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Archiv "Dextransulfat gegen AIDS? Prüfungen jetzt auch in Deutschland" (02.03.1989)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

UELLE MEDIZIN

Zwei Pharmauntemehmen in der Bundesrepublik haben gemeinsam mit der Phase-l-Prüfung von einem Dextran- sulfat-Derivat begonnen. Es gibt Hinweise dafür, daß die- ser Stoff nicht nur die Reverse Transkriptase hemmt, und dies mit weniger Nebenwirkungen als AZT, sondern auch die Aufnahme des HIV in die Lymphozyten. Unter politi- schem Druck hat Dextransulfat in den USA vorzeitig eine Art Zulassung erhalten, was klinische Prüfungen außeror-

dentlich erschwert — möglicherweise auch in der Bundes- republik Deutschland,

D extransulfat

gegen AID S?

Priifu.ngen jetzt auch in Deutschland Karin Mölling

Beim Zweiten Deutschen AIDS-Kongreß Ende Januar 1988 in Berlin wurden die er- sten deutschen Ergebnisse zu einer Substanz vorgestellt, die als mögliches Mittel gegen AIDS ins Zentrum des Interes- ses gerückt ist. Nach den Er- gebnissen des Chefarztes der Inneren Abteilung des Rudolf- Virchow-Krankenhauses, Pro- fessor Hans-Dieter Pohle, ist ein „positiver Einfluß im AIDS-Vorstadium möglich".

Die Molekularbiologin Karin Mölling, Professorin am Berli- ner Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, hat ge- meinsam mit einem Berliner Kollegen, Professor Heino Di- ringer vom Robert-Koch-Insti- tut, die wissenschaftlichen Grundlagen zu diesen Studien gelegt. Sie beschreibt für das Deutsche Ärzteblatt die Ent- stehungsgeschichte und den gegenwärtigen Stand des Wis- sens über die Substanz.

A

nfang Januar 1989 sorgte eine Meldung über eine neue Substanz gegen AIDS für Aufregung. Der Zeit- punkt für eine Bekanntmachung die- ser Substanz war verfrüht, denn je- der, der davon hört, möchte wissen, hilft sie Infizierten, hilft sie Kran- ken? Die Antwort darauf kann noch niemand geben, und so führt die Veröffentlichung voraussichtlich nur zu Aktivitäten, die sich seit einigen

Monaten in USA abspielen. Dort reist ein Krankenpfleger, ein Schwarzer aus San Francisco mit dem Spitznamen „Dextran Man", durch die Lande und verteilt die Substanz, die über den Schwarz- markt aus Kanada beziehungsweise regulär in Japan in Apotheken zu er- halten ist. Das ist das Ende jeder kontrollierten Studie über die Wirk- samkeit der Substanz. Es wird nun um so länger dauern, herauszufin- den, ob und wem sie hilft.

Die Bekanntmachung, die die Max-Planck-Gesellschaft in Abspra- che mit den Firmen Hoechst und Bayer herausgegeben hat, erfolgte spät im Vergleich zu den sonstigen Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Entwicklung von Medikamenten gegen AIDS. In Deutschland hatte man zu dieser Substanz bisher be- wußte Zurückhaltung geübt; weder die Wissenschafler noch die an den klinischen Studien beteiligten Ärzte sind bisher damit an die Offentlich- keit getreten. Dabei liegen die ersten Hinweise für die potentielle Bedeu- tung dieser Substanz fast vier Jahre zurück. In Japan und USA wurde derselben Substanz erst Jahre später Bedeutung beigemessen, Laborer- gebnisse sind 1987 im englischen Journal „Lancet" (1) publiziert wor- den und brachten sofort in den USA

Aktivitäten bei AIDS-Kranken in Gang, die von den Forschern nicht vorhergesehen worden waren.

I Die Hemmung der Reversen Transkriptase

Bereits 1985 wurden am Max- Planck-Institut für Molekulare Ge- netik in Berlin erste Untersuchungen mit Dextransulfat und anderen da- mit verwandten Verbindungen mit der Zielsetzung durchgeführt, ihre Wirkung auf die Vermehrung von Retroviren zu untersuchen. Profes- sor Heino Diringer vom Robert- Koch-Institut, Berlin, hatte einige dieser Substanzen für wirksam gegen eine Erkrankung im Gehirn von Rat- ten befunden, gegen Scrapie, eine auf ein bisher nicht eindeutig identi- fizierbares Agens zurückführbare langsam voranschreitende zerebrale Erkrankung. Möglicherweise geht Scrapie zurück auf eine Virus-Er- krankung — dies ist aber bisher nicht erwiesen. Das Testen der Substan- zen mit HIV war 1985 am Max- Planck-Institut noch gar nicht mög- lich. Statt dessen wurde deshalb ein anderes Retrovirus, das Rous Sarco- ma Virus, als Modellvirus verwendet.

Geprüft wurde die Reverse Trans- kriptase dieser Viren, das Vermeh- rungsenzym, das typisch für Retrovi- Dt. Ärztebl. 86, Heft 9, 2. März 1989 (35) A-529

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ren ist und zum Namen dieser Viren führte. Die Reverse Transkriptase überschreibt die primäre genetische Information dieser Viren, die aus einzelsträngiger RNA besteht, in Doppelstrang-DNA. Diese wird als sogenanntes DNA-Provirus ins zellu- läre Genom integriert und wie ein neues zelluläres Gen an alle Toch- terzellen weiter vererbt. Dieser Vor- gang ist hoch spezifisch, und die An- nahme, daß die Reverse Transkrip- tase eines Vogelretrovirus der von HIV genügend ähnelt, um als Modell zu dienen, erwies sich später als kor- rekt. Die untersuchten Substanzen zeigten im Laborexperiment eine Hemmung der Reversen Transkrip- tase an. Diese Hemmung basiert ver- mutlich auf einem anderen Mecha- nismus als die des AZT - des Azido- tymidins -, des einzigen bisher zuge- lassenen Medikaments gegen das HIV. AZT führt zu einem sogenann- ten Kettenabbruch: Die Reverse Transkriptase, auch RNA-abhängige DNA-Polymerase genannt, syntheti- siert einen DNA-Strang entspre- chend der von der viralen RNA vor- gegebenen Sequenz. Dazu werden Nukleotide aneinander gehängt, po- lymerisiert. Ist ein Thymidin als nächstes Nukleotid an der Reihe, so baut die Reverse Transkriptase das normalerweise nicht zum Einbau vorgesehene Analogon des Thymi- dins, das AZT, ein. Das führt an die- ser Stelle zum Ende der DNA-Syn- these, denn das nächste Nukleotid kann nicht mehr anpolymerisiert werden, da die Bindungsstelle durch ein Stickstoffmolekül des AZT blok- kiert ist. Die in jeder normalen Zelle vorhandenen DNA-Polymerasen verhindern einen solchen Fehlein- bau, da sie im Gegensatz zur Rever- sen Transkriptase über einen Kor- rekturmechanismus verfügen und ein nicht genau passendes Nukleotid sofort wieder eleminieren.

Die Substanzen, um die es hier geht, sind Verwandte des Dextran- sulfats, Zucker-Schwefelverbindun- gen, etwa im Verhältnis 5 zu 1 und vom Molekulargewicht um 10 000 Dalton. Sie sind stark negativ gela- den und täuschen der Reversen Transkriptase vermutlich eine fal- sche Nukleinsäure vor. Möglicher- weise blockieren sie auf dem Rever-

se-Transkriptase-Molekül die Bin- dungsstelle, die für die Anheftung an die zu kopierende Nukleinsäure not- wendig ist. Die Synthese ist damit beendet. Es wird kein DNA-Provirus mehr fertiggestellt. Später konnten am Max-Planck-Institut in Berlin die an der Reversen Transkriptase des Vogelvirus gewonnenen Ergebnisse auch mit der rekombinant hergestell- ten HIV-Reversen Transkriptase be- stätigt werden. Neueste Untersuchun- gen zeigen, daß auch eine zweite En- zymaktivität, über welche die Reverse Transkriptase verfügt, eine RNA ab- bauende Aktivität, welche die Freiset- zung der neusynthetisierten DNA ge- stattet (RNaseH), durch diese Sub- stanzen blockiert wird. Damit erhär- tet sich die Vorstellung, daß die Bin- dung der Reversen Transkriptase an die RNAvon den Dextransulfat-Deri- vaten gestört wird.

I Die weitergehenden Forschungen

Die Verwertungsgesellschaft der Max-Planck-Gesellschaft, Garching Instruments, welche für potentielle kommerzielle Nutzung der Ergebnis- se von Angestellten ihrer Institute verantwortlich ist, meldete zusam- men mit dem Bundesgesundheits- amt, der dem Robert-Koch-Institut übergeordneten Behörde, diese Er- gebnisse zum Patent an. Dieses ist bis zum heutigen Tage nicht erteilt.

Die Patentanmeldung erfolgte zeit- lich eher als die von japanischen und amerikanischen Forschungsgruppen.

Patentierbar ist jedoch nicht die Sub- stanz, die bekannt war, sondern nur die Anwendung als Medikament ge- gen AIDS. Hoechst hat sich zu ei- nem frühen Zeitpunkt für die Sub- stanz interessiert und eine Option darauf genommen, welche zum Ziel hat, ihre Wirkung zu testen. Der nächste Schritt in der Erforschung der Substanz erfolgte in der Zellkul- tur. Hoechst führte solche Untersu- chungen in Zusammenarbeit mit Professor Helga Rübsamen-Waig- mann an menschlichen Lymphozyten durch, die mit HIV infiziert waren.

Dabei zeigte sich, daß die Wirkung der Substanz zu einer Reduktion der Virusvermehrung führte (2). Darauf- hin wurden von Hoechst und Bayer

auch Tierexperimente durchgeführt, wobei man mangels eines guten Tier- modells für AIDS wiederum auf an- dere Retroviren als auf das HIV zu- rückgreifen mußte, nämlich auf Mäuseviren. Auf der Basis all dieser Untersuchungen erfolgte dann der Beschluß, die Substanz in klinischen Untersuchungen einzusetzen.

Die Substanzklasse

Dextransulfate sind in der Hu- manmedizin nicht unbekannt. Zu dieser Stoffklasse gehört zum Bei- spiel das Heparin, welches zur Hem- mung der Blutgerinnung eingesetzt wird. Außerdem dient es zur Throm- boseprophylaxe. In Japan werden

ähnliche Substanzen schon seit etwa 20 Jahren bei Patienten verwendet.

Eine weitere Indikation ist ein zu ho- her Cholesterinspiegel, der durch Dextransulfat-Derivate gesenkt wer- den soll. In Japan herrschen darüber hinaus weniger strenge Auflagen für die Zulassung von Medikamenten als in USA oder Europa. So stand bei den klinischen Erprobungen gegen HIV bereits ein großes Maß an In- formation über Verträglichkeit der Substanzklasse zur Verfügung. Die Dextransulfate sind nicht sehr to- xisch, weitgehend nebenwirkungsfrei - bis auf die Gefahr von Gerinnungs- störungen und unerwünschten Blu- tungen. Diese Gefahren machen es dringend notwendig, daß die Ein- nahme von Dextransulfat und dessen Derivaten von Ärzten überwacht wird. 1987 veröffentlichte das japani- sche Unternehmen Ueno den Ein- fluß von Dextransulfaten auf die Re- verse Transkriptase in vitro (1) und rief damit den Effekt hervor, den man in Deutschland vermieden hat- te, nämlich den Versuch von HIV- Infizierten und AIDS-Kranken, so- fort dieses Mittel zu probieren. In gewissem Umfang hatte man dies in den USA erreichen wollen, denn Do- nald Abrams, ein Arzt am San Fran- cisco General Hospital, erhoffte sich durch diese Publicity den Zulauf ei- ner genügenden Anzahl von Proban- den für seine klinische Studie, die auch sehr schnell in Gang gesetzt wurde und jetzt seit etwa einem Jahr, unterstützt von der amerikanischen Zulassungsbehörde, der FDA, läuft. D A-530 (36) Dt. Ärztebl. 86, Heft 9, 2. März 1989

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Die erste Phase einer klinischen Erprobung, Phase 1 genannt, soll erst einmal klären, wie toxisch eine Substanz ist, welche Dosis den Pa- tienten verabreicht werden soll, auf welche Weise sie eingenommen wird, ob oral oder intravenös, und wo sie eigentlich im Organismus landet.

Diese Phase-1-Untersuchungen lau- fen im Augenblick sowohl an mehre- ren amerikanischen Kliniken wie auch in Deutschland, so unter Lei- tung von Professor Hans-Dieter Poh- le am Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin.

Eigenschaften

IM

Die Verträglichkeit der Dex- transulfat-Derivate ist im Vergleich zu AZT recht gut. Große Schwierig- keit bereitet dagegen der Nachweis, wo die Substanz im Körper zu finden ist. Es gibt keinen guten Test für ihre Anwesenheit. Man weiß also nicht, ob die Substanz vom Magen- und Darmtrakt in die Blutbahn gelangt und dort auf die T-Zellen wirken kann. Um die Reverse Transkriptase zu hemmen, müßte sie von Makro- phagen oder den T-Lymphozyten aufgenommen werden, denn die Re- verse Transkriptase ist nur innerhalb der Zellen für die Transkription von

Inzwischen sind Untersuchun- gen durchgeführt worden, die zei- gen, daß dem Dextransulfat mögli- cherweise auch eine andere Wirkung zukommt Es verhindert anschei- nend die Aufnahme des Virus in die Lymphozyten. Diese Untersuchun- gen wurden von H. Mitsuya und an- deren Mitarbeitern der Gruppe von S. Broder in USA durchgeführt (3, 4). Das ist für ein stark negativ gela- denes Molekül, welches sich an die Zellmembran anlagert, kein Überra- schungsbefund und wurde schon 1986 von dem Belgier de Clerq vor- hergesagt (5). Die Virologen im La- bor nutzen seit langem Ladungsef- fekte, um die Retrovirusaufnahme in eine Zelle zu erhöhen, indem sie Po- lybren hinzusetzen, ein positiv gela-

RNA und DNA wirksam, dort müßte sie also gehemmt werden. Das Dex- transulfat wirkt ohnehin nur, wenn eine Zelle frisch mit einem HIV-Par- tikel infiziert wird. Diejenigen Lym- phozyten, die schon ein DNA-Provi- rus tragen, brauchen keine Reverse Transkriptase mehr und sind daher für deren Hemmstoffe nicht mehr erreichbar. Das gilt auch für das AZT. Ein Infizierter wird solche Lymphozyten, die ein DNA-Provirus tragen, nicht wieder los, denn jede nach Teilung einer solchen Zelle entstandene Tochterzelle trägt das DNA-Provirus weiter. Trotzdem er- hofft man sich eine positive Wirkung von diesen Reverse-Transkriptase- Hemmstoffen, verhindern sie doch die Neuinfektion gesunder Zellen im Körper — und damit möglicherweise den Ausbruch der Erkrankung. An- steckend würde ein Infizierter in sol- chem Fall jedoch durch DNA-Provi- rus-haltige Lymphozyten immer noch sein. Genau wie für das AZT wird das Dextransulfat als Gegen- mittel für Neuinfektionen in Erwä- gung gezogen. Innerhalb weniger Stunden nach einer Nadelstichinjek- tion mit der HIV-infizierten Nadel müßte es eingenommen werden, da- mit das allererste DNA-Provirus gar nicht erst entstehen kann.

denes Molekül. Es ist also denkbar, daß Dextransulfat die Virusaufnah- me in die Lymphozyten verhindert.

Frühere Untersuchungen von Heino Diringer haben gezeigt, daß Dextransulfate von Makrophagen aufgenommen werden — also genau von den Zellen, die als Reservoir für HIV betrachtet werden. Hemmstoffe der Virusvermehrung wären in Ma- krophagen besonders wirkungsvoll und würden die Ausbreitung des Vi- rus im Organismus, die weitgehend durch Makrophagen erfolgt, verhin- dern. Da Dextransulfate nicht in den Zellkern eindringen, stören sie au- ßerdem nicht die zellulären Vermeh- rungsenzyme. Das erklärt vermutlich die geringe Toxizität der Substanzen.

Das Bedürfnis, über die Wirk- samkeit des Dextransulfats Genaue- res zu erfahren, ist groß. Darum ist es wichtig, einmal darauf hinzuwei- sen, welche Schwierigkeiten den

Antworten zugrunde liegen. Wie will man die Wirksamkeit testen? Die Antikörperreaktion ist weitgehend unabhängig von der Virusreplika- tion. Hier wird man daher Verände- rungen nur langsam feststellen. Die Virusreplikation selbst läßt sich zum Beispiel an der Menge des Hauptvi- russtrukturproteins p24 messen. Da- für gibt es neuerdings einen Nach- weis. Freie Viruspartikel oder freies p24 müssen jedoch nicht unbedingt im Blut zu finden sein, da das Virus auch direkt von einer Zelle zur ande- ren weitergereicht werden kann. Sie hängen außerdem vom Stadium der Erkrankung ab. Die Zahl der Lym- phozyten, das Verhältnis der T4- zu den T8-Zellen, ist ein Maß für das Voranschreiten der Erkrankung, so daß man zuerst einmal dieses Ver- hältnis mit und ohne Dextransulfat- behandlung verfolgt. Es ändert sich anscheinend nach den bisherigen Untersuchungen aus San Francisco nicht wesentlich. Einige Infizierte fühlen sich subjektiv besser — und das ist genug, um andere zur Einnah- me der Substanz zu motivieren.

I Die Forschung

und der Schwarzmarkt

Die Verfügbarkeit von Dextran- sulfat-Derivaten auf dem Schwarz- markt stellt eine besondere Schwie- rigkeit dar. Sie führt dazu, daß Teil- nehmer von kontrollierten Studien in Versuchung geraten, die Dosis sel- ber zu erhöhen oder wenn sie den Verdacht haben, daß sie zur Kon- trollgruppe gehören, die Substanz trotzdem zu nehmen. Damit ist eine kontrollierte Studie nicht mehr mög- lich. Dextransulfate sind in Japan in Apotheken für den eigenen Bedarf verfügbar, führten aber zum Handel mit Betroffenen in den USA. Es gab Versuche der FDA, dieses zu verhin- dern und die Einfuhr zu kontrollie- ren. Daraufhin erhob sich ein Pro- test der Betroffenen gegen diese Maßnahmen. Eine Gruppe von Akti- visten stürmte in Manhattan eine ja- panische Damenschuh- und Kleider- Firma, deren Angestellte nichts über Dextransulfat wußten — trotzdem ist diese eine von 15 japanischen Fir- men, die die Substanz herstellen (6).

Unter dem Druck dieser Demonstra-

I Blockade des

Eintritts in die Zelle?

Dt. Ärztebl. 86, Heft 9, 2. März 1989 (39) A-531

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tionen fühlte sich das FDA zu einer Maßnahme gezwungen, die einmalig ist und große Konsequenzen haben wird: FDA-Chef Frank Young ver- fügte, daß Dextransulfate für den ei- genen Bedarf importiert werden dür- fen (7). Kein Arzt kann und darf sie verschreiben, sie sind nicht zugelas- sen als Mittel gegen AIDS, weil die notwendigen Daten dafür nicht exi- stieren - aber Ärzte dürfen die Pa- tienten überwachen, die die Substan- zen auf eigene Initiative nehmen.

Diese Entscheidung öffnet allen wei- teren Substanzen Tor und Tür. Es wird fast nicht mehr möglich sein, zwischen vielversprechenden poten- tiellen Medikamenten und Quack- salbereien zu unterscheiden. Die FDA sah sich jedoch zu dieser Maß- nahme gezwungen, weil niemandem die Einnahme des Dextransulfats, an das viele ihre Hoffnungen klam- mem, verwehrt werden kann.

Eine Prognose, wannman überdie Wirkung von Dextransulfaten defini- tive Aussagen machen kann, ist un- ter diesen Umständen nicht möglich.

Literatur

1. Ueno, R.; Kuno, S.: Dextran sulfate, a potent anti-HIV agent in vitro having synergism with zidovudine. Lancet I (1987) 1379

2. Biesert, L.; Suhartono, H.; Winkler, J.;

Meichsner, C.; Helsberg, M.; Hewlett, G.; Klimetzek, V.; Mölling, K.; Schlumberger, H.-D.; Schrinner, E.; Brede, H.-D.; Rübsa- men-Waigmann, H.: Inhibition of HIV and virus replication by polysulphated polyxylan:

Hoe/Bay 946, a new antiviral compound, AIDS 2 (1989) 449-457

3. Mitsuya, H.; Looney, D. J.; Kuno, S.; Ueno,

R.; Wong-Staal, F.; Broder, S.: Dextran sulfa-

te Suppression of viruses in the HIV Family:

Inhibition of virion binding to CD4 + cells.

Science 240 (1988) 646-649

4. Baba, M.; Pauwels, R.; Balzarini, J.; Arnout, J.; Desmyter, J.; De Clerq, E.: Mechanism of inhibitory effect of dextran sulfate and hepa- rin on replication of HIV in vitro. Proc. Natl.

Acad. Sei. USA 85 (1988) 6132-6136 5. De Clerq, E.: Chemotherapeutic approaches

to the treatment of AIDS. J. Med. Chem. 29 (1986) 1561-1569

6. Booth, W.: An undergwund drug for AIDS.

Science 241 (1988) 1279-1281

7. Anderson, A.; Swinbanks, D.: US protests about possible drugs for AIDS treatment.

Nature 334 (1988) 3

Anschrift der Verfasserin:

Professor Dr. rer. nat.

Karin Mölling Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik Ihnestraße 73

1000 Berlin 33

NOTIZEN

Warnhinweis

Fehler in den Therapiehinweisen im

"Manual der psychiatrischen Notfälle"

Das im Enke Verlag 1987 er- schienene "Manual der psychiatri- schen Notfälle" von St. E. Hyman enthält fünf gravierende und eine Reihe weniger riskante fehlerhafte Therapiehinweise, d~~ bei Befolgung durch unerfahrene Arzte einen Pa- tienten schwerst gefährden oder ihm eine wichtige Therapie vorenthalten würden. Der Verlag hat davon erst jetzt erfahren.

Das Werk ist in kleiner Auflage von 1400 Exemplaren erschienen und weitgehend verkauft. Die Rest- auflage hat der Verlag makuliert.

Der Verlag hält für alle Besitzer die- ses Buches eine Korrekturbeilage bereit. Kritisch sind vor allem die Hinweise in folgenden sechs Punk- ten:

~ die Verordnung von Lithium bei Nierenschäden (S. 97)

Studie über HIV-Kinder

Das Bundesministerium für Ju- gend, Familie, Frauen und Gesund- heit hat ein Modellprogramm ins Le- ben gerufen, das systematisch die Probleme erforschen soll, die sich aus der vertikalen Übertragung von HIV und AIDS auf Kinder ergeben.

Dabei sollen sowohl medizinische wie psychosoziale Fragen beantwor- tet werden - zum Beispiel schon die scheinbar ganz einfache Frage nach der Prävalenz der HIV-Infektion bei Neugeborenen HIV -infizierter Müt- ter: Schon dies ist heute noch nicht bekannt.

Die zahlreichen weiteren Fragen des Studienprogramms erfordern ei- ne prospektive Begleitung der Kin- der von AIDS-positiven Müttern: So geht es unter anderem auch um die Ermittlung von Risikofaktoren, die den Ausbruch der Erkrankung beim Kind begünstigen könnten, um die Ermittlung mütterlicher Risikofakto- ren für die vertikale Übertragung oder um die Schaffung geeigneter

~ die Gabe von Tranxilium bis zu 900 mg in 1 Stunde (S. 202)

~ die Gabe von 3-4 mg Triazo- lam pro Tag (S. 97)

~ die Verordnung von Biperi- den bei anticholinergen Krisen (S.

96)

~ die Injektion von Neostigmin bei anticholinergen Verwirrtheitszu- ständen (S. 191)

~ sowie die zu hohen Angaben zur Phenytoinverordnung (S. 277).

Der Enke Verlag warnt aus- drücklich vor der unkritischen Nut- zung der Therapiehinweise in die- sem Buch.

Ferdinand Enke Verlag Postfach 10 12 54 7000 Stuttgart 10

Voraussetzungen für kooperative Therapiestudien.

Der psychosoziale Teil der Stu- die zielt vornehmlich darauf, die Be- treuungs- und Beratungsmöglich- keiten für die betroffenen Familien zu verbessern. Ärzte, die HIV-infi- zierte Kinder betreuen, sollten, so wünscht es Ministerin Prof. Ursula Lehr, dies möglichst in Verbindung mit einem der sieben Studienzentren tun. Diese befinden sich in Mün- chen, Frankfurt, Heidelberg, Berlin (zwei Stellen), Harnburg und Düssel- dorf jeweils in den Kinderkliniken der Universitäten. Aber die Frauen- kliniken sind natürlich mit beteiligt.

Die Studie bedarf - so schreibt Frau Prof. Lehr in einem Vorwort - der Mitarbeit aller Ärzte, die Kinder HIV-infizierter Mütter zu betreuen haben. Frau Lehr bittet darum, daß diese Ärzte sich zwecks weiterer Information an das Studiensekreta- riat wenden: Frau V. Schwarzmann- Banduhn, Universitäts-Kinderklinik, Moorenstraße 5, 4000 Düsseldorf 1, Telefon 02 11!3 11-76 74. mwr A-534 ( 42) Dt. Ärztebl. 86, Heft 9, 2. März 1989

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