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Archiv "Reverse Transkription und Reverse Transkriptase" (25.02.1988)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

ZUR FORTBILDUNG

Vor über 25 Jahren entdeckten Watson und Crick die DNA-Dop- pelhelix, die die primäre genetische Information eines Organis- mus enthält. Einige Jahre später kam die Entdeckung hinzu, daß auch RNA diese primäre genetische Information sein konnte. Man fand dann bald heraus, wie sich zum Beispiel die Influenza-Viren vermehren. Aber wie das bei Retroviren geschieht, blieb lange ein Rätsel. Erst die Entdeckung, daß das Enzym Reverse Trans- kriptase RNA in DNA übersetzen kann, führte zu der Erklärung für den Vermehrungsmechanismus der Retroviren.

Vermehrung von HIV und anderen Retroviren

Reverse Transkription

und Reverse Transkriptase

Karin Mölling

Bei der Diskussion um den Er- reger von AIDS und andere Re- troviren hat sich herausgestellt, daß viele Kollegen über die im- mer wichtiger werdende Re- verse Transkription und das verantwortliche Enzym Reverse Transkriptase keine oder unzu- reichende Kenntnisse haben.

Wir haben deshalb eine der besten Kennerinnen dieses Ge- bietes, Frau Professor Mölling, gebeten, unseren Lesern eine kurze Übersicht zu geben, die nicht nur für das HIV, sondern auch für andere Retroviren gilt.

R. Gross

D

as genetische Mate-

rial fast aller leben- den Zellen besteht aus zwei DNA-Strän- gen, die sich als Dop- pelhelix umeinander winden. Bei der Teilung einer Zelle werden bei- de DNA-Stränge in neue DNA übersetzt, transkribiert, wie man sagt, um jeder Tochterzelle jeweils wieder einen DNA-Doppelstrang mitzuliefern. Auf der DNA ist unser genetisches Material verschlüsselt, das sozusagen nur aus vier Buchsta- ben besteht, den Nukleotiden oder Basen, die jeweils zu Dreiergruppen zusammengefaßt für eine Amino- säure kodieren. Diese Übersetzung in Proteine findet nicht im Zellkern statt, wo sich die DNA eng verpackt aufhält, sondern an den Ribosomen im Zytoplasma. Diese räumliche Trennung wird überwunden durch die Boten- oder mRNA, die im Kern als Kopie der DNA gebildet wird, durch die Poren der Kernwand ins Zytoplasma gelangt und dort den Ribosomen als Vorlage (Matrize) dient.

Die Vorstellungen über den In- formationsfluß entwickelten sich auf der Grundlage der vor über 25 Jah- ren von James D. Watson und Fran- cis Crick entdeckten DNA-Doppel- helix. Sie erschienen so plausibel Abteilung Professor Dr. rer. nat.

Heinz Schuster, Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Berlin

und unumstößlich, daß sie als „Zen- trales Dogma der Molekularbiolo- gie" bezeichnet wurden — ein Be- griff, den beide Entdecker nicht ge- prägt haben wollen —, denn dieses Dogma stürzte!

Bevor es stürzte, hatten sich vie- le den Kopf darüber zerbrochen, wieso auch RNA die primäre gene- tische Information eines Organismus sein konnte. Dies war vor allem der Fall bei Viren, zum Beispiel beim Influenza-Virus und den Retroviren.

Die Vermehrung von RNA ist in ei- ner normalen Zelle eigentlich nicht vorgesehen Influenza-Viren helfen sich dadurch, daß sie sich selber ein Vermehrungsenzym kodieren, eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, welche von der elterlichen RNA die RNA für die Nachkommen produ- ziert.

Ein Enzym

übersetzt RNA in DNA

Das wäre der einfachste Ver- mehrungsmechanismus auch für Re- troviren. Nur ließ sich so eine RNA- abhängige RNA-Polymerase bei Re- troviren nicht finden. Lange war es daher ein Rätsel, wie sich Retrovi- ren vermehren. Dabei hatte H. Te- min immer wieder darauf hingewie- sen, daß Retroviren in der Zelle in Form von DNA vorlägen. Jedoch waren seine Daten dazu nicht über- zeugend genug, so daß niemand ih- A-436 (52) Dt. Ärztebl. 85, Heft 8, 25. Februar 1988

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Reverse Transkriptase p24 p66/51

P9 p7

Replikationszyklus von HIV in einer infizierten Zelle

RNA .406-

.•

P17

e

gp41 gp120

Abbildung 1: Das virale Glykoprotein bindet an den T4-Rezeptor eines T4-Lymphozyten und führt so zur Aufnahme des HIV-Partikels in die Zelle. Die Reverse Transkriptase übersetzt die virale RNA in ein DNA-Provirus, das ins Zellgenom integriert wird. Danach wird es wie ein zelluläres Gen transkribiert und translatiert (Proteinsynthese). An der Membran werden neue Viruspartikel zusammengebaut, die die Zelle verlassen.

nen glaubte. Bis 1970 nicht — dann entdeckte er gleichzeitig mit D. Bal- timore die Reverse Transkriptase.

Sie entdeckten ein Enzym, das RNA in DNA übersetzt, und zwar fanden sie es in den Viruspartikeln selbst, nicht in normalen Zellen. Die Über- raschung über die Entdeckung war so groß, daß die beiden Forscher da- für nur wenige Jahre später (1975) mit dem Nobelpreis für Medizin aus- gezeichnet wurden. Sie hatten das Zentrale Dogma der Molekularbio- logie gestürzt.

Informationsfluß verläuft nicht nur von DNA in RNA, sondern um- gekehrt, es gibt nicht nur die Trans- kription, sondern auch ihre Umkeh- rung: die Reverse Transkription.

Dieser Vorgang führte zum Namen Retroviren, und das dafür verant- wortliche Enzym ist die Reverse Transkriptase.

Die Retroviren müssen sich bei der Infektion der Wirtszelle die Re- verse Transkriptase mitbringen, denn sonst würde die eindringende Virus-RNA bestenfalls in Proteine übersetzt werden, jedoch wäre für die Virusnachkommen kein Nach- schub an viraler RNA garantiert.

Also haften am RNA-Genom schon im Viruspartikel immer ein paar Re- vers e-Transkriptase-Moleküle , die gleich nach Infektion der Zelle in Aktion treten und DNA synthetisie- ren — das sogenannte DNA-Provirus (Abbildung 1). Dieser Umweg, RNA in DNA zu kopieren, verleiht dem Retrovirus einen enormen Vor- teil. Das DNA-Provirus kann in das zelluläre Genom der Wirtszelle inte- griert werden und wird dann für im- mer wie ein zusätzliches zelluläres Gen von der Zelle auf die Tochter- zelle vererbt. Diesen Integrations- vorgang teilen die Retroviren mit anderen DNA-haltigen Tumorviren, die ebenfalls ihre DNA ins Zellchro- mosom integrieren können.

Diesen Prozeß hatte R. Dulbec- co bei den DNA-haltigen Viren ent- deckt. Damit hatte er die Erklärung auch für den Umweg der Retroviren geliefert und teilte deshalb den No- belpreis mit Temin und Baltimore.

So wurde plötzlich klar, was die Re- troviren mit dem DNA-Provirus be- zwecken, sie jubeln der Wirtszelle ein Kuckucksei unter, das diese aus-

brütet. Die Zelle gestattet sowohl die Integration des DNA-Provirus, wozu sich das Retrovirus auch noch eine dafür notwendige Integrase oder Endonuklease mitbringt, wie auch die episomale Existenz eines DNA-Provirus. Es kann als DNA- Ring im Zytoplasma der Zelle beste- hen bleiben und sich im Gleichtakt mit der Wirtszell-DNA teilen (Ab- bildung 2).

Auf dem Weg zur Synthese eines doppelsträngigen DNA-Provirus

Die erste Schwierigkeit bei der Umwandlung von viraler RNA in DNA tut sich auf bei der Initiation:

DNA-Polymerasen, zu denen die Reverse Transkriptase gehört, kön- nen nicht ohne Starthilfe mit der DNA-Synthese beginnen. Sie brau- chen einen Aufhänger, an den sie das erste Desoxynukleotid anknüp-

(3)

WIE

LTR

Genkarte von HIV

a rt/

gag pol env sorg tat trs 3'orf

1 1

LTR p17, 24, 9, 7 prot p66/51 endo

RT/RNase H

P/E „tar"

Beginn der mRNA-Synthese

I I 1 I

gp120/gp41 p14 p10

11

Abbildung 2: Die Genkarte deutet schematisch die verschiedenen Genprodukte von HIV an. Drei Gene sind essentiell für die Replika- tion, gag, pol und env, und kodieren für Strukturproteine die Replikationsenzyme und die Hüllglykoproteine. Das pol-Gen besteht aus der Protease, der eigentlichen Reversen Transkriptase (p66/51) mit RNase H und der Endonuldease. Weiterhin kodiert HIV für fünf re- gulatorische Gene: den Transkriptionsaktivator tat, das art/trs Protein (anti Repressor in trans oder Transregulator des Spleißens), sor und 3'orf (offene Leseraster), und R Die LTR (lange terminal redundancies) enthalten regulatorische Signale für zelluläre Enzyme, wie zum Beispiel die RNA-Polymerase, welche die Enhancer/Promoter (E/P) erkennt. „tar" ist die „tat Akzeptor Region" - dort wirkt das tat auf das Virus. gp bedeutet Glykoprotein, p = Protein, die Zahlen sind die Molekulargewichte in Kilodalton.

fen können. Die virale RNA bietet eine Starthilfe durch eine sogenann- te t-RNA (transfer RNA), die ei- gentlich bei der Proteinsynthese an den Ribosomen eine Rolle spielt und hier auf der viralen RNA völlig fehl am Platz zu sein scheint. Aber sie „paßt" auf genau eine Stelle auf der RNA, an der sie sich durch Was- serstoffbrückenbindung festhält.

Dort beginnt die Reverse Transkrip- tase mit der DNA-Synthese und ko- piert die RNA (Abbildung 3). Da die RNA als Plusstrang definiert ist, wird die komplementäre DNA als Minusstrang bezeichnet. Schon tritt die nächste Schwierigkeit auf: die Reverse Transkriptase hat gerade 100 der 10 000 Nukleotide syntheti- siert, da ist das Genom zu Ende. Die t-RNA-Startstelle sitzt so unglück- lich nahe am Ende des Genoms, daß es gleich zum Stopp kommt (strong- stop-DNA). Da die DNA-Polyme- rasen richtungsgebunden sind, kann auch die Reverse Transkriptase nicht einfach am t-RNA-Start an- dersherum loslaufen, obwohl das lohnender gewesen wäre - jedenfalls auf den ersten Blick.

Am „linken" Ende des RNA- Genoms, (dem 5'-Ende, sprich:

Fünf-Strich-Ende) bleibt das Enzym am Abgrund stehen. Wie soll es an das andere Ende gelangen, um den

gesamten RNA-Strang fertig zu übersetzen? Die Reverse Transkrip- tase baut sich eine Brücke, indem sie die unter ihr liegende RNA durch ei- ne Enzymaktivität abdaut (stufen- weise auflöst), die sie eigens dafür gleich an sich hat, eine RNase-H- Aktivität (H für Hybrid-Spezifität), denn die RNA im RNA-DNA-Hy- brid wird spezifisch vom Ende her weggedaut. Man nennt das eine Exonuklease, weil sie vom Ende her beginnt. Sie beißt aber nicht nur ein- mal, sondern mehrmals hintereinan- der kleine RNA-Stückchen ab (etwa immer vier Nukleotide gleichzeitig) - und weil sie sich dabei den Weg freimacht, heißt sie „prozessive Exonuklease". Sie hüpft wie ein Frosch. Das Virus hat wiederum vorgesorgt für die weiteren Schritte.

Am „linken" Ende des Genoms befindet sich eine Sequenz, die sich auch auf der anderen Seite der RNA wiederfindet (dem 3'-Ende). Diese Region wird R genannt und steht für Redundanz, die Sequenzen sind nämlich identisch. Da aber die linke R-Sequenz bereits in komplementä- re R'-Sequenz übersetzt und freige- setzt worden ist durch Reverse Transkriptase und RNase H, paßt jetzt R auf R'. Es ist nur eine Frage der Statistik, daß das eine Ende am anderen Ende vorbeiwedelt - und

kleben bleibt. Das Enzym hat einen Salto mortale überstanden und be- findet sich nun am anderen Ende des Genoms, wo es stur in der einzigen ihm erlaubten Richtung weiterlau- fen kann bis zur t-RNA, die ihm nun wieder als nächstes im Wege steht.

Jetzt muß die gesamte Virus- RNA beiseite geschafft werden, da- mit Platz entsteht (das heißt die Wasserstoffbrücken freigesetzt wer- den) für den zweiten DNA-Strang, das Ziel ist ja die Synthese eines doppelsträngigen DNA-Provirus.

Dieser Strang heißt nun wieder Plus- strang, weil er dieselbe Orientierung hat wie die ursprüngliche RNA.

Diese Arbeit nimmt ein zweites Re- verse-Transkriptase-Molekül auf.

Für diese Plusstrang-DNA-Synthese schaltet die Reverse Transkriptase auf ihre zweite Polymeraseeigen- schaft um, nämlich auf die DNA-ab- hängige DNA-Polymerase, denn sie hat jetzt DNA zu übersetzen.

Abwechselnd laufen die beiden Reverse-Transkriptase-Zwillinge in entgegengesetzter Richtung im Kreis. Jeder nutzt aus, was der ande- re vorbereitet hat, bis sie beide ihre

DNA-Synthese-Reise beenden. Die

DNA-Struktur klappt auf, und fertig ist die Doppelstrang-DNA, das DNA-Provirus. Wer jetzt genau nachrechnet, bemerkt folgendes:

Dt. Ärztebl. 85, Heft 8, 25. Februar 1988 (59) A-441

(4)

Mechanismus

der Reversen Transkriptase

RNA tRNA

gag I Pol env

RU5, U3, R

Reverse Transkriptase

RNase H R'

I I

U3 ,RU 5 1 II I

LTR gag I pol I

U3 RU5

I I

env LTR DNA-Provirus

Abbildung 3: Die vi- rale RNA trägt Infor- mation für minde- stens drei Gene, welche für die Vi- rusreplikation essen- tiell sind, gag, pol und env, Die Geno- menden sind Vorstu- fen der LTRs (large terminal redundan- cies), die erst durch die Reverse Trans- kription entstehen.

Sie bestehen auf der RNA vorerst aus der R-(redundancy-)Re- gion und den einma- ligen (unique) Se- quenzen am 3'- und 5'-Ende. DNA-Syn- these durch die Re- verse Transkriptase beginnt am t-RNA- Primer. Abdau der RNA im RNA-DNA- Hybrid durch die Hybrid-spezifische RNase H führt zu freigelegter komple- mentärer R'-DNA, welche an die R-Re- gion bindet So ge- langt die Reverse Transkriptase an das andere Ende des Genoms und kann die DNA-Synthese fortsetzen. Dieser Vorgang muß sich nochmals in ähn- licher Form wieder- holen, bis ein Dop- pelstrang-DNA-Pro- virus entsteht das DNA-Provirus ist gewachsen ge-

genüber der viralen RNA, und zwar an beiden Enden! Während des Sal- to mortale ist genetische Informa- tion von „links" nach „rechts" und von „rechts" nach „links" (vom 5'- zum 3'-Ende und umgekehrt) ge- langt Es entstehen an beiden Enden der DNA identische Strukturen (ab- gekürzt als LTR, large terminal re- dundancy), denn beide LTRs sind identisch. Damit hatte die t-RNA, die scheinbar so unsinnig nahe am Genomende plaziert ist und zwei Saltos für die beiden Enzymmolekü- le erzwingt — dort ihren Sinn. Nur auf diese Weise konnten nämlich die LTRs entstehen — und die sind fast das Wichtigste der Retroviren.

Garantie für die

Vermehrung des Virus in der Zelle

Die LTRs sind eine Art Cock- pit der Retroviren. Sie erfüllen viele Aufgaben. Die erste Rolle spielen sie bei der Reversen Transkriptase, die zweite bei der Integration des DNA-Provirus, auf dem LTR an LTR Kopf an Kopf sitzt und das ge- nau an dieser Verbindungsstelle wie- der für die Integration aufgeschnit- ten wird. Die dritte Rolle der LTRs ist es, eine gute Vermehrung des Vi- rus in der Zelle zu garantieren, in- dem Signale an zelluläre Enzyme vermittelt werden, die zum Beispiel dafür sorgen, daß viele RNA-Nach- kommen entstehen. Dafür befinden sich Signale auf den LTRs, die En- hancer und Promotoren genannt werden. Diese sorgen nicht nur für eine effektive Transkription der Vi- rusgene, sondern auch — und das ist die fatalste Wirkung der LTRs — für das Anschalten zellulärer Nachbar- gene: das kann zu Krebs führen.

Die Integration der Retroviren erfolgt an beliebigen Stellen des Wirtschromosoms, und dabei wer- den oft zelluläre Gene zerstört oder verändert oder durch das LTR hy- peraktiv. So wird die Wirtszelle zur Tumorzelle. Dieser Mechanismus ist einer der beiden krebserzeugenden Vorgänge der Retroviren, der zwei- te Mechanismus erfolgt über eigens dafür im Virus mitgeschleppte On-

kogene, die auf Kosten der Rever- sen Transkriptase im Genom vor- handen sind.

Die Reverse Transkription muß, je nach Retrovirustyp, drei bis acht Virusgene korrekt replizieren.

Vergleicht man diese Aufgabe mit der von zellulären DNA-Polymera- sen, die 200 000 Gene in jeder Zelle richtig vermehren müssen, so ist ihre Aufgabe vergleichbar gering. Die Reverse Transkriptase ist deshalb von der Evolution auch nicht so auf Präzision getrimmt wie ihre Kolle-

1

gin, die DNA-Polymerase in der normalen Zelle. Sie macht einfach öfter Fehler, das heißt, sie baut ein falsches Nukleotid, nicht das vom Gegenstrang vorgeschriebene, ein.

Passiert ihr das bei der Reversen Transkription der gag-Moleküle, so geht das so lange gut, wie dadurch nicht die Ausbildung des viralen Kerns oder die sonstige Virusarchi- tektur leidet. Die Anforderung an Strukturproteine ist nicht allzuhoch.

Wie steht es jedoch mit dem env, den beiden Glykoproteinen?

(5)

Diese können Fehlerraten verkraf- ten, solange sie danach noch ihre biologische Funktion, die Bindung an den Rezeptor der Wirtszelle, er- füllen. Für die Glykoproteine, die eine Immunantwort des Organismus hervorrufen, sind Fehler sogar von Vorteil!

Die Antikörper gegen ein be- stimmtes Glykoprotein wirken nicht mehr, wenn es genügend verändert ist, und so entwischt das Virus den Wächtern des Immunsystems. In der Tat scheint es so zu sein, daß diese

„antigene Varianz" der Glykopro- teine, die durch die Fehlerrate der Reversen Transkriptase zustande kommt, die Überlebenschancen des Virus begünstigt.

Macht denn die Reverse Tran- skriptase beim Überschreiben eines Gens mehr Fehler als bei einem an- deren? Mit Sicherheit nicht. Auch bei der Reversen Transkription des

Nukleosidanaloga für die Therapie der HIV-Infektion

Die unterschiedliche Präzision der Reversen Transkriptase im Ver- gleich zu der zellulären DNA-Poly- merase weckt große Hoffnungen auf Therapieansätze mit Nukleosidana- loga. Das sind Substanzen, die Ähn- lichkeit mit den Bausteinen der Nukleinsäuren, den sogenannten Nukleotiden, haben. Analoge Mole- küle sind solche, die ähnlich wirken, aber nicht identisch Ein Nukleosid- analog ist zum Beispiel das Azido- deoxy Thymidin (AZT), einer der hoffnungsvollsten Hemmstoffe der Reversen Transkriptase. Es trägt ein Stickstoffmolekül an der Stelle, wo die richtigen Nukleotide eine OH- Gruppe besitzen. Diese wäre aber nötig, um die Verknüpfung eines Nukleotids zum nächsten zu vollzie- hen, für die Ausbildung der soge- nannten 3'-5'-Phosphodiesterbrük- kenbindung, dem eigentlichen Schritt, nach welchem das Enzym Polymerase genannt wird. Das 3'-Ende ist aber durch das N-Mole- kül blockiert, es kommt zum Ketten- abbruch, die Virusvermehrung ist beendet.

pol-Gens selber macht sie vermut- lich Fehler — allerdings verlaufen diese meistens „tödlich". Entsteht dabei eine defekte Reverse Tran- skriptase, so schafft diese nicht alle nötigen Schritte der Replikation, es entstehen keine Virusnachkommen.

Daher ist das pol-Gen hochkonser- viert.

Es ist genetisch so stabil, daß seine Sequenzen zur Herstellung von Verwandtschaftsbeziehungen verschiedener Virusisolate herange- zogen werden. Die Verwandtschaft der Sequenzen von HIV und Lenti- viren, wie zum Beispiel Visna, ist sehr groß, die zum Rous-Sarcoma- Virus des Huhns geringer, die zu den vermuteten Reversen Tran- skriptasen aus Fliegen, Hefe, Esche- richia coli oder Hepatitis B ist noch geringer. Man erstellt durch Se- quenzvergleich Stammbäume, soge- nannte phylogenetische Bäume.

Die zelluläre DNA-Polymerase sortiert das falsche Nukleotid mit viel höherer Effizienz aus und baut es nicht ein, chemisch gesprochen:

die Bindungskonstante von AZT an die Reverse Transkriptase ist höher als an die zelluläre DNA-Polymera- se. Diesen Unterschied der Präzi- sion — fidelity im Englischen — will man sich durch Nukleosidanaloga zunutze machen, um die Virusver- mehrung zu stören, ohne die zellulä- re DNA-Synthese mitzutreffen. Wo- durch die „fidelity" — die Treue — ei- nes Enzyms beeinflußt wird, hat man bei der sogenannten Kornberg- DNA-Polymerase, dem Vermeh- rungsenzym von Bakterien, getestet.

Diese Escherichia-coli-DNA-Poly- merase hat eine zusätzliche Korrek- turlesevorrichtung eingebaut, die fehlerhafte Nukleotide wieder hin- auswirft, „proof-reading" genannt.

Man könnte auch an „tipp-ex" den- ken — das fehlt der Reversen Tran- skriptase.

So wichtig Nukleosidanaloge für die Therapie der HIV-Infektionen sind — da sie die .aktive Virusvermeh- rung blockieren —, so unzureichend sind sie andererseits, da sie nichts gegen das integrierte DNA-Provirus vermögen. Dieses wird vom ersten

HIV-infizierten Lymphozyten an al- le Tochterzellen weitergegeben. Das wird der HIV-Infizierte nie wieder los — es sei denn, man findet Wege, genau die DNA-Provirus-haltigen Zellen auszurotten. Das oben er- wähnte AZT könnte noch einen in- teressanten Therapievorteil liefern:

innerhalb von 92 Stunden nach einer Nadelstichinfektion, zum Beispiel bei Klinikpersonal, eingenommen, soll es die Bildung des ersten inte- grierten DNA-Provirus verhindern — damit würde eine HIV-Infektion ab- gewehrt.

Literatur

1. Tooze, J. et al.: Molecular Biology of Tumor Viruses, part 1, Cold Spring Harbor Press (1987)

2. Fields, N. B. et al.: Fundamental Virology, Raven Press, New York 1985, chapter 13 3. Friedrich, R. and Moelling, K.: Effect of vi-

ral RNase H an the RSV-genome during ear- ly transcription in vitro. J. Virol. 31 (1979) 630-638

4. Hansen, J.; Schulze, T. and Moelling, K.:

RNase H activity associated with bacterially expressed recombinant reverse transcriptase of HIV. J. Biol. Chem. 262 (1987) 12 393-12 396

5. Hansen, J.: Schulze, T.; Meliert, W. and Moelling, K.: Identification and characteri- zation of HIV-specifk RNase H by monoclo- nal antibody. EMBO J., Jan. 1988 6. Varmus, H.: Reverse Transcription, Scienti-

fic American, Sept. (1987) 48-54

Anschrift der Verfasserin:

Professor Dr. rer. nat.

Karin Mölling

Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik Ihnesstraße 73

1000 Berlin 33

Dt. Ärztebl. 85, Heft 8, 25. Februar 1988 (63) A-443

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