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Archiv "Toxoplasmainfektion und Schwangerschaft" (12.01.1978)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Toxoplasmainfektion und Schwangerschaft

Epidemiologie und Bedeutung

für Schwangerschaftsverlauf und Kindesentwicklung

Günter Mau und Gerhard Piekarski

Aus der Abteilung Allgemeine Pädiatrie der Universität Kiel (Leiter: Professor Dr. med. Hans-Rudolf Wiedemann) und dem Institut für Medizinische Parasitologie der Universität Bonn

(Direktor: Professor Dr. med. Gerhard Piekarski)

Obwohl der spezifische Wirt der Toxoplasmen die Katze ist, erfolgt der überwiegende Teil der Infektionen durch Genuß von rohem oder un- genügend durchgebratenem Fleisch. Eine früher durchge- machte Infektion führt weder zu einem höheren Abortrisiko noch zu einer Gefährdung des Kindes. Nur bei einer frischen Infektion der Schwangeren kann es im seltenen Einzelfall zur konnatalen Toxoplasmose des Neugeborenen kommen.

Ist das Kind bei der Geburt klinisch nicht erkrankt, ist im allgemeinen auch nicht mit Spätfolgen zu rechnen.

Eine Toxoplasmainfektion der Mut- ter hat jahrelang als bedeutender Ri- sikofaktor für Schwangerschaftsver- lauf und Kindesentwicklung gegol- ten. Dabei waren die Vorstellungen über diese Parasitose teilweise so spekulativ, daß Kräubig 1972 und noch einmal 1976 von einer „Erkran- kung der Theorien" sprach.

Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben die Toxoplasmainfek- tion, ihr Wesen und ihre Bedeutung für die Schwangerschaft in ein neu- es Licht gerückt. In Deutschland ha- ben vor allem die Untersuchungen im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft getrage- nen prospektiven Studie „Schwan- gerschaftsverlauf und Kindesent- wicklung" weitergeholfen. An dieser

multizentrischen Studie waren ne- ben theoretischen Instituten 18 Frauen- und Kinderkliniken betei- ligt.

Die Aufnahme der Schwangeren in die Untersuchungsreihe erfolgte im ersten Trimenon. Der Schwanger- schaftsverlauf wurde anschließend pro Monat einmal kontrolliert und genau dokumentiert, die Kinder bis zum dritten Lebensjahr nachunter- sucht. Bei Aufnahme, im zweiten und im dritten Trimenon wurde Blut zur serologischen Untersuchung an die kooperierenden Institute ge-

schickt. Zur Anwendung kamen der Sabin-Feldman-Test und die Kom- plementbindungsreaktion.

Den jetzigen Ergebnissen (Abschluß 1976) liegt eine Zwischenauswer- tung anhand eines Materials von rund 7000 Schwangeren zugrunde.

Epidemiologie

Die Übertragungswege des Erregers der Toxoplasmose, Toxoplasma gondii, ein ubiquitärer Parasit, wa- ren lange Zeit ungeklärt. Bekannt war lediglich, daß zahlreiche Tierar- ten eine relativ hohe Durchseu- chung aufweisen. Als entscheidende Infektionsquelle für den Menschen galt infolge von Vermutungen lange Zeit der Hund.

Aufgrund systematischer Untersu- chungen in den letzten Jahren zeig- te sich dann aber, daß sich im Darm von Katzen Parasitenstadien entwik- keln, die nach einer geschlechtli- chen Entwicklung Oozysten bilden, die mit dem Kot der Katze ausge- schieden werden. Gegenüber Um- welteinflüssen wie Kälte, Reini- gungs- und Desinfektionsmitteln, sind diese Stadien relativ sehr resi- stent. Nach einem Reifungsprozeß, der bei feuchtwarmem Milieu einige Tage andauert, sind diese Stadien in

der Lage, den Menschen, aber auch alle Haus- und Nutztiere zu infizie- ren und sich in einem neuen Wirt weiter zu vermehren.

Werden die reifen Oozysten mit ver- unreinigter Nahrung oral aufgenom- men, kommt es im neuen Wirt zu einer ungeschlechtlichen Vermeh-

rung der Parasiten. Sie vermehren sich in Zellen verschiedener Organe des Zwischenwirtes und siedeln sich schließlich bevorzugt in Muskulatur und Zentralnervensystem an. Die Durchseuchung unserer Haustiere ist, vielleicht mit Ausnahme der Rin- der, im allgemeinen recht hoch.

Wird das Fleisch infizierter Schlachttiere nicht genügend erhitzt genossen — man fordert eine Tempe- ratur von > 50 C über einen Zeit- raum von 20 Minuten, um die Erre- ger abzutöten —, so kann es zu einer Infektion kommen. Die oral aufge- nommenen Parasiten vermehren sich erneut ungeschlechtlich und gelangen über den Blutweg wieder in die verschiedenen Organe. Im Menschen, aber auch bei vielen Säugetieren bleiben die enzystierten Parasiten wohl ein Leben lang infek- tiös.

Als häufigster Infektionsweg für den Menschen gilt heute das rohe Schlachtfleisch. Wie inzwischen auch andere Autoren, konnten wir

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Toxoplasmainfektion und Schwangerschaft

aufgrund des Materials der prospek- tiven Studie „Schwangerschaftsver- lauf und Kindesentwicklung" zei- gen, daß Frauen mit einer Vorliebe für rohes oder wenig durchgebrate- nes Fleisch eine höhere Durchseu- chung aufweisen als andere Schwangere (Tabelle 1). Neben die- ser höheren Durchseuchung findet sich bei einer detaillierten statisti- schen Auswertung außerdem auch noch eine höhere Frequenz von Ti- terkonversionen, das heißt ein Wechsel von negativen Seroergeb- nissen vor der Schwangerschaft zu positiven nach der Konzeption.

Ein enger Kontakt mit Katzen spielt dagegen bei unseren Hygienebedin- gungen als Infektionsquelle keine Rolle. So war beispielsweise in un- serem Material die Durchseuchung bei Frauen, die in ihrem Haushalt Katzen hielten, nicht höher als bei den Kontrollen ohne Tierhaltung (Tabelle 2). Andere Tiere, wie zum Beispiel der Hund, kommen gar nicht als Überträger in Frage, da sie keine vermehrungsfähigen Toxo- plasmen ausscheiden.

Eine wirksame Prophylaxe der To- xoplasmose läßt sich daher schon durch Verzicht der Schwangeren auf den Genuß von rohem oder ungenü- gend, durchgebratenem Fleisch er- reichen. Während der Gravidität sollten im Hause gehaltene Katzen zur Sicherheit ebenfalls nicht mit ro- hem Fleisch gefüttert werden, um sie nicht zur Infektionsquelle für Mensch oder Tier zu machen.

Ihre sogenannten „Katzenkästen"

sollten täglich gesäubert werden.

Unter diesen Bedingungen geht von der Katze keine Gefahr für die wer- dende Mutter aus.

Bedeutung für

den Schwangerschaftsverlauf Wie ist nun aber nach dem heutigen Stand der Forschung die intrauteri- ne Situation bei einer erfolgten To- xoplasmainfektion der Mutter einzu- schätzen? Dabei muß unterschieden werden zwischen

a) einer während der Schwanger- schaft erworbenen frischen

und

b) einer bereits vor der Konzeption bestehenden Infektion.

Eine frische Infektion während der Schwangerschaft läßt sich an einer Titerkonversion erkennen. Bei einer älteren, schon vor der Konzeption erworbenen Infektion ist ein mittel- hoher, mehr oder weniger konstan- ter Titer des Sabin-Feldman-Testes (oder des vergleichbaren indirekten Immunfluoreszenztestes) zu erwar- ten.

Die Frage, ob eine früher durchge- machte und zum Zeitpunkt der Kon- zeption latente Toxoplasmainfek- tion, erkennbar an einem relativ

niedrigen Titer im SFT, zu einer Stö- rung der Schwangerschaft führen könne, ist jahrelang Gegenstand heftiger Diskussionen gewesen.

So vermuteten einige Arbeitsgrup- pen, daß eine latente Toxoplasma- infektion sowohl zu Aborten als auch zur Fruchtschädigung führen könne.

Diese Untersuchungsergebnisse stießen aber auf erhebliche Kritik. In mehreren jüngeren Untersuchun- gen, wie zum Beispiel der hollän- dischen Longitudinalstudie von

Koppe und Mitarbeitern (1974) so- wie der französischen Untersu- chung von Desmont und Couvreur (1971), fanden sich keine Zeichen dafür, daß die anamnestischen An- gaben über Häufigkeit von Aborten und Totgeburten in einer Beziehung zur Toxoplasmainfektion der Mutter stehen. Zu dem gleichen Resultat kamen Berger und Piekarski (1975) an Hand der Daten der prospektiven Studie „Schwangerschaftsverlauf und Kindesentwicklung".

Verschiedene Publikationen der sechziger Jahre hatten den Eindruck erweckt, daß die Aborthäufigkeit bei infizierten Frauen höher liegt als bei nichtinfizierten. Auch in unserem Untersuchungsgut lag der Unter- schied bei sechs Prozent. Nun sind aber ältere Menschen generell häu- figer infiziert als jüngere, und ältere Frauen hatten auch häufiger die Chance, zu konzipieren. Damit liegt die Zahl der anamnestisch angege- benen Aborte bei ihnen naturgemäß höher als bei jungen Frauen. Ältere Schwangere weisen somit zwangs- läufig auch häufiger latente Toxo- plasmainfektionen auf, das heißt, sie sind serologisch positiv. Berück- sichtigt man diesen Altersfaktor ge- bührend, so läßt sich anhand dieser Studie nicht mehr die Auffassung ableiten, daß beim Kollektiv der frü- her einmal infizierten und jetzt noch positiven Frauen anamnestisch häu- figer Totgeburten oder Aborte auf- treten als bei serologisch negativen Vergleichspersonen.

Ebensowenig läßt sich in unserem Kollektiv ein Einfluß von früher durchgemachten oder frischen In- fektionen auf die Abortrate der jetzt untersuchten Schwangerschaft nachweisen.

Tabelle 1: Genuß von rohem Fleisch und Toxo- plasmosedurchseuchung Schwangerer

Tabelle 2: Katzenhaltung und Toxoplasmose- durchseuchung Schwangerer

Genuß von rohem Fleisch

Schwangere mit positiven Sabin-Feldman-Testen

Katze im Haushalt

Schwangere mit positiven Sabin-Feldman-Testen

nein 60,5% von 776

manchmal 70,1 `)/0 von 2508

häufig 76,6% von 244

ja 65,2% von 319

nein 64,4% von 6689

78 Heft 2 vom 12. Januar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Toxoplasmainfektion und Schwangerschaft

Tabelle 3: Sabin-Feldman-Titer während der Gra- vidität und perinatale Sterblichkeit

Tabelle 4: Sabin-Feldman-Titer während der Gra- vidität und Frequenz der Kinder mit zerebralen Anfällen bis zum dritten Lebensjahr

Sabin-Feldman-Test 1. Titer 2./3. Titer

Perin. gestorben

% von n

Sabin-Feldman-Test 1. Titer 2./3. Titer

Krämpfe bis zum 9. 18. 36.

Monat 2348

2743 911 297 252 43 negativ

unter 256 unter 1024 verschied. Titer negativ

negativ (Konversionen)

negativ 2,2 unter 256 3,5 unter 1024 3,5 3,7 unter 1024 0,8 über 1024 0,0

negativ unter 256 verschied. Titer negativ

negativ (Konversionen)

negativ 0,9 0,6 0,7%

unter 256 1,1 0,6 0,6%

0,4 0,3 0,5%

unter 1024 0,6 0,0 0,0%

über 1024 0,0 0,0 0,0%

Weitere Analysen des Materials durch Berger und Piekarski haben gezeigt, daß auch eine prophylakti- sche Behandlung mit Sulfonamiden keinen Hinweis für eine Verände- rung der Abortfrequenz bei seropo- sitiven Schwangeren ergibt.

Zusammenfassend läßt sich deswe- gen konstatieren, daß aufgrund des derzeitigen Wissenstandes davon ausgegangen werden muß, daß eine latente Toxoplasmainfektion bei der Entstehung von habituellen Aborten keine Rolle spielt. Eine prophylakti- sche Behandlung solcher Frauen erübrigt sich somit. Da dem Kind keine Gefahr droht, besteht keinerlei Indikation für eine lnterruptio.

Bedeutung für das Kind

Wie sieht die Situation aber nun bei einer frischen Infektion einer Schwangeren für das Kind aus. Un- bestritten ist, daß es bei einer Erstin- fektion während der Schwanger- schaft — und nur dann besteht eine Gefahr — zu einer manifesten Er- krankung des Kindes kommen kann.

Seronegativ und somit suszeptibel sind rund 35 Prozent aller Schwan- geren, von diesen zeigen etwa drei Prozent eine eindeutige Titerkon - version als sicheres Zeichen einer Erstinfektion. Die pränatale Infek- tion des Kindes muß aber als selte- nes Ereignis betrachtet werden. Auf- grund großer Sammelstatistiken kann mit einem Fall auf 10 000 bis 20 000 Geburten gerechnet werden.

Im typischen Fall kommt es hierbei zu einer generalisierten Entzündung des Kindes; je nach Zeitpunkt und Abwehrlage stirbt das Kind ab oder wird mit den Zeichen einer durchge- machten oder aber floriden Infektion geboren. Hepatomegalie, Choriore- tinitis, Meningoenzephalitis mit nachfolgenden Hirnverkalkungen und Hydrozephalus können als rela- tiv typische Symptome gelten. Ver- einzelt kann es auch nur zum isolier- ten Auftreten einer Chorioretinitis kommen.

Daß die manifeste Erkrankung der Frucht aber eher die Ausnahme und nicht die Regel ist, zeigen auch die Zahlen der prospektiven Studie.

Trotz 43 frischer mütterlicher Infek- tionen fand sich bisher kein Kind mit typischen Zeichen einer Toxoplas- mose.

Wie Tabelle 3 zeigt, ist auch die peri- natale Sterblichkeit in der Gruppe mit Titerkonversion nicht erhöht. Die höhere perinatale Mortalität bei den Frauen mit positiven Titerwerten oh- ne Konversion ist wieder auf die

„ungünstigere" Altersstruktur die- ser Gruppe mit ihrem höheren peri- natalen Risiko zurückzuführen.

in unserem Kollektiv fanden wir auch keine Erhöhung der Mißbil- dungsfrequenz nach frischen müt- terlichen Infektionen. Vielleicht

kann es bei einer Infektion zu einem früheren Schwangerschaftszeit-

punkt — wenn überhaupt — zu einem Abort, wohl aber nicht zu einer Em-

bryopathie kommen. Konkrete An- haltspunkte dafür haben sich aber bisher nicht ergeben.

Neben der sehr seltenen manifesten konnatalen Toxoplasmose hat nun aber jahrelang eine weitere Form bei der Bewertung der frischen Schwangerschaftstoxoplasmose ei- ne Rolle gespielt. Rund ein Drittel bis zur Hälfte der potentiell gefähr- deten Neugeborenen weisen ledig- lich persistierende positive Serore- aktionen bei Fehlen jeglicher Krank- heitssymptome auf. Diese Neugebo- renen werden deswegen als latent infiziert bezeichnet (im Gegensatz zu der latenten Infektion der Frau, bei der der Infektionsbeginn bereits vor der Schwangerschaft lag).

Die restlichen Kinder, und zwar so- wohl die von Schwangeren mit fri- schen wie auch mit bereits früher erworbenen Infektionen, weisen da- gegen nur von der Mutter diaplazen- tar übertragene Leihtiter auf. Die IgG-Antikörper dieser Leihtiter wer- den von den Kindern im ersten Le- bensjahr wie auch alle anderen von der Mutter passiv übertragenen An- tikörper (zum Beispiel gegen Ma- sern) abgebaut. Sie können deswe- gen nicht als Beweis für eine durch- gemachte kindliche Infektion gelten, eine Behandlung der gesunden Kin- der erübrigt sich somit.

Aufgrund retrospektiver Untersu- chungen ist nun die Hypothese auf- gestellt worden, daß die latent infi- zierten Kinder im Laufe ihrer Ent-

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Toxoplasmainfektion und Schwangerschaft

wicklung gehäuft Spätschäden, vor allem in Form von Schwachsinn und Krämpfen, entwickeln sollen. Bei diesen Untersuchungen verglich man die Durchseuchung verschie- dener Kollektive hirngeschädigter Kinder mit der von normal entwik- kelten und fand dabei, daß hirnge- schädigte Kinder durchschnittlich höhere beziehungsweise häufiger positive Titer als normale Kinder aufwiesen. Diese Ergebnisse konn- ten von verschiedenen anderen Au- toren bei gleicher Untersuchungs- technik und gleicher Versuchs- anordnung nicht bestätigt werden.

Die prospektive Studie ergab auch hier die Chance, die Entwicklung der potentiell latent infizierten Kin- der zu verfolgen, da diese Kinder bis zum dritten Lebensjahr nachkon- trolliert worden sind. Die Untersu- chungstermine lagen zwischen dem fünften und zehnten Lebenstag, im Alter von sechs Wochen, neun, 18 und 36 Monaten. Für die dazwi- schenliegenden Intervalle wurden von den Müttern Tagebücher über die Entwicklung der Kinder geführt.

Wie bei allen Longitudinalstudien größeren Ausmaßes gelang es na- türlich nicht, alle Probanden bis zum dritten Lebensjahr regelmäßig nach- zuuntersuchen, die Verlustquote be- trug ungefähr 25 Prozent. Aber auch bei den verbliebenen dreijährigen war der Anteil der Kinder, deren Mütter Titerkonversionen hatten, mit 0,6 Prozent etwa so hoch wie bei den Neugeborenen, so daß eine we- sentliche Selektion nicht angenom-

men werden mußte.

Aufgrund unserer Ergebnisse (Ta- belle 4) läßt sich die Hypothese, daß es bei latent infizierten Neugebore- nen gehäuft zu Spätschäden kommt, bis zur Vollendung des dritten Le- bensjahres nicht stützen.

Auch nachfolgende psychometri- sche Untersuchungen im Alter von sechs Jahren, die wir zusammen mit drei Arbeitsgruppen aus Berlin, Hamburg und Mainz an einem Teil dieser Kinder zur Zeit durchführen und von denen erste, vorläufige Da- ten vorliegen, lassen jeden entspre-

chenden Hinweis vermissen. Diese Ergebnisse stimmen unter anderem mit den Befunden der prospektiven Studie von Koppe und Mitarbeiter überein.

Die Befunde schließen natürlich nicht aus, daß es im Einzelfall auch bei klinisch unauffälligen Neugebo- renen zu einer späteren Manifesta- tion oder aber auch Entdeckung ei- nes Minimalschadens, wie zum Bei- spiel chorioretinitischer Narben, kommen kann. Diese Vermutung sollte jedoch nicht zur Beunruhi- gung führen.

Als Konsequenz dieser Ausführun- gen läßt sich zusammenfassen:

• Eine vor einer Konzeption durch- gemachte Toxoplasmainfektion mit zum Teil hohen persistierenden Ti- tern ist kein Hinderungsgrund für ei- ne erneute Schwangerschaft. Es ist weder mit einer erhöhten Abortrate noch mit einer Infektion des Kindes zu rechnen, so daß weder eine Be- handlung noch eine Interruptio indi- ziert ist.

• Eine Prophylaxe der Toxoplas- mose in der Schwangerschaft ist durch konsequenten Verzicht auf rohes und ungenügend erhitztes Fleisch und sorgsamen Umgang mit Katzen möglich.

(;) Eine Titerkonversion, das heißt der Wechsel von negativem Befund vor der Schwangerschaft zu positi- ven Werten danach, spricht für eine frische Infektion der Mutter, womit eine gewisse Gefährdung (0,5-1%) des Kindes in utero verbunden ist.

Sie ist am größten in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft, eine schicksalhafte Erkrankung des Kin- des ist damit aber keinesfalls ver- bunden. Eine chemotherapeutische Behandlung ist in solchen Fällen trotzdem empfehlenswert, obgleich die Wirksamkeit der medikamentö- sen Therapie nicht eindeutig gesi- chert ist. Eine Interruptio dürfte aber unter dem Aspekt der geringen Ge- fährdung und bei meist fortgeschrit- tenem Schwangerschaftsverlauf nur

in seltenen Ausnahmefällen in Frage kommen.

Chemotherapeutische Konsequen- zen für die Mutter und das Neugebo- rene ergeben sich somit nur für den Fall einer gesicherten frischen Infek- tion während der Schwangerschaft.

Als wirksam gilt die Kombination von Sulfonamiden mit Daraprim.

Einziges effizientes Antibiotikum ist das Spiramycin (Rovamycin®).

Ebenso hat sich Trimethoprim-Sul- famethoxazol bei der experimentel- len Toxoplasmose als gut wirksam erwiesen. Allerdings scheint eine In- fektion nur in akuten Stadien che- motherapeutisch beeinflußbar zu sein, enzystierte Parasiten werden nicht mehr angegriffen.

Ohne charakteristische Symptoma- tik und entsprechende eindeutige serologische Befunde sollte keine medikamentöse Therapie angeord- net werden. Selbst bei einer akuten Lymphadenopathie wird teilweise eine Therapie nicht für notwendig gehalten, doch herrscht dazu keine einheitliche Ansicht. Auf keinen Fall sollte bei jeder latenten symptomlo- sen Infektion eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden.

Literatur

Berger, J., Piekarski, G.: Die Bedeutung der Toxoplasma-lnfektion für Schwangerschafts- verlauf und Kindesentwicklung, Geburtsh. u.

Frauenheilk. 35 (1975) 89-97 — Mau, G., Berger, J., Piekarski, G.: Toxoplasmose in der Schwan- gerschaft und Kindesentwicklung bis zum 3.

Lebensjahr, Mschr. Kinderheilk. 125 (1977) 433-434 — Koppe, J. G., Kloosterman, G. J., Roever-Bonnet, de H., Eckert-Stroink, J. A., Loewer-Sieger, D. H., Bruijne, J. I. de: Toxo- plasmosis and pregnancy, with a long-term followup of the children, Europ. J. Obstet. Gy- nec. Reprod. Biol. 4/3 (1974) 101-110 — Kräubig, H.: Toxoplasmose und Schwanger- schaft. Med. Klin. 71 (1976) 603-608 — Piekar- ski, G.: Die Toxoplasmose — Infektionswege, Diagnostik, therapeutische Konsequenzen, Gy- näkologe 10 (1977) 9-14

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Günter Mau Universitätskinderklinik Fröbelstraße 15-17 2300 Kiel

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