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Archiv "GESUNDHEITSREFORM: Unverhohlener Zynismus" (27.11.1992)

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ÄRZTEBLATT

ARZNEIMITTEL

Zur Abschaffung der Kombina- tionspräparate:

Kein Einsparungseffekt

Gefördert durch das Bun- desgesundheitsamt, sicherlich nicht ungern gesehen von der Pharmaindustrie, verschwin- den inzwischen fast alle preis- wert gewordenen Kombinati- onspräparate ganz vom Markt oder werden in die Negativli- ste abgeschoben. Dies mag wissenschaftlich begründet und gesundheitlich indiziert sein. Die daraus sich ableiten- de Konsequenz ist es sicher- lich nicht.

Dazu ein Beispiel:

Man findet kaum einen herzkranken Patienten, der eine kardiologische Fachpra- xis oder die innere Abteilung eines Krankenhauses verläßt, ohne, unabhängig vom Alter, mit folgender Medikamen- tenkombination an den Haus- arzt überwiesen zu werden:

Nifedipin, plus Beta-Blocker plus Nitrat, wobei die Kombi- nation von Nifedipin und Be- ta-Blocker aufgrund der syn- ergistischen Wirkung den Blutdruck, insbesondere bei älteren Patienten, unliebsam senkt und in der Kombination negativ inotrop wirkt.

Bisher wurden zu dieser Dreier-Kombination noch ein Diuretikum und meist auch Digitalis gegeben, vermutlich um der negativen Inotropie zu begegnen. Natürlich wer- den der jeweils modernste Ca-Antagonist und der neue- ste ß-Blocker eingesetzt, Hauptsache, außerhalb der Festpreisliste. Diese fünf Prä- parate bleiben in ihrer Kom- bination meist so bestehen, auch wenn sich dazu noch ein ACE-Hemmer gesellt. Nach- dem Molsidomin von der Be- denklichkeitsliste gestrichen worden ist, findet man es häufig als siebtes Präparat in der Verordnungsliste. Bereits ein einmal festgestelltes er- höhtes Cholesterin bedarf na- türlich einer konsequenten Senkung, häufig unabhängig vom Alter mit einem Chole- sterinsynthesehemmer Eine vielleicht „laborogen" festge-

stellte Hypokaliämie muß na- türlich substituiert werden.

Bei dieser Medikamenten- kombination läßt sich das Ne- benwirkungsspektrum inzwi- schen nicht mehr abschätzen und kaum noch einem einzel- nen Präparat zuordnen.

Schlagworte wie „Vorlast"

und „Nachlast" sind da wenig hilfreich und vorwiegend theo- retische Begriffe. Die inzwi- schen verordneten neun ver- schiedenen Pharmaka bedeu- ten, allein schon aus diesem Fachgebiet, bei durchschnittli- cher Dosierung 18 Tbl./Tag, wobei sich meist noch eine Reihe von Medikamenten aus anderen Fachgebieten hinzu- reihen. Hier ist sicherlich die Grenze überschritten, die von den Patienten ohne Nebenwir- kungen zu verkraften ist, die eine vernünftige Compliance erlaubt und keinerlei Einspa- rungseffekte in der Verschrei- bungspraxis zuläßt, da durch die Lobby der Pharmaindu- strie den teueren, vielleicht aber nicht immer besseren Medikamenten der Vorzug ge- geben wird. Dieses Verord- nungsverhalten sollte — vor al- lem im Interesse unserer Pa- tienten — ernsthaft zu denken geben.

Dr. med. Erwin Esch, Margaretastraße 8, W-5000 Köln 30

Mono ist teuer

Es ist erstaunlich, daß ein wesentlicher Faktor bei der Kostensteigerung im Arznei- mittelbereich nicht oder kaum benannt wird: das Ab- schaffen der Kombinations- präparate. Das Verordnen von Monopräparaten ist wis- senschaftlich eindeutig vorzu- ziehen, in der Klinik oder bei schweren Fällen. Nun werden die Kombinationspräparate aus dem Handel genommen, die bei Alltagsbeschwerden bisher üblich waren. Die Mit- tel waren im Endeffekt meist unterdosiert, was jedoch praktisch nicht unbedingt ein Schaden war. Jedenfalls war und ist die tägliche Praxis mit Kombipräparaten gewaltig billiger als das Verordnen von 10 bis 20 Monopräparaten,

wie sie auf den Entlassungs- plänen der Hospitäler im Arztbrief empfohlen werden.

Ich meine, daß beide ge- braucht werden, Monopräpa- rate und gute Kombinations- präparate, je nach Fall, suum cuique.

Der eine kriegt eben sein Steak, der andere eine aus- gewogene Aminosäurenmi- schung, so könnte ein Kabaret- tist die Problematik anreißen—

das Thema ist ausbaufähig.

Dr. F. W. Degenring, Goe- thestraße 3 A, W-6944 Hems- bach

GESUNDHEITSREFORM

Zu dem Leserbrief „Persönli- che Selbstbeteiligung" von Dr.

med. J. Fischer-Wasels in Heft 39/1992:

Unverhohlener Zynismus

Aus der Zuschrift spricht ein unverhohlener Zynismus gegenüber dem Patienten als mündigem Bürger.

Herr Fischer-Wasels will den Patienten als „Sparkom- missar" zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen einset- zen und dreht dabei ganz ein- fach Verantwortlichkeiten um. Der Patient soll durch Nachfragen beim Arzt mit- entscheiden, ob die Ver- schreibung von Medikamen- ten beziehungsweise die Aus- führung der Diagnostik wirk- lich notwendig ist.

Ich denke, Herr Fischer- Wasels weiß, daß der Patient damit total überfordert ist.

Dieser befindet sich durch Schmerzen und andere Krankheitssymptome sowie durch geringe oder fehlende medizinische Kenntnisse in einer viel schwächeren, zum Teil abhängigen Position ge- genüber dem Arzt. Dem Pa- tienten in dieser Situation die Rolle eines „Sparkommis- sars" zuzuweisen, halte ich für mehr als fraglich. Interes- sant wäre zu wissen, wie Herr Fischer-Wasels mit dieser Methode sein Arzt-Patien- ten-Verhältnis gestalten will.

Ich bin der Meinung, der Pa- tient muß dem Arzt vertrauen können, daß dieser nach be-

stem Wissen und Gewissen all das für ihn tut, was nötig und erforderlich ist. Selbst- verständlich muß der Arzt da- bei auch die Wirtschaftlich- keit im Auge haben. Maßstab sollte stets die Ausgewogen- heit aller denkbar diagnosti- schen und therapeutischen Möglichkeiten und der Öko- nomie sein. Soviel wie nötig, und das so gut wie möglich — diese Herangehensweise des Arztes bei der Behandlung halte ich dringend für erfor- derlich.

Allerdings habe ich auch einen Vorschlag, der zu mehr Transparenz der ärztlichen Versorgung gegenüber den Patienten führen soll. Die ärztliche Abrechnung erfolgt gegenüber Patienten und Krankenkassen nach dem Vorbild der privaten Kran- kenversicherung.

Geradezu absurd finde ich die Forderungen von Herrn Fischer-Wasels, daß eine per- sönliche Selbstbeteiligung an den Krankheitskosten vom Pa- tienten getragen werden muß.

Seiner Ansicht nach soll der mündige Bürger in entspre- chenden Verträgen bei der Krankenversicherung selbst entscheiden, was er an Ge- sundheit wie hoch versichern will. Hier scheut Herr Fischer- Wasels nicht den fragwürdi- gen Vergleich der Kranken- versicherung mit einer Dieb- stahl- beziehungsweise Feuer- versicherung. Wo eine solche Praxis hinführt, sehen wir am Gesundheitswesen der USA.

Dort ist bekannterweise ein großer Teil der Menschen überhaupt nicht krankenversi- chert und wird im Krankheits- fall mangels Geld nicht oder nur unzureichend behandelt.

Dagegen stehen für eine Min- derheit der Bevölkerung höch- ste medizinische Leistungen zur Verfügung.

So ein Ausstieg aus der Solidargemeinschaft hin zur Zwei-Klassen-Medizin kann nur aufs schärfste abgelehnt werden.

Dr. med. Marlies Volk- mer, Mitglied des Sächsi- schen Landtages (SPD-Frak- tion), Radeburger Straße 151, 0-8090 Dresden

A1-4054 (6) Dt. Ärztebl. 89, Heft 48, 27. November 1992

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