A1630 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 23⏐⏐8. Juni 2007
P O L I T I K
auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung (KBV), Dr. med. Andreas Köhler. Die Tendenz zu mehr Staats- medizin lasse sich damit am neuen Spitzenverband klar festmachen.
Wettbewerbliche Elemente hält das GKV-WSG dagegen für die mehr als 240 Mitgliedskassen des Spitzenverbandes bereit. So müssen unrentable Kassen künftig damit rechnen, gänzlich vom Markt zu verschwinden. Einzelheiten zur ge- planten Insolvenzfähigkeit muss der Gesetzgeber jedoch noch klären. Sie sollen spätestens bis zur Einführung des Gesundheitsfonds Anfang 2009 durch ein Bundesgesetz geregelt werden (§ 171 b SGB V).
Dagegen haben die Kassen schon jetzt die Möglichkeit, sich über die Grenzen der Kassenarten hinweg zu vereinigen (§171 a SGB V). Bislang waren nur Ehen innerhalb einer Kassenfamilie gestattet. Die Zahl der Verhandlungspartner für KBV und Kassenärztliche Vereinigungen wird dadurch geringer, „vor allen Dingen aber werden die Kassen mo- nolithischer auftreten“, prognos- tiziert KBV-Chef Köhler. Ärzte müssten deshalb mit schwierigeren Verhandlungen rechnen. Dr. med.
Leonhard Hansen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nord- rhein, ergänzt: „Die größere Markt- macht kommt den Kassen sowohl beim selektiven Kontrahieren als auch bei Rabattverhandlungen mit Arzneimittelherstellern zugute.“
Erfahrungen mit Kassenfusionen hat Hansen bereits gesammelt. Im Sommer 2006 schlossen sich – da- mals noch nach altem Recht – AOK Rheinland und AOK Ham- burg zusammen. Davon hätten die Vertragsärzte kaum etwas mitbe- kommen, berichtet der KV-Vorsit- zende. Mit den Möglichkeiten zu kassenartenübergreifenden Zusam- menschlüssen könnte sich dies je- doch ändern, glaubt Hansen. So sei damit zu rechnen, dass fusionierte Kassen stärker als bisher darauf drän- gen könnten, ihre Kopfpauschalen niedriger anzusetzen. Dadurch wür- de die Gesamtvergütung sinken, und die Ärzte hätten am Ende des Quar- tals weniger Geld in der Tasche. I Samir Rabbata
V
or Engpässen in der pathologi- schen Versorgung hat der Vor- sitzende der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP), Prof. Dr. med.Thomas Kirchner, gewarnt. Während der Anteil der über 60-jährigen Kolle- gen in der Gesamtärzteschaft knapp zwölf Prozent betrage, liege er bei den Pathologen bei fast 22 Prozent.
Hinzu komme, dass sich die Fach- arztweiterbildung in der Pathologie zunehmend auf Universitätsinstitute konzentriere. Deshalb müsse schon bald mit Versorgungsproblemen in der Fläche gerechnet werden, sagte Kirchner im Vorfeld der 91. Jahresta- gung der DGP. Diese fand gemein- sam mit der 25. Tagung der Deut- schen Gesellschaft für Zytologie vom 30. Mai bis 2. Juni in Magdeburg statt. Die Nachwuchsförderung bilde- te neben medizinisch-wissenschaft- lichen Themen einen Schwerpunkt des Kongresses.
„Wir wollen das Profil der Patho- logie schärfen“, sagte Kirchner.
Denn noch immer würde die Arbeit der Pathologen fälschlicherweise mit den Aufgaben von Rechtsmedi- zinern gleichgesetzt. Diverse Krimi- serien, in denen vermeintliche Pa- thologen Mordopfer obduzierten, trügen zu diesem Irrtum bei. Dass sich die Tätigkeit der Pathologen
vielmehr an lebenden Pati- enten orientiere, werde in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Nahezu jede Krebsdia- gnose erstellten Patholo- gen, ergänzte Prof. Dr.
med. Werner Schlake, Vor- sitzender des Berufsver- bandes der Pathologen.
Dabei gingen die Möglich- keiten der modernen Pa- thologie weit über die bloße Diagnosestellung hinaus. Die Pathologie sei bei vielen Krankheiten maßgeblich dafür verantwortlich, welche Operationstechnik ange- wendet oder welche Medikamente gegeben würden, um eine größt- mögliche Heilungschance zu erzie- len, hob Prof. Dr. med. Manfred Stolte, Pressereferent der DGP, her- vor. Deshalb könne man Pathologen auch als „Lotsen der Therapie“ be- zeichnen.
Auf die Bedeutung der Krebs- früherkennung als weiteren Schwer- punkt des Magdeburger Patholo- genkongresses verwies Prof. Dr.
med. Hans Friedrich Nauth, Präsi- dent der Deutschen Gesellschaft für Zytologie. Dies gelte auch für den sogenannten Pap-Test, der nach wie vor einfachsten und kostengüns- tigsten Möglichkeit der Früherken- nung des Gebärmutterhalskrebses.
Seitdem es einen Impfstoff gegen dessen Hauptauslöser gebe, sprä- chen interessierte Kreise mitunter vom „Ende“ dieser Krebserkran- kung. Richtig sei aber nur, dass die Impfung von Mädchen und jungen Frauen gegen besonders riskante Varianten des humanen Papilloma- virus die Zahl der Neuerkrankungen senken kann. Die Krebsfrüherken- nung bleibe aber unverzichtbar,
mahnte Nauth. I
Samir Rabbata
PATHOLOGEN
„Lotsen der Therapie“
Die Möglichkeiten der Pathologie gehen weit über die bloße Diagnosestellung hinaus. Umso schwerer wiegt, dass schon bald Versorgungslücken drohen könnten.
Foto:Anja Jungnickel