A2594 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 40⏐⏐6. Oktober 2006
P O L I T I K
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er zweite Arbeitsentwurf für ein„GKV-Wettbewerbsstärkungsge- setz“ sieht eine totale Systemverände- rung des bisherigen freiheitlichen Ge- sundheitswesens vor. Offensichtlich ge- hen beide Regierungsparteien unbeirrt und teils mit ideologischen Scheuklap- pen den Weg in ein zentralistisches, staatliches Gesundheitswesen. Ohne Not wird die bestehende Unterfinanzie- rung der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) noch verschärft. In dieses Bild passt auch, dass die eigenständige privatärztliche Gebührenordnung der durch jahrzehntelangen Budgetierungs-
druck herabgestuften Vertragsgebühren- ordnung angeglichen werden soll. Da- mit ginge aber ihr Finanzierungsbeitrag für die ärztliche Versorgung in Kranken- haus und Praxis verloren.
Neben der geplanten Nivellierung der Vergütungsregelungen soll der An- wendungsbereich der Amtlichen Ge- bührenordnung für Ärzte (GOÄ) ge- schmälert werden, indem das Ge- schäftsmodell der privaten Krankenver- sicherung (PKV) als Vollversicherung ausgehöhlt und mittelfristig zerstört wird. In einem ersten Schritt werden die privaten Krankenversicherungen gezwungen, einen Basistarif anzubie- ten, der im Leistungsumfang und in der Vergütung der GKV entspricht. Dieser Tarif soll im Neugeschäft allen Perso- nen angeboten werden, deren Einkom- men über der Versicherungspflicht- grenze liegt. Die Regelung, die vorsah, dass auch bestehende Tarife in einen Basisschutz und eine Zusatzversiche- rung aufgespalten werden, ist entfallen.
Weiterhin geplant ist, den Wechsel in- nerhalb der PKV und von der PKV in die GKV durch die Transferierbarkeit der Al- terungsrückstellungen zu ermöglichen.
Zudem werden der PKV systemfremde Elemente aufgezwungen: Im Basistarif
gilt Kontrahierungszwang, die privat- wirtschaftliche risikoäquivalente Bei- tragsgestaltung wird aufgegeben. Un- terschiedliche Belastungen durch Krankheitsrisiken werden über einen Risikostrukturausgleich unterneh- mensübergreifend ausgeglichen.
Klar ist: Die geforderten „bezahlba- ren“ Prämien im Basisschutz für Privat- versicherte werden durch eine Absen- kung der ärztlichen Honorare erreicht.
In der Begründung zum Arbeitsentwurf wird ausgeführt, dass „die Gesund- heitsdienstleister verpflichtet werden, Privatversicherte im Basistarif ambu-
lant zu denselben Konditionen zu be- handeln wie GKV-Versicherte“. Über- deutlich heißt es dort, dass sich die Prämien der Versicherten zunächst teil- weise deutlich erhöhen dürften, „bis die erhofften kostensenkenden Effekte durch die Neuregelung der ärztlichen Vergütung und den Wettbewerb zwi- schen den Anbietern eintreten“.
Die politische Zielrichtung ist offen- sichtlich und das Ziel der von Ulla Schmidt initiierten Neiddebatte um eine
„2-Klassen-Medizin“ durch Gleich- schaltung der Versorgung im ambulan- ten Bereich und Absenkung der GOÄ- Vergütung auf Kassenniveau „erfolg- reich“ durchgesetzt. Der Anwendungs- bereich der GOÄ wird auf die Restbe- stände der Privatversicherten, die Kos- tenerstattung nach § 13 SGB V (die erleichtert werden soll) und Selbstzah- lerleistungen begrenzt. Die wahlärztli- chen Leistungen im Krankenhaus wer- den nicht erwähnt. Fraglich ist aber, ob das Liquidationsrecht von der Anglei- chung verschont bleibt. Klar ist, dass die Attraktivität der Privatversicherung beseitigt werden soll. Hier greifen die Gesetzesmaßnahmen, die auf eine Erschwerung des Zugangs zur PKV abzielen. Die Beihilfe wird aller Voraus-
sicht nach umgestaltet, da mit diesen politischen Plänen eine Privilegierung von Beamten nicht mehr zu vereinba- ren ist. Über einen Beihilfe-konformen Basisschutz wird die Angleichung an GKV-Niveau bewirkt.
Die Ärzteschaft hat sich bereits ve- hement gegen diese Politik der Gleich- macherei gewehrt. Festgestellt wurde, dass eine „Gleichschaltung“ der GOÄ mit einer budgetierten Vergütungsrege- lung im GKV-Sachleistungssystem ord- nungspolitisch verfehlt ist. Die GOÄ muss den individuellen Leistungsan- spruch des Patienten widerspiegeln und die beruflichen Leistungen des Arztes leistungsbezogen und mit angemesse- nen Preisen vergüten. Sie kann nicht ei- ner Vergütungsregelung mit „Sozialra- batten“ gleichgestellt werden. Umfas- sende Pauschalen, wie im Vergütungs- konzept für eine neue Vertragsgebühren- ordnung vorgesehen, passen nicht in einen amtlichen Preis- und Leistungs- katalog. Die Ärzteschaft erwartet daher von der Bundesregierung, dass die GOÄ ihren Stellenwert als eigenständiges Bewertungs- und Preissystem für ärztli- che Leistungen behält. Dazu hat sie konzeptionelle Vorstellungen entwickelt, die diesen Anforderungen an eine Amt- liche Taxe für Selbstzahlerleistungen gerecht werden. Die Vorstellungen sind innerärztlich breit getragen: Alle ärztli- chen Berufsverbände und medizinisch- wissenschaftlichen Fachgesellschaften haben sich einmütig für die Realisierung dieses Bundesärztekammerkonzepts ausgesprochen.
Sollten die gesetzlichen Pläne reali- siert werden, wäre der Weg in ein zen- tralistisches Einheitsgesundheitswesen gebahnt, die bestehende Unterfinanzie- rung verschärft und die noch leistungs- fähige PKV zerstört. Die weitere Ab- wanderung qualifizierter Ärzte und an- derer Berufe im Gesundheitswesen würde gefördert. Die „Gleichmacherei“
würde ferner einen ungeordneten
„grauen Markt“ für Gesundheitsdienst- leistungen zur Folge haben. Der Ge- setzentwurf muss von Grund auf revi-
diert werden. I
KOMMENTAR
Dipl.-Kfm. Renate Hess
PRIVATÄRZTLICHE GEBÜHRENORDNUNG