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Die Rolle des Proteins Lipocalin-2 bei immunmediierten Entzündungen des caninen zentralen Nervensystems

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Academic year: 2022

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Die Rolle des

Proteins Lipocalin-2 bei immunmediierten Entzündungen des

caninen zentralen Nervensystems

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Nina Sophie Barbara

Meyerhoff Bremen

Hannover 2020

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II

Wissenschaftliche Betreuung: 1. Prof. Dr. Andrea Tipold,

Klinik für Kleintiere, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

2. Dr. Jasmin Neßler,

Klinik für Kleintiere, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

1. Gutachterin/Gutachter: Prof. Dr. Andrea Tipold,

Klinik für Kleintiere, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

2. Gutachterin/Gutachter: Professor Dr. Marion Hewicker-Trautwein Institut für Pathologie, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Tag der mündlichen Prüfung: 27.04.2020

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III

Ergebnisse dieser Dissertation wurden in Form einer Präsentation auf folgendem Fachkongress präsentiert:

Meyerhoff, N.; Carlson, R.; Tipold, A.:

Messung von Liquor- und Serumkonzentrationen des Neutrophilen-Gelatinase- assoziierten Lipocalins und dessen Rolle bei immunmediierten Erkrankungen des Hundes

26. Jahrestagung der FG "Innere Medizin und klinische Labordiagnostik" der DVG (InnLab)-Teil 1, Hannover, 02.-03.02.2018

Ergebnisse dieser Dissertation wurden in Form eines Posters auf folgendem Fachkongress präsentiert:

Meyerhoff, N.; Carlson, R.; Tipold, A.:

Measurement of neutrophil gelatinase-associated lipocalin concentration in canine CSF and serum and its role in immune-mediated neuroinflammation

30th Annual Symposium of European Society of Veterinary Neurology and European College of Veterinary Neurology, “Geriatric Neurology”, Helsinki, Finland, 21.- 23.09.2017

Ergebnisse dieser Arbeit sind enthalten in:

Nina Meyerhoff, Karl Rohn, Regina Carlson and Andrea Tipold:

Measurement of Neutrophil Gelatinase-Associated Lipocalin Concentration in Canine Cerebrospinal Fluid and Serum and its Involvement in Neuroinflammation

Front Vet Sci. 2019; 6: 315. Published online 2019 Sep 18.

doi: 10.3389/fvets.2019.00315

(4)

IV

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung ... 1

2. Literaturübersicht ... 5

2.1. Steroid-responsive Meningitis-Arteriitis beim Hund ... 5

2.1.1. Allgemeines ... 5

2.1.2. Ätiologie und Histopathologie ... 6

2.1.3. Klinik und Diagnosestellung ... 9

2.1.4. Therapie und Prognose... 11

2.2. Meningoenzephalitis unbekannter Genese... 13

2.2.1. Formen ... 13

2.2.2. Ätiologie ... 16

2.2.3. Klinik und Diagnosestellung ... 17

2.2.4. Therapie und Prognose... 20

2.3. Liquor cerebrospinalis ... 23

2.3.1. Allgemeines und Funktion ... 23

2.3.2. Synthese, Zirkulation und Absorption ... 24

2.3.3. Pathologische Befunde ... 25

2.4. Lipocalin-2 ... 27

2.4.1. Allgemeines und Funktion ... 27

2.4.2. Lipocalin-2: Formen und Rezeptoren ... 29

2.4.3. Biomarker ... 31

2.4.4. Lipocalin-2 als Biomarker in der Humanmedizin ... 31

2.4.5. Lipocalin-2 als Biomarker in der Veterinärmedizin ... 32

3. Material und Methoden ... 35

3.1. Studienpopulation ... 35

3.2. Proben und Probenlagerung ... 39

3.3. Labormaterialien ... 39

3.4. Methode: Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) ... 42

3.4.1. Validierung des ELISA für caninen Liquor cerebrospinalis ... 44

3.4.2. Messung und Auswertung ... 44

4. Ergebnisse und Publikation ... 47

4.1. Publikation ... 47

4.2. Ergebnisse Signalement ... 58

5. Diskussion ... 62

6. Zusammenfassung ... 74

7. Summary ... 76

(5)

V

8. Literaturverzeichnis ... 78

9. Abkürzungsverzeichnis ... 108

10. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ... 112

10.1. Abbildungsverzeichnis ... 112

10.2. Tabellenverzeichnis ... 112

11. Anhang ... 113

11.1. Protokoll und Layout des NGAL ELISA ... 113

11.2. Ergebnisse der statistischen Analyse: Wilcoxon two sample/rank-sum-Tests ... 116

11.3. Übersicht Signalement, Nierenparameter und Urinanalyse ... 119

11.4. NGAL Konzentration, Erythrozyten und Leukozyten in Liquor cerebrospinalis .. 129

11.5. Übersicht der Patienten mit MUO und ihrer histopathologischen Ergebnisse ... 136

11.6. Messwerte NGAL-Konzentrationen in CSF und Serum ... 137

12. Danksagung ... 142

13. Erklärung ... 144

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(7)

Einführung

1

1. Einführung

Lipocalin-2, auch bekannt als Neutrophilen-Gelatinase-assoziiertes Lipocalin (NGAL), ist ein multifunktionelles Protein, das von verschiedenen Zellen und Geweben wie z. B.

neutrophilen Granulozyten (KJELDSEN et al. 1994), Makrophagen (JUNG et al. 2012), Endothelzellen (HAMZIC et al. 2013), im Knochenmark (COWLAND u.

BORREGAARD 1997), in Epithelien (COWLAND et al. 2003; BORREGAARD u.

COWLAND 2006), aber auch Astrozyten (MARQUES et al. 2012; CHUN et al. 2015) gebildet wird.

Auch die Funktionen des Neutrophilen-Gelatinase-assoziierten Lipocalin sind mannigfaltig: So ist es an der Eisenhomöostase (GOETZ et al. 2002; BORREGAARD u. COWLAND 2006) beteiligt, moduliert Apoptosemechanismen (DEVIREDDY et al.

2005; LEE et al. 2007) und beeinflusst die Karzinogenese (IANNETTI et al. 2008;

YANG u. MOSES 2009). Es ist zudem wichtiger Teil der Immunantwort mittels Akute- Phase-Reaktion bei bakteriellen Infektionen (LIU u. NILSEN-HAMILTON 1995; FLO et al. 2004; MARQUES et al. 2008) und spielt eine Rolle bei immunmediierten entzündlichen Prozessen (BIEZEVELD et al. 2005; SHASHIDHARAMURTHY et al.

2013). Eine wichtige Funktion scheint hierbei die Verstärkung der Immunzellmigration (LEE et al. 2011) zu sein, insbesondere die Rekrutierung von neutrophilen Granulozyten zum Ort der Entzündung (GUGLANI et al. 2012; SICKINGER et al.

2013).

In der jüngeren Forschung nimmt das Interesse an der Rolle des NGAL bei neuroinflammatorischen Prozessen zu (FERREIRA et al. 2015). Die Konzentration von NGAL im Liquor cerebrospinalis (cerebrospinal fluid/CSF) ist bei humanen bakteriellen Meningitiden erhöht (GUIDDIR et al. 2014; LIPPI et al. 2014), jedoch auch bei immunmediierten Erkrankungen wie multipler Sklerose (BERARD et al. 2012) oder neuropsychatrischem systemischem Lupus erythematodes (BRUNNER et al. 2014;

MIKE et al. 2019). Bei verschiedenen humanen Vaskulitis-Typen wird NGAL als

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Einführung

2

Biomarker zur Progressions- und Therapiekontrolle vorgeschlagen (CHEN et al. 2009;

SERRA et al. 2014).

Dem Neutrophilen-Gelatinase-assoziierten Lipocalin wird auch eine Rolle als Biomarker nach Schädigung des Gehirnparenchyms durch Infarkte oder andere Läsionen zugeschrieben, wobei es sowohl Hinweise auf negative (IP et al. 2011;

MYUNGWON JIN et al. 2014b; NAM et al. 2014), als auch auf neuroprotektive (KANG et al. 2017) Effekte bei einer erhöhten Expression von NGAL gibt.

In verschiedenen Mausmodellen wurde bereits der Einfluss des NGAL auf interzelluläre Signalwege (JEON et al. 2013) und neuroinflammatorische Prozesse (MYUNGWON JIN et al. 2014b; NAM et al. 2014) untersucht, wobei insbesondere ein Einfluss auf die Aktivität von Mikroglia und Astrozyten dargestellt werden konnte (BERARD et al. 2012).

NGAL-Konzentrationen wurden bisher in verschiedenen Körperflüssigkeiten wie Plasma, Serum oder Urin bei Menschen (BOLIGNANO et al. 2008; CHEN et al. 2009;

WANG et al. 2015), Katzen (WANG et al. 2017b; WU et al. 2019), Hunden (HSU et al.

2014b; STEINBACH et al. 2014; COBRIN et al. 2016) und Pferden (JACOBSEN et al.

2018) bei systemisch-entzündlichen, neoplastischen, traumatischen oder renalen Erkrankungen als potentieller diagnostischer oder prognostischer Biomarker evaluiert.

Bisher existierten unserem Wissen nach jedoch keine Messungen der NGAL- Konzentration im CSF bei gesunden und erkrankten Hunden. Zudem wurden bisher zwar Serum- oder Urinkonzentrationen bei Hunden mit systemischen Allgemeinerkrankungen wie Sepsis (CORTELLINI et al. 2015), chronischen Nierenerkrankungen (COBRIN et al. 2016) und verschiedenen neoplastischen Erkrankungen (COBRIN et al. 2016) beschrieben, es lagen jedoch bisher keine Daten zu NGAL-Serumkonzentrationen bei Hunden mit neurologischen Erkrankungen vor.

Meningoenzephalitis unbekannter Genese (MUO) und Steroid-responsive Meningitis- Arteriitis (SRMA) sind häufig vorkommende immunmediierte Erkrankungen bei Hunden (TALARICO u. SCHATZBERG 2010; TIPOLD u. SCHATZBERG 2010). Einen

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Einführung

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Goldstandard zur Ante-mortem-Diagnose der SRMA gibt es bisher nicht, allerdings weist die gepaarte Messung von IgA in Serum und CSF eine hohe Sensitivität und gute Spezifität für die Diagnosestellung auf (MAIOLINI et al. 2012), lässt jedoch keine Aussagen über das Rezidivrisiko zu.

Weiterhin ist die Unterscheidung zwischen verschiedenen ätiopathologischen Diagnosen bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) mittels Magnetresonanztomografie und Beurteilung der Zellen im CSF nicht immer möglich (BOHN et al. 2006; WOLFF et al. 2012; KEENIHAN et al. 2013; DIANGELO et al.

2019), weshalb oftmals invasivere Diagnostikmethoden angewandt werden müssen.

Bei Verdacht auf Meningoenzephalitidien oder intrakranielle Neoplasien können zwar verschiedene Biopsiemethoden zur Ermittlung einer definitiven Diagnose eingesetzt werden (ROSSMEISL et al. 2015; GUTMANN et al. 2020), diese sind jedoch nicht vollkommen risikolos. So kommt es bei bis zu 16 % der Hunde nach dem bioptischen Eingriff zu einem vermehrten Auftreten von Anfallsgeschehen und folglich zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes (ROSSMEISL et al. 2015). Außerdem sind die Biopsiemethoden meist kostenintensiv oder benötigen eine spezielle technische Ausstattung (GUTMANN et al. 2020).

In Anbetracht dieser Schwierigkeiten bei der Diagnostik bedeutsamer neurologischer Erkrankungen des Hundes erscheint die Evaluierung und Nutzung zusätzlicher, weniger invasiver Tests mittels Biomarkern in Serum oder CSF bei erkrankten Hunden sinnvoll (LOWRIE et al. 2009a).

Neben einer möglichen Eignung von NGAL als diagnostischen Marker gibt es Hinweise, dass NGAL einen Angriffspunkt für zukünftige therapeutische Interventionen bei neuroinflammatorischen Prozessen darstellen kann. So wurde zum Beispiel gezeigt, dass durch Applikation des monoklonalen Antikörpers Natalizumab die NGAL- Konzentration im CSF und in den Astrozyten in einem Mausmodell einer experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) gesenkt werden kann (MARQUES et al. 2012). Ein anderer Ansatz ist, durch Ribonukleinsäure (RNA)- Nanopartikel die Expression des NGAL zu hemmen und somit indirekt über die

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Einführung

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Reduktion pro-inflammatorischer Proteine die Aktivierung von Astrozyten zu vermindern (SMITH et al. 2018). In-vitro-Studien und Tiermodelle zeigten zudem einen neuroprotektiven Effekt von Eisenchelatoren nach ZNS-Schädigung durch Senkung der NGAL-Konzentration (ZHAO et al. 2016; DEKENS et al. 2020).

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, erstmalig physiologische und pathologische NGAL-Konzentrationen im CSF von Hunden und deren Verhältnis zur Serumkonzentration zu ermitteln.

Hierfür wurde im ersten Schritt ein kommerzieller Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) zur Messung der Konzentration von caninem NGAL erstmals für die Untersuchung von caninem CSF validiert. Anschließend erfolgte die Auswertung der NGAL-Konzentration in asservierten, gepaarten Serum- und CSF-Proben von gesunden und orthopädisch erkrankten Hunden (Kontrollgruppe) sowie Hunden mit primär entzündlichen neurologischen Erkrankungen (akute Steroid-responsive Meningitis-Arteriitis (SRMA), SRMA-Rezidive, Meningoenzephalitis unbekannter Genese (of unknown origin, MUO) und anderen Erkrankungen des ZNS, wie idiopathischer Epilepsie (IE) oder durch Bandscheibenvorfälle und Spondylomyelopathie hervorgerufenen kompressiven Myelopathien.

Die zu untersuchende Hypothese der vorliegenden Arbeit war, dass eine höhere NGAL-Konzentration im CSF bei Patienten mit entzündlicher ZNS-Erkrankung im Vergleich zu Tieren mit nicht primär entzündlichen Erkrankungen des ZNS vorliegt. Die Untersuchung von NGAL als Biomarker entzündlicher ZNS-Erkrankungen soll helfen, die Diagnose- und Prognosestellung dieser Erkrankungen zukünftig zu verbessern.

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Literaturübersicht

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2. Literaturübersicht

2.1. Steroid-responsive Meningitis-Arteriitis beim Hund

2.1.1. Allgemeines

Die Steroid-responsive Meningitis-Arteriitis (SRMA) ist eine entzündliche Erkrankung, die eine Leptomeningitis und systemische Arteriitis hervorruft (MERIC 1988; TIPOLD u. JAGGY 1994), welche insbesondere meningeale Gefäße betrifft, aber auch Arteriitiden der Koronargefäße (SCOTT-MONCRIEFF et al. 1992; SNYDER et al.

1995), Myokarditiden (SNYDER et al. 2010; NAVARRO-CUBAS et al. 2011) und perikardiale Ergüsse (SPENCE et al. 2019) bedingen kann. In einigen Fällen kommt es in Kombination zu einer Polyarthritis (WEBB et al. 2002).

Die SRMA stellt weltweit die am häufigsten beschriebene Meningitis beim Hund (MERIC 1988; TIPOLD u. STEIN 2010) dar. Für Großbritannien wurde eine Prävalenz von 0,6 % aller vorgestellten Fälle und 1,6 % aller in der neurologischen Abteilung vorgestellten Fälle einer Klinikpopulation ermittelt (LOWRIE et al. 2009b).

In der Vergangenheit verwendete Synonyme wie „Necrotizing Vasculitis“ (HAYES et al. 1989; SCOTT-MONCRIEFF et al. 1992), „Beagle Pain Syndrome“ (HAYES et al.

1989), „Canine Pain Syndrome“ (BURNS et al. 1991), „Canine Juvenile Polyarteritis Syndrome“ (FELSBURG et al. 1992; HOGENESCH et al. 1995) oder „Corticosteroid- responsive Meningomyelitis“ beschreiben typische histopathologische oder klinische Bilder sowie betroffene Altersklassen und Rassen.

In einer deutschlandweiten Studie wurde eine signifikant häufigere Erkrankung an SRMA bei männlichen Hunden im Vergleich zu weiblichen festgestellt (HILPERT et al.

2020), wobei in anderen Studien keine Geschlechtsprädisposition auffiel (LOWRIE et al. 2009b; ROSE et al. 2014).

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Literaturübersicht

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Typischerweise tritt die Erkrankung bei juvenilen Hunden im Alter von 6 bis 18 Monaten auf, wobei eine Spannbreite von 4 Monaten bis 7 Jahren beschrieben wurde (CIZINAUSKAS et al. 2000; ROSE et al. 2014).

Einen signifikanten Einfluss auf das Risiko an SRMA zu erkranken, hat zudem die Rasse des Hundes, wobei die Häufigkeitsverteilung vermutlich geographisch unterschiedlich ist (CIZINAUSKAS et al. 2000; ROSE et al. 2014; LAU et al. 2019;

HILPERT et al. 2020). Eine Prädisposition ist für die Rassen Beagle (RUBEN et al.

1989; TIPOLD u. JAGGY 1994; LAU et al. 2019; HILPERT et al. 2020), Berner Sennenhund (PRESTHUS 1991; CIZINAUSKAS et al. 2000; LAU et al. 2019), Boxer (BEHR u. CAUZINILLE 2006; LAU et al. 2019; HILPERT et al. 2020), Nova Scotia Duck Tolling Retriever (NSDTR) (CIZINAUSKAS et al. 2000; ANFINSEN et al. 2008;

HANSSON-HAMLIN u. LILLIEHOOK 2013), Petit Basset Griffon Vendeen (VOSS et al. 2012) und Weimaraner (TIPOLD u. SCHATZBERG 2010; ROSE et al. 2014) bekannt. In Großbritannien wurde SRMA besonders häufig bei den Rassen English Springer Spaniel (LOWRIE et al. 2009b) sowie Border Collie, Jack Russel Terrier und Whippet (ROSE et al. 2014) SRMA diagnostiziert. In den Vereinigten Staaten von Amerika waren außerdem häufig Korthals Griffons und Golden Retriever betroffen (LAU et al. 2019).

2.1.2. Ätiologie und Histopathologie

Die zugrundeliegende Ätiologie konnte bisher nicht abschließend geklärt werden (TIPOLD 2000). Da infektiöse oder umweltbedingte Noxen bisher nicht reproduzierbar nachgewiesen werden konnten (CIZINAUSKAS et al. 2000; ROSE et al. 2014;

LAZZERINI 2015), deuten die aktuelle Forschungslage und das rasche Ansprechen auf Behandlungen mit immunsuppressiven Medikamenten wie Prednisolon auf einen autoimmunen Prozess hin (TIPOLD u. SCHATZBERG 2010). Bei einigen Patienten mit SRMA wurden Autoantikörper gegen ZNS-Bestandteile im CSF gefunden, wobei unklar ist, ob diese für die Entstehung der Krankheit mitverantwortlich oder Folge des

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Literaturübersicht

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Krankheitsprozesses sind (SCHULTE et al. 2006), da im Vergleich zu anderen caninen Meningoenzephalitiden kein signifikanter Unterschied festgestellt wurde.

Das juvenile Alter beim Auftreten der Erkrankung, die typische Erhöhung bestimmter Zytokine- und IgA-Konzentration, sowie das klinische Bild mit Fieber und Arteriitis lassen die SRMA als mögliches natürliches Model für die Kawasaki Vaskulitis bei Kindern erscheinen (BURNS et al. 1991; SNYDER et al. 1995). Es wurde gezeigt, dass NGAL eine Rolle für die langanhaltende Aktivierung neutrophiler Granulozyten im Rahmen der Kawasaki Vaskulitis spielt (BIEZEVELD et al. 2005).

Auf zellulärer und molekularer Ebene wurde eine von zytotoxischen T-Helferzellen (Th) dominierte Signalkaskade mit einer vermehrten Expression von Th2-mediierten Zytokinen beobachtet (SCHWARTZ et al. 2008b; SCHWARTZ et al. 2011). Zudem wurde ein Anstieg der Matrixmetalloproteasen (MMP) 2 und 9 (SCHWARTZ et al.

2010) sowie ein Anstieg der Zytokine Interleukin 6 (IL-6), transforming growth factor beta 1 (TGF-ß1) (MAIOLINI et al. 2013) und Interleukin-8 (IL-8) (BURGENER et al. 1998) nachgewiesen. Zusätzlich zeigte sich eine vermehrte Expression des Integrins CD11a auf neutrophilen Granulozyten (SCHWARTZ et al. 2008a), welches diesen Zellen zur Adhäsion neutrophiler Granulozyten während der Migration zum Entzündungsort dient. Diese immunologischen Prozesse führen in ihrer Gesamtheit vermutlich zur Schädigung der Blut-Hirn-Schranke und zur für SRMA typischen starken Rekrutierung neutrophiler Granulozyten, die sich als neutrophile Pleozytose im CSF manifestiert (SCHWARTZ et al. 2010; MAIOLINI et al. 2013). Typisch für die Dysregulation des Immunsystems ist auch eine exzessive systemische und intrathekale Produktion von Immunglobulin A (IgA) mit erhöhten Konzentrationen in Serum und CSF (TIPOLD et al. 1994; MAIOLINI et al. 2012). Neuere Studien zeigten außerdem die Rolle eines bestimmten T-Helferzell-Subtyps, der Th17-Zellen (MAIOLINI et al. 2013; FREUNDT-REVILLA et al. 2017). So ist Interleukin-17 (IL-17), welches unter anderem auch intrathekal von Th17-Zellen gebildet wird (FREUNDT- REVILLA et al. 2017), ein Schlüsselfaktor verschiedener autoimmuner

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Literaturübersicht

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Entzündungsprozesse (LUBBERTS et al. 2004; SHEN et al. 2005; PARK et al. 2013).

Es ist ebenfalls beteiligt an der Rekrutierung neutrophiler Granulozyten und begünstigt ein pro-inflammatorisches Milieu (CHEN et al. 2003; KEBIR et al. 2007).

Interessanterweise wurde in früheren Arbeiten gezeigt, dass auch die Signalkaskaden von NGAL und IL-17 in entzündlichen Prozessen eng verknüpft sind (KARLSEN et al.

2010; STALLHOFER et al. 2015).

Familiäre genetische Faktoren (RUBEN et al. 1989; ANFINSEN et al. 2008; VOSS et al. 2012) spielen in der Pathogenese vermutlich ebenfalls eine Rolle, da es bei den Rassen Beagle, NSDTR und Petit Basset Griffon Vendeen zu Häufungen von Krankheitsfällen innerhalb bestimmter Würfe bzw. Linien kommt und sich beim NSDTR der Stammbaum auf einen spezifischen Vorfahren zurückverfolgen lässt (ANFINSEN et al. 2008).

Pathologische Befunde umfassen in der makroskopischen Untersuchung eine große Bandbreite an Schweregraden, von einem adspektorisch unauffälligen ZNS bis hin zu deutlichen leptomeningealen Plaques und extensiven subarachnoidalen Blutungen im Bereich des Rückenmarks und Gehirns oder Hämorrhagien im Zentralkanal darstellen, welche auch das Rückenmark umgeben können (FANKHAUSER u. VANDEVELDE 1972; TIPOLD u. SCHATZBERG 2010; HUGHES et al. 2015). Bei einigen Hunden kann zudem ein Perikarderguss nachgewiesen werden (SPENCE et al. 2019).

Histopathologische Befunde sind klassischerweise eine eitrige Leptomeningitis mit stärksten Veränderungen in der zervikalen Rückenmarksregion und hochgradiger Invasion neutrophiler Granulozyten sowie Plasmazellen und Makrophagen (MERIC 1988; TIPOLD et al. 1995; TIPOLD u. SCHATZBERG 2010).

Typische Gefäßveränderungen sind Periarteriitis oder nekrotisierende Vaskulitis mit Invasion von Entzündungszellen, insbesondere kleiner und mittelgroßer Gefäße des

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Literaturübersicht

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zervikalen Rückenmarks, am Herzen und im Mediastinum (SCOTT-MONCRIEFF et al. 1992; SNYDER et al. 1995; TIPOLD et al. 1995).

Durch Thrombenbildung, zum Teil mit Rekanalisierung, können ischämische Läsionen in umgebenden Geweben wie Myokard und ZNS auftreten (TIPOLD et al. 1995).

In subakuten oder chronischen Fällen findet sich ein größerer prozentualer Anteil an Makrophagen, die inflammatorischen Veränderungen und die Pleozytose im CSF sind zudem milder ausgeprägt (TIPOLD et al. 1995; VANDEVELDE et al. 2012). Außerdem kann es zu Fibrosierung und Mineralisierung der Hirnhäute kommen, welche Veränderungen der Nervenwurzeln oder Liquorabflussstörungen mit sekundärem obstruktivem Hydrozephalus nach sich ziehen können (TIPOLD et al. 1995;

VANDEVELDE et al. 2012). In schweren Fällen kann es auch zu zerebralen Blutungen, Beteiligung der Gehirnventrikel und einer Ependymitis kommen (WRZOSEK et al.

2009). Aufgrund des rezidivierenden bzw. undulierenden Krankheitsverlaufs werden in manchen Patienten gleichzeitig histopathologische Anzeichen akuter und chronischer Krankheitsprozesse gefunden (TIPOLD u. JAGGY 1994; SNYDER et al.

1995).

2.1.3. Klinik und Diagnosestellung

Da kein definitiver Test für die prämortale Diagnose der SRMA existiert, handelt es sich um eine Verdachtsdiagnose, die mittels Ausschlussverfahren und Feststellung eines typischen Signalements, entsprechender klinischer Symptome sowie einer Kombination labordiagnostischer Tests und dem raschen Ansprechen auf die Behandlung mit Glukokortikosteroiden gestellt wird (TIPOLD u. JAGGY 1994;

LOWRIE et al. 2009b).

Das typische klinische Bild einer akuten SRMA zeigt sich als akute, hochgradige Dolenz im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere zervikal, die in über 80 % der Fälle von Pyrexie bis zu 42°C begleitet wird. Weiterhin fallen die Patienten häufig durch eine Entlastungshaltung des Halses, steifen Gang und Apathie au (LOWRIE et al. 2009b;

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Literaturübersicht

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TIPOLD u. SCHATZBERG 2010; HILPERT et al. 2020). Eine Studie zeigte, dass 60 % der juvenilen Hunde, die mit Pyrexie vorgestellt wurden und bei denen keine infektiöse oder neoplastische Grunderkrankung vorlag, an SRMA litten (BLACK et al. 2019).

Differentialdiagnosen fieberhafter systemischer Erkrankungen bei juvenilen Hunden, wie zum Beispiel Diskospondylitis oder Zystitis können über Röntgen oder Computertomografie (CT) bzw. Urinanalysen ausgeschlossen werden. Der Ausschluss einer bakteriellen Meningitis ist ebenfalls zwingend erforderlich, da in diesem Fall eine immunsuppressive Behandlung fatal wäre (LOWRIE et al. 2009b;

ROSE u. HARCOURT-BROWN 2013).

Die chronisch-protrahierte oder atypische Verlaufsform der SRMA zeichnet sich durch rezidivierende zervikale Dolenz und neurologische Defizite in Form von Ataxie, Paresen oder Kopfnervenausfällen aus (TIPOLD u. JAGGY 1994; CIZINAUSKAS et al. 2000; LOWRIE et al. 2009b).

Pathologische Befunde des Herzens wie Epikarditis, Myokarditis, Perikarderguss, echografische Veränderungen oder Erhöhung des kardialen Troponin I kommen häufig vor (COVEY u. CONNOLLY 2018; SPENCE et al. 2019), die betroffenen Patienten zeigen jedoch in der Regel keine klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz und die Befunde normalisieren sich zumeist unter immunsupprimierender Therapie (SPENCE et al. 2019).

Ein klassischer, jedoch nicht pathognomonischer labordiagnostischer Befund bei SRMA ist eine Leukozytose im Blut mit Linksverschiebung, welche auf die systemische Natur der Erkrankung zurückzuführen ist (TIPOLD u. JAGGY 1994; CIZINAUSKAS et al. 2000).

Im CSF von unbehandelten Patienten mit akuter SRMA zeigt sich typischerweise eine mittel- bis hochgradige Erhöhung der kernhaltigen Zellen mit hohem Anteil an nicht- degenerierten neutrophilen Granulozyten sowie eine Erhöhung des Eiweißgehalts (TIPOLD u. JAGGY 1994; TIPOLD et al. 1995). Die gewonnenen Liquorproben stellen sich makroskopisch durch den hohen Eiweißgehalt oft trüb dar, zudem können sie hämorrhagisch oder xanthochrom (gelblich) erscheinen, was als Anzeichen für

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Literaturübersicht

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meningeale Blutungen gedeutet werden kann. Bei Patienten unter Therapie mit Glukokortikosteroiden oder der protrahierten Form der SRMA kann die Liquor- Untersuchung sowohl unauffällig sein, als auch eine gering- bis mittelgradige mononukleäre oder gemischt-zellige Pleozytose aufweisen, wodurch die sichere Diagnosestellung erschwert ist (CIZINAUSKAS et al. 2000; LOWRIE et al. 2009b).

Die Messung erhöhter IgA-Konzentrationen gepaarter Liquor- und Serumproben hat sich zwar als ein Verfahren mit hoher Sensitivität und guter Spezifität für die Diagnosestellung der SRMA erwiesen, allerdings können die Werte auch bei klinisch unauffälligen Hunden unter Therapie langfristig erhöht sein und Veränderungen der IgA-Konzentrationen sind sowohl bei primär als auch sekundär immunvermittelten Entzündungen möglich (MAIOLINI et al. 2012).

Zusätzlich ist bei vielen Patienten mit SRMA die Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP) erhöht, welches einen unspezifischen Marker systemischer Entzündungen darstellt (BATHEN-NOETHEN et al. 2008; LOWRIE et al. 2009a).

2.1.4. Therapie und Prognose

Um die starken Entzündungsprozesse durch die überschießende Immunreaktion zu dämpfen, gilt zurzeit die langfristige Therapie mit immunsuppressiven Dosen von Glukokortikosteroiden, in der Regel Prednisolon, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten als beste Behandlungsoption (CIZINAUSKAS et al. 2000; TIPOLD 2000; LOWRIE et al. 2009b; TIPOLD u. SCHATZBERG 2010). In seltenen Fällen mit nur geringer Zellzahlerhöhung im CSF und milder klinischer Symptomatik sprechen die Patienten auch auf die Gabe nicht-steroidaler Antiphlogistika (non-steroidal antiinflammatory drugs/NSAID) an, jedoch ist dann eine engmaschige Kontrolle indiziert (CIZINAUSKAS et al. 2000; TIPOLD u. SCHATZBERG 2010). Aufgrund des hohen Risikos gastrointestinaler Nebenwirkungen, das bei einer Langzeitgabe von Prednisolon oder NSAIDs immer zu berücksichtigen ist, sollte ergänzend eine

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Literaturübersicht

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gastroprotektive Medikation, z. B. in Form von Protonenpumpenhemmern, verabreicht werden (TIPOLD u. SCHATZBERG 2010).

Bei Rezidiven, unzureichendem Ansprechen auf die Therapie oder starken Nebenwirkungen durch Prednisolon kann die Gabe von Glukokortikosteroiden durch Chemotherapeutika wie Azathioprin, Cytarabin oder Ciclosporin ergänzt oder ersetzt werden (TIPOLD 2000; DEWEY u. DA COSTA 2016b; GUNTHER et al. 2020).

Prospektive kontrollierte Studien mit ausreichend großen Fallzahlen zur optimalen Therapie und Therapiedauer liegen jedoch derzeit nicht vor.

In der Regel sprechen die Patienten mit akuter SRMA rasch, innerhalb weniger Tage (LAU et al. 2019) bis Wochen (LOWRIE et al. 2009b), auf die Therapie an und zeigen eine vollständige Remission der klinischen Symptomatik, einschließlich Fieber, Dolenz und kardialer Veränderungen, weiterhin kommt es auch zu einer Normalisierung der Zellzahl im CSF. So ermittelten Lau et al. in einer nordamerikanischen Hundepopulation eine Remissionsrate von 98,4 % und eine vollständige Resolution der SRMA in 54 % der Patienten (LAU et al. 2019).

Es wird empfohlen, die Dosierung der immunsuppressiven Medikamente schrittweise und unter regelmäßiger klinischer Kontrolle zu reduzieren, wobei sowohl der Serum- CRP-Wert als auch die Zellzahl und die Eiweißkonzentration im CSF als Verlaufsparameter herangezogen und engmaschig kontrolliert werden sollten (BATHEN-NOETHEN et al. 2008; LOWRIE et al. 2009a). Die Messung der IgA- Konzentration in CSF oder Serum ist zur Feststellung einer erfolgreichen Therapie nicht sinnvoll, da sie auch bei Patienten in Remission unter Therapie langfristig erhöht bleiben kann (TIPOLD u. SCHATZBERG 2010).

Rezidive treten sowohl unter Therapie als auch nach Beendigung der immunsuppressiven Behandlung in 14-60 % der Fälle auf (CIZINAUSKAS et al. 2000;

BEHR u. CAUZINILLE 2006; BATHEN-NOETHEN et al. 2008; BIEDERMANN et al.

2016; LAU et al. 2019; HILPERT et al. 2020). Als Risikofaktoren für Rezidive wurden ein niedriger CRP-Gehalt im Serum und junges Alter bei Diagnosestellung der SRMA

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Literaturübersicht

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identifiziert, außerdem wurde bei Hündinnen eine höhere Rezidivrate als bei Rüden festgestellt (HILPERT et al. 2020). Ein höherer Gehalt an kernhaltigen Zellen in der Liquoranalysen erhöht für den Patienten das Risiko, mehrere Rezidive zu erleiden (LAU et al. 2019).

Während die Prognose für Patienten mit akuter SRMA insgesamt gut ist, muss bei Patienten mit chronisch-protrahierter SRMA mit wiederkehrenden Episoden zervikaler Dolenz und bleibenden neurologischen Defiziten gerechnet werden (TIPOLD u.

JAGGY 1994; CIZINAUSKAS et al. 2000). Außerdem kann die langfristige Behandlung mit Prednisolon und anderen Chemotherapeutika durch Nebenwirkungen die Lebensqualität der Tierhalter und Hunde beeinträchtigen (LAU et al. 2019; GUNTHER et al. 2020).

Die Mortalitätsrate der Erkrankung liegt bei 4,6-8,1 %, wobei die Tiere meist aufgrund starker Nebenwirkungen der Behandlung mit Prednisolon oder hochfrequenter Rezidive euthanasiert werden (TIPOLD u. JAGGY 1994; BIEDERMANN et al. 2016;

HILPERT et al. 2020).

2.2. Meningoenzephalitis unbekannter Genese

2.2.1. Formen

Die Bezeichnung „Meningoenzephalomyelitis unbekannter Genese“ (Englisch:

„Meningoencephalomyelitis of Unknown Origin“, MUO) ist ein Überbegriff für heterogene Unterformen idiopathischer, entzündlicher Veränderungen der Hirnhäute und des Gehirnparenchyms beim Hund (TALARICO u. SCHATZBERG 2010; COATES u. JEFFERY 2014). Dazu zählen die granulomatöse Meningoenzephalomyelitis (GME) sowie die nekrotisierende Enzephalitis (NE) (TALARICO u. SCHATZBERG 2010;

COATES u. JEFFERY 2014).

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Die Aufschlüsselung in verschiedene Typen erfolgt über eine Kombination von klinischen Symptomen, Signalement aufgrund der z.T. rassetypischen Veränderungen, Ergebnis der Liquoranalyse und Lokalisationen der Entzündungsherde im Gehirn mittels MRT (GRANGER et al. 2010; FLEGEL 2017).

Die Ausprägungen der Unterformen können jedoch überlappen, weshalb eine exakte Zuordnung zu einer spezifischen Krankheit mittels Routinediagnostik schwierig ist und der Goldstandard eine Gehirnbiopsie oder pathologische Untersuchung von betroffenem Parenchym post mortem erfordert (UCHIDA et al. 2016). Solange keine histopathologische Diagnose vorliegt, spricht man daher in Fällen, bei denen mittels Magnetresonanztomografie (MRT) und Liquoranalyse entzündliche Veränderungen der Meningen und des Gehirn- oder Rückenmarkparenchyms festgestellt wurden und keine Infektionserreger nachweisbar sind, übergreifend von MUO (ZARFOSS et al.

2006; TALARICO u. SCHATZBERG 2010).

Weitere idiopathische Meningitiden und entzündliche Gehirnerkrankungen beim Hund wie SRMA, die eosinophile Meningoenzephalitis und das idiopathische Tremor- Syndrom werden aufgrund der für diese Erkrankungen jeweils spezifischen klinischen Symptome und Befunde in den weiterführenden Untersuchungen (MRT, Liquoranalyse) nicht unter dem Überbegriff MUO zusammengefasst (COATES u.

JEFFERY 2014; CORNELIS et al. 2019).

Die granulomatöse Meningoenzephalomyelitis kann rein okulär, fokal oder multifokal vorkommen (BRAUND 1985; SORJONEN 1990) und tritt in Großhirn, Hirnstamm und oft auch im Rückenmark auf (MUNANA u. LUTTGEN 1998). Der Hirnstamm ist oft besonders stark betroffen. Insbesondere bei der fokalen Form kann ein deutlicher Masseeffekt auftreten (VANDEVELDE et al. 2012).

Die GME ist eine häufige neurologische Erkrankung beim Hund, laut älterer Studien liegt die Inzidenz der GME in westlichen Hundepopulationen bei 5-25 % (BRAUND 1985; TIPOLD 1995). Besonders prädisponiert sind mittelalte (4-8 Jahre) (GRANGER et al. 2010) Kleinhunde (ADAMO et al. 2007) und Terrier (MUNANA u. LUTTGEN 1998; TALARICO u. SCHATZBERG 2010).

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Histopathologisch finden sich angiozentrische, perivaskuläre, mononukleäre Zellinfiltrate, die Granulome formen können, in den Meningen, in der weißen Substanz bei chronischen und sowohl der weißen als auch der grauen Substanz bei akuten Verlaufsformen (SORJONEN 1990; VANDEVELDE et al. 2012). In manchen Fällen ist die Abgrenzung zu malignen neoplastischen Prozessen schwierig, weshalb historisch die Bezeichnung Retikulose genutzt wurde (VANDEVELDE et al. 1981).

Hunde, die an einer nekrotisierenden Enzephalitis erkranken, sind oft junge Toy- oder Kleinhunde (TALARICO u. SCHATZBERG 2010; COOPER et al. 2014), wobei Mops, Yorkshire Terrier, Chihuahua (CORDY u. HOLLIDAY 1989; HIGGINS et al. 2008;

TALARICO u. SCHATZBERG 2010) sowie Griffons Bruxellois, Coton de Tulear, Shih Tzu und Papillon (COOPER et al. 2014) überrepräsentiert sind. Das mediane Alter bei Auftreten der ersten Symptome liegt bei zweieinhalb Jahren, wobei es eine Spannbreite von sechs Monaten bis 7 Jahre gibt (GRANGER et al. 2010).

Bei der nekrotisierenden Meningoenzephalitis (NME), kommt es zu asymmetrischen extensiven, nicht-eitrigen Entzündungsprozessen mit Invasion von Plasmazellen, Lymphozyten und Histiozyten in graue und weiße Substanz des Großhirns und der Meningen, oft mit Verlust der Grenzen zwischen grauer und weißer Substanz und Midline-Shift (CORDY u. HOLLIDAY 1989; HIGGINS et al. 2008; YOUNG et al. 2009).

In fortgeschrittenen Stadien finden sich Kavitäten-Bildung und Ventrikulomegalie durch Malazie des Gehirnparenchyms (TALARICO u. SCHATZBERG 2010; COOPER et al. 2014).

Von der nekrotisierenden Leukenzephalitis (NLE) sind vor allem Hunde der Rassen Yorkshire Terrier (TIPOLD et al. 1993; DUCOTE et al. 1999) und Französische Bulldogge (TIMMANN et al. 2007; SPITZBARTH et al. 2010) betroffen. Bei dieser Unterform der NE besteht eine multifokale, nicht-eitrige, nekrotisierende Entzündung der weißen Substanz insbesondere des Großhirns, in der Regel ohne Beteiligung der Leptomeningen (TIPOLD et al. 1993; KUWAMURA et al. 2002; TIMMANN et al. 2007;

SPITZBARTH et al. 2010). Typisch sind eine gemistozytäre Astrogliose und später

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eine extensive Bildung von Kavitäten (TIPOLD et al. 1993; KUWAMURA et al. 2002;

TIMMANN et al. 2007).

2.2.2. Ätiologie

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die genaue Ätiologie der MUO unklar und aufgrund der Heterogenität der Krankheitsbilder ist es nicht sicher, ob allen dieselbe Pathophysiologie zugrunde liegt (COATES u. JEFFERY 2014). Momentan ist von einem multifaktoriellen Geschehen auszugehen, welches letztendlich zu einer komplexen Dysregulation der ZNS-Immunantwort und Versagen neuroprotektiver Prozesse führt (COATES u. JEFFERY 2014). Hierbei bewirken entweder das angeborene oder das adaptive Immunsystem oder beide Anteile gemeinsam mittels Zytokinproduktion eine vermehrte Migration peripherer Immunzellen ins ZNS sowie die Aktivierung von Astrozyten und die Polarisierung von Mikroglia (CARSON et al. 2006;

GERSHWIN 2010). Durch Schädigung von Neuronen sowie oxidativen Stress kann es zu einem sich selbst erhaltenden, neurotoxischen Entzündungskreislauf kommen (GERSHWIN 2010; KERSCHENSTEINER et al. 2010).

Bei den Rassen Mops, Malteser und Chihuahua wurden Risikogene, assoziiert mit dem dog leukocyte antigen (DLA) class II, welches Aspekte der Immunantwort reguliert, gefunden und es wurde postuliert, dass diese Veränderungen zu einer Prädisposition führen (GREER et al. 2010; BARBER et al. 2011; PEDERSEN et al.

2011; SCHRAUWEN et al. 2014). Als weitere potentielle Trigger werden Umweltfaktoren, Infektionserreger oder Entzündungsprozesse in der Peripherie des Körpers vermutet, da das ZNS immunologisch weniger privilegiert und abgeschottet ist, als lange Zeit angenommen wurde (CARSON et al. 2006). Bisher konnte bei Hunden mit MUO mittels verschiedener Nachweisverfahren kein infektiöses auslösendes Agens nachgewiesen werden (BARBER et al. 2010; HAN et al. 2015;

HOON-HANKS et al. 2018; COLLINET et al. 2020).

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2.2.3. Klinik und Diagnosestellung

Zur Diagnosestellung der MUO im klinischen Alltag wird eine Kombination aus Signalement der Patienten, klinischen Symptomen, MRT-Befunden und Ergebnissen der Liquoranalyse inklusive des Ausschlusses geographisch relevanter Infektionserreger wie Staupevirus oder Protozoen verwendet (GRANGER et al. 2010;

COATES u. JEFFERY 2014).

Stereotaktische, CT-kontrollierte oder freihändige Gehirnbiopsien und deren histopathologische Untersuchung sind der Goldstandard der prämortalen Diagnostik zur Differenzierung der MUO-Typen und zur Abgrenzung von neoplastischen oder infektiösen Prozessen und weisen eine diagnostische Korrektheit von 82 % (FLEGEL et al. 2012) bis 100 % (KOBLIK et al. 1999) auf. Da die Durchführung aufwendig und nicht risikoarm ist (FLEGEL et al. 2012; GUTMANN et al. 2020), handelt es sich jedoch in den meisten Kliniken noch nicht um Routineeingriffe.

Die sehr variablen, unspezifischen neurologischen Symptome sind in der Regel akut bis subakut-progressiv und entsprechen den jeweiligen betroffenen Gehirn- und Rückenmarksregionen (COATES u. JEFFERY 2014). Sie können sich sowohl als multifokale neurologische Ausfälle wie Bewusstseinsveränderungen oder vestibuläre Symptome zusammen mit weiteren Kopfnervenausfällen äußern (GRIFFIN et al. 2008;

COATES u. JEFFERY 2014), als auch fokale Großhirnsymptome wie Anfallsgeschehen, insbesondere bei NE, verursachen (YOUNG et al. 2009; COOPER et al. 2014).

Bis zu acht Prozent der Patienten mit GME zeigen klinische Anzeichen einer Myelopathie (GRIFFIN et al. 2008) wie propriozeptive Ataxie, Hyperästhesie oder Paresen.

Die Schnittbildverfahren MRT und Computertomografie sind im klinischen Alltag sinnvolle Puzzlestücke in der Diagnostik, um entzündliche intrakranielle von neoplastischen Prozessen abzugrenzen, wobei das MRT laut einer Studie eine hohe Spezifität (95,5 %) und Sensitivität (94,4 %) in der Diagnose von

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Meningoenzephalitiden aufweist (WOLFF et al. 2012). Die Abgrenzung zu zerebrovaskulären Veränderungen mittels Bildgebung ist jedoch ungenauer und weist nur eine Sensitivität von 38,9 % auf (WOLFF et al. 2012). In einer anderen Studie hatten im MRT 7% der Patienten mit MUO keinerlei detektierbare Läsionen in T2- gewichteten MRT-Schnittbildern, in der CT waren es sogar 14 % der Patienten (GRANGER et al. 2010). Hieraus wird ersichtlich, dass Schnittbildverfahren allein zur Diagnosestellung nicht ausreichen, sondern immer eine umfassende Beurteilung klinischer Daten und labormedizinischer sowie radiologischer Befunde sinnvoll ist (GRANGER et al. 2010; TALARICO u. SCHATZBERG 2010). Häufig zeigen in der MRT-Untersuchung nicht alle laut neurologischer Untersuchung betroffenen anatomischen Regionen Veränderungen, sodass vermutet werden muss, dass nur ein Teil der Läsionen darstellbar ist (GRANGER et al. 2010).

Zwar gibt es in den Schnittbildverfahren bestimmte Veränderungen, die jeweils bei den Unterformen der MUO, also GME oder NE, häufiger auftreten (TALARICO u.

SCHATZBERG 2010; FLEGEL 2017), eine genaue Angabe zur Aussagekraft des MRT bezüglich der Diagnostik der verschiedenen Typen mit histopathologisch bestätigten Fällen liegt zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht vor (CORNELIS et al. 2019).

Typische Befunde bei GME sind fokale, multifokale oder diffuse, im Vergleich zum umgebenden Parenchym hyperintense Areale in T2-gewichteten Sequenzen und der Fluid attenuating inversion recovery-Sequenz (FLAIR) mit variabler Kontrastmittelanreicherung (T1-gewichtete Sequenzen) in grauer und weißer Substanz des Großhirns, Zerebellums oder Hirnstamms und, seltener, Veränderungen des Rückenmarks (CHERUBINI et al. 2006). Oft finden sich Hinweise auf ein sekundäres vasogenes Ödem in den T2-gewichteten Sequenzen, aber nur minimale meningeale Veränderungen (CHERUBINI et al. 2006; TALARICO u. SCHATZBERG 2010; COATES u. JEFFERY 2014).

In Patienten mit NME finden sich intraaxial multifokale, asymmetrische Großhirnläsionen der grauen und weißen Substanz, die im Vergleich zu nicht

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betroffenem Parenchym hyperintens in T2-gewichteten Sequenzen und der FLAIR erscheinen, einen Verlust der Demarkierung grauer und weißer Substanz bedingen, sowie eine variable Aufnahme von Kontrastmittel in T1-gewichteten Sequenzen aufweisen (FLEGEL et al. 2008; TALARICO u. SCHATZBERG 2010). In einigen Fällen können auch Hirnstamm und Zerebellum verändert sein und es kann eine vermehrte Anreicherung von Kontrastmittel in den Meningen sowie Ventrikulomegalie auftreten (YOUNG et al. 2009; COATES u. JEFFERY 2014).

Typische Befunde in Fällen der NLE sind sowohl asymmetrische, intraaxiale Veränderungen der weißen Substanz in Großhirn und Hirnstamm, welche meist hyperintens (T2, FLAIR) im Vergleich zu nicht betroffener weißer Substanz sind (TALARICO u. SCHATZBERG 2010; COATES u. JEFFERY 2014; FLEGEL 2017), als auch Ventrikulomegalie und T1-hypointense, zystische Areale durch Gewebsnekrosen (TALARICO u. SCHATZBERG 2010; COATES u. JEFFERY 2014; FLEGEL 2017). Ein Masse-Effekt oder Anreicherung in den Meningen sind hingegen untypisch für NLE (COATES u. JEFFERY 2014; FLEGEL 2017).

Ein weiterer wichtiger Baustein der Diagnosestellung bei MUO ist die Analyse des Liquor cerebrospinalis in Kombination mit Auswertung der MRT-Befunde (GRANGER et al. 2010). Veränderungen der Zellzahl oder der Eiweißkonzentration in der Liquoranalyse allein sind jedoch nicht spezifisch für entzündliche, neoplastische oder vaskuläre Läsionen und können durch jegliche Störung der Blut-Hirn-Schranke, Invasion von Abwehrzellen aus der Peripherie oder artifiziell (iatrogen) bedingt sein (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Es ist zu beachten, dass je nach Studie 5-57 % der MUO- Fälle einen physiologischen Gehalt kernhaltiger Zellen im CSF aufweisen (MENAUT et al. 2008; GRANGER et al. 2010). Bei der Pleozytose handelt es sich in der Regel um mononukleäre Zellen, so wurden in 42 % der GME- und 71 % der MUO-Fälle vorwiegend Lymphozyten gefunden (GRANGER et al. 2010), während in NE-Fällen sowohl Monozyten als auch Lymphozyten gleichermaßen erhöht sein können (SMITH et al. 2009; GRANGER et al. 2010).

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Ein weiterer möglicher Befund ist eine albuminozytologische Dissoziation, also eine Erhöhung der Eiweißkonzentration bei physiologisch niedrigem Zellgehalt durch eine Schrankenstörung (TIPOLD 1995; BRETTSCHNEIDER et al. 2005).

Eine Handlungsempfehlung zum Einschluss von Studienpatienten in Abwesenheit der Möglichkeit zur Gehirnbiopsie für die Diagnosestellung der MUO wurde von Granger et al. in einem systematischen Review zusammengefasst (GRANGER et al. 2010).

Die Autoren führen folgende Punkte zur Diagnosestellung einer MUO auf:

1. Signalement und Klinik: Hund ist über 6 Monate alt, zeigt in der neurologischen Untersuchung multifokale oder diffuse Symptome.

2. Multiple, singuläre, oder diffuse intraaxiale, hyperintense Läsionen in T2- oder FLAIR- gewichteten MRT-Sequenzen.

3. Liquoranalyse: Erhöhung der kernhaltigen Zellkonzentration, über 50 % mononukleäre Zellen, gesonderte Untersuchung von Patienten mit einer Dominanz neutrophiler Granulozyten im Liquor.

4. Ausschluss relevanter Infektionserreger (entsprechend Geographie und Reiseanamnese) mittels Polymerase Chain Reaction (PCR), Antikörper-Titer (modifizierte Auflistung nach (GRANGER et al. 2010; COATES u. JEFFERY 2014)

2.2.4. Therapie und Prognose

Die Therapie der autoimmunen Meningoenzephalomyelitiden beim Hund ist zum jetzigen Zeitpunkt unspezifisch. Die empfohlene, langfristige Anwendung von Prednisolon und anderen Immunmodulatoren kann zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen (MERCIER u. BARNES HELLER 2015; HART u. WADDELL 2016) und sollte daher nur nach sicherer Diagnosestellung durchgeführt werden.

Aufgrund des heterogenen Krankheitsbildes und uneinheitlicher Einschlusskriterien in den vorliegenden Studien können keine spezifischen Therapieempfehlungen für die

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Subtypen der MUO gegeben werden und die Datenlage hinsichtlich des optimalen Therapieprotokolls ist nicht eindeutig (ADAMO et al. 2007; WONG et al. 2010).

Sicher ist jedoch, dass eine MUO unbehandelt langfristig letal verläuft und dass Immunsuppression und Entzündungshemmung, insbesondere durch Prednisolon, bislang die unverzichtbaren Eckpfeiler der Therapie darstellen (CORNELIS et al.

2019).

Eine Vielzahl kleinerer Studien hat Monotherapien mit Prednisolon (GRANGER et al.

2010; MERCIER u. BARNES HELLER 2015) oder Kombinationsprotokolle von Prednisolon mit Azathioprin (WONG et al. 2010), Ciclosporin (GNIRS 2006; ADAMO et al. 2007), Cytarabin (ZARFOSS et al. 2006; LOWRIE et al. 2016) und Mycofenolatmofetil (WOOLCOCK et al. 2016) evaluiert. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Einschlusskriterien lassen sich die medianen Überlebenszeiten (MÜZ) zwischen den Protokollen jedoch kaum vergleichen. Beispielhaft lag die MÜZ in der Studie von Woolcock et al. bei 731 Tagen (Bandbreite 43-1672 Tage (WOOLCOCK et al. 2016)), bei Adamo et al. wurde eine MÜZ von 930 Tagen angegeben (Bandbreite 60 bis > 1290 Tage (ADAMO et al. 2007)) und für die Behandlung mit einer Prednisolonmonotherapie fanden Mercier et al. eine MÜZ von 602 Tagen (Bandbreite 45-645 Tage (MERCIER u. BARNES HELLER 2015)).

Erste Studien zeigen auch eine Verbesserung der Symptome bei einer Kombination aus Prednisolon und Bestrahlung mit medianen Überlebenszeiten von 404 bis 476 Tagen und ohne Hinweis auf frühe Bestrahlungsschäden (MUNANA u. LUTTGEN 1998; BECKMANN et al. 2015).

Ergänzend kann je nach Ausprägung der klinischen Symptomatik (z. B.

Anfallsgeschehen) und im Falle eines erhöhten intrakraniellen Drucks oder Schockzustands eine symptomatische Therapie mit Antikonvulsiva wie Phenobarbital als Dauertherapie oder mit osmotisch wirksamen Medikamenten wie Mannitol, sowie eine intensivmedizinische Betreuung mit Dauertropfinfusion und Sauerstoffsupplementation angezeigt sein (COATES u. JEFFERY 2014).

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22 .

Da es keine standardisierten Protokolle gibt und die optimale Behandlungsdauer unklar ist, sollte individuell die Therapie anhand klinischen Monitorings (Resolution der neurologischen Defizite, wiederholte MRT-Kontrolle und Liquoranalyse) angepasst werden (COATES u. JEFFERY 2014). So zeigten jene Hunde einer Studie (65 % der gesamten Studienpopulation), bei denen trotz fortbestehender Veränderungen bei einer Kontrolle drei Monate nach Therapiebeginn mittels MRT und Liquoranalyse die Therapie ausgeschlichen wurde, ein Rezidiv (LOWRIE et al. 2013).

Die Prognose bei MUO ist insgesamt ungünstig (MUNANA u. LUTTGEN 1998), wobei etwa ein Drittel der Patienten innerhalb weniger Tage nach der Diagnose verstirbt (LOWRIE et al. 2013; CORNELIS et al. 2016). Hingegen haben Hunde, die die ersten drei Monate nach Diagnosestellung überleben, oft eine sehr lange Überlebensdauer mit partieller oder zum Teil vollständiger Remission der klinischen Symptome, insbesondere, wenn ein Kontroll-MRT nach drei Monaten eine Resolution der Läsionen zeigt (SMITH et al. 2009; LOWRIE et al. 2013).

Tiere, die mit Anfallsgeschehen oder herabgesetztem Bewusstsein vorgestellt werden, haben eine schlechtere Prognose (BATEMAN u. PARENT 1999; GRANGER et al.

2010) und ein höheres Risiko, innerhalb der ersten Woche nach Diagnose zu versterben (CORNELIS et al. 2016). Eine negative prognostische Aussagekraft bezüglich der Überlebensrate wurde zudem für erhöhte Laktatwerte in Blut und CSF (PORTERO et al. 2019) und verminderte Darstellbarkeit der zerebralen Sulci sowie bei einer Herniation des Zerebellums durch das Foramen magnum gezeigt (LOWRIE et al. 2013).

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2.3. Liquor cerebrospinalis

2.3.1. Allgemeines und Funktion

Drei Lagen von Meningen, die während der Embryogenese aus dem das Neuralrohr umgebenden Mesenchym entstehen, umhüllen Rückenmark, Gehirn und Nervenwurzeln. Sie bestehen aus der äußersten Schicht, die dem Knochen anliegt (Dura mater) und der inneren Schicht (Leptomeninx), die aus Arachanoidea und Pia mater besteht. Im Subarachnoidalraum zwischen Arachnoidea und Pia mater befindet sich CSF, der zudem die vier Gehirnventrikel und den Zentralkanal des Rückenmarks füllt (DE LAHUNTA et al. 2015).

Liquor cerebrospinalis ist ein Plasma-Ultrafiltrat mit niedrigem Eiweiß- und Zellgehalt, das physiologischerweise klar und farblos ist (DI TERLIZZI u. PLATT 2006). Bei gesunden Hunden enthält CSF keine Erythrozyten, maximal fünf Leukozyten pro μl und weist einen Eiweißgehalt zwischen 10-40 mg/dl auf, wobei der Proteingehalt bei lumbaler Entnahme höher sein kann als bei subokzipitaler Entnahme (DI TERLIZZI u.

PLATT 2006; DEWEY u. DA COSTA 2016a). Weitere im CSF gelöste Stoffe sind Glukose (60-80 % der Blutglukosekonzentration), Elektrolyte, insbesondere Natrium, und Enzyme (DI TERLIZZI u. PLATT 2006; DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Liquor cerebrospinalis hat in erster Linie protektive Aufgaben: Er dient als Volumenpuffer zum Ausgleich von Schwankungen im zerebralen Blutfluss und erhält so einen konstanten intrakraniellen Druck, bietet durch Auftriebskräfte Schutz vor mechanischen Traumata, reguliert die chemische Homöostase des ZNS und stellt außerdem eine Möglichkeit des interzellulären Transports von Nährstoffen im ZNS dar (DI TERLIZZI u. PLATT 2006; DE LAHUNTA et al. 2015).

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2.3.2. Synthese, Zirkulation und Absorption

Die Bildung des CSF erfolgt hauptsächlich in den zahlreichen Gefäßen des Choroidplexus der Seitenventrikel, dem dritten und vierten Ventrikel und deren auskleidenden kubischen Ependymzellen, sowie zu geringerem Teil im Subarachnoidalraum durch Filtration und Sekretion, wobei Elektrolyte und Glukose durch aktiven Transport die Blut-Hirn-Schranke überwinden (SATO et al. 1975;

SPEAKE et al. 2001; DI TERLIZZI u. PLATT 2006). Die Produktionsmenge beträgt beim Hund ca. 0,03-0,05 ml pro Minute, sodass 3-5 Mal täglich ein vollständiger Austausch des CSF gewährleistet wird (DE LAHUNTA et al. 2015).

Die Liquorzirkulation verläuft von den Lateralventrikeln über die Foramina interventriculares in den dritten Ventrikel und dann via Aquaeductus mesencephali in den vierten Ventrikel ventral des Zerebellums. Danach fließt der CSF über die Seitenaperturen des vierten Ventrikels in den Subarachnoidalraum (DE LAHUNTA et al. 2015). Die Liquorabsorption geschieht zum einen über kleine Aussackungen der Arachnoidea, die sogennanten Arachnoidalzotten, die sich in den Sinus venosus stülpen und auch an den Nervenwurzeln des Rückenmarks lokalisiert sind, wo sie für den unidirektionalen, passiven Abfluss des Liquors in das venöse Gefäßsystem sorgen. Zum anderen wird Liquor auch über parenchymale Gefäße des Gehirns und Rückenmarks und über das Lymphsystem drainiert (BULAT u. KLARICA 2011).

Der pulsatile intrakranielle Blutfluss, welcher sich durch vom Herzzyklus abhängige Füllungsvolumina der Gefäße auszeichnet, bedingt auch die Hydrodynamik des Liquorflusses (BHADELIA et al. 1997). Steigt der intrakranielle Druck durch Schwellung des Gehirnparenchyms bei Ödematisierung oder durch einen erhöhten peripheren systolischen Blutdruck und -zufluss, muss, der Monro-Kellie-Doktrin folgend, venöses Blut oder CSF aus dem Schädel entweichen, damit das Gesamtvolumen in der Schädelkalotte konstant bleibt. Der CSF dient also, durch stärkeren Abfluss nach caudal und folgende Absorption, als Volumenpuffer (GREITZ et al. 1992).

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2.3.3. Pathologische Befunde

Die routinemäßige Liquoranalyse ist ein sensitiver Teil der neurologischen Diagnostik, kann mangels Spezifität aber nicht in jedem Fall dazu dienen, eine definitive Diagnose zu stellen (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Aufgrund des physiologischerweise niedrigen Proteingehalts kommt es rasch zur Lyse kernhaltiger Zellen, weshalb der CSF zeitnah nach Entnahme, in der Regel innerhalb von 30-60 Minuten, zytologisch untersucht werden sollte (FRY et al. 2006; DI TERLIZZI u. PLATT 2009).

Färbung oder Trübung einer Liquorprobe sind immer als Auffälligkeit zu deuten, da physiologischer CSF wasserklar und farblos ist (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Eine rosafarbene oder rötliche Färbung deutet auf Blutbeimengungen hin und kann durch iatrogene Erythrozytenkontamination durch die Punktion oder eine akute subarachnoidale Hämorrhagie entstehen (COOK u. DENICOLA 1988).

Eine xanthochrome Färbung ist ein Hinweis auf eine subakute oder chronische Blutung mit Abbau von Methämoglobin oder Oxyhämoglobin, kann jedoch auch in Folge eines Ikterus auftreten (COOK u. DENICOLA 1988).

Eine Trübung kann durch stark erhöhten Gehalt an kernhaltigen Zellen über 500 Zellen/ μL oder hochgradige Erhöhung der Proteinkonzentration zustande kommen (DI TERLIZZI u. PLATT 2009; DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Pleozytose: Wenn mehr als 5 kernhaltige Zellen pro μL im CSF nachweisbar sind, handelt es sich um eine pathologische Zellzahlerhöhung (DI TERLIZZI u. PLATT 2009;

DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Je stärker die Meningen von der jeweiligen ZNS-Erkrankung betroffen sind und je hochgradiger die Migration von Entzündungszellen über die Bluthirnschranke erfolgt, desto höher die Zahl kernhaltiger Zellen im CSF (COOK u. DENICOLA 1988; DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Nach der Zellzählung sollte eine Differenzierung und zytologische Beurteilung der Zellen erfolgen, zum Beispiel mittels eines gefärbten Zytospin-Präparats auf einem

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Objektträger (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Hierdurch können Veränderungen der Zellstruktur oder -verteilung erkannt werden. Physiologischerweise dominieren im CSF mononukleäre Zellen und nur vereinzelt können nicht-degenerierte neutrophile Granulozyten vorkommen (DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Liegt eine Pleozytose mit mehr als 50 % mononukleären Zellen vor, ist dies ein typisches Anzeichen für eine MUO, insbesondere für eine GME (GRANGER et al.

2010; DEWEY u. DA COSTA 2016b). Es können aber auch protozoäre, rickettsiale oder chronisch-bakterielle Infektionen zu einer mononukleären Pleozytose führen (DEWEY u. DA COSTA 2016a). Eine lymphozytäre Pleozytose wird oft durch virale Meningoenzephalitiden wie Staupe oder aber durch eine NME verursacht (VANDEVELDE u. SPANO 1977; DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Eine hochgradige lymphozytäre Pleozytose kann auch beim ZNS-Lymphom vorkommen (SISO et al.

2017). Zur Absicherung der Diagnose kann mittels einer „Polymerase chain reaction for antigen receptor rearrangement“ (PARR)-Untersuchung die Zellklonalität dargestellt und die Pleozytose von einer reaktiven, polyklonalen Zellzahlerhöhung abgegrenzt werden (LIU et al. 2015a; EHRHART et al. 2019).

Eine neutrophile (suppurative) Pleozytose mit Dominanz neutrophiler Granulozyten kommt insbesondere bei der Steroid-responsiven Meningitis-Arteriitis oder bakteriellen Meningoenzephalitiden (RADAELLI u. PLATT 2002) vor, seltener bei Pilzinfektionen (COOK u. DENICOLA 1988, 1998; DI TERLIZZI u. PLATT 2009) oder Vorliegen eines Meningeoms (BAILEY u. HIGGINS 1986).

Eine Pleozytose mit Auftreten eosinophiler Granulozyten ist selten, sie kann bei der idiopathischen eosinophilen Enzephalitis des Hundes auftreten (BENNETT et al. 1997) oder durch aberrante parasitäre ZNS-Migration sowie Protozoeninfektionen verursacht werden (COOK u. DENICOLA 1988; CHRISMAN 1992).

Eine erhöhte Eiweißkonzentration über 30 mg/dl (subokzipitale Punktion) bzw. über 45 mg/dl (lumbale Punktion) (DI TERLIZZI u. PLATT 2009) kann durch vermehrte intrathekale Produktion, , z. B. von Immunglobulinen, oder durch eine Störung der Blut- Hirn-Schranke, eine sogenannte Schrankenstörung, auftreten (TIPOLD et al. 1994;

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BRETTSCHNEIDER et al. 2005) und wird am besten durch quantitative Verfahren detektiert. Eine Erhöhung des Eiweißgehalts ohne Zellzahlerhöhung nennt man albuminozytologische Dissoziation, sie ist zum Beispiel bei der Polyradikuloneuritis des Hundes beschrieben (CUMMINGS et al. 1982).

Unkompliziert, aber nur semiquantitativ, ist die Untersuchung mittels Pandy-Reagenz, einem Screening für Globuline. Bei dieser Untersuchung tritt bei Globulinkonzentrationen über 50 mg/dl eine Trübung des Liquors nach Zugabe des Reagens auf (DI TERLIZZI u. PLATT 2009).

Zur Eingrenzung eines SMRA-Verdachts kann mittels ELISA geprüft werden, ob in Liquor und Serum erhöhte IgA-Konzentrationen vorliegen (TIPOLD et al. 1994;

MAIOLINI et al. 2012).

Zur Diagnosestellung und Therapiewahl sollte bei Hinweis auf eine Meningoenzephalitis ausgeschlossen werden, ob eine Infektion des ZNS vorliegt (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Hierfür können bakterielle Kulturen in steril gewonnenem Liquor untersucht werden, wobei die Anzucht von Erregern aus Liquor selten gelingt (RADAELLI u. PLATT 2002). Zum Ausschluss viraler Erreger und Protozoen können PCR oder Antikörpertiter genutzt werden (DI TERLIZZI u. PLATT 2009).

2.4. Lipocalin-2

2.4.1. Allgemeines und Funktion

Lipocalin-2 oder Neutrophiles-Gelatinase-assoziiertes Lipocalin (NGAL) ist ein Glykoprotein, das auch als Siderocalin bezeichnet wird (DU et al. 2015). Das Siderocalin gehört zur Superfamilie der Lipocaline, bei denen es sich um niedermolekulare Sekretproteine handelt, die vielfältige Aufgaben in physiologischen und pathologischen Prozessen bakterieller, tierischer und pflanzlicher Organismen erfüllen (FLOWER 1996; BISHOP 2000; GRZYB et al. 2006). Lipocaline können Eisen und weitere hydrophobe Stoffe binden (FLO et al. 2004) und transportieren. NGAL

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bildet Komplexe mit anderen Molekülen wie zum Beispiel Matrixmetalloproteasen (YAN et al. 2001).

Es existiert eine Vielzahl von Synonymen, wobei zum jetzigen Zeitpunkt für das humane Glykoprotein meist die Begriffe Lipocalin-2 (LCN2) oder Neutrophiles- Gelatinase-assoziiertes Lipocalin (NGAL) gebräuchlich sind, was wiederum von der murinen Form durch Kleinschreibung (lipocalin2/lcn2) abgegrenzt wird (CHAKRABORTY et al. 2012). Die weiteren Namen wie „Human Neutrophil Lipocalin (HNL)“, „oncogene 24p“, „uterocalin“, „migration stimulating factor inhibitor (MFSI)“,

„superinducible protein 24“, „α2-microglobulin-related protein“ und viele weitere spiegeln die vielfältigen Funktionen dieses facettenreichen Proteins wider (CHAN et al. 1988; TRIEBEL et al. 1992; CHAKRABORTY et al. 2012). Ursprünglich wurde es zufällig bei der Erforschung von Onkogenen in murinen Nierenzellen (FLOWER et al.

1991) entdeckt und dann in humanen neutrophilen Granulozyten nachgewiesen (KJELDSEN et al. 1994).

Im Rahmen physiologischer und pathologischer Prozesse wird NGAL in einer Vielzahl von Geweben und Zellen exprimiert, insbesondere in peripheren Immunzellen wie neutrophilen Granulozyten (KJELDSEN et al. 1994) und Makrophagen (JUNG et al.

2012), aber auch im Knochenmark (COWLAND u. BORREGAARD 1997), in zahlreichen Epithelien (COWLAND et al. 2003; BORREGAARD u. COWLAND 2006), Endothelzellen (HAMZIC et al. 2013) und in Astrozyten (MARQUES et al. 2012; CHUN et al. 2015).

Die Funktionen des Proteins NGAL sind vielfältig, sie betreffen die angeborene Immunantwort (BORREGAARD u. COWLAND 2006; MARQUES et al. 2008) und autoimmune Entzündungsprozesse (DING et al. 2010; MARQUES et al. 2012), den Eisenmetabolismus (DEVIREDDY et al. 2005), die Organogenese und Zelldifferenzierung (KIM et al. 2011) sowie Apoptose (LEE et al. 2007) und Karzinogenese (KUBBEN et al. 2007; RODVOLD et al. 2012). Hierbei hat NGAL sowohl Funktionen bei physiologischen Prozessen (LEE et al. 2012b), als auch bei

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neurodegenerativen Prozessen (MESQUITA et al. 2014) und ist an Reaktionen auf Stress oder pathogene Noxen beteiligt (FERREIRA et al. 2015).

Als Teil der angeborenen Immunantwort agiert NGAL bakteriostatisch über die Sequestration von Eisen (FLO et al. 2004) und als Akute-Phase-Protein mit Beeinflussung der Chemotaxis und Rekrutierung von Immunzellen zum Entzündungsort (SICKINGER et al. 2013; SHUAI SHAO et al. 2016b). Es werden NGAL sowohl schädigende (EISEL et al. 2015; HAU et al. 2016) als auch regulatorische Effekte (GUGLANI et al. 2012; ZHUOMING LIU et al. 2013) auf autoimmune und infektiöse Entzündungsprozesse zugesprochen.

2.4.2. Lipocalin-2: Formen und Rezeptoren

Es wurde gezeigt, dass NGAL bei Mensch, Hund und Katze in verschiedenen Formen vorliegen kann: Beschrieben wurden ein Monomer mit 25 kDa, ein Disulfid- gebundenes Homodimer (46 kDa), ein Disulfid-gebundenes Heterodimer mit humaner neutrophiler Gelatinase sowie ein Komplex mit Matrixmetalloprotease 9 (135 kDa NGAL/MMP9 complex) (KJELDSEN et al. 1993a; KJELDSEN et al. 1993b; HSU et al.

2014a; WU et al. 2019). Es gibt Hinweise, dass sich die Konzentration der verschiedenen Formen bei gesunden Individuen und Patienten mit Erkrankungen des Harnapparats unterscheiden, so fanden Wu et. al im Urin gesunder Katzen vor allem den Komplex aus NGAL und MMP-9, das Monomer und Dimer jedoch bei Katzen mit Harnwegserkrankungen (WU et al. 2019). Ebenfalls eine unterschiedliche Häufigkeit der molekularen Formen fanden Hsu et al. im Urin von Hunden, wobei Tiere mit Nierenerkrankungen häufiger eine Erhöhung des NGAL-Monomers zeigten und Tiere mit Pyurie eine Erhöhung der Dimer-Konzentration im Vergleich zu Hunden ohne Pyurie aufwiesen (HSU et al. 2014a).

Bisher sind zwei spezifische Oberflächenrezeptoren für NGAL beschrieben: Low- density lipoprotein related protein-2 (LRP-2, Megalin) (HVIDBERG et al. 2005) und NGAL-Rezeptor 2 (Sloute carrier family 22 member 17/ SLC22A17) (DEVIREDDY et

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al. 2005). Megalin ist zuständig für die Internalisierung verschiedener Liganden wie notwendiger Nährstoffe, Hormone und Chemokine, welche dem intrazellulären Transport oder dem lysosomalen Abbau zugeführt werden (MARZOLO u. FARFAN 2011). Sowohl Megalin als auch NGAL-R2 initiieren die Endozytose von NGAL in die jeweiligen Zellen, NGAL-R2 ist zudem ein wichtiger Modulator der Eisenhomöostase (DEVIREDDY et al. 2005; HVIDBERG et al. 2005).

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2.4.3. Biomarker

Biomarker (biologische Marker) sind objektiv und reproduzierbar nachweisbare Moleküle, Strukturen oder biologische Prozesse, die dazu dienen, pathologische oder physiologische Prozesse oder das Ansprechen eines Individuums auf eine Behandlung zu evaluieren (STRIMBU u. TAVEL 2010). Ein Biomarker ist im Körper selbst oder als Metabolit in Körperflüssigkeiten messbar und hilft dabei, die Inzidenz einer Krankheit oder, als prognostischer Faktor, ihr Endergebnis vorherzusagen (STRIMBU u. TAVEL 2010). Obwohl beim Hund bereits Entzündungsmediatoren neuroinflammatorischer Erkrankungen evaluiert wurden (MAIOLINI et al. 2012;

SPITZBARTH et al. 2012), fehlen für klinisch relevante Erkrankungen wie SRMA und MUO weiterhin rasch messbare und möglichst wenig invasiv gewinnbare Biomarker zur genauen Diagnosestellung einerseits und für prognostische Vorhersagen und Therapiekontrollen andererseits (TIPOLD u. SCHATZBERG 2010; COATES u.

JEFFERY 2014).

2.4.4. Lipocalin-2 als Biomarker in der Humanmedizin

Aufgrund seiner Funktionen in benignen und malignen Prozessen ist NGAL ein relevanter klinischer Biomarker (ABELLA et al. 2015).

Besonders etabliert ist NGAL in der Humanmedizin als renaler Biomarker in verschiedenen Körperflüssigkeiten. Weil NGAL bei Schädigung des Tubulusepithels ansteigt, gilt es als wichtiger Frühmarker einer akuten Niereninsuffizienz , zumal es im Serum rascher und stärker steigt als Kreatinin und beim Menschen die NGAL- Konzentration in Serum und Urin eng mit dem Grad der Schädigung korreliert (HAASE et al. 2009; HAASE et al. 2011).

Bei verschiedenen infektiösen und autoimmunen Entzündungsprozessen ist die Bildung von NGAL gesteigert, sodass NGAL ebenfalls als Biomarker zur Überwachung der Progression von Lupus-Nephritis (TORRES-SALIDO et al. 2014), Vaskulitiden (CHEN et al. 2009), Identifikation des Schweregrads bei Psoriasis (ROMANI et al.

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2013) oder zur Differenzierung viraler und bakterieller Infektionen (XU et al. 1995) dienen kann.

Bei Sepsis kann NGAL als prognostischer Faktor und zur Früherkennung assoziierter Risikofaktoren wie akutem Nierenversagen und myokardialer Schäden dienen (LEELAHAVANICHKUL et al. 2016; WANG et al. 2017a).

Bei vielfältigen neurologischen Erkrankungen wird NGAL als diagnostischer oder prognostischer Biomarker postuliert, so zum Beispiel als Marker für kognitive Einschränkungen (CHOI et al. 2011), prognostischer Faktor bei Gliomen (LIU et al.

2015b) und deren Therapieresistenz (ZHENG et al. 2009) sowie für die Diagnose eines neuropsychiatrischen systemischen Lupus erythematodes (BRUNNER et al. 2014) oder multipler Sklerose (KHALIL et al. 2016).

Da eine Beteiligung von NGAL an der Progression verschiedener maligner Prozesse bekannt ist, untersuchten Roli et al. in einer neuen systematischen Metaanalyse die Eignung als Biomarker bei Neoplasien und fanden prognostische Relevanz des NGAL bei kolorektalen Tumoren und Brustkrebs (ROLI et al. 2017).

2.4.5. Lipocalin-2 als Biomarker in der Veterinärmedizin

Auch in der Veterinärmedizin wächst das Interesse an NGAL als diagnostischem und prognostischem Biomarker, vor allem zur frühen Erkennung des akuten Nierenversagens (NABITY et al. 2012).

Lee et al. entwickelten einen ELISA für den Nachweis von caninem NGAL in Serum und Urin und identifizierten NGAL im Urin (uNGAL) als sensitiven und spezifischen Biomarker zur Erkennung eines beginnenden postoperativen Nierenversagens beim Hund (LEE et al. 2012a). Diese Ergebnisse wurden in experimentellen Studien zur frühen Detektion einer Gentamycin-induzierten Nephrotoxizität und bei Untersuchungen zur akuten Niereninsuffizienz bei Hunden mit Hitzschlag bestätigt (KAI et al. 2013; SEGEV et al. 2015; PALM et al. 2016). Ebenso wurde gezeigt, dass

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