Arzneimittel-Verordnung
Weitere
Festbeträge in
der Anhörung
Die Spitzenverbände der gesetz- lichen Krankenversicherung haben das Anhörungsverfahren für weitere Arzneimittel-Festbeträge eröffnet.
Neben den Wirkstoffen Griseofulvin und Lithium der sogenannten Fest- betragsstufe 1 (Arzneimittel mit identischen Wirkstoffen) zählen da- zu 41 Wirkstoffe der Festbetragsstu- fe 2 (Arzneimittel mit pharmakolo- gisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen).
Zum ersten Mal sind nunmehr auch Wirkstoffkombinationen nach der dritten Festbetragsstufe, den Arzneimitteln mit pharmakologisch- therapeutisch vergleichbarer Wir- kung, im Anhörungsverfahren. Kon- kret handelt es dabei um Kombina- tionen von Acetylsalicylsäure mit Antacida beziehungsweise mit Puf- fersubstanzen.
Alle Wirkstoffe zusammen be- treffen nach Angaben des federfüh- renden Bundesverbandes der Be- triebskrankenkassen 113 Präparate mit 462 Fertigarzneimittelpackun- gen. Der Umsatz dieser Medikamen- te liegt gegenwärtig bei rund 527 Millionen Mark im Jahr. Die Kran- kenkassen würden bei den vorge- schlagenen Festbeträgen etwa 22 Millionen Mark jährlich einsparen. Als Einführungstermin für die neuen Festbeträge ist der 1. Januar 1992 vorgesehen.
Insgesamt, so der Bundesver- band der Betriebskrankenkassen, be- trägt das Umsatzvolumen des Fest- betragsmarktes zu Beginn des kom- menden Jahres 6, 7 Milliarden Mark (Berechnungsbasis 1989). Das ent- spricht 32,4 Prozent der Gesamtaus- gaben der gesetzlichen Krankenver- sicherung für Arzneimittel. In ande- ren Worten: Der weitaus größere Teil der Arzneimittel ist bislang noch nicht mit einem Festbetrag versehen.
Vor diesem Hintergrund appel- lieren die Spitzenverbände der Kran- kenkassen erneut an die Bundesge- sundheitsministerin Gerda Hassel- feldt, die durch das Gesundheits-Re- formgesetz für den 1. Januar 1992 vorgesehene Einführung einer 15prozentigen Selbstbeteiligung an Arzneimitteln ohne Festbetrag auf- zuschieben. Eine Verschiebung um zwei Jahre würde nach Ansicht der gesetzlichen Krankenkassen hinrei- chend Zeit einräumen, um weitere Festbetragsgruppen zu bilden. Au- ßerdem, so die Spitzenverbände wei- ter, könnten "zusätzliche Marktan- teile in die Festbetragsregelung" ein- bezogen werden, wenn der Bundes- gesetzgeber die Bildung von Festbe- tragsgruppen der Stufen 2 und 3 er-
leichtern würde. JM
Gegen Abschaffung
Dispensation
in den Alpen
Das wahrscheinlich älteste ge- sundheitspolitische Gesetz der Welt, das noch weitgehend Gültigkeit hat, stammt vom Stauferkaiser Friedrich II. (1212-1250) und verordnet die Trennung der Berufsstände der Arzte und der Apotheker. Seltsa- merweise sind es zwei Staaten, deren Gebiete zu den Kernländern des Heiligen Römischen Reiches Teut- scher Nation gehörten, in denen es trotzdem dispensierende Ärzte gibt, und das völlig legal: die Schweiz und Österreich. Begründet wird das von den Ärzten mit der ungünstigen To- pographie der Alpen, wo es für die Patienten in den Bergdörfern häufig schwierig ist, zu einer Apotheke zu gelangen.
In beiden Ländern aber steht das Dispensierrecht .. der Ärzte jetzt unter Beschuß. In Osterreich "zen- tral": Gesundheitsminister Ettl will das Apothekenrecht des Landes EG- konform machen, nach deutschem Muster die Apothekeneröffnung li- beralisieren und dabei das Dispen- A-2872 (24) Dt. Ärztebl. 88, Heft 36, 5. September 1991
sierrecht abschaffen. Die Österrei- chische Ärztekammer ist dagegen;
sie weist darauf hin, daß es auch EG- Länder gibt, in denen die Apothe- kenkonzessionen kontingentiert sind - eine Änderung sei deshalb in Österreich auch im Hinblick auf den erträumten Beitritt zur Europäi- schen Gemeinschaft nicht notwen- dig. Und wenn es deshalb kein Ge- setz zu geben brauche, könne man auch beim Dipensierrecht alles beim alten lassen.
In der Schweiz ist das Gesund- heitswesen Sache der Kantone, und von ihnen sind nun einige dabei, die Dispensation abzuschaffen oder ein- zuschränken. So im neuen Kanton Jura und im Kanton Bern (von dem der trankaphone Teil sich gerade als Kanton Jura abgetrennt hat). In J?.ern beispielsweise sollen nur noch Arzte in Ortschaften dispensieren dürfen, in denen es keine Apotheke gibt, und auch in keiner Ortschaft in unmittelbarer Nachbarschaft. Das bedeutet, daß von heute 772 dispen- sierenden Ärzten bis zum Jahr 1994 rund 300 die Dispensation einstellen müssen.
Die Schweizer Ärztegesellschaft ist ebenso gegen eine sols:he Rege- lung wie die Kollegen in Osterreich.
Dazu zitiert sie genüBlich eine Ver- lautbarung der Krankenkassenver-
~-ände vom April dieses Jahres:
Uberall dort, wo der Grad der ärztli- chen Dispensation hoch und damit die Apothekendichte niedrig sei, lä- gen auch die Medikamtentenkosten für die Krankenkassen niedrig. 28,3 Prozent aller schweizerischen Ärzte dispensieren; die Kosten der von ih- nen abgegebenen Medikamente ma- chen aber nur 17,4 Prozent der Arz- neimittelausgaben der Krankenkas- sen aus.
.,.. Die Ärztekammer des Öster- reichischen Bundeslandes Kärnten hat in einer Studie festgestellt, daß die Krankenversicherung und der Staat als Finanzierer der Kranken- häuser erheblich sparen könnten, wenn mehr ambulant als stationär behandelt würde. Wäre nur ein Pro- zent d~r Spitalfälle von niedergelas- senen Arzten betreut worden, dann hätten 1988 in Kärnten knapp fünf Millionen Mark weniger ausgegeben
werden müssen. bt