DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
ISKUSSION
Behandlungsstrategien bei Gelenkinfektionen nach
intraartikulären Injektionen und Punktionen
Zu dem Beitrag von
Professor Anton Härle und Mitarbeitern in Heft 34/35, 1987
Mit Antibiotikatherapie Operationen vermeiden
Der Artikel von Professor Härle bedarf einiger ergänzender Bemer- kungen. Bei jedem Verdacht auf Gelenksepsis sollte man die Gelenk- flüssigkeit unter dem polarisieren- den Mikroskop untersuchen, um ei- ne kristallinduzierte Arthritis auszu- schließen, da die Kristallarthritis ebenfalls hohe Leukozytenzahlen verursachen kann. Bei der Sepsis findet man in der Gelenkflüssigkeit einen niedrigen Glukosespiegel (we- niger als die Hälfte des Blutzuckers) und erhöhte Laktatwerte (mehr als 100 mg/dl). Die wichtigste akute dia- gnostische Maßnahme ist wohl die Gramfärbung der Gelenkflüssigkeit, da man damit schon mit hoher Wahrscheinlichkeit den Organismus erkennen und entsprechende Anti- biotikatherapie gezielter einsetzen kann. Blutkulturen sind auch in drei Vierteln der Fälle positiv und sollten nicht vergessen werden.
Hochdosierte intravenöse Anti- biotika sollten sofort eingesetzt wer- den für mindestens 14 Tage, wobei dann für weitere zwei bis vier Wo- chen zu einer oralen Antibiotika- Verarbeitung übergegangen werden kann. Antibiotika sollte man nie in das Gelenk selbst einführen, da sie eine chemische Synovitis auslösen können und die Gefahr einer Super- infektion erhöht wird. Das Gelenk sollte man ein- bis zweimal täglich aspirieren, um den intraartikulären Druck zu vermindern und um schä- digende Enzyme zu entfernen. Es gibt keine eindeutigen Beweise, daß operative Behandlung zu besseren Erfolgen führt. Indikationen zum operativen Eingriff sind:
1. Inadäquate Aspiration des Eiters (etwa durch hohe Viskosität), 2. Unzugänglichkeit des Gelenkes (Hüft, Ileosakralfuge),
3. Persistierende Neuansammlung von Eiter und keine Besserung in- nerhalb von 48 Stunden trotz ad- äquatem Antibiotikaeinsatz.
Das Endresultat hängt letztlich nicht von entweder medizinischem oder chirurgischem Vorgehen, son- dern von der Schnelligkeit des Ein- satzes entsprechender Therapie ab.
Mit aggressiver, konsequenter Anti- biotikatherapie habe ich in meinen sieben Jahren in verschiedenen rheumatologischen Kliniken noch nie einen Patienten mit Gelenksep- sis operieren lassen müssen.
Dr. Werner-Robert Rumfeld Arzt für Innere Medizin und Rheumatologie
Gartenstraße 6 • 4670 Lünen
Schlußwort
Die von uns vorgestellten Be- handlungsstrategien konzentrieren sich auf die in der Kommissionsbera- tung einvernehmlich als erforderlich angesehenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die auch in jeder Praxis durchführbar sein sollten. Den im Leserbrief von Dr. Rumfeld gemachten Ausführun- gen möchte ich folgende Überlegun- gen entgegenstellen:
A: Eine mikroskopische Untersu- chung der Gelenkflüssigkeit ist in den meisten Praxen nicht oder zu- mindest nicht immer mit der Fach- kompetenz möglich, daß daraus all- gemein eine Beschleunigung der Diagnosestellung zu erwarten wäre.
Das gilt für die Untersuchung auf Kristalle wie auch auf Bakterien.
Auch die Bestimmung des Gluko- sespiegels geht über die Möglichkeit vieler Praxen hinaus. In der Kom- mission herrschte daher die einver-
nehmliche Meinung, daß außer der Bestimmung der Leukozytenzahl keine weiteren mikroskopischen Untersuchungen als erforderlich an- zusehen sind.
B: Es war nicht die Meinung der Kommission, daß jedes Gelenkem- pyem operativ behandelt werden müsse; die konservative Therapie ist detailliert angesprochen worden;
tritt aber unter dreitägiger Antibioti- katherapie keine Besserung ein oder kommt der Patient erst verspätet in Behandlung, sollte mit der operati- ven Therapie nicht mehr gezögert werden. Eine Analyse von 200 Ge- lenkempyemen nach Punktionen und Injektionen hat gezeigt, daß für Operationen nach mehr als viertägi- ger Infektionsdauer parallel mit An- stieg dieses Zeitintervalls auch eine Zunahme der schlechten Ergebnisse festzustellen war. Eine konservative Therapie, die erst nach 14 Tagen we- gen Erfolglosigkeit abgesetzt wird, hat zwischenzeitlich die Chance ei- ner „restitutio ad priore" durch eine rechtzeitige Operation verspielt.
Während nach unserer Auffas- sung die intraartikuläre Antibioti- kainstillation sehr umstritten ist, sind bisher den Autoren keine Un- tersuchungen bekannt, die bewei- sen, daß die durch den Lokalantibio- tikaeinsatz (Spüldrainage und Gen- tamicine/Septopal®) beschleunigte Kontrolle der Gelenkinfektion mit dem Nachteil einer chemischen Knorpelschädigung belastet wäre.
C: Der Schlußbemerkung im Leser- brief, daß das Zeitintervall zwischen Infektionsmanifestation und Thera- piebeginn eine bedeutsame Einfluß- größe darstellt, kann nur zuge- stimmt werden. In diesem Zusam- menhang ist nochmals darauf hinzu- weisen, daß einer mündlichen oder schriftlichen Information über mög- liche Komplikationen und die Emp- fehlung, bei welchen Symptomen dringlich ein Arzt aufgesucht wer- den soll, eine nicht zu gering zu ver- anschlagende Bedeutung zukommt
Professor Dr. med. Anton Härle Klinik und Poliklinik
für Allgemeine Orthopädie der Universität Münster Albert-Schweitzer-Straße 33 4400 Münster
A-1378 (70) Dt. Ärztebl. 85, Heft 19, 12. Mai 1988