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Archiv "Arzneimittel: Der Traum vom gerechten Preis" (17.10.2008)

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A2196 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 42⏐⏐17. Oktober 2008

P O L I T I K

D

ie Experten waren mehr als erstaunt. Peter Thelen, erfah- rener Wirtschaftsredakteur beim

„Handelsblatt“, verstand die Indus- triewelt nicht mehr: „Dass Pharma- unternehmer nach einer Preisregu- lierung rufen, habe ich mir nicht vorstellen können.“ Schließlich sei es doch das ureigene Recht eines Unternehmers zu entscheiden, zu welchem Preis ein Produkt auf den Markt komme.

Der Nutzen als Maßstab

Auslöser der kollektiven Verwunde- rung war, dass sich der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) die Empfehlungen eines Gutachtens zu eigen gemacht hat, das er bei Prof.

Dr. Stefan Groß, Hochschule Fulda, und Prof. Dr. Jürgen Wasem, Univer- sität Duisburg-Essen, in Auftrag ge- geben hatte. In diesem Gutachten, das Wasem auf der BAH-Jahresver- sammlung Ende September in Ber- lin vorstellte, wird nichts anderes als eine zentrale Preisfestsetzung bei ver- schreibungspflichtigen Arzneimit- teln in der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) gefordert. Und zwar sollen sich die Preise am Nut- zen der Medikamente orientieren.

Der Totengräber einer freien Preisbildung wolle man nicht sein, stellte der BAH-Vorsitzende Hans- Georg Hoffmann heraus. Aber wenn die Preisfindung ohnehin wie bei den Festbeträgen außerhalb der Unter- nehmen stattfinde, müsse dies auf rationale Weise geschehen. Vor al- lem aus Sicht der mittelständischen Pharmaunternehmen, die im BAH stark vertreten sind, besteht Hand- lungsbedarf, weil die Gutachter die- se Unternehmen in ihrer Existenz bedroht sehen. Sie schreiben, das ra- sante Vordringen der Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Her-

stellern im generikafähigen Markt begünstige die großen Anbieter, weil diese Verträge für ein ganzes Pro- duktsortiment anbieten, Liefergaran- tien gewähren und Niedrigpreise längere Zeit durchhalten könnten.

„Massiver und für einige Hersteller ruinöser Preiswettbewerb ist die Folge.“ So lag der Umsatz der zehn größten Unternehmen, die erfolg- reich bei Rabattverträgen agiert ha- ben, im zweiten Quartal 2008 um 20 Prozent über dem im Vorjahres- zeitraum, der Umsatz der kleineren Anbieter ist um 21 Prozent gesun- ken. Kleine und mittlere Hersteller müssten schließen, wenn sie bei Aus- schreibungen nicht den Zuschlag für ihre Hauptprodukte bekämen, sagte Wasem. Deshalb würden nur wenige

Große überleben. Vor einem solchen Oligopol warnen die Gutachter: „Je kleiner die Zahl der Anbieter wird, desto wahrscheinlicher werden Preis- kartelle und Preisabsprachen zulas- ten der gesellschaftlichen Wohlfahrt.“

Noch viele Fragen offen

Vor diesem Hintergrund schlagen sie ein Modell vor, dass die Rabatt- verträge, aber auch die Arzneimit- telfestbeträge ersetzen soll und in der Einführungsphase für die GKV ausgabenneutral sein werde. Die Er- stattungspreise innerhalb der GKV sollen auf der Basis einer flächen- deckenden Kosten-Nutzen-Bewer- tung zentral so festgelegt werden, dass sie das Nutzenverhältnis der Arzneimittel untereinander wider- spiegeln. Dazu müssten zunächst innerhalb einer Indikation je Arz- neimittelgruppe „Nutzenpunkte“ er- mittelt werden, danach in der Ge- genüberstellung unterschiedlicher Indikationen. Wasem räumte ein, dass die Frage, wie der Nutzen ge- messen werde, noch zu klären sei.

Geht es um den gerechten Preis? Ja, bestätigt der Ökonom, das Modell ziele auf mehr Gerechtigkeit ab.

In der ersten Reaktion der Exper- ten überwog die Skepsis. Für den von Festbeträgen abgedeckten Arz- neimittelmarkt werde kein neues In- strument benötigt, sagte Wolfgang Kaesbach, Arzneimittelexperte beim Spitzenverband Bund der GKV. Im Nichtfestbetragsmarkt sei die Welt nicht in Ordnung, hier sei das Mo- dell ein Ansatz. Kaesbach verwies auf die Schwierigkeiten bei der Rea- lisierung der im Gesetz schon vor- gesehenen Kosten-Nutzen-Bewer- tung. Deshalb regte er an, für Wa- sems Gutachten einen anderen Titel zu wählen: „I have a dream.“ I Heinz Stüwe

ARZNEIMITTEL

Der Traum vom gerechten Preis

Richtgrößen, Wirtschaftlichkeitsprüfung, Festbeträge, Zielpreisvereinbarung,

Bonus-Malus-Regelung – der Gesetzgeber war und ist kreativ, wenn es darum geht, die Arzneimittelkosten unter Kontrolle zu halten. Ein neuer Vorschlag zur

zentralen Preisregulierung kommt nun ausgerechnet aus der Industrie.

FESTBETRÄGE UND RABATTE

Nur die Preise für rezeptfreie Arzneimittel, die bis auf Ausnahmen seit 2004 nicht mehr von der GKV erstattet werden, dürfen frei kalkuliert werden. Hier ist Preiswett- bewerb möglich. Für verschreibungspflichtige Präpa- rate dagegen gilt ein bundeseinheitlicher Apotheken- abgabepreis, wobei die Zuschläge für Großhandel und Apotheke auf den Herstellerabgabepreis gesetzlich fi- xiert sind. Auf die Preisbildung der Hersteller wird seit 1989 nicht direkt, umso wirksamer aber indirekt über Festbeträge Einfluss genommen: Das sind Erstattungs- höchstgrenzen der GKV, die für bestimmte Gruppen von Arzneimitteln vom Spitzenverband Bund der Kranken- kassen festgesetzt werden. Sie existieren für zwei Drittel der zulasten der GKV verordneten Arzneimittel, seit 2004 auch für solche mit patentgeschützten Wirkstoffen.

Seit 2007 haben Rabattverträge zwischen Krankenkas- sen und Herstellern einen enormen Aufschwung erlebt.

Knapp 40 Prozent aller Packungen im generikafähigen Markt sind rabattiert. Denn in diesem Segment ist der Apotheker im Rahmen der Aut-idem-Substitution ver- pflichtet, das Mittel abzugeben, für das die jeweilige Kasse einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Die Ra- batthöhen wurden bislang nicht offengelegt.

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