• Keine Ergebnisse gefunden

2. Literaturübersicht

2.3. Liquor cerebrospinalis

2.3. Liquor cerebrospinalis

2.3.1. Allgemeines und Funktion

Drei Lagen von Meningen, die während der Embryogenese aus dem das Neuralrohr umgebenden Mesenchym entstehen, umhüllen Rückenmark, Gehirn und Nervenwurzeln. Sie bestehen aus der äußersten Schicht, die dem Knochen anliegt (Dura mater) und der inneren Schicht (Leptomeninx), die aus Arachanoidea und Pia mater besteht. Im Subarachnoidalraum zwischen Arachnoidea und Pia mater befindet sich CSF, der zudem die vier Gehirnventrikel und den Zentralkanal des Rückenmarks füllt (DE LAHUNTA et al. 2015).

Liquor cerebrospinalis ist ein Plasma-Ultrafiltrat mit niedrigem Eiweiß- und Zellgehalt, das physiologischerweise klar und farblos ist (DI TERLIZZI u. PLATT 2006). Bei gesunden Hunden enthält CSF keine Erythrozyten, maximal fünf Leukozyten pro μl und weist einen Eiweißgehalt zwischen 10-40 mg/dl auf, wobei der Proteingehalt bei lumbaler Entnahme höher sein kann als bei subokzipitaler Entnahme (DI TERLIZZI u.

PLATT 2006; DEWEY u. DA COSTA 2016a). Weitere im CSF gelöste Stoffe sind Glukose (60-80 % der Blutglukosekonzentration), Elektrolyte, insbesondere Natrium, und Enzyme (DI TERLIZZI u. PLATT 2006; DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Liquor cerebrospinalis hat in erster Linie protektive Aufgaben: Er dient als Volumenpuffer zum Ausgleich von Schwankungen im zerebralen Blutfluss und erhält so einen konstanten intrakraniellen Druck, bietet durch Auftriebskräfte Schutz vor mechanischen Traumata, reguliert die chemische Homöostase des ZNS und stellt außerdem eine Möglichkeit des interzellulären Transports von Nährstoffen im ZNS dar (DI TERLIZZI u. PLATT 2006; DE LAHUNTA et al. 2015).

Literaturübersicht

24

2.3.2. Synthese, Zirkulation und Absorption

Die Bildung des CSF erfolgt hauptsächlich in den zahlreichen Gefäßen des Choroidplexus der Seitenventrikel, dem dritten und vierten Ventrikel und deren auskleidenden kubischen Ependymzellen, sowie zu geringerem Teil im Subarachnoidalraum durch Filtration und Sekretion, wobei Elektrolyte und Glukose durch aktiven Transport die Blut-Hirn-Schranke überwinden (SATO et al. 1975;

SPEAKE et al. 2001; DI TERLIZZI u. PLATT 2006). Die Produktionsmenge beträgt beim Hund ca. 0,03-0,05 ml pro Minute, sodass 3-5 Mal täglich ein vollständiger Austausch des CSF gewährleistet wird (DE LAHUNTA et al. 2015).

Die Liquorzirkulation verläuft von den Lateralventrikeln über die Foramina interventriculares in den dritten Ventrikel und dann via Aquaeductus mesencephali in den vierten Ventrikel ventral des Zerebellums. Danach fließt der CSF über die Seitenaperturen des vierten Ventrikels in den Subarachnoidalraum (DE LAHUNTA et al. 2015). Die Liquorabsorption geschieht zum einen über kleine Aussackungen der Arachnoidea, die sogennanten Arachnoidalzotten, die sich in den Sinus venosus stülpen und auch an den Nervenwurzeln des Rückenmarks lokalisiert sind, wo sie für den unidirektionalen, passiven Abfluss des Liquors in das venöse Gefäßsystem sorgen. Zum anderen wird Liquor auch über parenchymale Gefäße des Gehirns und Rückenmarks und über das Lymphsystem drainiert (BULAT u. KLARICA 2011).

Der pulsatile intrakranielle Blutfluss, welcher sich durch vom Herzzyklus abhängige Füllungsvolumina der Gefäße auszeichnet, bedingt auch die Hydrodynamik des Liquorflusses (BHADELIA et al. 1997). Steigt der intrakranielle Druck durch Schwellung des Gehirnparenchyms bei Ödematisierung oder durch einen erhöhten peripheren systolischen Blutdruck und -zufluss, muss, der Monro-Kellie-Doktrin folgend, venöses Blut oder CSF aus dem Schädel entweichen, damit das Gesamtvolumen in der Schädelkalotte konstant bleibt. Der CSF dient also, durch stärkeren Abfluss nach caudal und folgende Absorption, als Volumenpuffer (GREITZ et al. 1992).

Literaturübersicht

25

2.3.3. Pathologische Befunde

Die routinemäßige Liquoranalyse ist ein sensitiver Teil der neurologischen Diagnostik, kann mangels Spezifität aber nicht in jedem Fall dazu dienen, eine definitive Diagnose zu stellen (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Aufgrund des physiologischerweise niedrigen Proteingehalts kommt es rasch zur Lyse kernhaltiger Zellen, weshalb der CSF zeitnah nach Entnahme, in der Regel innerhalb von 30-60 Minuten, zytologisch untersucht werden sollte (FRY et al. 2006; DI TERLIZZI u. PLATT 2009).

Färbung oder Trübung einer Liquorprobe sind immer als Auffälligkeit zu deuten, da physiologischer CSF wasserklar und farblos ist (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Eine rosafarbene oder rötliche Färbung deutet auf Blutbeimengungen hin und kann durch iatrogene Erythrozytenkontamination durch die Punktion oder eine akute subarachnoidale Hämorrhagie entstehen (COOK u. DENICOLA 1988).

Eine xanthochrome Färbung ist ein Hinweis auf eine subakute oder chronische Blutung mit Abbau von Methämoglobin oder Oxyhämoglobin, kann jedoch auch in Folge eines Ikterus auftreten (COOK u. DENICOLA 1988).

Eine Trübung kann durch stark erhöhten Gehalt an kernhaltigen Zellen über 500 Zellen/ μL oder hochgradige Erhöhung der Proteinkonzentration zustande kommen (DI TERLIZZI u. PLATT 2009; DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Pleozytose: Wenn mehr als 5 kernhaltige Zellen pro μL im CSF nachweisbar sind, handelt es sich um eine pathologische Zellzahlerhöhung (DI TERLIZZI u. PLATT 2009;

DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Je stärker die Meningen von der jeweiligen ZNS-Erkrankung betroffen sind und je hochgradiger die Migration von Entzündungszellen über die Bluthirnschranke erfolgt, desto höher die Zahl kernhaltiger Zellen im CSF (COOK u. DENICOLA 1988; DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Nach der Zellzählung sollte eine Differenzierung und zytologische Beurteilung der Zellen erfolgen, zum Beispiel mittels eines gefärbten Zytospin-Präparats auf einem

Literaturübersicht

26

Objektträger (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Hierdurch können Veränderungen der Zellstruktur oder -verteilung erkannt werden. Physiologischerweise dominieren im CSF mononukleäre Zellen und nur vereinzelt können nicht-degenerierte neutrophile Granulozyten vorkommen (DEWEY u. DA COSTA 2016a).

Liegt eine Pleozytose mit mehr als 50 % mononukleären Zellen vor, ist dies ein typisches Anzeichen für eine MUO, insbesondere für eine GME (GRANGER et al.

2010; DEWEY u. DA COSTA 2016b). Es können aber auch protozoäre, rickettsiale oder chronisch-bakterielle Infektionen zu einer mononukleären Pleozytose führen (DEWEY u. DA COSTA 2016a). Eine lymphozytäre Pleozytose wird oft durch virale Meningoenzephalitiden wie Staupe oder aber durch eine NME verursacht (VANDEVELDE u. SPANO 1977; DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Eine hochgradige lymphozytäre Pleozytose kann auch beim ZNS-Lymphom vorkommen (SISO et al.

2017). Zur Absicherung der Diagnose kann mittels einer „Polymerase chain reaction for antigen receptor rearrangement“ (PARR)-Untersuchung die Zellklonalität dargestellt und die Pleozytose von einer reaktiven, polyklonalen Zellzahlerhöhung abgegrenzt werden (LIU et al. 2015a; EHRHART et al. 2019).

Eine neutrophile (suppurative) Pleozytose mit Dominanz neutrophiler Granulozyten kommt insbesondere bei der Steroid-responsiven Meningitis-Arteriitis oder bakteriellen Meningoenzephalitiden (RADAELLI u. PLATT 2002) vor, seltener bei Pilzinfektionen (COOK u. DENICOLA 1988, 1998; DI TERLIZZI u. PLATT 2009) oder Vorliegen eines Meningeoms (BAILEY u. HIGGINS 1986).

Eine Pleozytose mit Auftreten eosinophiler Granulozyten ist selten, sie kann bei der idiopathischen eosinophilen Enzephalitis des Hundes auftreten (BENNETT et al. 1997) oder durch aberrante parasitäre ZNS-Migration sowie Protozoeninfektionen verursacht werden (COOK u. DENICOLA 1988; CHRISMAN 1992).

Eine erhöhte Eiweißkonzentration über 30 mg/dl (subokzipitale Punktion) bzw. über 45 mg/dl (lumbale Punktion) (DI TERLIZZI u. PLATT 2009) kann durch vermehrte intrathekale Produktion, , z. B. von Immunglobulinen, oder durch eine Störung der Blut-Hirn-Schranke, eine sogenannte Schrankenstörung, auftreten (TIPOLD et al. 1994;

Literaturübersicht

27

BRETTSCHNEIDER et al. 2005) und wird am besten durch quantitative Verfahren detektiert. Eine Erhöhung des Eiweißgehalts ohne Zellzahlerhöhung nennt man albuminozytologische Dissoziation, sie ist zum Beispiel bei der Polyradikuloneuritis des Hundes beschrieben (CUMMINGS et al. 1982).

Unkompliziert, aber nur semiquantitativ, ist die Untersuchung mittels Pandy-Reagenz, einem Screening für Globuline. Bei dieser Untersuchung tritt bei Globulinkonzentrationen über 50 mg/dl eine Trübung des Liquors nach Zugabe des Reagens auf (DI TERLIZZI u. PLATT 2009).

Zur Eingrenzung eines SMRA-Verdachts kann mittels ELISA geprüft werden, ob in Liquor und Serum erhöhte IgA-Konzentrationen vorliegen (TIPOLD et al. 1994;

MAIOLINI et al. 2012).

Zur Diagnosestellung und Therapiewahl sollte bei Hinweis auf eine Meningoenzephalitis ausgeschlossen werden, ob eine Infektion des ZNS vorliegt (DI TERLIZZI u. PLATT 2009). Hierfür können bakterielle Kulturen in steril gewonnenem Liquor untersucht werden, wobei die Anzucht von Erregern aus Liquor selten gelingt (RADAELLI u. PLATT 2002). Zum Ausschluss viraler Erreger und Protozoen können PCR oder Antikörpertiter genutzt werden (DI TERLIZZI u. PLATT 2009).