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Archiv "Medizinstudium: Die Schwester der Medizin" (27.12.2010)

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ächstes Jahr sind es genau 150 Jahre her, dass das Phi- losophicum als Teil des Medizinstu- diums in Preußen abgeschafft wur- de. Das Philosophicum stellte eine Art ärztliche Vorprüfung dar und wurde in der Regel vom Dekan der Philosophischen Fakultät abgenom- men. Ersetzt wurde es 1861 durch das Physicum. Damit wurde das Medizinstudium im Geiste der Zeit naturwissenschaftlich geprägt, me- dizinethische und geisteswissen- schaftliche Ausbildungsinhalte rück- ten in den Hintergrund.

Ärztliches Handeln beruht je- doch auf zwei Fundamenten: einer- seits auf naturwissenschaftlicher Erkenntnis und technischem Kön-

losophische Lehre und blieb über viele Jahrhunderte fast unverändert.

Gelehrte Ärzte hielten eine natur- philosophische Basis bei der Aus- übung ihrer Tätigkeit für unver - zichtbar. Sehr anschaulich be- schreibt dies der Ausspruch von Ter- tullian, nach dem die Philosophie die Schwester der Medizin sei (me- dicina soror philosophiae; De Ani- ma). Nach mehr als zwei Jahrtau- senden setzte sich in der westlichen Hemisphäre mit der wachsenden Hinwendung zur wissenschaftlichen Beobachtung naturwissenschaftliches Denken in der Medizin durch. Es entstanden neue Fächer wie Che- mie, Botanik und Physiologie. 1861 wurde das Medizinstudium in Preu- ßen reformiert. Das „Tentamen phi- losophicum“ wurde durch das „Ten- tamen physicum“ ersetzt, das bis heute als ärztliche Vorprüfung exis- tiert. Damit kam es zu einer kom- pletten Neuorientierung mit dem Primat der natur wissenschaftlichen Seite der Medi zin. Geisteswissen- schaftliche Fächer wurden aus dem Lehrplan herausgenommen. Etwa 100 Jahre später wurden 1970 in Deutschland wiederum mehrere neue Fächer in die Humanmedizin eingeführt: Medizinische Psycholo- gie, Medizinische Soziologie, Allge-

meinmedizin, Ökologie, Psychoso- matik und Psychotherapie. Durch diese historische Entwicklung fehlt heute in Deutschland die Philoso- phie in der medizinischen Ausbil- dung und Praxis.

Der ärztliche Alltag in Klinik und Praxis hat sich in den letzten Jahren für viele Ärztinnen und Ärzte drama- tisch und zu deren Ungunsten verän- dert: Neben arztfremden Aufgaben, wie dem Verschlüsseln von Diagno- sen und Prozeduren, sind zunehmend administrative Aufgaben zu erledi- gen. Es existiert ein gewaltiger Kos- tendruck, der das ärztliche Handeln und die ärztliche Unabhängigkeit inzwischen erheblich beeinflusst.

Dies hat erwiesenermaßen unmittel- MEDIZINSTUDIUM

Die Schwester der Medizin

Warum wir heute wieder ein Philosophicum brauchen

Foto: Fo tolia

nen, andererseits auf Humanität, Ethik und Philosophie. Ersteres wird an der medizinischen Fakultät gelehrt, Letzteres kommt heute in- zwischen oft zu kurz. Aus diesem Grund wünschen sich viele Medi- zinstudierende und Ärzte, gerade in Anbetracht unseres hochtechnisier- ten und ökonomisierten Kranken- hausalltags, ein eigenes Wahlfach, das sich philosophischen Fragestel- lungen widmet.

Auf ausdrücklichen Wunsch von Medizinstudierenden hat die Uni- versität Würzburg deshalb wieder ein Philosophicum eingeführt. Die- ses ist als Wahlveranstaltung kon - zipiert, die semesterbegleitend von Humanmedizinern, Medizinethikern und Philosophen gemeinsam für Medizinstudierende aller Semester, Ärzte und weitere Interessierte ver- anstaltet wird.

Die ärztliche Ausbildung im Abendland beinhaltete seit Hippo- krates vor mehr als 2 500 Jahren phi-

Durch die historische Entwicklung fehlt heute in Deutschland die Philosophie in der medizinischen Ausbildung und Praxis.

A 2591

S T A T U S

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A 2592 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 51–52

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27. Dezember 2010 bare Auswirkungen auf das ärztliche

Befinden. Neueste Studien, wie erst kürzlich in „Lancet“ veröffentlicht, legen aber nahe, dass die Lebensqua- lität von Ärzten auch für das Outco- me der Versorgungsqualität ihrer Pa- tienten wichtig ist und dass dies im Augenblick noch wenig Berücksich-

tigung im Klinik- und Praxisbetrieb findet. Diese Probleme können von der eigenen Profession allein nicht mehr gelöst werden. Einen mögli- chen Zugang zur Ursachenanalyse kann jedoch die Philosophie leisten.

Seminare über ärztliche Ethik werden bereits seit Jahrzehnten in Deutschland angeboten. Ethik stellt einen entscheidenden Bereich der Philosophie dar, lässt aber andere, wesentliche Teilgebiete der Philoso- phie außen vor, wie beispielsweise die philosophische Erkenntnistheo- rie, Ästhetik, Logik, Anthropologie, Sprachphilosophie oder Metaphy- sik. Fragen wie „Tun wir zu viel am Ende des Lebens?“, „Was stellt die

Würde des Menschen dar?“ oder

„Was begründet ärztliches Tun?“ er- fordern häufig eine philosophische Herangehensweise in Ergänzung zu den Naturwissenschaften und der medizinischen Ethik.

Dies ist der Grund dafür, dass an der Julius-Maximilians-Universität

Würzburg im Sommersemester 2010 wieder ein Philosophicum ins Leben gerufen wurde. Das beste- hende Vorurteil, dass Philosophie zu kompliziert und die Sache von Fachleute sei, möchte das Philoso- phicum dabei ausräumen. Es geht vielmehr darum, dass die Teilneh- mer in Erweiterung ihres Medizin- studiums oder ihrer ärztlichen Tä- tigkeit Philosophie kennenlernen.

Die angehenden Ärzte sollen moti- viert werden, über die Welt und die Menschen sowie ihr ärztliches Tun systematisch nachzudenken, in Ent- sprechung zu der Auffassung des berühmten deutschen Philosophen und Arztes Karl Jaspers, der die

Praxis des Arztes als konkrete Phi- losophie bezeichnet hat. Dies war auch Motto der letzten Veranstal- tungsreihe im Sommersemester.

Inhalte des Philosophicums, das als Wahlfach angeboten wird, sind eine allgemeine und verständliche Einführung in die Philosophie und ihre Teilgebiete unter praxisrelevanter ärztlicher Perspektive. Themenberei- che sind unter anderem: Berufsethik, Fehlermanagement in der Medizin aus philosophischer Sicht, die Me- dientheorie und ihre Bedeutung für Mediziner und der Begriff der Men- schenwürde. Das Philosophicum wur- de bisher sehr positiv aufgenommen und stellt eine der wenigen Veranstal- tungen unserer Universität dar, die von Studierenden aller Semester und Assistenzärzten und Oberärzten ge- meinsam besucht wird. ■ Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Bohrer

MA Philosophie, Klinikum Bamberg Prof. Dr. med. Michael Schmidt,

Universitätsklinikum Würzburg Dr. med. Gernot Rüter, Akademische Lehr- praxis der Universität Tübingen, Benningen Prof. Dr. phil. Johann-Heinrich Königshausen, Institut für Philosophie der Universität Würzburg

Zur Frage der korrekten Abrechnung ärztlicher Leistungen auf der Basis der Amtlichen Ge- bührenordnung für Ärzte (GOÄ) kommt es zwi- schen Ärzten und Patienten, insbesondere aber zwischen Ärzten und den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und der Bei- hilfekostenträger immer wieder zu deutlichen Meinungsverschiedenheiten. Nicht selten mün- den diese Differenzen in langwierigen juristi- schen Auseinandersetzungen. Teilweise wer- den alle Gerichtsinstanzen bis hin zum Bun- desgerichtshof durchschritten. Dies verursacht nicht nur immense Kosten, sondern beschädigt mitunter das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt ganz erheblich.

Die aus Sicht der Bundesärztekammer (BÄK) relativ kleine Zahl gerechtfertigter Mei- nungsverschiedenheiten basiert zu einem er- heblichen Teil auf dem bekannten Novellie- rungsrückstand der GOÄ und dem damit ver- bundenen Zwang des Ausweichens auf analo-

ge Abrechnungspositionen gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ. Manche Auseinandersetzungen resultie- ren allerdings auch aus der unterschiedlichen Interpretation der Leistungsinhalte von GOÄ- Positionen oder Empfehlungen zu analogen Abrechnungen. Beispielsweise bieten die im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichen Beschlüs- se des BÄK-Ausschusses Gebührenordnung zur dermatologischen Lasertherapie (DÄ, Heft 3/2002) immer wieder Anlass zu Streitigkei- ten. Die Empfehlung (Auszug) lautet: „Laserbe- handlung und/oder Behandlung mit intensiv gepulstem Licht (IPL) von Besenreiservarizen, Teleangiektasien, Warzen und anderen Haut- veränderungen bzw. Hauterkrankungen, aus- genommen melanozytäre Naevi, sowie aktini- scher Präkanzerosen, einschließlich Laser-Epi- lation, mit einer Ausdehnung bis zu 7 cm2 (bzw. 7 bis 21 cm2, bzw. von mehr als 21 cm2) Körperoberfläche, analog Nr. 2440 GOÄ (bzw.

Nr. 2885 GOÄ, bzw. Nr. 2886 GOÄ)“. Zum Aus-

druck gebracht werden soll mit diesen Be- schlüssen, dass die Laserbehandlung von me- lanozytären Naevi nicht zum Leistungsinhalt gehört (dies wäre zudem ein ärztlicher Kunst- fehler). Explizit nicht ausgeschlossen ist hinge- gen die Laserbehandlung von aktinischen Prä- kanzerosen. Die Absetzung des Satzteils „so- wie aktinischer Präkanzerosen“ durch Komma- ta ist zwar korrekt, aber im Sinne einer einein- deutigen Interpretation der GOÄ nicht unbe- dingt glücklich gewählt. Die nicht zutreffenden Aussagen des GOÄ-Ratgebers „Dermatologi- sche Lasertherapie (1)“ (DÄ, Heft 28–29/2005) zum Ausschluss der aktinischen Präkanzero- sen bezüglich der vorgenannten Abrechnungs- empfehlungen müssen insofern zurückgenom- men werden.

Klar interpretierbare, eineindeutige Leis- tungsbeschreibungen tragen zweifelsfrei zu ei- ner Reduktion von Abrechnungsstreitigkeiten bei – mithin ein sehr guter Grund, diese Tatsa- che in einer neuen GOÄ mit besonderer Sorg- falt zu beachten. Alexander Golfier, MBA

GOÄ-RATGEBER

Vermeidung unnötiger Abrechnungskonflikte

An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist im Sommer 2010 wieder ein Philosophicum ins Leben gerufen worden.

S T A T U S

Referenzen

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