich mit Hilfe von thermischen Schwellenwerttests auf ihre somatische analgetische Effizienz untersuchen lassen.

Gleichzeitig wurde aber auch die niedrig gewählte cut-out Temperatur von 45°C als möglicher Grund für einen nicht feststellbaren antinozizeptiven Effekt genannt.

Einfluss von Umgebung und Ablenkung:

Zur Vermeidung von Konditionierung und Erlernen einer bestimmten Reaktion auf einen Reiz, bereits bevor dieser als unangenehm oder schmerzhaft empfunden wird, haben sich eine Sedierung des Pferdes (CHAMBERS et al. 1990) oder regelmäßige Scheinmessungen als wirksam erwiesen (KAMERLING et al. 1985; CARREGARO et al. 2007; DHANJAL et al. 2009).

Bei Messungen von mechanischen nozizeptiven Schwellenwerten benötigten die Pferde eine Eingewöhnungszeit, da sie sich anfänglich dem Druck durch ein Algometer auch ohne noxischen Stimulus entzogen. Im Anschluss waren verlässliche Messungen möglich (HAUSSLER u. ERB 2006a).

Pferde, die während nozizeptiven Schwellenwerttests angebunden waren, zeigten individuell verändertes Verhalten, erschienen abgelenkt oder nervös, so dass die thermische Stimulation keine verlässlichen Ergebnisse lieferte und cut-out Werte erreicht wurden (POLLER et al. 2013a).

(34)

2.3 Medikamente 2.3.1 Alpha-2-Agonisten

Besonders in der Pferdepraxis haben Alpha-2-Agonisten weite Verbreitung gefunden und finden Anwendung allein oder in Kombination mit anderen Arzneimitteln zur Sedation, Analgesie und Prämedikation (ENGLAND u. CLARKE 1996; DAUNT u.

STEFFEY 2002). Nach intravenöser Applikation wird dosisabhängig eine tiefe Sedation innerhalb von wenigen Minuten erreicht, die durch ein Hängenlassen des Kopfes und der Unterlippe, Somnolenz und Ataxie gekennzeichnet ist (DAUNT u.

STEFFEY 2002).

Per epiduraler Applikation werden Alpha-2-Agonisten genutzt, um eine perianale Analgesie herbeizuführen (SKARDA u. MUIR 1994, 1996). Die epidurale Verabreichung von Xylazin führt zu einer länger andauernden Analgesie als nach Verabreichung einer gleichen Dosis Lidocain (FIKES et al. 1989) oder einer vergleichbaren Dosis Detomidin (SKARDA u. MUIR 1996) und führt zu einer geringeren Ausprägung von Ataxie und Hinterhandsschwäche (LEBLANC et al.

1988).

Alpha-2-Agonisten eignen sich in ihrer Anwendung beim Pferd in der Kombination mit Opioiden (CLARKE u. PATON 1988; NILSFORS et al. 1988; BROWNING u.

COLLINS 1994). Die Kombination von Butorphanol (0,05 mg/kg) mit Detomidin (0,01 mg/kg) führte zu einer Vertiefung des Sedierungsgrades und einer erhöhten Toleranz auf externe Stimuli und stellte sich als ein geeignetes Sedationsprotokoll dar (CLARKE u. PATON 1988). Weiter hat sich in einer Studie von SCHATZMANN et al.

(2001) gezeigt, dass die zusätzliche Applikation von Butorphanol oder Levomethadon die analgetischen Effekte von Detomidin beim Pferd verlängert und es zu einem Anstieg des nozizeptiven Schwellenwertes kommt. Der Romifidinbedarf konnte durch die Gabe von Butorphanol zu einer Romifidin-Infusion in einer weiteren Studie nicht gesenkt werden, eine verlängerte Sedation wurde jedoch beobachtet (RINGER et al. 2012).

(35)

2.3.1.1 Wirkungsmechanismus

Bereits 1948 wurde die Unterteilung von Adrenorezeptoren in Alpha und Beta beschrieben (AHLQUIST 1948). Beide Gruppen werden weiter in Alpha-1- und -2- und Beta-1- und -2- Rezeptoren unterteilt. Postsynaptisch der sympathisch neuronalen Verschaltstellen sind Alpha-1- und Alpha-2-Rezeptoren aufzufinden, präsynaptisch sind nur Alpha-2-Rezeptoren lokalisiert (VALVERDE 2010). Eine weitere Strukturunterteilung der Alpha-2-Rezeptoren wird in Alpha-2A-, -2B- und -2C- vorgenommen (BYLUND et al. 1994), wobei Alpha-2A-Rezeptoren die Hauptrolle der spinalen Schmerzmodulation übernehmen (HUNTER et al. 1997; STONE et al.

1997).

Die Effekte der Alpha-2-Agonisten werden durch die Bindung und Aktivierung von zentralen Alpha-2-Adrenorezeptoren hervorgerufen (VIRTANEN et al. 1985). Die Alpha-2-Rezeptoren sind im Locus coeruleus im Hirnstamm (FOOTE et al. 1983;

CORREA-SALES et al. 1992) und im Dorsalhorn des Rückenmarks lokalisiert (TAYLOR 2005). Die durch Alpha-2-Rezeptorenaktivität hervorgerufene Hemmung des Locus coeruleus führt zu einem reduzierten noradrenergen Einfluss auf den Hippocampus und so zu einer Depression des Verhaltens (RUFFOLO et al. 1993).

Durch die Bindung von Alpha-2-Agonisten an die Membran präsynaptischer Alpha-2 Rezeptoren wird die Ausschüttung des erregenden Transmitters Norepinephrin blockiert und so eine Sedation erreicht (SINCLAIR 2003).

Alpha-2-Adrenorezeptoren sind für eine Vielzahl von physiologischen Vorgängen im zentralen Nervensystem und peripheren Geweben verantwortlich (SCHEININ u.

MACDONALD 1989; FREEMAN u. ENGLAND 2000). Je selektiver ein Agonist für den Alpha-2-Rezeptor ist, umso potenter ist er und erreicht in geringeren Dosen sein volles Wirkungsspektrum (SINCLAIR 2003; VALVERDE 2010). So kann eine stärkere Alpha-2-Selektivität die therapeutische Spannbreite eines Agonisten im Hinblick auf eine Schmerzbehandlung verbessern (GIL et al. 2009).

Alpha-2-Agonisten werden in der Leber metabolisiert und über den Urin ausgeschieden (MUIR u. HUBBELL 2009).

(36)

2.3.1.2 Unerwünschte Nebenwirkungen

Nahezu alle peripher vermittelten Wirkungen von Alpha-2-Agonisten stellen unerwünschte Nebenwirkungen dar. Der Einfluss von Alpha-2-Agonisten auf das kardiovaskuläre System ist dabei eine der wichtigsten unerwünschten Wirkungen (DAUNT u. STEFFEY 2002; FREEMAN et al. 2002). Die systemische Anwendung bedingt eine initiale Hypertension gefolgt von einem Abfall des arteriellen Blutdrucks (SARAZAN et al. 1989; BRYANT et al. 1996; BRYANT et al. 1998; YAMASHITA et al. 2000), wobei Detomidin im Vergleich zu Xylazin einen stärkeren und längeren Einfluss auf das kardiovaskuläre System aufzeigt (YAMASHITA et al. 2000). Die Hypertension beruht auf einer unmittelbaren Aktivierung von Alpha-2B- Adrenorezeptoren im Bereich der glatten Muskulatur kleiner Arterien und Arteriolen mit nachfolgender Vasokonstriktion (KAMIBAYASHI u. MAZE 2000). Dies führt zu einer dosisabhängigen Bradykardie, einem vermehrten Auftreten von atrioventrikulären Blöcken und einem verminderten Herzauswurf (SARAZAN et al.

1989; WAGNER et al. 1991; YAMASHITA et al. 2000). Als ursächlich für die auftretende Sinusbradykardie und die atrioventrikulären Blöcke gelten eine verminderte Sympathikusaktivität des zentralen Nervensystems und ein gesteigerter Vagotonus als Antwort der Barorezeptoren auf eine Hypertension (SINCLAIR 2003;

WOJTASIAK-WYPART et al. 2012).

Alpha-2-Agonisten besitzen einen nachgewiesenen diuretischen Effekt (THURMON et al. 1984; GASTHUYS et al. 1987; GASTHUYS et al. 1988; MAZE u. TRANQUILLI 1991; NUNEZ et al. 2004).

Die Verabreichung von Alpha-2-Agonisten führte bei Labortieren und Pferden zu einer Reduzierung der Magen-Darm-Motilität (WIKBERG 1977; ADAMS et al. 1984;

MERRITT et al. 1998; FREEMAN u. ENGLAND 2001; SUTTON et al. 2002).

Untersuchungen zeigten einen Anstieg des intrauterinen Druckes nach Applikation von Xylazin, Detomidin und Romifidin, ohne Unterschiede innerhalb der verwendeten Alpha-2-Agonisten (SCHATZMANN et al. 1994). Auch bei Kühen ließ sich ein Anstieg des intrauterinen Druckes nach Verabreichung von Xylazin nachweisen (LEBLANC et al. 1984). Bei tragenden Stuten, die in regelmäßigen Abständen 0,02 mg/kg Detomidin intravenös verabreicht bekamen, konnte jedoch kein nachteiliger

(37)

Effekt auf die Entwicklung des Fötus und den Geburtsverlauf beobachtet werden (KATILA u. OIJALA 1988).

2.3.1.3 Romifidin

Bei Romifidinhydrochlorid handelt es sich um ein achirales Imidazolderivat mit den Eigenschaften eines potenten Alpha-2-Agonisten und einer Halbwertszeit von circa 135 Minuten (WOJTASIAK-WYPART et al. 2012). Eine intravenöse Dosis von 0,08 mg/kg Romifidin beim Pferd gilt als equipotent zu 1 mg/kg Xylazin beziehungsweise 0,02 mg/kg Detomidin (ENGLAND et al. 1992).

Die Alpha-2:Alpha1-Selektivität für Romifidin beträgt 340:1 (MUIR u. HUBBELL 2009). Ebenso wie andere Vertreter der Alpha-2-Agonisten führt eine Romifidinapplikation zu Anzeichen von Sedation wie Muskelrelaxation, einer verringerten Kopfhöhe und verminderter Reaktion auf externe Stimuli (ENGLAND et al. 1992; MOENS et al. 2003; FIGUEIREDO et al. 2005; RINGER et al. 2012;

WOJTASIAK-WYPART et al. 2012). Die sedierende Wirkung von Romifidin äußert sich innerhalb weniger Minuten nach intravenöser Verabreichung (FREEMAN u.

ENGLAND 2000; FIGUEIREDO et al. 2005; WOJTASIAK-WYPART et al. 2012).

In einer vergleichenden Studie im Hinblick auf die Sedation des Pferdes zwischen Xylazin (0,5 mg/kg), Detomidin (0,01 mg/kg) und Romifidin (0,04 mg/kg) hatten Detomidin und Romifidin eine stärkere Potenz und Detomidin führte zu einer höhergradigen Ataxie, wohingegen diese länger für Romifidin bestand (NANNARONE et al. 2007). Ähnliche Ergebnisse lieferte eine Studie von FREEMAN und ENGLAND (2000), in der die Wirkung von Detomidin in einer Dosierung von 0,02 mg/kg mit denen von Romifidin in Dosierungen von 0,08 mg/kg und 0,12 mg/kg verglichen wurde. Von fünf Pferden, die eine Ataxie außerhalb eines tolerierbaren Bereichs aufzeigten, gehörten drei Pferde zu der Detomidin-Gruppe und ein Tier jeweils zu beiden Romifidin-Gruppen. Dieselbe Studie zeigt, dass Romifidin eine dosisabhängige Wirkung besitzt, wobei der höchste Sedationsgrad bei 0,12 mg/kg erreicht wurde. Im Gegensatz zur dosisabhängigen Wirkung in Bezug auf die Sedation konnte kein Unterschied in den bereits genannten Dosierungen von 0,08 mg/kg und 0,12 mg/kg im Hinblick auf die Beeinflussung des kardiovaskulären

(38)

Systems beobachtet werden (FREEMAN et al. 2002), wohingegen eine weitere Studie signifikant erniedrigte mittlere Herzfrequenzen bei einer höheren Dosierung von 0,12 mg/kg nachweisen konnte (FIGUEIREDO et al. 2005). Die Studie von WOJTASIAK-WYPART et al. (2012) zeigt eine Linearität zwischen Plasmakonzentration von Romifidin und hämodynamischen Werten sowie Verhaltensänderungen beim Pferd.

Romifidin besitzt antinozizeptive und analgetische Fähigkeiten, wie verschiedene Studien mittels diverser nozizeptiver Testverfahren nachweisen konnten (MOENS et al. 2003; FIGUEIREDO et al. 2005; SPADAVECCHIA et al. 2005; ROHRBACH et al.

2009).

FIGUEIREDO et al. (2005) untersuchten die sedativen und analgetischen Wirkungen von intravenös verabreichtem Romifidin beim Pferd in den Dosierungen 0,04 mg/kg und 0,12 mg/kg. Sie bestätigten die Ergebnisse von FREEMANN et al. (2000) und wiesen ebenfalls einen zeit- und dosisabhängigen Einfluss von Romifidin auf den Sedierungsgrad beim Pferd nach. Weiter führte die Dosis von 0,12 mg/kg zu einer längeren und stärkeren Analgesie.

Eine Studie von RINGER et al. (2013) vergleicht die Effekte einer konstanten Infusionsrate von Xylazin und Romifidin. Eine Anfangsdosis von Xylazin (1 mg/kg) oder Romifidin (0,08 mg/kg) wurde über 3 Minuten verabreicht und mit einer konstanten Infusionsrate von 0,69 mg/kg/h Xylazin oder 0,03 mg/kg/h Romifidin über einen Zeitraum von 120 Minuten fortgeführt. Während beide Protokolle keinen Unterschied im Hinblick auf eine Ataxie zeigten, benötigten die Pferde im Romifidinprotokoll länger, bis eine mit der Xylazingruppe vergleichbare Sedation erreicht wurde.

2.3.1.4 Dosierung und Applikation

Romifidin ist unter dem Warennamen Sedivet® 10 mg/ml (Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH, Ingelheim) für die intravenöse Applikation beim Pferd zugelassen.

Im Beipackzettel werden je nach gewünschtem Sedationsgrad Dosierungen von 0,04 mg/kg – 0,12 mg/kg angegeben. Als Indikationsgebiete gelten laut Beipackzettel das Ruhigstellen von Pferden für verschiedene Manipulationen, die Anwendung bei

(39)

schmerzhaften Eingriffen sowie die Prämedikation von Injektions- und Inhalationsnarkosen.

Im Hinblick auf unterschiedliche Applikationsrouten beim Pferd zeigt Romifidin in einer Dosis von 0,12 mg/kg nach intravenöser und intramuskulärer Verabreichung vergleichbare sedative Effekte, wobei sich die Anflutung bei intravenöser Applikation schneller darstellt und die Sedation nach intramuskulärer Verabreichung länger anhält. Eine sublinguale Applikation gilt als ungeeignet (FREEMAN u. ENGLAND 1999). Romifidin führt nach intravenöser Applikation zu einer tiefen und lang anhaltenden Sedation und Muskelrelaxation beim Pferd (WOJTASIAK-WYPART et al. 2012).

2.3.2 Ketamin

2.3.2.1 Wirkungsmechanismus

Ketamin führt durch eine dosisabhängige Hemmung des zentralen Nervensystems in ein sogenanntes dissoziatives Stadium, welches durch Analgesie, Amnesie und Katalepsie gekennzeichnet ist (HAAS u. HARPER 1992; KOHRS u. DURIEUX 1998).

Als Mechanismen werden die Hemmung thalamokortikaler Wege und eine Erregung des limbischen Systems diskutiert (KOHRS u. DURIEUX 1998). Ketamin bindet an verschiedene Rezeptoren, wobei der Großteil der Wirkungen auf eine Interaktion mit NMDA-Rezeptoren zurückzuführen ist (KOHRS u. DURIEUX 1998). Aber auch Wirkungen über andere Rezeptoren, wie eine Bindung an Opiatrezeptoren (HUSTVEIT et al. 1995) und ein hemmender Einfluss auf nikotinerge Rezeptoren sind für die analgetische Wirkung von Ketamin verantwortlich (UDESKY et al. 2005;

ABELSON et al. 2006; MOADDEL et al. 2013).

Durch die Blockade des NMDA-Rezeptors hemmt Ketamin die synaptische Erregung (ANIS et al. 1983). Ketamin bindet an die Phencyclidin-Bindungsstelle des NMDA- Rezeptors und hemmt auf nicht-kompetitive Weise die Aktivierung eines Kalziumkanals durch Glutamat (FELSBY et al. 1996; KOHRS u. DURIEUX 1998).

Durch die Rolle am NMDA-Rezeptor wird eine mögliche Hemmung der Entstehung des spinalen „wind-up“ Phänomens (DAVIES u. LODGE 1987) und zentraler Sensibilisierung für Ketamin diskutiert (DE KOCK u. LAVAND'HOMME 2007).

(40)

Ketamin besitzt beim Pferd nach intravenöser Applikation einer Dosis von 2,2 mg/ml eine kurze Ausscheidungshalbwertszeit von etwa 42 Minuten (KAKA et al. 1979) bis 67,4 Minuten nach einer konstanten Infusionsrate von 1,5 mg/kg/pro Stunde über 320 Minuten (LANKVELD et al. 2006). Es wird in der Leber über das Cytochrom P450 System zu dem aktiven Metaboliten Norketamin metabolisiert und über die Nieren ausgeschieden (WHITE et al. 1982; HAAS u. HARPER 1992; KOHRS u.

DURIEUX 1998).

2.3.2.2 Anwendung von Ketamin beim Pferd

Bei Ketamin handelt es sich um ein dissoziatives Anästhetikum, welches seit vielen Jahren bei vielen verschiedenen Spezies Anwendung findet (TAYLOR 2005;

KNOBLOCH et al. 2006; MUIR 2010a) und ursprünglich als intravenöses Anästhetikum für die Humanmedizin eingeführt wurde (DE KOCK u.

LAVAND'HOMME 2007). Es handelt sich um ein Phenylpiperidinderivat (DE KOCK u. LAVAND'HOMME 2007; MUIR 2010a) und ist ein Racemat aus zwei Enantiomeren, R- und S-Ketamin (KLEPSTAD et al. 1990; KOHRS u. DURIEUX 1998; KNOBLOCH et al. 2006; MUIR 2010a). Das S-Ketamin Enantiomer weist eine viermal größere Affinität zum NMDA-Rezeptor auf als R-Ketamin (OYE et al. 1992) und eine viermal größere analgetische Effektivität (KLEPSTAD et al. 1990; OYE et al.

1992). Die antinozizeptiven Effekte von Ketamin konnten auch beim Pferd nachgewiesen werden. So führte ein Ketaminbolus von 0,6 mg/kg gefolgt von einer konstanten Infusionsrate von 0,02 mg/kg pro Minute am stehenden Pferd zu deutlich reduzierten Reaktionen auf einen elektrischen Reiz (PETERBAUER et al. 2008).

Auch am anästhesierten Pferd reduziert Ketamin die Reaktion auf elektrische Stimuli und weist antinozizeptive Effekte auf (KNOBLOCH et al. 2006; LEVIONNOIS et al.

2010). Im Gegensatz dazu konnten FIELDING et al. (2006) mithilfe eines mechanischen nozizeptiven Testverfahrens keine analgetischen Effekte einer subanästhetischen Dosis beim Pferd nachweisen.

Ketamin besitzt antientzündliche Effekte, indem es Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNFα) und Interleukin-6 Konzentrationen hemmt und die Leukozyten-Rekrutierung beim Menschen vermindert (SUN et al. 2004; MAZAR et al. 2005). Studien beim Pferd weisen widersprüchliche Ergebnisse auf, da in vivo kein Einfluss einer

(41)

subanästhetischen Dosis Ketamin auf eine experimentell induzierte Endotoxämie nachgewiesen werden konnte (ALCOTT et al. 2011). Eine in vitro Studie demonstrierte hingegen einen hemmenden Effekt auf TNFα und IL-6 in equinen Zelllinien (LANKVELD et al. 2005).

Ketamin besitzt sympathomimetische Effekte und hat bei Menschen und Tieren stimulierenden Einfluss auf das kardiovaskuläre System in Form von erhöhter Herzfrequenz, vermehrtem Herzauswurf und erhöhtem arteriellen Blutdruck (TWEED et al. 1972; ZIELMANN et al. 1997; LANKVELD et al. 2006). Dieser Effekt führt dazu, dass eine durch Alpha-2-Agonisten induzierte Bradykardie beim Pferd durch die Gabe von Ketamin ausgeglichen werden kann und die Herzfrequenz auf Ausgangswerte steigt (MARNTELL u. NYMAN 1996; ROSSETTI et al. 2008).

Der Einfluss von Ketamin auf die Atemwege und das Atemsystem wird mit einer bronchodilatatorischen Wirkung bei nur geringer Hemmung des Atemzentrums beschrieben (HAAS u. HARPER 1992; KOHRS u. DURIEUX 1998). Zusätzlich ist ein Anästhetika-sparender Effekt für Ketamin nachgewiesen (MUIR u. SAMS 1992;

ENDERLE et al. 2008; PÖPPEL 2012). Plasmaspiegelkonzentrationen von über 1 µg/ml Ketamin beim Pferd führten zu einer Reduzierung des Halothanverbrauches von 37 % (MUIR u. SAMS 1992).

Eine Studie von LANKVELD et al. (2006) untersuchte beim wachen Pferd eine konstante Infusionsrate von 1,5 mg/kg Ketamin pro Stunde über einen Zeitraum von 320 Minuten und zeigte, dass diese Dosis sicher über einen längeren Zeitraum appliziert werden kann. Weiter stellte sich heraus, dass Plasmaspiegel von unter 0,8 µg/ml die Grenze für eine sichere subanästhetische Dosis beim Pferd darstellen.

Studien an Pferden diskutieren einen positiven Effekt bei der Verwendung des Enantiomers S-Ketamin im Vergleich zum Racemant. So zeigten Pferde, die S- Ketamin appliziert bekamen, eine bessere Erholungsphase nach Allgemeinanästhesie als Pferde nach Racemat-Gabe (FILZEK et al. 2003;

ROSSETTI et al. 2008; LARENZA et al. 2009).

(42)

2.3.2.3 Unerwünschte Nebenwirkungen

Eine häufige unerwünschte Nebenwirkung von Ketamin ist die kataleptische Wirkung, die zu unterschiedlich stark ausgeprägter Hypertonizität der Muskulatur führen kann (HAAS u. HARPER 1992). Der Untersucher wird vor die Problematik gestellt, dass die Tiefe einer Sedation beziehungsweise einer Anästhesie nicht anhand üblicher Parameter wie Augenbewegungen und Muskeltonus bestimmt werden kann (HAAS u. HARPER 1992). In Studien aus der Humanmedizin wird von heftigen, intensiven Traumerlebnissen und Delirium-ähnlichen Zuständen mit Halluzinationen berichtet, die während der Erholungsphase nach einer Ketaminnarkose auftraten (KNOX et al.

1970; KRESTOW 1974; WHITE et al. 1980; KOHRS u. DURIEUX 1998). Weiter führt Ketamin zu einer Zunahme der Speichel- und Bronchialsekretion, was bei nicht- intubierten menschlichen Patienten die Gefahr einer Aspiration mit sich bringen kann (HAAS u. HARPER 1992). Beim Pferd traten in den ersten Minuten nach systemischer Ketaminapplikation Verhaltensänderungen in Form von vermehrtem Kauen, Lecken und Augenzwinkern auf. Zusätzlich ist das Auftreten von Ataxie, einer erhöhten Herzfrequenz und erhöhten mittleren arteriellen Blutdrücken beschrieben (PETERBAUER et al. 2008).

(43)

2.3.2.4 Dosierung und Applikation

Ketamin ist unter dem Warennamen Narketan® 100 mg/ml (Vétoquinol GmbH, 88212 Ravensburg) für die intravenöse und intramuskuläre Applikation bei Pferd, Hund und Katze zugelassen. Laut Beipackzettel ist es zur Kurznarkose bei Pferd, Hund und Katze für diagnostische Eingriffe und kleinere Operationen geeignet.

Weiter wird für das Pferd darauf hingewiesen, dass es nur nach vorheriger sedativer Prämedikation anzuwenden sei. Meist findet Ketamin beim Pferd in einer Dosierung von 2,0-2,2 mg/kg klinische Anwendung als kurzwirksames Anästhetikum beziehungsweise zur Einleitung einer Inhalationsnarkose in der Kombination mit Alpha-2-Agonisten (KAKA et al. 1979; WATERMAN et al. 1987; DIAMOND et al.

1993; TAYLOR et al. 2001; KERR et al. 2004; ROSSETTI et al. 2008).

Auch per epiduraler Applikationsroute beim Pferd weist Ketamin analgetische Effekte ohne unerwünschte Nebenwirkungen auf (GOMEZ DE SEGURA et al. 1998). Eine lokale Verabreichung eines Ketaminblocks im Bereich des palmaren Digititalnerven beim Pferd führte zu einer kurzeitigen Analgesie von 2 bis 15 Minuten (LOPEZ- SANROMAN et al. 2003).

2.3.3 Lokalanästhetika

Lokalanästhetika bestehen aus einem lipophilen aromatischen Ring, welcher über eine Ester- oder Amidverbindung mit einem Amin verbunden ist. Jedes der beiden Hauptkomponenten ist für spezifische Eigenschaften verantwortlich. Der aromatische Ring bestimmt die Lipidlöslichkeit, wohingegen das terminale Amin bestimmt, ob das Molekül in wasser- oder lipidlöslicher Form vorliegt. Das Verbindungsstück charakterisiert die Art der Metabolisierung (BECKER u. REED 2006). Potenz und Wirkdauer hängen direkt mit der Lipidlöslichkeit und Proteinbindungsaffinität zusammen. Je lipidlöslicher das Lokalanästhetikum, umso potenter ist es. Je stärker die Proteinbindung, umso länger ist die Wirkdauer. Lokalanästhetika sind schwache Basen und liegen als mild-saure Hydrochloridsalze vor, um ihre Löslichkeit und Stabilität zu verbessern (DAY u. SKARDA 1991). Anhand ihrer Ester- oder Amid- verbindung werden sie in den Ester- (Kokain, Procain, Chloroprocain, Tetracain) beziehungsweise den Amid-Typ (Lidocain, Prilocain, Mepivacain, Bupivacain,

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Pegfi lgrastim wurden bei Patienten mit Myelodysplastischem Syndrom, chronisch-myeloischer Leukämie und bei Patienten mit sekundärer AML

o Pour une meilleure compréhension de l’interaction phytate-zinc: Métaanalyse de 5 expériences Zn menées à l’INRA. o Protocole similaire (porcelets sevrés, durée de

oIncreased dietary plant phytate reduces DZNN bioavailability, especially in piglets (ex. Schlegel et al., 2010). oA soluble Zn source, such as ZnSO 4 is therefore highly

Die in dieser Arbeit für den Wirkstoff Romifidin nach TOUTAIN und LASSOURD (2002) durchgeführten Berechnungen zur Ermittlung irrelevanter Plasma- und

Einfluss von Butorphanol, Midazolam oder Ketamin auf die Romifidin-basierte Sedierung während der Zahnextraktion beim Pferd.. STIFTUNG TIERÄRZTLICHE

• Das Kulturensortiment von ALP wurden mit neusten Methoden auf die Bildung biogener Amine geprüft → dies ist ein wichtiger Beitrag von ALP für die Lebensmittelsicherheit

Echantillons modèle d’après le conténu en androsténone 38 échantillons de tissu adipeux dorsale. Bourrounet et al, Sensors and Actuators B 26-27

Die Daten müssen durch die Anzahl toter Tiere ergänzt werden. Abgänge durch Tod