[156] Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 715. Februar 2008
S C H L U S S P U N K T
I
ch hatte zwei Schlaganfälle . . .“, sagt der Mann vor mir auf dem Sitz in der Rikscha, auf deren Rück- bank mit gelbem zusammengefaltetem Baldachin ich mich gerade bequem niedergelassen hatte. Nach einer langen Wanderung kam er wie gerufen, die letzten drei Kilometer zum Auto, puh!. . ., wie eine Erlösung von den müden Beinen nahte da die dreirädrige Gelegenheit.Gerade hatte er begonnen, mächtig in die Pedale zu tre- ten, es galt einen leichten Anstieg bei Gegenwind hin- aufzuradeln, als er mir sein gesundheitliches Handicap offenbarte. „Nie und nimmer, das kann nicht gut ge- hen!“, durchzuckte es mich. „Arzt treibt Apoplektiker in den Tod!“, las ich schon. „Halt!“, rief ich energisch,
„um Gottes Willen, halten Sie doch an!“ Doch der Mann vor mir strampelte ruhig weiter, drehte seinen Kopf halb nach mir um und meinte ohne Kurzatmig- keit oder Schweißbildung am Haaransatz: „Nun, da machen Sie sich man keine Sorgen, Radfahren ist mei- ne Medizin, die hat mir mein Hausarzt verordnet. Er hat gesagt, wenn du jetzt nichts tust, bekommst du den dritten! Seitdem fahre ich regelmäßig Rad. In einem Jahr habe ich damit 40 Kilo abgenommen, danach noch einmal 30 Kilo. Vorher war ich wirklich ganz schön gut dabei mit meinen gerade 45 Jahren. Nur, nach der Reha war die Arbeit weg! Rente! Zu Hause sitzen, nein, das wollte ich nicht. Also, seitdem mache ich Fahrrad!“ „Und was machen Ihr Herz und Blut- druck?“, frage ich nach. „Blutdruck ganz normal, der ist einfach weg. Ich brauche auch keine Tabletten mehr.“ – „Ja, aber hatten Sie nicht vielleicht Zucker?“, frage ich noch neugieriger. – „Zucker, keine Ahnung, meine Laborwerte sind heute alle im grünen Bereich, sagt mein Hausarzt. ,Radfahren sind deine Tabletten‘, sagt er, ,andere brauchst du nicht!‘ Und wenn ich ein-
„Radfahren ist meine Medizin, die hat mein Hausarzt mir verordnet. Seitdem fahre ich regelmäßig Rad.“
mal nicht zum Radfahren komme, was selten vor- kommt, dann fühle ich mich gleich ganz unwohl! Also radle ich! Ich bin 49 und will schließlich noch was er- leben. Übrigens, ich bin gar kein Rikschafahrer, ich bin Rikschabauer, das ist in Deutschland eine Marktlücke.
Die Hinterachse muss immerhin zwei Personen aus- halten, also circa 140 Kilogramm, so viel wie ich ein- mal gewogen habe, und gerade mache ich mit Ihnen
die Probefahrt . . .!“ I
Dr. Helmut Förster
ARZTGESCHICHTE
Zwei Schlaganfälle
Zeichnung:Elke Steiner
Seit Oktober 2003 werden im Deutschen Ärzteblatt (DÄ) Geschichten publiziert, die Begebenheiten aus der täglichen Arzt-Patient-Beziehung schildern. In Heft 7/2004 begann das DÄ mit der Veröffentlichung von Beiträgen aus der Ärzteschaft.
Auch künftig will das DÄ Arztgeschichten veröffentlichen.
Die Redaktion freut sich über jede Zuschrift aus der Leserschaft, auch wenn nur zwölf Geschichten pro Jahr veröffentlicht werden können.
Sie erscheinen regelmäßig in der Rubrik „Schlusspunkt“ und werden von der Berliner Zeichnerin Elke Steiner illustriert.
Wer andere an seinen Erfahrungen und Erlebnissen teilhaben lassen möchte, schicke bitte seine Beiträge an die Kulturredak- tion des Deutschen Ärzteblattes (Ottostraße 12, 50859 Köln, Fax: 0 22 34/70 11-1 42; E-Mail: klinkhammer@aerzte blatt.de). Weitere Informationen unter der Telefonnummer:
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