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5   Diskussion

5.1   Diskussion der Methode

5.1.1   Bestimmung des thermisch nozizeptiven Schwellenwertes

Für die Versuche wurden Pferde verschiedener Rassen und unterschiedlichen Geschlechts und Alters verwendet. Bei genauer Betrachtung der individuellen Ergebnisse und Vergleich zwischen den unterschiedlichen Geschlechts- und Altersgruppen lassen sich jedoch keine Unterschiede vermuten, so dass diese Heterogenität keinen Einfluss auf die Ergebnisse zu haben scheint. Da jedoch keine Kenntnisse zum Zyklusstand der Stuten vorlagen, kann ein hormoneller Einfluss auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Eine Studie aus der Humanmedizin beschreibt, dass Frauen sensitiver auf Kälte, Hitze und ischämischen Schmerz reagierten als Männer. Der Zyklusstand der Frau hatte dabei jedoch keinen Einfluss auf das Schmerzempfinden (KLATZKIN et al.

2010). Untersuchungen an weiblichen Ratten zeigten, dass der Zyklusstand keinen Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung besaß, jedoch ein Einfluss auf die nozizeptive Potenz von Opioiden bestand und dass die Schmerzempfindlichkeit nach Ovarektomie abnahm (TERNER et al. 2005). In einer Untersuchung zur mechanischen Stimulation beim Pferd konnten höhere Schwellenwerte bei jüngeren Tieren, bei Wallachen sowie bei trainierten Pferden erzielt werden (HAUSSLER u.

ERB 2006a), was einen Einfluss des individuellen Status des Tieres auf das Schmerzempfinden vermuten lässt. Die Unterschiede im Hinblick auf Alter und Geschlecht waren in der zitierten Studie jedoch gering und klinisch unbedeutend, wohingegen die Unterschiede zwischen trainierten und untrainierten Pferden

deutlicher waren (HAUSSLER u. ERB 2006a). Die in der eigenen Studie genutzten Probanden waren alle ungeritten und befanden sich in einem vergleichbaren Trainingszustand. Für eine genauere Einschätzung des Einflusses von Geschlecht, Zyklusstand und Alter auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert beim Pferd wären weitere Studien wünschenswert.

Die Pferde reagierten unmittelbar nach Anbringung des speziellen Halfters mit Abwehrbewegungen wie vermehrtem Kopfschütteln oder Reiben des Kopfes. Um Fehlinterpretationen einer Reaktion zu vermeiden, wurde der Messvorgang erst gestartet, wenn sich das Pferd ungestört und vom Testgerät unbeeinflusst zeigte. Da bei der thermischen Stimulation Reaktionen wie ein Kopfschütteln als Endpunkt gewertet wurden, war eine Differenzierung zwischen Abwehrbewegung gegen das Instrumentarium und tatsächlicher Reaktion auf den thermischen Reiz essentiell.

Dies wurde durch eine gründliche Beobachtung der Probanden, eine individuell gewählte Adaptationszeit von einigen Minuten und durch die Abwehr von anderen Störfaktoren wie Insekten gewährleistet. Auch in der Studie von POLLER et al.

(2013a) sind Abwehrreaktionen beschrieben. Dort war ebenfalls eine Messung ohne störende Faktoren nach einigen Minuten Adaptationszeit durchführbar. Die häufigste auf einen Stimulus festzustellende Reaktion war mit 52,56% - 74,36% in allen 6 Behandlungsgruppen ein Kopfschütteln, wohingegen ein Reiben des Kopfes mit 28,20% - 41,02% deutlich seltener gezeigt wurde. Dies deckt sich mit Ergebnissen der Studie von POLLER et al. (2013a), in der in 64,6% der Fälle ein Kopfschütteln und in 35,4% ein Reiben des Kopfes zu beobachten war.

Bei einem Probanden war ein Lerneffekt zu vermuten, da er mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit auf den Untersucher reagierte oder das Fressen einstellte, sobald die Box betreten wurde. Die hohe Standardabweichung der Kontrollgruppe zum Zeitpunkt T30 beruht auf einem zweimaligen Erreichen der cut-out Temperatur bei diesem Tier. Eines der Pferde war bereits Proband in Vorgängerstudien und eine Gewöhnung an den Reiz oder an Manipulationen durch den Untersucher und so das Ausbleiben einer Reaktion kann nicht ausgeschlossen werden. Das Problem der Konditionierung wurde auch in anderen Studien erkannt, so dass zwischen Messungen sogenannte Scheintests ohne schmerzhafte Stimuli durchgeführt wurden

(KAMERLING et al. 1985; CARREGARO et al. 2007; DHANJAL et al. 2009). Das in der eigenen Studie genutzte Gerät ermöglicht die Einstellung einer variablen Zeit zwischen Betätigung der Fernbedienung und tatsächlichem Beginn des Heizvorgangs. Dies reduziert eine Beeinflussung des Untersuchers und eine Konditionierung des Probanden. Zur Vermeidung von Stress und Ablenkung wurde die Versuchsreihe in der gewohnten Umgebung der Pferde durchgeführt. Ergebnisse aus der Humanmedizin zeigen, dass Ablenkung die Schmerzwahrnehmung verändern kann (MIRON et al. 1989). Dies deckt sich ebenfalls mit Ergebnissen von POLLER et al. (2013a), in der die thermische Stimulation an Pferden in der Box mit der von fixierten Tieren verglichen wurde. Die an in einem Untersuchungsstand fixierten Tieren vorgenommene Stimulation lieferte keine verlässlichen Ergebnisse, wohingegen sich die thermische Stimulation an Pferden in ihrem gewohnten Umfeld als geeignet erwies. Aus diesem Grund wurden alle Messungen an in ihrer Box freilaufenden Pferden durchgeführt. Gesteuert wurde der Messvorgang durch eine infrarot-gesteuerte Fernbedienung, so dass kein direkter Kontakt zu den Pferden während der Messung notwendig war.

Es sind verschiedene Stimulationsstellen für nozizeptive Schwellenwerttests beschrieben. Die am häufigsten gewählte Stimulationsstelle ist der Widerrist des Pferdes (ROBERTSON et al. 2005; DHANJAL et al. 2009; LOVE et al. 2011b;

POLLER et al. 2013a, b). In der eigenen Studie wurde der Kopf als Stimulationsstelle gewählt, da die Fragestellung nach einer optimalen Analgesie für schmerzhafte Eingriffe am Kopf des Pferdes im Vordergrund stand. Während bei der Stimulation am Widerrist vor allem ein Pannikulusreflex als Reaktion auf die Stimulation stattfindet (ROBERTSON et al. 2005; DHANJAL et al. 2009; LOVE et al. 2011b;

POLLER et al. 2013a, b), ist davon auszugehen, dass bei der Stimulation am Kopf überwiegend bewusste Reaktionen des Pferdes durch Kopfschütteln oder Reiben stattfinden. In den Gruppen der eigenen Studie konnte jedoch auch mehrmals ein ruckartiges Zucken des Kopfes als Reaktion auf den thermischen Reiz beobachtet werden. Es ist also ebenfalls möglich, dass ein thermischer nozizeptiver Reiz am Kopf des Pferdes zur Auslösung des Trigemino-Zervikal-Reflexes führt, welcher durch transkutane elektrische Stimulation des Infraorbital- und Supraorbitalnerves

ausgelöst wird (VERES-NYÉKI et al. 2012). Da die Stimulationsstelle im Bereich der Nüster und des Nasenrückens beim Pferd sensibel vom Nervus infraorbitalis innerviert wird (KÖNIG u. LIEBICH 1999), ist auch eine Auslösung des Trigemino-Zervikal-Reflexes durch thermische Stimulation wahrscheinlich.

Eine Limitierung bei der Betrachtung von Reflexen stellt die Tatsache dar, dass eine Reaktion nicht notwendigerweise schmerzbedingt ist. So können Veränderungen einer Reflexaktivität sowohl sensorischen als auch motorischen Ursprungs sein (CHAPMAN et al. 1985). Außerdem wird diskutiert, dass der Untersucher einen Einfluss auf die Ergebnisse von Schmerzstudien beim Tier besitzt (CHESLER et al.

2002). Untersucherbedingte Verzögerungen, beziehungsweise unterschiedliche Einschätzungen des Endpunkts einer Reaktion, sind auch in der eigenen Studie nicht auszuschließen. Da eine niedrige Heizrate von 0,8°C pro Sekunde gewählt wurde, wäre es bei geringen Verzögerungen der Reaktionszeit, bis ein Heizvorgang beendet wird, nur zu vermutlich statistisch unbedeutenden Anstiegen der gemessenen Schwellenwerte gekommen. Ein Lerneffekt des Untersuchers in Bezug auf die individuellen Besonderheiten und Reaktionen der Probanden kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, welcher jedoch wegen der niedrigen Heizrate und dem somit geringen Einfluss auf den tatsächlichen nozizeptiven Schwellenwert vernachlässigt werden kann. Zusätzlich trägt das randomisierte cross-over Studiendesign dazu bei, dass sich eventuell beeinflussende Faktoren nicht ausschließlich auf bestimmte Testgruppen bezogen und Ergebnisse verfälschten.

In der vorliegenden Studie wurde für die Stimulation das sogenannte Kontaktwärmeverfahren angewendet. Als Vorteil dieses Verfahrens gegenüber einer strahlenden Lichtquelle wird diskutiert, dass Ersteres je nach Heizrate die Aδ und C-Fasern individuell ansprechen kann. Bei der Verwendung einer strahlenden Lichtquelle wird der fokussierte Bereich mit einer höheren Heizrate erwärmt als das umliegende Gewebe, was eine unspezifische Aktivierung von Aδ und C-Fasern bedingen kann (MCMULLAN et al. 2004). Als Nachteil wird der Kontakt des Heizelementes mit der Hautoberfläche und so eine mögliche gleichzeitige Aktivierung von Mechanorezeptoren angesprochen (SVENSSON et al. 1997; MCMULLAN et al.

2004). Um einer Aktivierung von Mechanorezeptoren vorzubeugen, wurde das

Heizelement mehrere Minuten vor jedem Messvorgang aufgebracht. In einer Studie führten andauernde mechanische Stimuli zu einer Gewöhnung und verminderten Ansprechbarkeit von Mechanorezeptoren (HUNT u. MCINTYRE 1960), was eine Adaptationszeit von mehreren Minuten zwischen Heizelement und Mechanorezeptoren vor jedem Heizvorgang als ausreichend vermuten lässt.

Um einen Einfluss der Außentemperatur auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert zu vermeiden, wurden die Messungen dieser Studie nur bei Umgebungstemperaturen von über 10°C vorgenommen. Geringe Umgebungstemperaturen führen zu erniedrigten Hauttemperaturen und erhöhten thermischen Schwellenwerten beim Pferd (POLLER et al. 2013a), beziehungsweise verlängerten Reaktionszeiten bei Ratten (LASCELLES et al. 1995). In einer weiteren Untersuchung konnte jedoch kein Einfluss der Hauttemperatur auf die Reaktionszeit bei Ratten beobachtet werden (LICHTMAN et al. 1993). Da die NaCl-Gruppe in der eigenen Studie keine signifikante Veränderung der Hauttemperatur im Verlauf der Beobachtungsperiode aufzeigte, ist ein Einfluss der Außentemperaturen auf die Hauttemperatur während der Messreihe somit nahezu auszuschließen.

ELFENBEIN et al. (2009) wählte für die Untersuchung der somatischen antinozizeptiven Effekte von Detomidin beim Pferd eine cut-out Temperatur von 45°C und eine Heizrate von 0,6°C pro Sekunde. Im Gegensatz zu der in der eigenen Studie gewählten cut-out Temperatur von 54°C wurden bei ELFENBEIN et al. (2009) keine hitzebedingten Hautläsionen beschrieben. In der eigenen Messreihe zeigte ein Pferd nach Erreichen der cut-out Temperatur deutliche Gewebeschäden. Die festgelegte cut-out Temperatur stellt somit einen Kompromiss zwischen Schonung des Gewebes und einer möglichen Verschleierung eines antinozizeptiven Effektes durch zu niedrig gewählte cut-out Temperaturen dar. So konnten ELFENBEIN et al.

(2009) keinen somatischen antinozizeptiven Effekt für Detomidin aufzeigen und diskutierten den niedrigen cut-out Wert als möglichen Grund. In einer anderen Studie konnte unter Verwendung einer strahlenden Lichtquelle für identische Detomidindosierungen eine analgetische Wirkung nachgewiesen werden (KAMERLING et al. 1988). Es bleibt offen, ob die Unterschiede in

Kontaktwärmeverfahren und strahlender Lichtquelle die abweichenden Ergebnisse bedingen.

Eine gewählte cut-out Temperatur von 56°C bei thermischer Stimulation am Kopf und Widerrist des Pferdes verursachte in einigen Fällen nach Erreichen des cut-out Wertes Schwellungen und geringgradige Gewebeschäden (POLLER et al. 2013a), deshalb wurde der gewählte cut-out Wert auf 54°C reduziert. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass eine Temperatur von 54°C ebenfalls Hautläsionen verursachen kann und somit weiter zwischen einer Reduzierung der Temperatur und einer eventuellen Maskierung antinozizeptiver Effekte abgewogen werden muss. Die Heizrate scheint ebenfalls einen Einfluss auf die Ausprägung von Gewebeschäden zu haben. Die Studie POLLER et al. (2013a, b) wählte eine Heizrate von 0,8°C für die thermische Stimulation am Kopf des Pferdes. Die geringere Heizrate von 0,6°C führte in Vorversuchen, eventuell aufgrund der längeren Hitzeexposition des Gewebes, zu Verbrennungen. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde für die eigenen Messungen die sich als geeignet erwiesene Heizrate von 0,8°C gewählt. Entgegen POLLER et al.

(2013a) konnten in einer Studie von LOVE et al. (2008) bei einer Heizrate von 0,85°C stärkere Hautläsionen beobachtet werden als bei mittleren (0,5°C) und langsamen (0,2°C) Heizraten. Gleichzeitig erbrachten die niedrigeren Raten konstantere Schwellenwerte. Schnelle Heizraten von mehreren Grad Celsius pro Sekunde aktivieren Aδ-Fasern, wohingegen langsame Heizraten zu einer C-Faseraktivierung führen (YEOMANS et al. 1996; MCMULLAN et al. 2004). Bei der gewählten Heizrate von 0,8°C und unter Verwendung des Kontaktwärmeverfahrens ist somit in der eigenen Studie von einer überwiegenden C-Faseraktivierung auszugehen.

5.2 Diskussion der Ergebnisse