[108] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 28–29⏐⏐13. Juli 2009
S C H L U S S P U N K T
M
eine internistische Abteilung war im Pavillon- system in zwei Häusern untergebracht. Im klei- neren Nebenhaus wurden Leichtkranke behandelt, zum Beispiel Diabetiker und andere Patienten, die noch um- hergehen konnten. So befand sich eines Tages auch eine circa 40-jährige Frau mit einer oberflächlichen Unterschenkelthrombose in diesem, wie wir sagten,„Zuckerhäuschen“ in der Behandlung. Für eine tiefer
liegende Thrombose fand sich keinerlei Anhaltspunkt.
Diese Patientin sagte eines Sonntagsmorgens zur Hilfs- schwester, die im Zimmer gerade Ordnung machte:
„Schwester, ich sterbe heute noch.“ Worauf diese Hilfs- schwester zwar scherzte, wie sie auf so etwas Schlim- mes komme, aber sie gab diese Information doch an den diensthabenden Kollegen weiter. Bei seiner an- schließenden eingehenden körperlichen Untersuchung ergaben sich erneut keine neuen Gesichtspunkte, im Gegenteil, die bestehende Unterschenkelthrombose er- schien im Laufe der Therapie schon gebessert, und die Patientin ging wieder mit elastischen Verbänden durch das Zimmer.
Und trotzdem – am gleichen Tage, nachmittags, ver- starb sie plötzlich, als ihr Ehemann zu Beginn der Be- suchszeit an ihr Bett trat. Eine massive Lungenembolie war die Ursache. Woher kam das tiefe Erahnen des na- hen Todes, mit dem sie „wartete“, bis ihr geliebter Ehe-
mann das Zimmer betrat? I
Joachim Müller
ARZTGESCHICHTE
Eine Vorahnung
„Die Patientin sagte eines Sonntags- morgens zur Hilfsschwester, die im Zimmer gerade Ordnung machte:
,Schwester, ich sterbe heute noch.‘“
Zeichnung:Elke R.Steiner