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Archiv "Anwendungen des genetischen Fingerabdrucks in der Medizin" (14.02.1991)

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(1)

Jörg T. Epplen, Hans Zischler und Lutz Roewer;

Peter Nürnberg

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DIE ÜBERSICHT

Die Darstellung der „genetischen Fingerabdrucke" mittels simpler repetitiver Oligonukleotid-Sonden erlaubt die Unter- scheidung aller Menschen, mit der einzigen Ausnahme von eineiigen Zwillingen. Mit dieser Methode wird ein komple- xes Strichcodemuster erzeugt, welches lediglich die Frag- mentlängen von vielen unabhängigen, sogenannten hyperva- riablen DNA-Loci im Genom reflektiert. Die angewandten Untersuchungen erstrecken sich von der Tier- und Pflanzen- kunde bis zur modernen Transplantationsmedizin. Hier wer- den unter anderem genomische Veränderungen in Tumoren und forensische Anwendungsbeispiele diskutiert.

Anwendungen des

genetischen Fingerabdrucks in der Medizin

"ilir-ette as haploide Genom des Menschen besteht aus et- wa 3,5 Milliarden Informa- tionseinheiten. Jede Ein- heit kann in vier Konformationen (Basen) vorkommen. Adenin (A), Cytosin (C), Guanosin (G) und Thy- midin (T). Damit ergeben sich prin- zipiell 43500000' 102000000000 Mög- lichkeiten für verschiedene Genome dieser Größe. Die Dimension dieser Zahl läßt sich besser erahnen, wenn man sich dagegen den geschätzten Rauminhalt des Universums vor- stellt: 10 108 .Ä3 (Ängström-Kubik).

Die Basen A, C, G und T sind in der DNA-Doppelhelix, über ein Zuk- ker-Phosphatrückgrat verbunden, li- near angeordnet. Im diploiden Zell- kern mit 7 x 109 Basen ist mehr als 90 Prozent „genetische Wüste", das heißt, sie besitzen keinen sequenz- abhängigen Informationsgehalt. Die Gene erscheinen daher wie „kleine Oasen in der weiteren Wüste" (Susu- mu Ohno [Duarte, CA, USA]).

Die Gene stehen naturgemäß auch im zentralen Interesse der ge- genwärtigen Anstrengungen zur To- talanalyse des menschlichen Genoms.

Sie sind meist nicht kolinear mit dem DNA-Doppelstrang angeordnet, sondern in Form von informativen

„Exons", die durch sogenannte „In- trons" voneinander getrennt sind. Die letzteren werden nach dem Über- schreiben der DNA in RNA (Trans- kription) herausgeschnitten („spli- cen"), wodurch die reife mRNA ent- steht. Bei der angestrebten Totalse- quenzierung des menschlichen Erb- materials wird demnach eine Menge Information anfallen, deren Bedeu- tung letztlich nicht sicher vorherge- sagt werden kann.

In den etablierten DNA-Daten- banken finden sich derzeit bereits große Anteile von intronischen Se- quenzen. Darin sind hauptsächlich solche Sequenzen enthalten, die nur einmal pro haploidem Genom vor- kommen, das heißt Einzelkopie-Ele- mente. Ungefähr 30 Prozent des Ge- noms besteht jedoch aus repetitiven Sequenzen, die in Kopienzahlen und Struktur sehr unterschiedlich organi- siert sind. Eine interessante Klasse bilden die simplen repetitiven Ele- mente, die aus sehr kurzen, sich in steter Folge auffallend häufig wie- derholenden Sequenzmotiven aufge- Max-Planck-Institut für Psychiatrie,

W-8033 Martinsried;

Institut für Medizinische Genetik (Charite), 0-1040 Berlin

baut sind, also zum Beispiel . . . gt gt gt gt gt gt gt... Einige dieser sim- plen Sequenzen sind beim Menschen über das gesamte Genom relativ gleichmäßig verstreut. In der geneti- schen Wüste angesiedelt, werden simple repetitive Sequenzen nicht in Proteine übersetzt und tragen damit keine sequenzspezifische Informati- on für den Organismus. Derartige Anteile des Erbguts sind aber beson- ders geeignet für eine bestimmte Analysetechnik zur Darstellung der genetischen Individualität, dem ge- netischen Fingerabdruck.

Das Prinzip des Verfahrens wur- de erstmals 1985 von der Arbeits- gruppe um Alec Jeffreys beschrieben (1). Die von uns ausgearbeitete Me- thodik (2, 3) ist in bezug auf das Indi- vidualisierungspotential ebenso lei- stungsfähig; sie ist jedoch technisch einfacher und schneller und daher in der Anwendung bedeutend kosten- günstiger.

Methodik J

Der technische Ablauf des Ver- fahrens sei hier kurz noch einmal zu- sammengefaßt (siehe auch Schema):

DNA-Präparation aus den kernhalti- A-492 (68) Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991

(2)

Abbildung 1: Signal- banden einer Einzel- locus-Sonde

.111M

(P2) im Vergleich zum kom- plexen Muster des

„genetischen Finger- abdrucks", der mit einer Multilocus-Son- de ((CAC) 5) darge- stellt wurde. Die DNA von 13 gesun- den männlichen oder weiblichen Proban- den (Mitteleuropäer) wurde aus periphe- rem Blut präpariert, mit Restriktionsen- zym verdaut, die ent- standenen Fragmen- te gelelektrophore-•

lisch aufgetrennt und mit der radioaktiv- markierten Sonde P2, danach mit der Oli- gonukleotid-Sonde (CAC) 5 hybridisiert.

Im Multilocus-Muster unterscheiden sich alle Individuen; die Signale der Einzello-

cus-Sonde können im Gesamtmuster identifiziert werden genmarker in Kilobasen sind rechterhand angedeutet.

P2

4.41

—2 3.1

(siehe Pfeilköpfe). Fragmentlän-

4,1*

mr.

41.

gen Zellen beliebiger Gewebe oder aus Sekreten wie Blut, Leber, Spei- chel, Sperma, Haarwurzeln, Orga- ne etc.; Verdauen der DNA mit bestimmten Restriktionsenzymen („Molekulare Scheren"), die die DNA in Abhängigkeit von der Ba- senfolge an definierten Stellen schneiden; elektrophoretische Auf- trennung der so entstandenen DNA- Fragmente gemäß ihrer Länge in ei- nem Gel; Fixieren der DNA in oder auf einer Festphasenmatrix und Trennung des Doppelstrangs in die komplementären Einzelstränge; Hy- bridisieren mit Sonden („molekulare Spürhunde"), die zu simplen repeti- tiven Sequenzen komplementär sind;

Darstellung des genetischen Finger- abdrucks durch Schwärzung eines Röntgenfilms oder durch Antikör- per-vermittelte enzymatische Farb- stoffreaktion.

Bei den Sonden handelt es sich um chemisch synthetisierte Oligonu- kleotide, die an ihrem 5'-Ende ent- weder radioaktiv mit 32P-ATP mar- kiert werden oder mit einem nichtra- dioaktiven Reportermolekül wie Dig- oxigenin. Der repetitive Charakter der Oligonukleotid-Sequenzen ge- währleistet, daß sie an viele Ab- schnitte des Genoms gleichzeitig hy- bridisieren können. Derartige Son- den erzeugen zwangsläufig ein sehr komplexes Muster, das als Multilo- cus-Profil bezeichnet wird. Abbildung 1 unten zeigt solche Bandenmuster, die in diesem Fall mit der Sonde (CAC) 5 , also CAC CAC CAC CAC CAC, auf menschlicher DNA erstellt worden sind: Die durch enzymati- schen Abbau erzeugten DNA-Frag- mente von 13 unverwandten Perso- nen wurden per Agarose-Gelelektro- phorese entsprechend ihrer Länge aufgetrennt. Jede Spur im Gel von oben nach unten zeigt ca. 30 Signal- banden; alle Individuen unterschei- den sich deutlich in ihrem komple- xen Bandenmuster im Fragmentlän- genbereich von 3 bis 23 Kilobasen (CAC; Abbildung 1).

Anders als beim komplexen Fin- gerabdruck lassen sich mit einer ab- geleiteten Monolocus-Sonde (P2;

Abbildung 1 oben) pro Individuum nur eine bis zwei Banden darstellen.

Das ist jeweils davon abhängig, wie groß der Längenunterschied zwi-

schen den beiden hybridisierenden Allelen ist. Die Sonde P2 weist eine Heterozygotierate von etwa 70 Pro- zent auf. Sie ist damit weniger infor- mativ als andere inzwischen bereits charakterisierte Monolocus-Sonden, deren Heterozygotieraten zum Teil weit über 90 Prozent liegen. Einige der letztgenannten Sonden wurden auch schon chromosomal lokalisiert;

sie wurden auf verschiedenen menschlichen Chromosomen verteilt gefunden. Entsprechende Ergebnis- se waren vorher bereits mit der Mul- tilocus-Sonde (CAC) 5 durch in situ- Hybridisierungen erzielt worden.

Mit einer ganzen Sammlung sol- cher hochinformativen Monolocus- Sonden könnte das menschliche Ge- nom sehr effizient überstrichen, das heißt kartiert werden. Die Signale der einzelnen Monolocus-Sonden können im genetischen Fingerab- druck mit der Multilocus-Sonde re- identifiziert werden (siehe Pfeilköp- fe in Abbildung 1). Da sich aber die Fragmentlängenverteilungen der von den Monolocus-Sonden erkannten DNA-Orte weit überlagern, ist es nicht möglich zu erkennen, welche DNA-Abschnitte Allele eines Locus

auf einem homologen Chromoso- menpaar sind. Daher kann keines der Einzelsignale des DNA-Finger- abdrucks ohne Zuhilfenahme der Einzelkopie-Sonden mit einem be- stimmten körperlichen oder gar Ver- haltens-Merkmal (sofern Genort je- mals bekannt) korreliert oder assozi- iert werden. Das bedeutet aber auch, daß der Datenschutz sozusagen in den Multilocus-Fingerabdruck ein- gebaut ist.

Genomveränderungen in Tumoren

Die Genome höherer Lebewe- sen werden als vergleichsweise stabil in der Ontogenese angesehen. Mit dem Oligonukleotid-Fingerprinting wurden bisher in keiner der mehr als 200 untersuchten Pflanzen- und Tierspezies somatische Veränderun- gen in normalen Geweben festge- stellt (einzige Ausnahme: ein DNA- Locus im Hühnergenom, der nicht nach den Mendel-Regeln vererbt wird). Ganz anders bei den bösarti- gen Tumoren des Menschen: Verlust von einzelnen Chromosomen, Triso- Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 (69) A-493

(3)

Gra

CT)8 (GACA)4 (TTAGGG)3

(GTG)5 (GATA)4 (GAA)6 GGAM4

H M Hi H M Hi H M Hi H M Hi H M Hi H M H M Hi H M Hi

btbtbtbt bt btbtbt btbt btbtbtbtbt bt btbtbtbtbtbtb t. bt

9.4

2.3

Abbildung 2: Vergleich der „genetischen Fingerabdrucke von Blutzellen-DNA (b) und des Glioms (t) eines Patienten, die mit einer Reihe verschiedener Oligonuldeotid-Sonden erstellt wurden (Beschriftung unten). Die DNAs wurden mit den Restriktonsenzymen Hae III (H), Mbo I (M) und Hinf I (Hi) verdaut und gelelektrophoretisch aufgetrennt. Dasselbe Gel wur- de anschließend nacheinander mit den acht Sonden hybridisiert ... Die Amplifikation von (GTG) 5-, (GATA) 4- und (GT) 5-Banden ist deutlich sichtbar (weiße Pfeilköpfe). Schwächere Intensitätsunterschiede bei anderen Banden (schwarze Doppelpfeilköpfe) rühren von chro- mosomalen Aberrationen im Tumor her.

mien oder andere Chromosomenmu- tationen wie Translokationen kön- nen, sofern entsprechende Gewebs- proben vorhanden sind, oft mit zyto- genetischen Routinemethoden er- faßt werden. Da mit der genetischen Fingerabdruckanalyse ein Abbild quasi des gesamten Chromosomen- satzes erzielt werden kann, wurden die Muster verschiedener Tumorar- ten mit den konstitutiven Finger- prints des Patientenbluts verglichen:

In kolorektalen, Magen- und Mam- ma-Karzinomen wurden zusätzliche Signale, hauptsächlich aber Banden- verluste in unterschiedlichem Aus- maß beobachtet, was höchstwahr- scheinlich auf Chromosomenverluste und/oder Deletionen zurückzufüh- ren war (4).

In einer breiten Studie über in- trakranielle Tumoren konnten die molekularbiologischen und zytoge- netischen Befunde direkt verglichen werden (5): Die meisten Abweichun- gen in den Fingerabdruckmustern mit einer ganzen Palette von simplen repetitiven Oligonukleotid-Sonden [(CAC) 5 , (GT) 8, (GACA)4, (GA- TA)4, (CT)8, (GAA) 6, (TTAGGG) 3, (GAA)6, (GGAT)4] sind sekundäre Folgen der karyologischen Verände- rungen (Chromosomenverluste —>

Bandenverluste). Bei rund 30 Pro- zent der untersuchten Gliome je- doch wurde eine hochgradig verstärk- te Fingerabdruckbande gefunden (Abbildung 2).

Diese intensiven Signale sind Ausdruck von DNA-Amplifikations- ereignissen im Tumorgewebe und korrelieren daher auch mit dem Auf- treten von „double minutes", zentro- merlosen Chromatinfragmenten in den Metaphasen („Minimalchromo- somen").

Erst kürzlich konnte auch nach- gewiesen werden, daß die amplifi- zierten DNA-Fragmente in den In- trons desjenigen Gens liegen, wel- ches für den Rezeptor des „Epider- mal Growth Factor" (EGF) kodiert.

Neben den grundlagenwissenschaft- lichen Implikationen und Folgerun- gen ist es damit also möglich, über den vergleichsweise einfach herzu- stellenden genetischen Fingerab- druck die Amplifikation des EGF Rezeptor-Gens zum Beispiel in Gliomen nachzuweisen.

Forensische Anwendungen und Vaterschaftsgutachten Verglichen mit Proteinen ist DNA ein relativ stabiles Substrat, insbesondere unter den Umweltbe- dingungen wie Hitze, Sonnenein- strahlung und Feuchtigkeit, bei de- nen Spurenmaterial normalerweise vorgefunden wird (Blutflecke, Spei- chel, Sperma, Vaginalsekret, abge- trennte Gliedmaßen, Brand- und Wasserleichen). Durch systemati- sche Analysen mit verschiedensten Geweben unter mannigfaltigen Um- welteinflüssen konnte die optimale und informativste Oligonukleotid- Sondenkombination bei unterschied- licher DNA-Menge und -Qualität eruiert werden (6):

> 500 ng nicht degradierte DNA:

(CAC) 5 ;

> 500 ng partiell degradierte DNA:

(CAC) 5 und (GACA) 4;

< 500 ng nicht degradierter DNA:

(GACA)4;

< 500 ng degradierter DNA: (GA- CA)4 kombiniert mit weiteren Son- den wie (CT) 8 und (GATA)4.

Dank dieser methodischen Er- kenntnisse konnten unter anderem

ein Mordfall in Ostberlin aufgeklärt (7) und Brandleichen zweifelsfrei identifiziert werden.

Natürlich erreicht man mit dem genetischen Fingerabdruck niemals die Empfindlichkeit der inzwischen verbreitet angewandten Polymerase- kettenreaktion (PCR), wobei theore- tisch ein einziges DNA-Molekül spe- zifisch amplifiziert und analysiert werden kann. Jedoch ist man beim Fingerprinting auch nicht den (Kon- taminations-) Artefakten ausgelie- fert, die ein derart sensitives Verfah- ren wie die PCR mit sich bringt. Al- lerdings eröffnen sich durch die PCR auch überraschende Möglichkeiten, zum Beispiel mehrere 1000 Jahre al- tes Mumiengewebe im Hinblick auf bestimmte Genorte hin zu charakte- risieren (7). Die Ergebnisse können hier nur sehr behutsam auf der Basis überzeugender Kontrollexperimente bewertet werden.

Im Zivilprozeß, zum Beispiel zur Vaterschaftsfeststellung, werden auch von hartnäckigen Kritikern des genetischen Fingerabdrucks kaum mehr Gegenargumente ins Feld ge- führt. Es müssen jedoch vorher die Charakteristika der verwendeten A-494 (70) Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991

(4)

GEL

Spalten DNA

Elektrophorese

UV

SPALTSTÜCKE

FIXIERTE DNA GELMATRIX Trennen des DNA-

Doppelstrangs in Einzelstränge

O

Hybridisieren

(CAC )5 (GATA) 4

ll

Autoradiographie

_ - =

=

tRöntgenf I m

SEES

2. Röntgenfilm

Trocknen Färben

/

r 'Waschen«

---

Sonden genauestens definiert sein:

1.) Die absolute somatische Stabili- tät, damit auch unterschiedliche Ge- webe der Probanden untersucht wer- den können, zum Beispiel Haarwur- zeln versus Blutleukozyten oder Hautfibroblasten.

2.) Die Mutationsfrequenzen der untersuchten Sequenzen müssen ge- nau bekannt sein.

Wir haben dazu in einer großen kooperativen Studie die Fingerab- drucke von mehr als 1000 Kindern und ihrer leiblichen Eltern unter- sucht. Für (CAC) 5 beträgt die Muta- tionsrate 0,001 (pro Fragment und Gamete) (8 und unveröffentlichte Ergebnisse). Mutationsraten in die- ser Größenordnung erlauben ein- deutige Aussagen über Verwandt- schaftsverhältnisse.

Im vollständigen Trio-Fall, wenn also Mutter, Kind und Putativvater vorhanden sind, werden stets ein- deutige Vaterschaftswahrscheinlich- keiten erreicht, die im positiven Fal- le weit über 99,8 Prozent liegen. Da- mit wird die Vaterschaft vor Gericht als praktisch erwiesen angesehen.

Die Berechnung geschieht nach ei- gens dafür entwickelten, probabilisti- schen Berechnungsverfahren (9).

Gelegentlich auftretende Mutatio- nen können eingerechnet werden (10). Auch bei Stammbaumuntersu- chungen im Rahmen der humange- netischen Familienberatung und pränatalen Diagnostik kommt es im- mer wieder vor, daß die biologische Vaterschaft durch Fingerprinting nachgewiesen werden muß.

Schlußfolgerungen

In zahlreichen Bereichen der medizinischen Forschung und Dia- gnostik (aber auch bei zoologischen und botanischen Fragestellungen) kommt der genetische Fingerab- druck derzeit zum Einsatz. Das Indi- vidualisierungspotential ist ungleich größer, verglichen mit den bisheri- gen Merkmalssystemen (Blutgrup- penserologie, Enzympolymorphis- men, HLA-Typisierung). Wie allge- mein im Themenkreis der Gentech- nologie wurden in der öffentlichen Diskussion auch Bedenken geäußert über die Möglichkeiten, mit diesem

Abbildung 3: Jeder Zellkern des Menschen in beliebigen Körpergeweben oder in Sekreten enthält ungefähr 7 pg DNA. Die 3,5 x 10 9 Basenpaare eines haploiden Genoms (einfacher Chromosomensatz) können nicht gleichzeitig als Ganzes analysiert werden, das heißt die Gesamtheit der DNA muß unterteilt und vorsortiert werden. Zuerst wird jedoch die DNA in verschiedenen Reinigungsschritten durch Abtrennung zum Beispiel von Kemproteinen ge- wonnen. Nach der Präparation werden 1 bis 10 rag der DNA gezielt in Fragmente zerlegt.

Sogenannte Restriktionsenzyme aus Bakterien schneiden den DNA-Doppelstrang an denje- nigen Stellen, die eine bestimmte Basenabfolge aufweisen: Zum Beispiel das Enzym Mbo I spaltet vor der Sequenz GATC. Damit entstehen aus sehr langen DNA-Fäden definierte Fragmente mit definierten Enden. Die Sortierung der Fragmente geschieht anhand ihrer Länge. In der Agarosegel-Elektrophorese (im elektrischen Feld) wandern kurze DNA-Stük- ke schneller als längere. Das Ergebnis der Elektrophorese, die Auftrennung und Verteilung der DNA-Fragmente, wird durch Anfärben mit einem Fluoreszenzfarbstoff unter UV-Belich- tung dokumentiert. Dann wird die DNA in der Gelmatrix durch einfaches Trocknen des Gels feiert und der Doppelstrang in die beiden Einzelstränge zerlegt („denaturieren"). Die Dar- stellung des genetischen Fingerabdrucks beruht auf dem Nachweis von bestimmten wie- derholten DNA-Sequenzen. Diese können durch Sonden (hier chemisch synthetisierte Oli- gonukleotide) aufgespürt werden („hybridisieren"). Überschüssiges Sondenmaterial wird abgewaschen. Die Sonden tragen Reportermoleküle (32Phosphor oder Digoxigenin), die auf einem Röntgenfilm oder über Antikörpererkennung färberasch dokumentiert werden kön- nen. Da viele Zielsequenzen gleichzeitig dargestellt werden, entsteht ein vielbandiges Strichcode-Muster, welches zwar individualspezifisch, jedoch perönlichkeitsneutral ist. Bei Bedarf kann dieser Vorgang mit weiteren Sonden in demselben Gel wiederholt werden.

Dt. Arztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991 (71) A-495

(5)

Verfahren die untersuchten Perso- nen auszuforschen (Stichworte „glä- serner Mensch", Anwendungen in der Rasterfahndung). Mit den Multi- locus-Sonden besteht diese Gefahr nicht, da lediglich die Längeninfor- mationen von anonymen DNA-Frag- menten miteinander verglichen wer- den. Mißbrauch könnte theoretisch betrieben werden, falls zusätzliche GEN-Sonden nachträglich zur aber- maligen Hybridisierung verwendet werden würden. Daher müssen bei Untersuchungen an menschlichem Material besondere Kautelen gelten, ähnlich wie bei anderen gutachterli- chen Stellungnahmen in bezug auf Beauftragung nur ausgewählter In- stitute und Labors, Materiallagerung und -vernichtung und Datenschutz.

Danksagung: Diese Arbeiten wurden von der VW-Stiftung unterstützt. Die Oligonu- kleotid-Sonden sind patentrechtlich ge- schützt. Kommerzielle Anfragen sind zu rich- ten an Fresenius AG, W-6370 Oberursel.

Literatur

(1) Jeffreys, A. J.; Wilson, V.; Thein, S. L.: In- dividual specific „fingerprints" of human DNA. Nature 316 (1985) 76-79

(2) Ali, S.; Müller, C. R.; Epplen, J. T.: DNA fingerprinting human genomes by oligonu- cleotide probes specific for simple repeti- tive DNA sequences. Hum. Genet. (1986) 369-374

(3) Zischler, H.; Nanda, I.; Schäfer, R.;

Schmid, M.; Epplen, J. T.: Digoxigenated oligonucleotide probes specific for simple repeats in DNA fingerprinting and hybridi- zation in situ. Hum. Genet. 82 (1989) 227-233

(4) Lagoda, P. J. L.; Seitz, G.; Epplen, J. T.; Is- singer, O.-G.: Increased detectability of so- matic changes in the DNA from human tu- mours after probing with „synthetic" and

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(6) Roewer, L.; Nürnberg, P.; Fuhrmann, E.;

Rose, M.; Prokop, 0.; Epplen, J. T.: Stain analysis using oligonucleotide probes spe- cific for simple repetitive DNA sequences.

Forensic Sci. Intematl. 47 (1990) 59-70.

Roewer, L.; Rieß, 0.; Prokop, 0.: Hybridi- zation and PCR amplification of simple re- peated DNA sequences for the analysis of forensic stains. Electrophoresis (1991) im Druck.

Nürnberg, P.; Roewer, L.; Neitzel, H.;

Sperling, K.; Pöpperl, A.; Hundrieser, J.;

Pöche, H.; Epplen, C.; Zischler, H.; Ep- plen, J. T.: DNA fingerprinting with the oligonucleotide (CAC) 5/(GTG)5): somatic stability and germline mutations. Hum.

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Evett, I. W.; Werett, D. J.; Buckleton, J. S.:

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Yassouridis, A.; Epplen, J. T.: On patem- ity calculations from multilocus DNA pro- files. Electrophoresis (1991) im Druck.

Anschrift für die Verfassen

Priv.-Doz. Dr. med. Jörg T. Epplen Max-Planck-Institut für Psychiatrie Am Klopferspitz 18A

W-8033 Planegg-Martinsried

Prädikatoren des HDL 2- Cholesterinspiegels

Hohe HDL2-Plasmaspiegel — ei- ne Subfraktion von HDL — sind mit ei- nem reduzierten Risiko für kardio- vaskuläre Erkrankungen verbunden.

Ostlund et al. versuchten, unab- hängige Prädikatoren für die HDL 2- Spiegel in einer Gruppe gesunder Probanden im Alter zwischen sech- zig und siebzig Jahren zu finden. Zu- sammen mit den HDL 2-Spiegeln wurden eine Reihe verwandter Pa- rameter wie Körpergewicht, Body Mass Index, regionale Fettvertei- lung, einige anthropometrische Va- riablen, Glukosetoleranz, Plasmain- sulinspiegel, Ernährungsweise und körperliche Leistungsfähigkeit be- stimmt. Die Korrelation zwischen diesen Kovariablen und den HDL 2

-Spiegeln wurde mit Hilfe eines mathe- matischen Modells untersucht: Am engsten korrelierte mit den HDL 2

-Spiegeln der Quotient aus Taillen- und Hüftumfang (waist-to-hip ratio).

Der Plasmaspiegel und das Ausmaß der Glukosetoleranz waren ebenfalls unabhängige Prädikatoren der HDL 2-

Spiegel. Keine Korrelation gab es hin- gegen zum Body Mass Index, zum An- teil des Körperfetts, zur maximal mög- lichen Sauerstoffaufnahme, zur Er- nährungsweise und zum Geschlecht der Probanden. sht

Ostlund, R. E., M. Staten, W. M. Kohrt, J.

Schultz, M. Malley: The Ratio of Waist- To-Hip Circumference, Plasma Insulin Le- vel, and Glucose Intoleranz as Indepen- dent Predictors of the HD11 Cholesterol Level in Older Adults. N. Engl. J. Med. 322 (1990) 229-234.

Division of Metabolism, Department of Medicine, Washington University School of Medicine, 660 South Euclid Ave, St.

Louis, MO 63110

Hydergin ohne Effekt bei

M. Alzheimer

In den USA steht die Alzheimer- sehe Erkrankung an 4. Stelle in der Todesursachenstatistik. Derzeit sind 1,4 Millionen Amerikaner daran er- krankt, man rechnet mit einem An- stieg auf das Fünffache in den näch- sten 50 Jahren. Direkte und indirek- te Kosten werden auf 24 bis 48 Milli- arden US-Dollar geschätzt. Da die

FÜR SIE REFERIERT

Ursache des Morbus Alzheimer nach wie vor ungeklärt ist, werden zahlrei- che Medikamente versuchsweise ein- gesetzt, darunter auch Hydergin, ei- ne Präparation bestehend aus je 0,333 mg Dihydroergocorninmesylat, Dihydroergocristinmesylat und Di- hydroergocryptinmesylat. In einer Placebo-kontrollierten Doppelblind- studie erhielten 80 ältere Patienten mit Morbus Alzheimer dreimal täg- lich 1 mg Hydergin-LC über 24 Wo- chen. Nennenswerte Nebenwirkun- gen waren nicht zu registrieren. In zahlreichen Testverfahren ließ sich kein positiver Einfluß der Wirksub- stanz nachweisen, so daß Hydergin- LC als ineffektiv bei der Behandlung der Alzheimerschen Erkrankung eingestuft werden mußte.

Thompson, T. L., C. M. Filley, W. D. Mit- chell, K. M. Culig, M. Loverde, R. L. Byy- ny: Lack of effect of hydergine in patients with Alzheimer's disease. N. Engl. J. Med.

323: 445-448,1990.

Dr. Thompson, Department of Psychiatry, Jefferson Medical College, 1015 Walnut St., Philadelphia PA 19107

A-496 (72) Dt. Ärztebl. 88, Heft 7, 14. Februar 1991

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