Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
BRIEFE AN DIE REDAKTION
MODERNE MAGIE
Bedrohliche Erscheinungen hat ein Le- ser beobachtet.
Auch im Osten
Was die Futurologen nicht voraus- gesehen haben, sind in den kapitali- stischen Ländern: die Sexwelle, die Haschischwelle, die Antiautorität der Jugend und weiter die die Welt in West, Ost, Nord und Süd erfass- sende Welle von Okkultismus, Magie und Spiritismus (pseudowissen- schaftlich getarnt unter den Be- zeichnungen Parapsychologie und Psychotronik). Den Versuch des Vordringens auchiin den sozialisti- schen Ländern demonstriere ich nur an zwei Beispielen.
1. Bei einem Urania-Vortrag über diese Materie in der „Hauptstadt der DDR" forderten Zuhörer die Zuzie- hung von Professoren mit parapsy- chologischen „Kenntnissen", da doch angeblich in der UdSSR Mäd- chen mit sehenden Händen beob- achtet worden seien und solche, die durch Gedankenkraft Gegenstände bewegen könnten; und unangefoch- ten erklärten in höchst aggressivem Ton Studenten der Technischen Universität in Westberlin, die in grö- ßerer Zahl anwesend waren, sie könnten durch Psi-Kräfte (psychoki- netische Kräfte) radioaktive Zerfalls- akte (nachgewiesen mit Geiger-Zäh- lern) beschleunigen oder aufhalten, so daß Messungen der Radioaktivi- tät wegen der psychischen Beein- flußbarkeit keinen Anspruch auf Ge- nauigkeit hätten. Wahrscheinlich seien deshalb Hunderte von wissen- schaftlichen Messungen und Publi- kationen falsch!
2. Im Juni 1976 fand in Prag ein Kongreß für Psychotronik (zu deutsch Okkultismus) statt (400 Teil- nehmer), auf dem Redner nicht nur über magische Ausstrahlungen (Kirllian-Photographie) des Men- schen berichteten, sondern auch über das Aufsuchen von Metallen durch Wünschelrutengänger aus Hubschraubern und Lastwagen mit- tels Wünschelrute .
In dem in deutscher Sprache von Ostrander und Schroeder erschie- nen Buch mit dem Titel „Psi", zu Recht von dem sowjetischen Päd- agogen Zipöenko, Leontjew, Lomov und Lurija (1975 in Voprosy Filosofli, H. 9, S. 128) als „niederträchtig" be- zeichnet, wird die Vermutung geäu- ßert, daß in der Erforschung para- norler Prozesse der „Osten" dem
„Westen" weit voraus sein soll, „daß der Osten den Westen eines Tages telepathisch k.o. schlagen werde".
Das alles zwingt übrigens zu Überle- gungen, ob okkultistische Praktiken auch als politisches Kampfmittel eingesetzt werden können .
Nun gibt es hypermoralisierende Kollegen und auch Dritte, die auf dem Gebiet der Medizin totalen Li- beralismus verlangen, so wie das fehlerhafterweise Virchow tat, dem wir dann die Freigabe der Kurpfu- scher zu danken haben (Kurierfrei- heit). Das wird heute schamhaft ver- schwiegen. Legen wir uns aber selbst und unseren Mitarbeitern das höchste und strengste Maß bei der Beweisführung an ... Wir haben ei- ne Aufgabe: Über die Medizin, die wir in unserem Land so mühevoll geschaffen haben, zu wachen. Si- cher stimmt: „Vita brevis, ars longa, occasio volucris, experientia pericu- losa, judicium difficile." Das ist ein Galenischer Kommentar zu Hippo- krates (und stimmt immer). Ja rich- tig: Judicium difficile in rebus scien- tiae. Doch ist Wissenschaft die Kunst des Lösbaren. Nicht schwierig aber ist das Judicium in rebus magi- cis. Denn die Magie ist unlösbar weil ohne Ort-Utopie.
Dr. Dr. med. A. Mentschel Glambecker Weg 33 1000 Berlin-Hermsdorf
IN EIGENER SACHE
Ein Lob, das die Redaktion gefreut hat.
Stolzer Schwan
Seit meiner Niederlassung 1953 er- halte ich Ihre „Zwangs"-Zeitschrift.
Aber erst seit einigen Jahren lese ich
sie, weil sie sich aus einem häßli- chen Entlein zu einem stolzen Schwan gemausert hat. Daß Sie in Ihre Fortbildungstendenzen neben der Medizin auch Kulturelles einbe- ziehen, ist besonders erfreulich.
Mein hochverehrter Lehrer Bier sag- te: „Ein Arzt, der nur in seinem Fach etwas weiß, weiß auch in seinem Fach nichts." ..
Dr. med. H. Kristukat Gerichtstraße 31/33 1000 Berlin 65
STILBLÜTEN
Unsere Aufforderung, uns — ähnlich wie das ein Leser in Heft 37/1977 getan hatte
— von Stilblüten zu berichten, die im Pra- xisalltag aufblühten, ist angekommen:
Raritätenkiste
Zur Entlastung der in anderer Weise bereits leidgeprüften Ostfriesen könnte man durchaus einmal Nie- dersachsens Raritätenkiste öffnen.
Innerhalb einer Woche fielen mir da- bei drei Beispiele in die Hände.
I. Der Stil des gynäkologischen Facharztes: „Ich danke Ihnen für die Überweisung einer Frau, die am 13.
Juni 1977 außerhalb von einem Kna- ben entbunden wurde und nun auf ihre Menstruation wartet." Frage an die Redaktion: „Was hat der Knabe wohl falsch gemacht?"
II. Ein Beitrag zum Sparprogramm im Gesundheitswesen, zum Beispiel neue internistische Behandlungs- methoden: „Durch die Kontrolle des Urinbefundes war der Infekt der ab- leitenden Harnwege rückläufig."
III. Aus einem stationären Kranken- hausbericht: Motto: „Nicht auf den Hund zu kriegen": „Trotz intensiver ärztlicher Behandlung hat der Pa- tient bei uns leider nicht ange- schlagen."
Dr. med. Reinhard Lauenstein Linnenkämperstraße 7 3457 Stadtoldendorf
36 Heft 1 vom 5. Januar 1978