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5   Diskussion

5.2   Diskussion der Ergebnisse

5.2.3   Kombination von Romifidin und Ketamin

5.2.3.1 Einfluss von Romifidin-Ketamin auf die Hauttemperatur

Im Gegensatz zur Ket-Gruppe konnten in der RomKet-Gruppe keine Veränderungen der Hauttemperatur festgestellt werden. Romifidin führt wie alle Alpha-2-Agonisten zu einer Bradykardie und einer Reduzierung des Herzauswurfes und so zu einer verminderten Perfusion (FREEMAN et al. 2002). Ketamin hingegen besitzt sympathische Aktivität und führt zu einem anfänglichen Blutdruckanstieg (LÖSCHER et al. 2010), der sich in der Ket-Gruppe in einer vermehrten Hautdurchblutung und einem Anstieg der Hauttemperatur äußerte. Die depressive Wirkung von Romifidin auf das kardiovaskuläre System scheint die sympathische Aktivität des Ketamins so auszugleichen, dass die Hauttemperatur unbeeinflusst bleibt. Ein gegenseitiger Einfluss der beiden Arzneimittel wurde auch bei den gemessenen Herz-Kreislaufparametern deutlich (s. Abschnitt 5.2.3.4).

5.2.3.2 Einfluss von Romifidin-Ketamin auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert

Die Gabe von Romifidin und Ketamin führte zu einem synergistischen analgetischen Effekt in dieser Studie. Dieser Effekt der beiden Arzneimittel äußert sich in einer signifikanten Erhöhung der thermischen nozizeptiven Schwellenwerte der

RomKet-Gruppe im Vergleich zur Ket-RomKet-Gruppe zum Zeitpunkt T10. Auch im Vergleich zur Rom-Gruppe ist eine stärkere Erhöhung des Schwellenwertes der RomKet-Rom-Gruppe nachvollziehbar (s. Abb. 4.14). Die thermischen nozizeptiven Schwellenwerte der Rom- und RomKet-Gruppe sind zwar zu keinem Zeitpunkt signifikant unterschiedlich, zum ersten Messzeitpunkt erreichten jedoch 5 von 6 Pferden der RomKet-Gruppe die cut-out Temperatur, wohingegen dies bei der Rom-Gruppe zum Zeitpunkt T10 nur bei einem Tier der Fall war. Es ist also wahrscheinlich, dass bei einer höher gewählten cut-out Temperatur eine signifikant verbesserte Analgesie der RomKet-Gruppe nachweisbar wäre. Die Kombination verschiedener Analgetika mit unterschiedlichen Wirkmechanismen führt zu einem additiven beziehungsweise synergistischen Effekt von peripheren und zentralen Wirkungen. Der Vorteil besteht in einer möglichen Dosisreduktion einzelner Medikamente, einhergehend mit einer Reduzierung ihrer Nebenwirkungen (TAYLOR 2005).

Auf eine signifikante Erhöhung der thermischen nozizeptiven Schwellenwerte für 70 Minuten folgte ein kontinuierlicher Wirkungsabfall, so dass der Schwellenwert bereits nach 90 Minuten im Bereich der Baseline lag.

Abbildung 4.14 zeigt deutlich, dass die analgetische Wirkung der Kombination aus Romifidin und Ketamin zwar einen höheren Peak erreicht, diese jedoch kürzer anhält als nach der Applikation von Romifidin alleine. Grund hierfür könnte die sympathomimetische Wirkung von Ketamin sein (TWEED et al. 1972; ZIELMANN et al. 1997). Eine gesteigerte Herzfrequenz und ein erhöhter Herzauswurf in der RomKet-Gruppe im Vergleich zur Rom-Gruppe führen zu einer verbesserten Perfusion, die den Metabolismus von Romifidin beschleunigen könnte.

Für eine genaue Untersuchung der gegenseitigen Beeinflussung der Arzneimittel und ihrer Pharmakodynamik und –kinetik sind weitere Untersuchungen mit Konzentrationsbestimmung notwendig. Im Gegensatz zu den eigenen Beobachtungen wurde nach der systemischen Gabe von Ketamin (0,1 mg/kg oder 0,2 mg/kg) zu Xylazin (0,4 mg/kg) keine Verbesserung der Analgesie beobachtet, eine Toleranz auf Nadelstiche im Bereich der Flanke nahm sogar ab (WAGNER et al.

2011). Die beschriebene Dosis könnte zu gering sein, um synergistische Effekte in Kombination mit einem Alpha-2-Agonisten zu entwickeln, wie sie in der eigenen

Studie beobachtet wurden. Zusätzlich könnte die unterschiedliche Stimulationsmodalität der Nadelstiche, in diesem Fall mechanische Stimulation, die abweichenden Ergebnisse erklären.

5.2.3.3 Einfluss von Romifidin-Ketamin auf das Verhalten und den Sedationsgrad Nach dem genutzten Sedationsscore war kein signifikanter Unterschied zwischen der Rom- und der RomKet-Gruppe festzustellen. Dies entspricht Ergebnissen einer Studie, in der Pferde Xylazin mit oder ohne Butorphanol und einer subanästhetischen Dosis Ketamin (0,1 mg/kg oder 0,2 mg/kg) erhielten. Bei den genannten Arzneimittelprotokollen konnten keine Unterschiede im Hinblick auf Kopfhöhe oder Reaktion auf einen akustischen Reiz beobachtet werden (WAGNER et al. 2011). Die Ausbildung einer Ataxie wurde in der eigenen Studie nicht als Parameter für die Ermittlung des Sedationsgrades berücksichtigt. Drei Pferde entwickelten jedoch eine stark ausgeprägte Ataxie, die die Standfestigkeit negativ beeinflusste. Bei den Untersuchungen von WAGNER et al. (2011), zeigten die Tiere mit einer Ketamindosis von 0,2 mg/kg zusätzlich zu Xylazin und Butorphanol ebenfalls am häufigsten eine Ataxie. Auch wenn Tiefe und Dauer der Sedation der RomKet-Gruppe im Vergleich zur Rom-RomKet-Gruppe unverändert blieb, stellt die Ataxie einen großen Nachteil mit Verletzungsgefahr für Pferd und Untersucher dar. Um eine verbesserte Standfähigkeit zu erreichen, könnte eine Dosisreduktion für Romifidin in Betracht gezogen werden. Für schmerzhafte Eingriffe am Kopf des Pferdes ist eine ausreichende Sedierung neben einer Analgesie essentiell, so dass eine geringere Dosis Romifidin noch eine ausreichende Sedation gewährleisten muss. Eine Ataxie war unter den Probanden unterschiedlich stark ausgeprägt. Individuelle Unterschiede müssen bei der Dosisfindung berücksichtigt werden, da in dieser Studie bei drei Pferden Sturzgefahr bestand, wohingegen die weiteren drei Tiere stark sediert aber standfest blieben.

5.2.3.4 Einfluss von Romifidin-Ketamin auf die Herz- und Atemfrequenz

Die Kombination von Romifidin und Ketamin scheint positive Effekte auf das kardiovaskuläre System zu haben. Während Romifidin zu einer signifikanten Bradykardie von 70 Minuten führte, war diese nach zusätzlicher Gabe von Ketamin

für nur noch 30 Minuten signifikant. Die depressive Wirkung des Alpha-2-Agonisten auf das Herzkreislaufsystem (SARAZAN et al. 1989; WAGNER et al. 1991;

YAMASHITA et al. 2000) wird durch den sympathomimetischen Effekt des Ketamins (TWEED et al. 1972; ZIELMANN et al. 1997) teilweise ausgeglichen. Ein positiver Einfluss von Ketamin auf die Alpha-2-Agonisten induzierte Bradykardie ist bereits beschrieben (MARNTELL u. NYMAN 1996). Dieser Effekt hatte in der vorliegenden Studie keinen Einfluss auf die Atemfrequenz, die zum Zeitpunkt T30 signifikant erniedrigt war. Die verminderte Atemfrequenz trat im Vergleich zur Rom-Gruppe später auf. Die noch vorhandene depressive Wirkung auf das Herzkreislaufsystem könnte durch eine Reduktion der Romifidindosis weiter gesenkt werden. Zusätzlich könnte eine Dosisreduktion die in 5.2.3.3 diskutierte Ataxie verringern. Der in 5.2.3.2 erwähnte synergistische analgetische Effekt lässt nach Dosisreduktion von Romifidin eine noch ausreichende Analgesie bei geringeren Nebenwirkungen vermuten.

5.2.4 Lidocain

5.2.4.1 Einfluss von Lidocain auf die Hauttemperatur

Die Ergebnisse der eigenen Studie zeigen einen konstanten Anstieg der Hauttemperatur nach Lidocainapplikation, der zum Zeitpunkt T90 in einer signifikanten Erhöhung zur Baseline resultiert. Die periphere Wirkung von Lokalanästhetika vermittelt in unterschiedlicher Ausprägung eine Vasodilatation (BECKER u. REED 2006). Diese Vasodilatation könnte im peripheren Gewebe zu einer verbesserten Perfusion beigetragen haben, welche sich in einer verstärkten Hautdurchblutung und somit einem Anstieg der Hauttemperatur äußert. Nach systemischer Applikation eines Lidocainbolus von 1,3 mg/kg über 15 Minuten, gefolgt von einer konstanten Infusionsrate von 0,05 mg/kg/min über 90 Minuten, wurde beim Pferd eine Halbwertszeit von 79 Minuten ± 41 Minuten ermittelt (FEARY et al. 2005). Diese Angaben passen zu dem zeitlichen Verlauf der Hauttemperaturzunahme in den eigenen Messungen, da ab Zeitpunkt T90 ein konstanter Abfall der Hauttemperatur vorlag.

5.2.4.2 Einfluss von Lidocain auf den thermischen nozizeptiven Schwellenwert

In der Lido-Gruppe konnte kein signifikanter Anstieg des thermischen nozizeptiven Schwellenwertes gemessen werden. Dennoch kam es nach Lidocainapplikation zu einem Anstieg der mittleren thermischen Schwellenwerte im Vergleich zur Baseline.

Dies lässt einen geringen, jedoch nicht signifikanten antinozizeptiven Effekt von systemisch appliziertem Lidocain vermuten. ROBERTSON et al. (2005) konnten ebenfalls mittels Thermostimulation eine analgetische Wirkung für Lidocain beim Pferd nachweisen. Lidocain wies 30 und 90 Minuten nach Start der Infusion eine signifikante Antinozizeption auf. In der genannten Studie wurde ein Lidocainbolus von 2 mg/kg gefolgt von einer Infusion mit 0,05 mg/kg/Minute Lidocain untersucht. Es wurde zur Thermostimulation ein nahezu identisches Testsystem wie in der eigenen Studie genutzt. Die stärker ausgeprägte Antinozizeption könnte somit auf den unterschiedlichen Stimulationsstellen oder der von ROBERTSON et al (2005) höher gewählten Lidocaindosis beruhen. Da laut POLLER et al. (2013a, b) keine Unterschiede zwischen Kopf und Widerrist als Stimulationsstelle zu erwarten sind, ist die stärker ausgeprägte analgetische Wirkung von Lidocain bei ROBERTSON et al.

(2005) höchstwahrscheinlich auf die höhere Dosis und die längere Applikationsdauer zurückzuführen. Da Lidocain in der getesteten Dosierung zu minimalen bis keinen Nebenwirkungen führte, könnten weitere Studien mit höheren Dosierungen zur eventuellen Verbesserung der analgetischen Wirkung sinnvoll sein. Diese Vermutung unterstützt auch die Studie von ROBERTSON et al. (2005), in der die thermischen nozizeptiven Schwellenwerte nach Lidocainapplikation signifikant anstiegen und keine Nebenwirkungen beobachtet wurden.

5.2.4.3 Einfluss von Lidocain auf das Verhalten und den Sedationsgrad

Keines der Pferde zeigte während der Versuche eine Verhaltensänderungen, die als schwere Nebenwirkungen auf die Lidocaingabe hindeutete. Zwei Pferde zeigten unmittelbar nach der Infusion leichte Exzitationen an der Hintergliedmaße, welche weder die Standfestigkeit noch das Allgemeinbefinden der Tiere beeinflussten und nur wenige Minuten anhielten. In einer Toxizitätsstudie von MEYER et al. (2001), in der Pferden ein Lidocainbolus von 1,5 mg/kg gefolgt von einer konstanten

Infusionsrate von 0,3 mg/kg bis zur Beobachtung von Nebenwirkungen verabreicht wurde, stürzte ein Pferd zu Boden, erholte sich jedoch ebenfalls innerhalb von 10 Minuten nach Beendigung der Lidocaininfusion von den toxischen Erscheinungen.

Die systemische Applikation von 1,3 mg/kg Lidocain scheint somit eine sichere Dosis für das Pferd zu sein. Diese Beobachtungen decken sich mit der genannten Untersuchung, in der Lidocain als Arzneimittel mit geringen Nebenwirkungen für das Pferd beschrieben ist und eine Toxizität nur in Dosierungen auftritt, die weit über dem therapeutischen Bereich liegen (MEYER et al. 2001). Da in der eigenen Studie keine Serumkonzentrationen bestimmt wurden, bleibt unklar, ob die Pferde mit Muskelexzitationen höhere Lidocainkonzentrationen aufwiesen, als die unauffälligen Probanden und ob mit der gewählten Dosis von 1,3 mg/kg bereits Wirkspiegel im toxischen Bereich erreicht wurden (MEYER et al. 2001).

5.2.4.4 Einfluss von Lidocain auf die Herz- und Atemfrequenz

Lokalanästhetika gelten als neuro- und kardiotoxisch (DAY u. SKARDA 1991;

DOHERTY u. SEDDIGHI 2010), die Dosis von 1,3 mg/kg Lidocain hatte jedoch während der gesamten Messreihe keinen signifikanten Einfluss auf die Herz- und Atemfrequenz. Die Verabreichung von 1,5 mg/kg Lidocain gefolgt von einer konstanten Infusionsrate von 0,3 mg/kg/min führte bei einer anderen Untersuchung ebenfalls zu keinen signifikanten kardiopulmonalen Veränderungen beim Pferd (MEYER et al. 2001). Auch ein Lidocainbolus von 2,5 mg/kg verabreicht über 10 Minuten hatte keinen Einfluss auf das respiratorische, kardiovaskuläre oder Nervensystem beim anästhesierten Pferd (DZIKITI et al. 2003). Die eigenen Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass es bei der Dosierung von 1,3 mg/kg zu keiner offensichtlichen Beeinflussung des kardiopulmonalen Systems für das Pferd kommt. Außerdem unterstützen sie die Aussage von MEYER et al. (2001), dass sich das muskuloskeletale System und das Nervensystem des Pferdes sensitiver für systemisch appliziertes Lidocain darstellen als das kardiovaskuläre System.

DOHERTY und FRAZIER (1998) berichteten, dass die rasche Applikation von 5 mg/kg Lidocain beim Pferd zur Hypotension führte und diskutierten deshalb, den Bolus über einen Zeitraum von 15 Minuten zu applizieren. Um vergleichbare

Nebenwirkungen zu vermeiden, wurden in der eigenen Studie alle Arzneimittel über 10 Minuten verabreicht.