A 76 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 3|
17. Januar 2014CASE MANAGEMENT
Schlaganfall-Lotsen entlasten Ärzte
Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat ein Konzept für ein sektoren-
übergreifendes Case Management entwickelt. Geschulte Lotsen helfen Patienten nach einem Schlaganfall, in die gewohnte Lebensumgebung zurückzukehren.
D
er Entwicklung eines quali- tätsgesicherten Case Ma- nagements (qCM) ging die Analyse umfassender Reviews zur Schlag- anfallversorgung voraus. „Ein Kern- problem sind Versorgungseinbrü- che an den Schnittstellen“, betonte Dr. sportwiss. Bettina Begerow von der Stiftung Deutsche Schlaganfall- Hilfe auf einer Veranstaltung im Rahmen der RehaCare Ende Sep- tember in Düsseldorf. Die Referen- tin stellte das von der Stiftung mit Experten entwickelte Konzept und seine drei Säulen vor:●
ein integriertes Prozess- und Versorgungsmanagement mit Be- handlungspfaden für unterschied - liche Patientengruppen (Integrated Care Pathways)●
sektorenübergreifendes Daten- management (elektronische Fallakte)●
die Position von „Schlagan- fall-Lotsen“, die den Patienten ein bis anderthalb Jahre über alle Sek- toren begleiten.Ziel ist dabei, das Behandlungs- ergebnis zu verbessern. Die Rück- kehr in die gewohnte Lebensumge- bung und ein selbstbestimmtes Le- ben sollen systematisch unterstützt, Komplikationen, Re-Insulte und chronische Pflegebedürftigkeit ver- mieden werden. In drei Modell - regionen wird das qCM erprobt und wissenschaftlich evaluiert: So ar- beitet bereits ein Lotse am Dresde- ner Universitätsklinikum im Rah- men eines vom Europäischen So - zialfonds geförderten Versorgungs- projekts. Weitere Lotsenprojekte beginnen nächstes Jahr in Hamburg und Ostwestfalen-Lippe. Ein Son- derfall ist der Schlaganfall-Kinder- lotse in Bremen, der Familien bun- desweit berät.
„Wir hoffen, dass das qualitäts- gesicherte Case Management ein ebensolches Erfolgsmodell wird wie
die Zertifizierung der Stroke Units, die wir gemeinsam mit der Deut- schen Schlaganfall-Gesellschaft ent- wickelt haben“, sagte Elmar Steg- meier, Bereichsleiter Integrierte Ver- sorgung der Schlaganfall-Hilfe. Als Kooperations- und Netzwerkpartner sind dabei Akut- und Rehaeinrich- tungen, niedergelassene Ärzte und Therapeuten, Pflegedienste und Be- ratungsstellen, Apotheken und Sani- tätshäuser, Kostenträger und Sozial- behörden gefragt. In Hamburg steht die AOK Rheinland/Hamburg als
Kooperationspartner in den Startlö- chern. „Ob ein zeitnaher Übergang von der Akutbehandlung zum nie- dergelassenen Neurologen gelingt, ist ein wesentlicher Parameter“, be- tont Thorsten Janssen, Geschäftsbe- reichsleiter Selektivverträge der Kasse. Von der Evaluation werden Belege erwartet, inwieweit sich das Lotsenmodell als wirksam und zum weiteren Ausbau geeignet erweist.
In der Nachsorgephase kulmi- niert auch die Netzwerkarbeit von Schlaganfall-Lotsin Anke Siebdrat.
Die Ergotherapeutin und studierte Managerin im Sozial- und Gesund- heitswesen arbeitet seit Juli 2012 in einem Pilotprojekt, das der Evalua- tion in Westfalen vorgeschaltet ist und von der „Bürgerstiftung Güters- loh“ gefördert wird. „Die Patienten sind in der Regel mit der Komplexi- tät des Gesundheitssystems und sei- ner Vielzahl an Ansprechpartnern, mit dem Terminieren von Arztbesu- chen und Therapien, der Kommuni- kation mit Kostenträgern und sozi- alrechtlichen Fragen überfordert“,
konnte Siebdrat nach inzwischen 60 Fällen feststellen. Transparenz ist der erste Schritt.
Die Lotsin erstellt einen Versor- gungsplan nach Maßgaben der ver- antwortlichen Behandler. Er doku- mentiert Risikofaktoren, sekundär- präventive Maßnahmen, indizierte ambulante Therapien und das sozia- le Umfeld des Patienten. In wei - teren Plänen werden die Aspekte spezifiziert. Siebdrat beschrieb die mangelnde Compliance bei der Medikamenteneinnahme als gravie-
rend. „Die Patienten wissen oft nicht genau, was sie wie und war - um einnehmen sollen“, berichtete sie in Düsseldorf. Auf den Medika- tionsplan setzt sie daher in Rück- sprache mit der Klinikapotheke auch jeweils die Indikationen. An- gesiedelt in der Stroke Unit, wo Oberärzte und Pflegekräfte sie auf potenzielle Klienten hinweisen, be- ginnt schon dort die Begleitung und setzt sich über die Rehabilitation bis ins häusliche Umfeld fort.
Die Patienten zeigten sich „er- freut und beruhigt, einen Ansprech- partner zu haben“, sagte Siebdrat. In leichten Fällen steige die Compli - ance unmittelbar an, in schweren über die Unterstützung der Angehö- rigen. Begerow argumentierte, dass auch Arztpraxen profitieren könnten:
Qualitätssteigerung der Behandlung, Zeitersparnis bei der Patientenin - formation, Terminpflege durch den Lotsen und ein gesichertes Feed- back zum Behandlungserfolg nannte sie in einer Reihe von Vorteilen.
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Leonie von Manteuffel