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Archiv "Ausblick auf 1994: Fortsetzung der Sparpolitik" (10.01.1994)

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POLITIK LEITARTIKEL

Ausblick auf 1994

Fortsetzung der Sparpolitik

Das Jahr 1994 dürfte für die Ärzte sowie die sonstigen „Beteiligten des Gesundheitswesens" keineswegs leichter verlaufen als das so- eben zu Ende gegangene. Konjunkturell mag es den einen oder anderen Lichtblick geben, das Gesundheitswesen wird jedoch von einem (zaghaften) wirtschaftlichen Aufschwung kaum berührt wer- den. Die Sparpolitik hält an. Die Budgetierung wird fortgesetzt. Die

Regierenden werden — im Superwahljahr 1994 — gleichwohl unermüdlich behaupten, trotz Sparpolitik werde es zu keinen Qua- litätseinbußen bei der Versorgung der Patienten kommen. Im fol- genden Beitrag werden die mutmaßlichen Aussichten, die wesentli- chen Probleme und die politischen Vorhaben einzelner Bereiche des Gesundheitswesens beleuchtet.

Krankenhaus

Mehr leistungsbezogene Entgelte

Die bis Ende 1995 für den statio- nären Sektor geltende Ausgabendek- kelung (Budgetierung) hat die rund 2 400 Krankenhäuser in Deutsch- land-West und -Ost sehr unter- schiedlich getroffen — ohne daß da- mit ein Qualitätsverlust bei der ärzt- lichen und pflegerischen Versorgung einherging, wie Bundesgesundheits- minister Horst Seehofer ständig be- hauptet.

Tatsache ist aber: Die Sparmaß- nahmen sind meist zu Lasten der Lei- stungsträger, insbesondere der Klinik- ärzte und des Fachpersonals, durch- gedrückt worden. Der „Streß am Kli- nikbett" wird immer spürbarer, auch für die Patienten (die Krankenhäuser registrierten 1992 insgesamt 13,5 Mil- lionen Stationärfälle; rund 65 Milli- arden DM Jahresumsatz). Sie muß- ten 1993 mit dem Budget des Jahres 1992, zuzüglich einer Steigerung von 3,1 Prozent (Ost: 13,5 Prozent) aus- kommen; insgesamt 6 Milliarden DM mehr (einschließlich eine Milliarde DM PKV-Umsatz). Die Zahl der Krankenhausfälle wuchs im ersten Halbjahr 1992 bei der Mehrzahl der Kliniken um durchschnittlich 5,8 Pro- zent, andere Krankenhäuser melde- ten einen Rückgang der Fallzahlen um durchschnittlich 3,4 Prozent. Die Betriebskostendefizite erreichten bei Häusern, die rote Zahlen schreiben, einen Betrag von mehr als einer Mil- lion DM (West) beziehungsweise 840 000 DM (Ost).

Ein „warmer Geldregen" wird auch 1994 nicht auf die Krankenhäu- ser niedergehen. Es gibt allerdings einen Lichtblick. Der Bund hat nach Maßgabe des GSG (Artikel 14) zu- gunsten der rund 450 Krankenhäuser in den neuen Ländern ein zusätzli- ches Investitionsprogramm für die Jahre 1995 bis 2004 in Höhe von 21 Milliarden DM aufgelegt, an dem sich der Bund selbst mit einem Drit- tel (7 Milliarden DM) beteiligen soll.

Die Einstandspflicht der Länder für die Investitionsförderung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) im Rahmen der dualen Fi- nanzierung und ihre Zuständigkeit für die Bedarfsplanung bleiben hier- durch unberührt („Anstatt-Pro- gramm").

Rationalisierungs- und Sparre- serven sollen auch mit der sukzessi- ven Umstellung des bisher dominie- renden Pauschal-Abrechnungssy- stems (über tagesgleiche Pflegesätze) auf mehr leistungsbezogene Entgelte mobilisiert werden. Geplant ist, im Zuge der Novelle zur Bundespflege- satzverordnung 1995 auf freiwilliger Basis rund 160 (ebenfalls pauscha- lierte) Sonderentgelte und rund 40 diagnosebezogene Fallpauschalen (im Bereich der Chirurgie) einzufüh- ren. Diese Umstellung, die rund 20 bis 30 Prozent des Budgets erfassen soll (rund 20 Milliarden DM), ist bis zum 1. Januar 1996 flächendeckend für alle Krankenhäuser obligatorisch.

Die Vergütungsverhandlungen für Sonderentgelte sollen nicht kranken- hausindividuell erfolgen, sondern es sollen die Punktzahlen bundesweit und die Höhe der Entgelte landes- weit festgelegt werden. Dies wird von

der Ärzteschaft und den Kranken- hausorganisationen kritisiert, wie- wohl die Umstellung auf neue Ent- geltformen als ein wichtiger Schritt zu mehr Marktsteuerung begrüßt wird.

Wesentlich kritischer werden die projektierten Fallpauschalen beur- teilt, weil die Gefahr besteht, daß Ri- sikoselektionen, Leistungsnormie- rungen und Kostenüber- und -unter- deckungen entstehen. Auch die vor- geschlagenen Kalkulationsverfahren werden als überarbeitungsbedürftig bezeichnet. Zudem müsse die Zahl der Fallpauschalen eng begrenzt, klar definiert und von anderen Lei- stungen praktikabel abgrenzbar sein.

Eine weitere Initiative des See- hofer-Ministeriums beabsichtigt, die Instandhaltungskosten der Kliniken im Zuge einer punktuellen Änderung des KHG (im Zuge des GKV- Dienstrechtsänderungs-Gesetzes) wieder in die Zahlpflicht der Länder im Rahmen der dualen Finanzierung zu verlagern. Jährliche Kosten: rund 300 bis 500 Millionen DM, die bisher nicht im Budget aufgefangen werden und die nach einem Bundesverwal- tungsgerichtsurteil vom 21. Januar 1993 zu pflegesatzpflichtigen Be- triebskosten erklärt worden waren.

Immer noch auf die lange Bank geschoben wird die längst überfällige Bundesverordnung über aktuelle An- haltszahlen für den klinikärztlichen Dienst gemäß § 19 Abs. 1 KHG. Das Seehofer-Ministerium hat diesen Teil der Verordnungsverpflichtun- gen bereits als „scheintot" erklärt; al- lenfalls könne nach Ablauf der Bud- getierungsfrist Ende 1995 erneut an- geklopft werden.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 1/2, 10. Januar 1994 (17) A-17

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POLITIK

Ambulante Versorgung

Ein Jahr der Bewährung

Keine Frage: 1994 wird für die mehr als 100 000 Kassenärzte ein Jahr der Herausforderungen. „Es wird schwierig, sogar extrem schwie- rig", prognostiziert Dr. med. Win- fried Schorre, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung. Das Gesundheitsstrukturgesetz läßt grüßen.

Problem Nummer eins: die Bud- gets. Weil die Niederlassungswelle vom vergangenen Herbst erst jetzt voll durchschlägt, wird der Druck auf den einzelnen Arzt noch erheblich stärker. Das gilt sowohl für das eng- gesteckte Honorarbudget als auch für das Arznei- und Heilmittelbud- get. Vor besonderen Schwierigkeiten dürften die Ärzte in den neuen Bun- desländern stehen. Die meisten Pra- xen dort befinden sich noch mitten in der Aufbauphase, wobei vor allem die Fachärzte große Summen inve- stiert haben.

Problem Nummer zwei: die Um- stellung auf gesetzlich vorgeschriebe- ne Neuerungen. Im Laufe des Jahres wird nahezu in allen Bundesländern die Krankenversichertenkarte einge- führt. Für die Ärzte heißt das Ab- schied vom Krankenschein und Aus- richtung der Praxisabläufe auf die Plastikkarte. Zugleich müssen sich die Kassenärzte an die Diagnosever- schlüsselung mit Hilfe des ICD- Schlüssels gewöhnen. Zwar kämpft die Kassenärztliche Bundesvereini- gung zur Zeit um Aufschub bis zur Fertigstellung des ICD-Schlüssels in der neueren zehnten Revision, doch zeigt sich Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer unnachgiebig. Ab dem 1. Januar 1995, so heißt es im Gesundheitsstrukturgesetz, dürfen nur noch Leistungen abgerechnet werden, die nach dem ICD verschlüs- selt sind.

Problem Nummer drei: der in- nerärztliche Richtungsstreit. Das Ge- sundheitsstrukturgesetz macht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung eine ganze Reihe von Auflagen — unter anderem die Neuordnung des Laborkapitels, die Einführung von Leistungskomplexen und die Gliede- rung in eine hausärztliche und eine

LEITARTIKEL

fachärztliche Versorgung. Eine wirk- liche Einigung über den richtigen Weg ist noch in keinem der drei Be- reiche erzielt. Das Laborkapitel wird Mitte Januar erneut diskutiert, die vorgesehene EBM-Reform der Gebührenordnungskommission scheint gescheitert, und die Gliede- rung der hausärztlichen Versorgung wird von einflußreichen Arztgruppen nach wie vor mit Fragezeichen verse- hen. In diesem Jahr muß die KBV zu tragfähigen Lösungen kommen. An- dernfalls könnte ihr der Gesetzgeber zuvorkommen.

Problem Nummer vier: das Rin- gen um eigene Vorschläge für die dritte Stufe der Gesundheitsreform.

Wenn die Kassenärzte auf die weite- re Entwicklung des Gesundheitswe- sens Einfluß nehmen wollen, müssen in diesem Jahr konsensfähige Kon- zepte auf den Tisch. Bisher ist das nur in Ansätzen geglückt. Offen ist die Frage, ob und welche konkreten Aussagen die Kassenärzte über das zu reformierende Versicherungs-

system treffen wollen. Offen ist eben- falls die Frage nach dem künftigen Vergütungssystem.

Problem Nummer fünf: die Ge- staltung einer völlig neuen Gebüh- renordnung. Den Auftrag dazu er- hielt der KBV-Vorstand in der Ver- treterversammlung im Dezember letzten Jahres. Bis zum Herbst soll ein Konzept vorliegen.

Alles in allem: Die niedergelas- senen Ärzte und ihre Selbstverwal- tung stehen vor einem sehr schweren Jahr, einer Bewährungsprobe, wie es Dr. Rainer Hess, der Hauptge- schäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, ausdrückt. Der KBV-Vorsitzende selbst sieht 1994

mit durchaus gemischten Gefühlen entgegen. Schorre ist sich der vielfäl- tigen Schwierigkeiten bewußt, sieht aber in den Herausforderungen zu- gleich eine echte Chance für die nie- dergelassenen Ärzte. „Die Lösung", sagt er, „kann nicht jeder gegen jeden lauten. Wir werden uns zusammen- raufen müssen. Und ich bleibe dabei:

Noch nie zuvor war die Zeit für grundsätzliche Veränderungen so reif wie gerade jetzt."

Neue Länder

Mehr Budgetierungen

Den Punktwertverfall in den neuen Ländern bewerteten 1993 vie- le ostdeutsche Ärztinnen und Ärzte als großes Problem. Vermutlich wird es 1994 fortbestehen, denn der Um- fang des Honorarbudgets hängt in- nerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens im wesentlichen von der Veränderung der Grundlohnsumme ab. Bereits 1993 hat sich aber gezeigt, daß das Bundesgesundheitsministeri- um die Steigerung der Grundlohn- summe in den neuen Ländern zu niedrig einschätzte und die Kassen zudem der korrigierten Empfehlung aus Bonn nicht folgten.

Selbst eine rasche Berücksichti- gung des Grundlohnsummenanstiegs würde jedoch nicht ausreichen, um die ambulante Versorgung in den neuen Ländern adäquat zu sichern.

Diese Auffassung vertritt Dr. Klaus Penndorf, 1. Vorsitzender der Kas- senärztlichen Vereinigung Sachsen- Anhalt. Er beruft sich auf eine Un- tersuchung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, in der zum Beispiel bereits die Berech- nungsbasis bemängelt wird: Im Jahr 1992, dem Basisjahr für den Budget- ansatz, hätten sich viele Praxen erst in der Konsolidierungsphase befun- den und ihre volle Leistungsfähigkeit noch nicht erreicht.

Auf das Thema Honorarbudget ging auch Dr. med. Wolf-Rüdiger Rudat ein, 1. Vorsitzender der Kas- senärztlichen Vereinigung Thürin- gen: Seine persönliche Einschät- zung: „Ich erwarte, eigentlich hoffe ich mehr, daß sich Arztpersönlichkei- A-18 (18) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 1/2, 10. Januar 1994

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Gesundheitspolitik wird im Jahr 1994 hoffentlich weniger durch populistischen Aktionismus bestimmt sein als durch die Suche nach politischen Mehrheiten für sachgerechte Lösungen. Das gilt insbeson- dere für die anstehenden Diskussionen über weitere Reformen im Gesundheitswesen.

Neben dein Ausgang der Bundestagswahl werden die Vorschläge des Sachverständi- genrates für die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen entscheidende Bedeutung für die Reformpolitik haben. Die deutsche Arzteschaft wird mit ihren , Gesundheits-

und sozialpolitischen Vorstellungen', die zur Zeit gründlich überarbeitet werden, ihren Beitrag dazu leisten. Wir werden wiederum tragfähige Lösungen vorschlagen, die den Bedürfnissen der Bevölkerung, insbesondere der kranken Menschen, gerecht werden und deshalb endlich verwirklicht werden sollen.

1994 wird ein Jahr der Wahlen sein. Im In- teresse einer auch weiterhin funktionieren- den Demokratie sollten wir Ärzte die Wah- len nutzen und nicht etwa Wahlenthaltung üben. Resignation ist nicht angebracht.

Bei Wahlen kann man sich oftmals nur zwischen mehr oder weniger großen Übeln entscheiden — wir sollten die vernünftigeren kleineren wählen. Mit Enthaltsamkeit überläßt man das Feld seinen (auch berufs)politischen Gegnern. cc

Dr. med. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer POLITIK

ten berufspolitisch stärker einbrin- gen. Die hohe Akzeptanz des einzel- nen Arztes muß öffentlich für unse- ren Berufsstand viel besser umge- setzt werden. Für alle deutschen Vertragsärzte, insbesondere aber die in den neuen Bundesländern, erwar- te ich einen deutlichen Anstieg der Grundlohnsumme und damit eine Schadensbegrenzung."

Die Arzteschaft in Ostdeutsch- land muß sich 1994 zudem mit einer weiteren Begrenzung abfinden: Auch hier wird es Arzneimittel- und Heil- mittelbudgets geben. Zur Zeit werde jedoch noch über die Gesamthöhe für alle neuen Länder verhandelt und darüber, wie man zu Länderbudgets gelangen könne, berichtet Apotheke- rin Magda Reiblich, Referentin für Arzneimittelfragen bei der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung.

Basis für die Budgets sind die verdoppelten Ausgaben im ersten Halbjahr 1992 einschließlich be- stimmter Zu- und Abschläge. Doch damit gibt es Probleme: In das Zah- lenwerk müssen neue Festbeträge ebenso eingerechnet werden wie die geänderten Zuzahlungsregelungen für Arzneimittel. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen geht nach Darstellung von Magda Reiblich da- von aus, daß das Budget bei rund 5,6 Milliarden DM liegen könnte. Nach Berechnungen des Bundesministeri- ums für Gesundheit sind es 6,2 Milliar- den DM. Die KBV selbst hält derzeit eine Budgethöhe von etwa 6,4 Milliar- den DM für korrekt.

Diese Angaben beziehen sich le- diglich auf Arznei- und auf Verband- mittel. Zwar soll es ein gemeinsames Budget für Arznei- und Heilmittel geben. Allerdings ist der Anteil der Heilmittel sehr schwer zu berechnen.

1992 war nämlich das Verordnungs- volumen außerordentlich gering: Es lag gerade bei 30 Prozent des ver- gleichbaren Westniveaus. Apotheke- rin Reiblich nennt dafür verschiede- ne Gründe: Es könne daran liegen, daß damals die Kosten hierfür nicht korrekt verbucht wurden, daß sie zum Teil noch über Poliklinikpau- schalen beglichen wurden oder daß einfach Unterversorgung herrschte.

Dennoch: 1994 soll zügig über die Budgets für die neuen Ländern ver- handelt werden.

LEITARTIKEL

Krankenkassen

Risikostrukturausgleich — Basis für den Wettbewerb

Der 1. Januar 1994 ist der Stich- tag für die Einführung des kassenar- tenübergreifenden Risikostruktur- ausgleichs. So schreibt es das Ge- sundheitsstrukturgesetz vor. Der Ri- sikostrukturausgleich soll die Basis für den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen bilden.

Kassen mit schlechten Risiken sollen künftig von Kassen mit besserer Risi- kostruktur eine jährliche Ausgleichs- zahlung erhalten. Als Faktoren für die Berechnungen werden die Höhe der beitragspflichtigen Entgelte (Grundlohnsumme), das Alter und Geschlecht der Versicherten sowie die Anzahl der mitversicherten Fami- lienmitglieder herangezogen.

Mit Ausnahme der landwirt- schaftlichen Krankenkassen werden alle Kassenarten in den Ausgleich einbezogen, die Krankenversiche- rung der Rentner jedoch erst ab 1.

Januar 1995. Außerdem sollen die Berechnungen für die neuen und al- ten Bundesländer getrennt erfolgen.

Ziel ist es, die Höhe der Beitragssät-

ze bei den unterschiedlichen Kassen- arten anzugleichen.

Mit dem Risikostrukturausgleich will der Gesetzgeber dem Solidar- prinzip stärker Rechnung tragen und die Kassen zu wirtschaftlicherem Handeln zwingen. Nutznießer der Ausgleichszahlungen werden in er- ster Linie die Allgemeinen Ortskran- kenkassen (AOK), die Innungskran- kenkassen sowie die Bundesknapp- schaft sein. „Zugleich zwingt uns die Budgetierung wesentlicher Lei- stungsbereiche dazu, den Leistungs- standard aufrechtzuerhalten und gleichzeitig noch vorhandene Wirt- schaftlichkeitsreserven zu mobilisie- ren", erklärt Dr. jur. Franz Josef Oldiges, Hauptgeschäftsführer des AOK-Bundesverbandes. Da künftig der Versicherte mit seiner Wahlent- scheidung zum Souverän im Wettbe- werb der Kassen werde, müßten die Kassen mehr als bisher versicherten- orientiert und kostenbewußt Ver- tragsverhandlungen führen.

Die Ersatzkassen hingegen dürf- ten am deutlichsten in die Zahlungs- pflicht genommen werden. Dr. Ek- kart Fiedler, Geschäftsführer des Verbandes der Angestellten-Ersatz- kassen (VdAK), sieht im Wettbe- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 1/2, 10. Januar 1994 (19) A-19

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POLITIK

werb jedoch auch eine Chance für mehr Lebendigkeit, Fortschritt und Versichertennähe: „Verkrustung und Bürokratie dürfen in der GKV nicht weiter voranschreiten."

Sind erst die nötigen Vorausset- zungen für den Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen ge- schaffen, soll den Versicherten —

Pharma

Stabilisierung auf niedrigerem Niveau

Von besonderem Interesse für Ärztinnen und Ärzte wird in diesem Jahr vermutlich die angekündigte Änderung der Apothekenbetriebs- ordnung sein. Dem Entwurf zufolge soll es Ausnahmen vom sogenannten Substitutionsverbot geben, das heißt:

Der Apotheker könnte im Notdienst auch ein anderes als das verordnete Arzneimittel abgeben. Es müßte sich dabei um ein „mit dem verschriebe- nen Arzneimittel nach Anwendungs- gebiet identisches und nach Art und Menge der wirksamen Bestandteile, der Darreichungsform und pharma- zeutischen Qualität vergleichbares"

Präparat handeln. Bundesärztekam- mer und Kassenärztliche Bundesver- einigung haben sich gegen eine sol- che Regelung ausgesprochen.

Was die pharmazeutische Indu- strie anbelangt, so bleibt abzuwarten, wie sich die einzelnen Verbände nach den zahlreichen Austritten aus dem Bundesverband der Pharmazeu- tischen Industrie (BPI) und der Gründung des Verbandes Forschen- der Arzneimittelhersteller profilie- ren werden. In wirtschaftlicher Hin- sicht könnte es der Branche wieder besser gehen: Glaubt man Veröffent- lichungen beispielsweise im „Han- delsblatt", dann wird sich der Wachs- tumstrend der Pharmaindustrie welt- weit fortsetzen, eingeschlossen auch wieder die Märkte in Deutschland und Italien. Befragt nach seiner Er- wartung für das kommende Jahr, ant- wortete auch Prof. Hans Rüdiger Vo- gel, Hauptgeschäftsführer des BPI:

„Der rasante Niedergang der Arznei- mittelumsätze wird voraussichtlich 1994 zum Stillstand kommen. Die Umsätze werden sich zunächst auf

LEITARTIKEL

mit Beginn des Jahres 1996 — die freie Wahl ihrer Kasse eingeräumt werden.

Von diesem Zeitpunkt an soll grund- sätzlich jedem Versicherten jede Kas- se offenstehen. Die einzigen Ausnah- men von der Wahlfreiheit bilden die Bundesknappschaft sowie die Kran- kenkassen für Erwerbstätige in der Landwirtschaft und auf See.

niedrigem Niveau stabilisieren. Die Neufassung des Arzneimittelgesetzes wird der BPI mit dem Ziel begleiten, eine Verschlechterung der Rahmen- bedingungen für die Arzneimittel- hersteller zu vermeiden."

Gesetzesvorhaben

Abtreibung, Gentechnik, Transplantation

Sicherlich wird im kommenden Wahlkampf mit der Verabschiedung zahlreicher Gesetze zu rechnen sein.

Die von Bundesarbeitsminister Nor- bert Blüm (CDU) verfochtene Pfle- geversicherung wurde von der SPD mit ihrer Mehrheit im Bundesrat wieder zu Fall gebracht. Die Länder- kammer schlug jedoch auf Antrag der Länder Rheinland-Pfalz und Brandenburg ein neues Vermitt- lungsverfahren vor.

Auf eine gemeinsame Grundla- ge für das neue Abtreibungsrecht ha- ben sich die Expertengruppen von CDU/CSU und FDP zwar mittlerwei- le geeinigt, doch lehnt die SPD den neuen Koalitionsentwurf ab. Sie will im Januar einen eigenen Gesetzent- wurf präsentieren. Dieser wolle das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 1993 „für und nicht gegen die Frauen auslegen", erklärte Han- na Wolf, die frauenpolitische Spre- cherin der SPD.

Der von Bundesgesundheitsmi- nister Horst Seehofer auf den Weg gebrachte Entwurf für ein „Psycho- therapeutengesetz" zur berufsrechtli- chen Regelung der psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten so- wie zur sozialversicherungsrechtli- chen Neuregelung in diesem Bereich hat ebenso wie das Physiotherapeu- tengesetz die parlamentarischen

Hürden noch nicht genommen. Ein neuer Entwurf des Heilberufsgeset- zes, das unter anderem rechtstechni- sche Änderungen von EU-Recht vor- sieht, ist im Dezember 1993 vom Bundestag angenommen worden.

Beim Transplantationsgesetz wird vor allem darum gerungen, wie- viel Einfluß man darauf nehmen kann, ob nach dem Tod Organe ent- nommen werden dürfen. Jetzt will Seehofer die Beratungen über dieses geplante Gesetz beschleunigen. Eine vom Bundesjustizministerium ge- plante Regelung will jeglichen ge- winnorientierten Umgang mit menschlichen Transplantaten, die der Heilbehandlung dienen sollen, verbieten.

Einen Referentenentwurf zum Medizinproduktegesetz, das unter anderem die Sicherheit von Medizin- produkten gewährleisten soll, hat das Bundesgesundheitsministerium im August 1993 vorgelegt. Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden und am 1. Ja- nuar 1995 in Kraft treten.

Die Abschlußsitzung im Bundes- rat für das Krebsregistergesetz ist für Ende Mai vorgesehen. Die Länder- kammer hatte zunächst das vom Bun- destag beschlossene Vorhaben abge- lehnt, weil aus Sicht der Länder kei- ne Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht.

Die fünfte Novelle des Arznei- mittelgesetzes (AMG), die die neuen Richtlinien der Europäischen Union umsetzen sollte, ist ebenfalls erneut ins Stocken geraten. Denn jetzt sol- len auch die Erfahrungen mit Blut- produkten, die in den letzten Wo- chen zu Auseinandersetzungen ge- führt haben, in gesetzliche Regelun- gen umgesetzt werden. Sie müssen dann zusätzlich in das AMG aufge- nommen werden.

Über das Gentechnikgesetz, das den Umgang mit der Gentechnik von unnötigen Beschränkungen befreien soll, ohne den Schutz von Menschen und Umwelt zu beeinträchtigen, ist im Jahr 1993 bereits die Entschei- dung gefallen. Das verabschiedete Gesetz sollte umgehend verkündet werden.

Beiträge von: Dr. rer. pol. Harald Clade, Sabi- ne Dauth, Norbert Jachertz, Gisela Klinkham- mer, Josef Maus, Petra Spielberg

A-20 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 1/2, 10. Januar 1994

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