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erglichen mit dem ursprünglichen Ungetüm, dem „Gesundheitssy- stemmodernisierungsgesetz“ aus dem Hause Schmidt, ist das nunmehr verabschiedete und am 1. Januar 2004 in Kraft tretende „GKV-Modernisierungs- gesetz (GMG)“ ein echter Fortschritt, zumal für die Ärzte. Sie sind noch einmal davongekommen.Das GMG wird die medizinisch- ärztliche Versorgung, nämlich die Lei- stungen für die Patienten und die Strukturen im ambulanten und sta- tionären Sektor, mittelfristig verändern – nicht unbedingt verbessern. Das ist auf den ersten Blick nicht immer erkennbar.
Um die neuen Gesetzesziele besser verstehen zu können, ein kurzer Blick zurück. Geplant war von Ulla Schmidt und ihren Beratern eine komplette Veränderung der Ver- sorgungslandschaft. Die ambulant täti- gen Fachärzte sollten aussterben, die Hausärzte sollten im Wesentlichen die Steuerung der ambulanten Versorgung übernehmen, Kollektivverträge hätte es nur für Hausärzte geben dürfen, für Fachärzte waren Einzelverträge mit den Krankenkassen vorgesehen, ein Netz von Gesundheitszentren sollte das Land überziehen, die Krankenhäuser sollten für die spezialärztliche Versor- gung geöffnet werden, und ein dem Bundesgesundheitsministerium direkt zugordnetes Institut sollte festlegen, wie die ärztliche Versorgung und die Leistungen, die Patienten erhalten dür- fen, auszusehen hätten.
So weit in Kurzform und unvollstän- dig die Pläne. Das jetzt in Kraft tretende GMG ist auf dem Weg zu diesem Ziele auf halbem Wege stehen geblieben.
Die Planer im Hintergrund wurden von den Politikern gestoppt. Nebenbei be- merkt war das auch eine ansehnliche Leistung der ärztlichen Repräsentanten
von Bundesärztekammer und Kassen- ärztlicher Bundesvereinigung.
Was nun kommt, ist freilich nicht ohne. Über der Aufregung in Sachen Praxisgebühr darf nicht übersehen wer- den, was sich in der ambulanten und stationären Versorgung demnächst än- dert. Zum Beispiel werden medizini- sche Versorgungszentren eingerichtet.
Die Krankenkassen sind verpflichtet, flächendeckend „hausärztlich zentrier- te Versorgungsformen“ anzubieten, sie können Direktverträge mit Hausärz- ten schließen (wobei diese das nicht wollen).
Die medizinischen Versorgungszen- tren können sich „aller zulässigen Orga- nisationsformen“ bedienen. Sie dürfen allerdings nur von Leistungserbringern betrieben werden (das sind bekanntlich nicht nur Ärzte). Insgesamt ermöglicht es das Gesetz, Ketten kapitalorientier- ter Zentren einzurichten. Die Kas- senärztlichen Vereinigungen sollen da- bei nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich außen vor bleiben. Aller- dings könnten sie über Parallelorgani- sationen Ärzten, die sich zusammen- schließen wollen, Hilfestellung geben.
Eine Chance, die, wie zu hören ist, ge- nutzt werden wird.
Die Integrierte Versorgung soll nun- mehr tatsächlich Realität werden. Die Kassen werden dazu Direktverträge unter Umgehung der Kassenärztlichen Vereinigungen abschließen, ein Prozent der Vergütungen soll für diesen Zweck zur Verfügung stehen.
Das staatliche Institut für Qualität kommt zwar nicht, wohl aber eines im Rahmen der Selbstverwaltung. Der neu formierte „gemeinsame Bundes-
ausschuss“ wird sich dieses Instruments bedienen. Dieses Gremium, das den bisherigen Koordinierungsausschuss ab- lösen wird und Vorgaben sowohl für die ambulante wie für die stationäre Ver- sorgung erarbeiten und erlassen wird, dürfte eine der einflussreichsten Insti- tutionen in dem neu formierten Ge- sundheitswesen werden. Er regelt näm- lich demnächst, was diagnostisch und therapeutisch zulässig ist, nimmt die Bewertung evidenzbasierter Leitlinien vor, gibt Empfehlungen zu Disease- Management-Programmen und bewer- tet den Nutzen von Arzneimitteln.
Für die Kassenärzte wird ein Zuckerstückchen bereitgehalten, damit sie all die Vorgaben, denen sie unterliegen, etwas schmack- hafter finden. Ab 2007 nämlich soll es feste Regelpunktwerte geben, sollen Regelleistungsvolumina unter Be- rücksichtigung der Morbidität eingeführt werden. Auf der Gegenseite stehen die neu geschliffenen Messer zur Wirtschaft- lichkeitsprüfung, die von Prüfungsspe- zialisten eingesetzt werden. Immerhin, der Instrumentenkasten kommt in die Hände der Selbstverwaltung, was deren Beliebtheit bei den Kassenärzten nicht gerade steigern wird. Die Selbstver- waltung wird folglich sehen müssen, dass die Verfahren transparent und ein- sichtig sind.
Eins leistet die Gesundheitsreform mit Sicherheit nicht – Beitragsstabilität.
Die wurde zwar versprochen. Es fällt aber auf, dass die ursprüngliche Ver- heißung, den Beitragssatz auf unter 13 Prozent zu senken, stillschweigend be- graben wurde. Die Kassen werden froh sein, wenn sie bei 14 Prozent landen.
Damit bleibt das Finanzierungspro- blem, das ja angeblich diese Gesundheits- reform nötig gemacht hat, bestehen. Das soll die nächste Gesundheitsreform er- ledigen. Schau’n wir mal. Norbert Jachertz P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003 AA2913