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Archiv "Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF)" (04.12.1998)

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haus widerspricht zu stark dem Bild vom „Paradies der Werktätigen“, wie es von den Regierungsmedien be- schworen wird.

„Das ist die schwierigste Zeit, an die ich mich erinnern kann“, sagt der diensthabende Arzt Kim Jong Wang in Jong Won. Es zermürbt ihn zu se- hen, daß die meisten seiner Patienten eigentlich nicht krank, sondern unter- ernährt sind. Der elfjährige Cha Tonk liegt schon seit 30 Tagen in der Klinik. Sein leerer Blick und die her- vorstehenden Knochen erinnern an einen alten, kranken Mann. Die Kli- nik verfügt kaum über Medikamente und keinerlei Nahrungsmittel.

Wenn bei ihm weitere Infektio- nen auftreten, wird Cha unter ärztlicher Aufsicht an Mangel- ernährung sterben müssen.

Noch versuchen Dr. Jong Wang und seine Mitarbeiter, dies mit allen Mitteln zu verhindern. Je- der Quadratzentimeter Boden um die Klinik wird für den An- bau von Gemüse genutzt. Kräu- ter sollen fehlende Medika- mente ersetzen. Rund eine Mil- lion Tonnen Lebensmittel wur- de seit 1996 von den Vereinten Na- tionen und verschiedenen Hilfsorga- nisationen nach Nordkorea gebracht.

Vor allem ihnen ist es zu verdanken, daß die Not im Land nicht noch größer ist. So ist es zum Beispiel in den vergangenen Monaten gelungen, Säuglinge und Kleinkinder ausrei- chend zu versorgen – ein Umstand, den auch die nordkoreanische Regie- rung anerkennt. Bei älteren Kindern, schwangeren Frauen oder kranken Menschen ist die Ernährung aber bei weitem nicht ausreichend.

Eine der Hilfsorganisationen, die mit am längsten in Nordkorea arbei- tet, ist Caritas international. In diesem Jahr will sie 15 000 Tonnen Hilfsgüter nach Nordkorea bringen, darunter Lebensmittel, Dünger, landwirt- schaftliche Materialien und Medika- mente. Anders als in den meisten Ländern beansprucht in Nordkorea die Regierung die Verteilung der Hilfsgüter. Unabhängige Hilfsorgani- sationen oder kirchliche Gruppen gibt es nicht im Land, da alle Lebensberei- che von der Partei geregelt werden.

Caritas-Mitarbeiterin Käthi Zellwe- ger war in den vergangenen zwei Jah-

ren neunzehnmal in Nordkorea, um die Hilfsprogramme zu begleiten. Sie besucht Krankenhäuser und Kinder- gärten und kontrolliert, ob die Nah- rungsmittel bei den Zielgruppen an- gekommen sind. Die Zusammenar- beit mit den staatlichen Stellen gestal- tet sich für sie wie auch für alle ande- ren Ausländer nicht einfach. Die ab- solute Unabhängigkeit des Landes hatte Staatspräsident Kim Il Sung als oberstes Gebot beschworen. Daß nun Fremde in die Bücher der Distriktver- waltungen schauen und Auskunft über jeden Liter Speiseöl verlangen, ist für viele Funktionäre ungewohnt.

Zu 160 von 212 Distrikten in Nordkorea haben die Hilfsorganisa- tionen Zugang. Nur dorthin, wo eine Kontrolle erlaubt ist, werden auch Hilfsgüter geliefert – mit sehr hoher Zuverlässigkeit, wie Zellweger be- stätigt. „Ohne die internationale Hilfe wären Tausende Menschen verhun- gert.“ Landrätin Choi Won Suk aus Kosan spricht unverblümt von der

Not der kommenden Monate: „Wir werden verstärkt Gras und Kräuter essen.“ In der Tat sehen wir überall in Parks und Wäldern, wie Menschen nach verwertbaren Pflanzen suchen, die zu einer Art Suppenwürfel verar- beitet werden. „Dies war schon in den letzten Monaten unsere Zusatz- ernährung, doch nun stellen die Grä- ser für viele Menschen das Hauptge- richt dar“, sagt Choi Won Suk.

Dieser Eindruck bestätigt sich in Gesprächen mit Landarbeitern, die nur über ein Viertel der benötigten täglichen Kalorienzahl verfügen. Es grenzt an ein Wunder, daß die Bauern die schwere Arbeit in den Reis- feldern dennoch bewältigen.

Offiziell wird alle Not in Nord- korea auf die Naturkatastro- phen zurückgeführt. Doch die Probleme liegen tiefer. „Auch wenn die diesjährige Ernte opti- mal verläuft, fehlen uns 20 Pro- zent Nahrungsmittel“, gesteht ein anderer Beamter ein. Völlig veraltete Landmaschinen sowie der Mangel an Treibstoff und Dünger sind nur Symptome der schweren Wirtschaftskrise des Landes. Mit dem Niedergang soziali- stischer „Bruderstaaten“ fiel die Wirt- schaftsleistung um 50 Prozent. Doch ein gewisser Wandel ist unübersehbar.

So gibt es kleine Bauernmärkte, die nach der reinen Lehre zwar uner- wünscht sind, aber toleriert werden.

Dort kann sich in begrenztem Um- fang ein freier Markt entwickeln.

Spendenkonto: Deutscher Cari- tasverband, Postbank Karlsruhe, Konto 202 753, BLZ 660 100 75, Stichwort: Nordkorea. Oliver Müller

A-3125 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 49, 4. Dezember 1998 (37)

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen(MSF) hat inzwischen ihre Arbeit in Nordkorea eingestellt. Die Organisation begründet diesen Schritt damit, daß die Regierung von Nordkorea sich weigert, die akute Not ihrer Bevölkerung an- zuerkennen und humanitäre Hilfe zu akzeptieren. Statt dessen fordere sie struk- turelle Hilfe, um die nationale Pharmaindustrie wiederaufzubauen. MSF zufolge schränkt die Regierung seit Anfang Juni die humanitäre Hilfe derart ein, daß es unmöglich ist, die Projekte verantwortungsvoll durchzuführen. Die Organisation forderte alle Geberländer auf, ihre Nordkorea-Programme zu überdenken. Es müsse sichergestellt werden, daß humanitäre Organisationen freien Zugang zur Bevölkerung haben, den Bedarf ungehindert feststellen, die Hilfe unparteiisch vergeben und die Projekte auf ihre Wirksamkeit überprüfen können. Im vergan- genen Jahr unterstützte MSF nach eigenen Angaben rund 1 400 Krankenhäuser und Gesundheitszentren mit Medikamenten, medizinischem Gerät und Fortbil- dung des einheimischen Personals. MSF habe diese Hilfe weiterführen wollen.

Die Regierung habe aber darauf gepocht, daß die wirksamste Hilfe in der Liefe-

rung pharmazeutischer Rohmaterialien bestehe. HK

Als Zusatznahrung gelten Gras und Kräuter, aus denen Suppenwürfel hergestellt werden.

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