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Archiv "Minimale residuale Tumorerkrankung bei soliden epithelialen Tumoren: Stand der Forschung und Implikationen für die Therapie" (02.06.2000)

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Academic year: 2022

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ie Mehrzahl aller Krebsneu- erkrankungen sowie der mali- gnombedingten Todesfälle in den westlichen Industrieländern wird durch maligne epitheliale Tumoren verursacht. Bei zunehmenden Resek- tabilitätsmöglichkeiten im Laufe der letzten Jahrzehnte wird die Morta- litätsrate immer häufiger durch eine frühzeitige okkulte Tumorzelldisse- mination bestimmt (20, 39, 40), wel- che mit konventionellen histopa- thologischen Stagingmethoden so- wie bildgebenden Stagingmodalitäten (49) nicht nachzuweisen ist. Deshalb richtet sich die Indikation zu einer sy- stemischen adjuvanten Therapie nach vollständiger Resektion des Primärtu- mors und der regionalen Lymphkno- ten zur Prävention der Metastasie- rung nach statistisch gewonnenen

Prognose-Indizes (wie Tumorstadium, Tumorgrading). Für eine differenzier- te Indikationsstellung und ein indivi- duelles Therapiekonzept wäre der di- rekte Nachweis einer minimalen resi- dualen Tumorerkrankung von größter Bedeutung.

Das Metastasierungsverhalten von soliden epithelialen Tumoren ist Thema zahlreicher molekularer Un- tersuchungen und hat zur Identifika-

tion einer Vielzahl von Faktoren ge- führt, die den Metastasierungspro- zess regulieren. Es ist jedoch weiter- hin unbekannt, welche „Milieubedin- gungen“ in mesenchymalen Organen wie dem Knochenmark oder den Lymphknoten vorliegen müssen, um ein Wachstum epithelialer Tumorzel- len zu ermöglichen. Des Weiteren ist das Phänomen der so genannten „Tu- mor Cell Dormancy“ bisher nicht ge- klärt. Zwar haben Einzelzellanalysen gezeigt, dass die Mehrzahl der disse- minierten Tumorzellen nicht prolife- riert, jedoch bleibt unklar, welche Faktoren die zum Teil ausgeprägte Latenzzeit, die von der Tumorzell- streuung bis zur klinischen Manife- station einer Metastase vergeht (42), bestimmen. Adjuvante Therapiemo- dalitäten, die sich sowohl gegen ru-

Minimale residuale

Tumorerkrankung bei soliden epithelialen Tumoren

Stand der Forschung und Implikationen für die Therapie Jakob R. Izbicki

1

Stefan B. Hosch

1

Dieter Kurt Hossfeld

2

Klaus Pantel

3

Die Inzidenz von Lokalrezidiven nach R0-Resektion soli- der Tumoren hängt weitgehend von der Kunst des Chirur- gen ab, während die Fernmetastasierung von der Tumorbio- logie bestimmt wird. Der Nachweis einzelner disseminierter Tumorzellen im Knochenmark oder in Lymphknoten, – als Indikatororgane –, ist im Rahmen eines erweiterten Tumor- staging durch sensitive immunzyto- beziehungsweise im- munhistochemische und molekulare Methoden möglich und hat sich in einer Vielzahl von Studien als klinisch rele- vanter und vom Tumorstadium unabhängiger Prognosefak- tor erwiesen. Isolierte disseminierte Tumorzellen sind im Vergleich zu soliden Metastasen wegen ihrer Zugänglichkeit für Makromoleküle und immunkompetente Effektorzellen

geeignetere Ziele für intravenös appli- zierte Therapeutika. Da die Mehrzahl

dieser Tumorzellen nicht proliferiert (G0-Phase), erklärt dies einerseits die teilweise ausgedehnte Latenzphase („Dormancy“) bis zur Entwicklung einer Fernmetastasie- rung und andererseits könnte hierin eine Ursache für die be- schränkte Wirkung einer adjuvanten antiproliferativen Che- motherapie liegen. Therapiestrategien, die auch gegen nicht proliferierende Tumorzellen wirksam sind, scheinen daher insbesondere im adjuvanten Ansatz vielversprechend.

Schlüsselwörter: Minimale residuale Krebserkrankung, Im- munzytochemie, Polymerasekettenreaktion, Knochenmark, Lymphknoten

ZUSAMMENFASSUNG

Minimal Residual Disease

The incidence of local relapse after complete (R0) resection of solid tumors is largely determined by the skill of the sur- geon, whereas distant disease is due to tumor biology. The presence of individual disseminated tumor cells – e. g. in bone marrow and lymph nodes as indicator organs – can be detected by sensitive immunocytochemical and molecular methods and is increasingly considered as a clinically rele- vant and independent prognostic indicator. Compared to solid metastases, isolated micrometastatic tumor cells are appropriate targets for intravenously applied anti-cancer

therapeutics because they are easily accessible for macromolecules and immunologic effector cells.

The majority of these tumor cells appear to be nonprolifer- ating, which is consistent with the extended latency period (“dormancy”) between their primary diagnosis and the oc- curence of a subsequent metastatic relapse, and it may ex- plain the failure of adjuvant chemotherapy. Adjuvant thera- peutic strategies aimed at quiescent tumor cells are therefore of increasing interest.

Key words: Minimal residual disease, immunocytochem- istry, polymerase chain reaction, bone marrow, lymph node

SUMMARY

D

1 Chirurgische Klinik und Poliklinik (Direktor Komm.: Prof. Dr. med. Jakob R. Izbicki), Uni- versitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg

2Medizinische Klinik und Poliklinik (Direktor:

Prof. Dr. med. Dieter Kurt Hossfeld), Univer- sitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg

3Frauenklinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Fritz Jänicke), Universitäts-Krankenhaus Eppendorf, Hamburg

(2)

hende als auch gegen proliferierende Zellen richten, scheinen daher eine interessante Alternative beziehungs- weise Ergänzung zu antiproliferati- ven adjuvanten Therapieoptionen zu sein.

Da in letzter Zeit zunehmend im- munzyto- und immunhistochemische und molekulare Analyseverfahren Eingang in die Diagnostik der mini- malen Tumorzelldissemination gefun-

den haben, soll im Folgenden ein Überblick über den derzeitigen Stand der Forschung, aber auch der sich dar- aus ergebenden neuen Therapie- ansätze, die zu einer Prävention der Metastasierung führen sollen, gege- ben werden.

Hämatogene

Tumorzelldissemination

Einige epitheliale Tumorentitä- ten metastasieren bevorzugt in das Skelett. Es bietet sich daher an, die- ses leicht zugängliche Kompartiment durch Knochenmarkaspiration direkt zu explorieren, insbesondere deswe- gen, da im Knochenmarkraum ein in- tensiver Zellaustausch zwischen zir- kulierendem Blut und Stroma statt- findet.

Die Identifikation einzelner Tu- morzellen im Knochenmark ist zyto- logisch sehr schwierig, während sich mikrometastatische Tumorzellaggre- gate mit der konventionellen zytopa- thologischen Methodik nachweisen lassen (5, 49). In den letzten Jahren ist der Tumorzellnachweis einzelner Zel- len jedoch durch die Einführung sen- sitiver immunzytochemischer und molekularer Methoden möglich ge- worden (34, 40). Zur Identifikation einzelner Tumorzellen in zytologi- schen Präparaten des Knochenmarks

haben sich Zytokeratine als integrale Bestandteile des Zytoskeletts epithe- lialer Zellen als vielversprechend er- wiesen. Zytokeratine werden auch von Tumorzellen stabil exprimiert und sind mit spezifischen monoklona- len Antikörpern an einzelnen Karzi- nomzellen eindeutig nachweisbar. Ih- re Spezifität ist im Vergleich zu so ge- nannten tumorassoziierten Zellmem- branproteinen ungleich höher (41, 49). Außerdem konnten immunhisto- chemische Analysen an Knochen- markbiopsien zeigen, dass im Inter- stitium gelegene Zytokeratin-(CK-)- positive Tumorzellen zum großen Teil außerhalb der sinusoidalen Gefäße anzutreffen sind. Folglich müssen die- se Zellen die Extravasion, einen der letzten Schritte der Metastasierungs- kaskade, erfolgreich durchlaufen ha- ben (48). Eine ektope Expression von Zytokeratinproteinen sowie die ekto- pe oder illegitime mRNA-Expression von Zytokeratinen in mesenchymalen Zellen ist allerdings nicht vollständig auszuschließen (27, 56, 58), jedoch zeigen zahlreiche Studien an einer großen Anzahl von Kontrollpatien- ten mit benignen Erkrankungen nur eine äußerst seltene Zytokeratinex-

pression in Knochenmarkzellen (39, 41, 49). Eine Limitation der immunzy- tochemischen Analysen ist die subjek- tive Auswertung der zytologischen Präparate. Im Rahmen eines Ringver- suchs unter Leitung von Klaus Pantel wurden daher objektivierbare Kriteri- en für die Beurteilung immunzytoche- misch gefärbter Einzelzellen erarbei- tet (2).

Bei circa 20 bis 30 Prozent der un- tersuchten Patienten mit verschiede- nen Tumorentitäten im klinischen Stadium M0 (M0, kein Nachweis von Fernmetastasen) konnte mithilfe ver- schiedener Antikörper eine minimale Tumorzelldissemination im Knochen- mark nachgewiesen werden (Abbil- Abbildung 1: Zytokeratin-positive Zelle im Knochen-

mark (APAAP-Färbung, monoklonaler Antikörper A45- B/B3).

Tabelle 1

Immunzytochemische Studien zur prognostischen Relevanz von disseminierten Tumorzellen im Knochenmark

Tumorart Marker- Detektionsrate Prognostischer

Proteine (%) Wert

Mammakarzinom EMA 89/350 (25) DFS, OS

EMA, TAG12, CK 38/100 (38) DFS*, OS*

CK 18/49 (37) DFS*

TAG12 315/727 (43) DFS*, OS CK 199/552 (36) DFS*, OS*

KolorektalkarzinomCK18 28/88 (32) DFS*

MagenkarzinomCK18 34/97 (35) DFS

CK18 47/78 (60) DFS

CK18 95/180 (53) DFS*

ÖsophaguskarzinomCK 37/90 (41) DFS

BronchialkarzinomCK 17/43 (40) DFS

(NSCLC)

CK18 83/139 (60) DFS*

* Prognostischer Wert als unabhängiger Parameter durch multivariate Analyse bestätigt.

EMA = Epithel-Membrane Antigen; CK = Zytokeratin; TAG 12 = tumorassoziiertes Gly- koprotein 12; DFS = Disease-Free Survival (rezidivfreie Überlebenszeit); OS = Overall Survival (Gesamtüberlebenszeit); NSCLC = Non-Small Cell Lung Cancer (nichtkleinzelli- ges Lungenkarzinom)

Abbildung 2: Ber-EP4-positive Tumorzelle in histopa- thologisch „tumorfreiem“ Lymphknoten.

(3)

dung 1), die in der Regel weniger als 10 CK18+-Tumorzellen pro 8 x 105 mononukleärer Knochenmarkzellen ausmachte. Die prognostische Rele- vanz des Nachweises dieser dissemi- nierten Tumorzellen im Knochen- mark konnte bei verschiedenen Tu- morentitäten demonstriert werden (Tabelle 1).Hinsichtlich der quantita- tiven Analyse solcher Befunde fanden Cote et al. (8) zwar ein erhöhtes Rezi- divrisiko bei den Mammakarzinom- Patientinnen mit einer höheren An- zahl disseminierter Zellen, jedoch er- scheint die Vergleichbarkeit des Pro- benvolumens problematisch. Bei Pati- enten mit Magenkarzinom konnten von Heiss et al. bei wiederholtem Nachweis von Tumorzellen im Kno- chenmark im Krankheitsverlauf ein höherer prädiktiver Wert hinsichtlich der Metastasierungsrate nachgewie- sen werden als bei alleinigem Tumor- zellnachweis am Tag der Operation des Primärtumors (15).

Lymphogene Disseminierung

Da die lymphogene Disseminie- rung eine große prognostische Bedeu- tung hat, scheint die Untersuchung von Lymphknoten auf minimale Tu- morzelldissemination zur Abschät- zung des Krankheitsverlaufs sinnvoll.

Der immunhistochemische Nachweis von einzelnen Tumorzellen in histo- pathologisch tumorfreien Lymphkno- ten mit dem antiepithelialen Antikör- per Ber-EP4 konnte bei verschiede- nen Tumorentitäten geführt werden (19, 20, 44) (Abbildung 2). Da dieser Antikörper mehr als 90 Prozent der untersuchten Primärtumoren homo- gen anfärbt, scheint er zum Nachweis einer minimalen lymphatischen Tu- morzelldissemination geeignet. So konnten bei 15,2 Prozent der unter- suchten Patienten mit Bronchialkar- zinom, bei 43 Prozent der Patienten mit Pankreaskopfkarzinom und bei 62 Prozent der Patienten mit Öso- phaguskarzinom einzelne Tumorzel- len in histopathologisch unauffälligen Lymphknoten nachgewiesen werden.

Dieser Nachweis korrelierte nicht mit etablierten Risikofaktoren, wie dem T-Stadium, dem N-Stadium und dem Differenzierungsgrad des Tumors. In

allen Studien konnte eine unabhängi- ge prognostische Bedeutung dieses immunhistochemischen Tumorzell- nachweises hinsichtlich der Rezidiv- rate und des Gesamtüberlebens durch eine multivariate Analyse bestätigt werden. Im Gegensatz zur Analyse von Knochenmark oder Blut ist die Analyse von Lymphknotenschnitten jedoch lediglich nach der Resektion des Primärtumors möglich und somit nicht als Verlaufskontrolle von Thera-

pieansätzen geeignet. Dennoch könn- ten möglicherweise in Zukunft ent- sprechende Subkollektive von Patien- ten, entsprechend eines verfeinerten Staging, mit konventioneller und im- munhistochemischer Beurteilung der Tumorzelldissemination für geeignete adjuvante Therapieformen selektiert werden (20). Auch die lymphatische Mikrodissemination von epithelialen Tumoren scheint wie die Knochen- markmikroabsiedelung ein Indikator für eine systemische Dissemination zu sein, die durch aggressivere chirurgi- sche Therapieansätze, wie zum Bei- spiel eine radikale systematische Lymphadenektomie, nicht beeinflusst werden kann (21).

Nachweis disseminierter Tumorzellen

Auch wenn derzeit die immun- zyto- und histochemische Analyse zur Detektion einer minimalen Tu- morzellstreuung als Standard ange- sehen wird, sind diese Verfahren sehr zeitaufwendig. Das aufwendige mi- kroskopische Screening größerer Mengen von zytologischen Präpara- ten könnte in Zukunft durch die au-

tomatisierte Analyse der gefärbten Präparate mithilfe von Bildanalyse- systemen (Scanner), welche derzeit in ersten Studien eingesetzt werden, erleichtert werden. Auch Verfahren zur Anreicherung disseminierter Tu- morzellen (mit magnetischen Micro- Beads) stellen eine Alternative zur Analyse großer Probenvolumina dar.

Eine Bewertung solcher Verfahren steht jedoch bislang aufgrund weni- ger vorliegender Daten noch aus. Als weitere Alternative zur aufwendigen Immunzyto- und -histochemie wurde vor kurzem ein Enzymimmunoassay (ELISA) etabliert (17). Weiterhin kommen molekulare Nachweisver- fahren vermehrt zum Einsatz. Hier Tabelle 2

Phänotyp Zytokeratin-positiver Zellen im Knochenmark

Marker Tumorherkunft Marker+/CK+-Zellen

n Patienten Wachstumsfaktor-

rezeptoren

erbB2 Mamma 48/71 (67,6%)

Kolorektum/Magen 14/50 (28,0%) Transferrin-Rezeptor Mamma 17/59 (28,8%) Kolorektum7/41 (41,1%) MHC-Klasse-I-Antigene

Mamma 9/26 (34,6%)

Kolon/Magen 37/65 (56,9%) Adhäsionsmoleküle

17-1A Mamma 20/31 (64,5%)

Kolorektum4/6 (66,7%)

ICAM-1 Lunge (NSCLC) 13/31 (41,9%)

Plakoglobin Lunge (NSCLC) 4/12 (33,3%)

Kolorektum/Magen 4/13 (30,8%) Proliferationsassoziierte

Proteine

Ki-67 Mamma 1/12 ( 8,3%)

Kolorektum/Magen 0/21

pl20 Mamma 1/11 ( 9,1%)

Kolorektum/Magen 9/32 (28,1%)

(4)

kann die DNA disseminierter Tu- morzellen mittels der Polymerase- kettenreaktion (PCR) millionenfach vermehrt werden, sodass auch ge- ringste Mengen solcher Tumorzellen für ihren Nachweis ausreichen (57).

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Tumorzelle spezifische Ver- änderungen in ihrem Genom oder ihrem mRNA-Expressionsmuster auf- weist, die sie von den umgeben- den hämatopoetischen Zellen unter- scheidet. Die ausgeprägte genetische Heterogenität der Primärtumoren erfordert jedoch für den Nachweis tumorspezifischer genomischer Ver- änderungen auf Einzelzellebene ei- nen erheblichen technischen Auf- wand (14, 54). Momentan stellt die Spezifität des Tumorzellnachweises die größte Hürde dar, da hämatopoe- tische Zellen im PCR-Reaktionsge- fäß im Überschuss vorliegen und so- mit selbst bei geringer mRNA-Ex- pression der entsprechenden Mar- ker-mRNA durch diese hämatopoe- tischen Zellen ein falsch positives Resultat entstehen kann (23). Eine Standardisierung dieser neuen, sehr interessanten Nachweistechniken sollte daher durch methodischen Ab- gleich im Ringversuch erreicht wer- den. Auch muss die klinische Rele- vanz dieser Untersuchungstechniken in Nachbeobachtungsstudien geklärt und die Bedeutung im Vergleich zur immunzyto- und -histochemischen Analyse überprüft werden.

Charakterisierung

Zur Klärung der biologischen Relevanz der minimalen Tumorzell- dissemination wurden immunzyto- beziehungsweise -histochemische Doppelfärbemethoden etabliert. So konnte der maligne Charakter CK- positiver Zellen im Knochenmark von Karzinompatienten durch den Nachweis tumorassoziierter Marker, wie der Expression von Lewis-Y- Blutgruppenvorläufer-Antigenen, der Überexpression des erbB2-Onko- gens und der defizienten Expression von MHC-Klasse-I-Molekülen un- termauert werden (35, 42, 43) (Ta- belle 2). Auch auf genomischer Ebe- ne wurde der maligne Charakter die- ser Zellen mithilfe molekularzyto-

genetischer Techniken bestätigt (10, 25, 33). Darüber hinaus konnte in Zellkulturexperimenten ein zeitlich limitiertes proliferatives Potenzial dieser ins Knochenmark dissemi- nierten Tumorzellen gezeigt werden (36). Dieser Latenzzustand, auch

„Dormancy“ genannt, der durch ei- ne niedrige Frequenz von Tumorzel- len, welche Proliferationsmarker (Ki-67, p120) exprimieren (38, 42), angezeigt wird, könnte eine Er- klärung für die relative Resistenz disseminierter Tumorzellen gegen- über antiproliferativen Chemothera- peutika sein.

Eine Elimination disseminierter Tumorzellen durch immunkompe- tente T-Lymphozyten wird häufig durch eine defiziente Expression von

Antigen-präsentierenden MHC-Klas- se-I-Molekülen auf diesen Zellen be- hindert (Tabelle 2)(18). So lässt sich erklären, dass eine minimale Tumor- zelldissemination über viele Jahre hinweg nicht vom Immunsystem er- kannt wird. Die defiziente MHC-Ex- pression könnte auch die Effizienz immun- und gentherapeutischer An- sätze mit Tumorzellvakzinen beein- trächtigen. Antikörper mit MHC-un- abhängigen immunologischen Wirk- mechanismen sollten in diesem Zu- sammenhang eine bessere Wirkung erwarten lassen.

Das tumorigene und metastati- sche Potenzial von immunhistoche- misch detektierbaren Tumorzellen in histopathologisch negativen Lymph- knoten konnte erstmals beim Öso- phaguskarzinom nachgewiesen wer- den (47). So konnte aus einem histo- pathologisch tumorfreien Lymph- knoten, in welchem immunhistoche- misch mit dem monoklonalen Anti-

körper Ber-EP4 Tumorzellen nach- gewiesen wurden, eine permanente Tumorzelllinie etabliert werden. Die- se Zelllinie führte nach subkutaner Injektion in immundefizienten SCID- Mäusen sowohl zu einer lokalen Tu- morbildung (Abbildung 3) als auch zu einer Fernmetastasierung in Se- kundärorgane.

Therapie

Da eine alleinige Resektion des Primärtumors und des regionären Lymphabflussgebietes oftmals nicht zu einem dauerhaften Therapieer- folg führt, gewinnt die adjuvante, sy- stemische Therapie zunehmend an Bedeutung. Ziel zukünftiger Thera- piestrategien muss es sein, für spezifische Subkollekti- ve von Patienten eine opti- male adjuvante Therapie- form zu definieren (12). Der Grenzbereich der Wirksam- keit bisheriger adjuvan- ter Chemotherapieprotokol- le liegt nur bei etwa 30 Pro- zent relativer Reduktion der Mortalität (32), sodass verschiedene Ursachen für eine primäre Resistenz dis- kutiert werden. Neuere Entwicklungen versuchen über die selektive Sensibilisierung von Tumorzellen gegenüber Chemo- therapeutika eine bessere Wirksam- keit zu erreichen. Erste Studien zei- gen, dass durch systemische Infekti- on von Tumorzellen mit apathoge- nen adenoassoziierten Viren (AAV- 2) eine erhöhte therapeutische Wirk- samkeit erzielt werden könnte (24).

Eine grundsätzliche Limitierung der Effektivität einer antiproliferativen Chemotherapie bei „Minimal Resi- dual Disease“ nach R0-Resektion könnte jedoch darin liegen, dass sich die Mehrzahl dieser disseminierten Tumorzellen in einer Ruhepause (Dormant State) befindet (42), so- dass neue oder ergänzende Thera- pieverfahren bei diesen Patienten sinnvoll erscheinen. Hierbei sind ins- besondere adjuvante Therapieansät- ze mit Antikörpern, vom theoreti- schen Ansatz her und aufgrund er- ster Pilotstudien, vielversprechend (3, 11, 51).

Abbildung 3: Lokale Tumorformation nach subkutaner Injektion ei- ner Tumorzelllinie, welche aus einem histopathologisch „tumorfrei- en“, immunhistochemisch positiven Lymphknoten bei Ösophagus- karzinom generiert wurde, in einer immundefizienten SCID-Maus.

(5)

Abgesehen von den positiven Ergebnissen bei der Behandlung fortgeschrittener maligner Lympho- me mit einem anti-CD20-Antikörper sind die klinischen Erfahrungen zum Einsatz einer Antikörpertherapie bei fortgeschrittener Tumorerkran- kung bislang unbefriedigend (52).

Hingegen scheint diese Therapie- strategie für die minimale residu- ale Tumorerkrankung erfolgverspre- chender zu sein, nicht zuletzt des- halb, weil eine isolierte Tumorzell- dissemination aufgrund der geringe- ren Tumorzellmasse ein günstigeres therapeutisches Ziel darstellt als ei- ne klinisch apparente Metastasie- rung (31).

Die einzige bislang publizierte, prospektive randomisierte Studie zum Einsatz eines monoklonalen Antikörpers (MAK 17-1A, edreco- lomAb) im adjuvanten Therapiean- satz konnte bei Patienten mit kolo- rektalem Karzinom im Stadium UICC III nach R0-Resektion eine signifikante Verbesserung des Ge- samtüberlebens für behandelte Pati- enten nach einem Sieben-Jahres- Verlauf darstellen (Grafik) (46).

Hierbei ist insbesondere interessant, dass es zu einer signifikanten Reduk- tion von Fernmetastasen kam, wo- hingegen kein Einfluss auf Lokalre- zidive nachzuweisen war. Dies weist gerade beim kolorektalen Karzinom auf die Bedeutung der chirurgischen lokalen Sanierung im Hinblick auf die Lokalrezidiventwicklung hin (6, 26, 29).

Das Ziel der Zytostatikatherapie sind proliferierende Tumorzellen, während Antikörper auch gegen sol- che Tumorzellen gerichtet sind, wel- che sich in einer mitotisch inaktiven Phase des Zellzyklus befinden. Des- halb scheint ein adjuvanter Therapie- ansatz des Antikörpers 17-1A (edre- colomAb) bei Patienten mit Kolon- karzinom zukünftig in Kombination mit Chemotherapie oder als Sequenz- behandlung nach erfolgter Chemo- therapie sinnvoll (53). Erste Pilotstu- dien bei vorbehandelten Patienten mit Kolon- oder Mammakarzinomen belegen, dass chemotherapieresisten- te, disseminierte Tumorzellen durch intravenöse Gabe des 17-1A-Anti- körpers eliminiert werden können (11). Darüber hinaus weisen die Er-

fahrungen mit einem humanisierten Antikörper gegen das erbB2-Onko- gen (Herceptin) bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom auf den möglichen Erfolg einer solchen immunochemotherapeutischen Kom- binationsbehandlung bei den Patien- tinnen hin (1, 45).

Angesichs der Heterogenität re- sidualer Karzinomzellen sowie de- ren Primärtumoren ist die vollstän- dige Elimination aller residualen Tu- morzellen durch den Einsatz eines

einzelnen Antikörpers eher unwahr- scheinlich. Die Expression des 17- 1A-Antigens, als Voraussetzung für eine Wirksamkeit der Antikörper- therapie, ist auf Kolonkarzinomzel- len zwar relativ homogen; sie zeigt je- doch auf disseminierten Tumorzellen anderer solider Tumoren eine beacht- liche Heterogenität.

Durch Doppelfärbungsanalysen (17-1A/CK) ließe sich bezüglich der entsprechenden Expression von An- tigenen für den einzelnen Patienten ein individuelles Antigenprofil hin- sichtlich eines Antikörpereinsatzes erstellen. Daran anschließend wären Antikörpercocktails gegen verschie- dene Membranproteine der Tumor- zellen denkbar, um einen besseren Therapieeffekt zu erzielen.

Wertung und Ausblick

Trotz Verbesserungen der chir- urgischen Operationstechniken so- wie der Anwendung multimodaler Therapiekonzepte ist die Prognose von Patienten mit malignen epithe- lialen Tumoren weiterhin unbefrie- digend. Hierfür verantwortlich ist ei- ne frühzeitige, prä- und perioperati- ve Dissemination von Tumorzellen, die durch immunzyto- und histologi- sche oder molekularbiologische Ver-

fahren als so genannte minimale re- siduale Krebserkrankung nachweis- bar geworden ist und die eine ge- nauere Risikoabschätzung hinsicht- lich eines erhöhten Metastasierungs- risikos ermöglichen könnten. Auf- grund von Studien zur prognosti- schen Bedeutung disseminierter Tu- morzellen im Knochenmark sind im Sinne eines erweiterten Tumorsta- ging die Bezeichnungen „mi“ (für Mikrometastasen) und „i“ (für iso- lierte Tumorzellen) optional in die Staging-Nomenklatur der UICC auf- genommen worden (16). Derzeit werden jedoch aus diesen Befunden noch keine obligaten Indikations- stellungen für adjuvante oder neoad- juvante Therapieansätze abgeleitet.

Prospektive Studien zur Beurteilung Kaplan-Maier-Kurven für rezidivfreies Überleben bei R0-resezierten Kolonkarzinompatienten im Stadium UICC III mit beziehungsweise ohne adjuvante edrecolomAb-Therapie (46).

Überlebende Patienten (in Prozent)

Jahre

Kontrolle mAk 17-1A (Edrecolomab)

Log-rank p = 0,01 Wilcoxon p = 0,02 Cox p = 0,01

*n = 166

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 100

80

60

40

20

0 Grafik

(6)

einer Wirksamkeit von adjuvanten Therapieschemata bei minimaler re- sidualer Tumorerkrankung sind er- forderlich. Hierzu ist die Erarbei- tung von standardisierten Protokol- len für den Tumorzellnachweis drin- gend notwendig.

Der Erfolg einer adjuvanten Therapie lässt sich in der Regel erst nach einer mehrjährigen Beobach- tungszeit abschätzen. Daher wäre ein Surrogat-Marker zum Monito- ring eines Therapieerfolgs auch im Hinblick auf die Entwicklung neuer Therapieansätze wünschenswert.

Diesbezüglich könnten Kontrollun- tersuchungen des Knochenmarks und des peripheren Blutes während einer Therapie Hinweise auf die Wirksamkeit des jeweiligen thera- peutischen Ansatzes geben. Diese beiden Kompartimente bieten sich wegen ihrer leichten Zugänglichkeit für derartige Verlaufskontrollen an.

Die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass mithilfe von Anreicherungsverfahren ein immun- zytochemisches oder molekulares Monitoring der disseminierten Tu- morzellen prinzipiell möglich ist (3, 4, 37, 51). Langzeitbeobachtungen bezüglich der Korrelation einer the- rapieassoziierten Reduktion von dis- seminierten Tumorzellen mit der in- dividuellen Prognose der Patienten stehen jedoch noch aus. Erste ermu- tigende Ergebnisse hinsichtlich der prognostischen Relevanz von che- motherapieresistenten Tumorzellen im Knochenmark konnten vor kurz- em beim Mammakarzinom erzielt werden (4).

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1526–1532 [Heft 22]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonder- druck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Jakob R. Izbicki Chirurgische Klinik und Poliklinik Universitäts-Krankenhaus Eppendorf Abteilung für Allgemeinchirurgie Martinistraße 52

20246 Hamburg

E-Mail: izbicki@uke.uni-hamburg.de

Eingewachsene Zehennägel sind eine häufige und für die betroffenen Patienten sehr beeinträchtigende Störung. Ein großer Teil der Patienten wird operativ behandelt, in der Der- matologie heute bevorzugt nach der von Haneke beschriebenen Methode, der isolierten lateralen Matrixentfer- nung durch Resektion oder Phenol- verödung. Bei den meisten Patienten mit Unguis incarnatus und Parony- chie wäre die Behandlung mit Nagel- korrekturspangen eine brauchbare Alternative zur Operation. Technik und Erfolgsaussichten der Anwen- dung von Nagelkorrekturspangen bei eingewachsenen Nägeln – derzeit eine Domäne professionell arbeitender Fußpflegerinnen und Fußpfleger – sind den wenigsten Ärzten bekannt.

Dabei ist die Spangentechnik in ihren Ergebnissen der Operation durchaus vergleichbar. Sie hat zudem den Vor- teil, dass der Patient nach Anlegen ei- ner geeigneten Spange infolge Druck- entlastung sofort Schmerzlinderung spürt, meist normale Schuhe tragen kann und, wenn er berufstätig ist, oh- ne Unterbrechung arbeitsfähig bleibt.

Hinzuweisen ist in diesem Zusam- menhang auf die Resultate einer ver- gleichenden prospektiven Studie aus der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen. Dabei wurden bei 20 mit ei- ner Emmert-Plastik operierten Pa- tienten und 21 mit der Spange behan- delten Patienten Verlauf und Rezidiv- raten, Schmerzempfinden, Behinde- rung und Therapiedauer verglichen.

Rezidive wurden hier bei drei operier- ten und vier Spangenpatienten beob- achtet. Im Patientenstamm des Au- tors liegt die Rezidivquote bei etwa 1 500 behandelten Fällen unter einem Prozent. Die Angaben über die Schmerzintensität, beurteilt anhand einer linearen analogen Schmerzska- la, zeigte in der Gruppe der Spangen- patienten (Schmerzen beim Setzen der Spange und danach), deutlich ge- ringere Werte als in der OP-Gruppe (postoperative Schmerzen). Gebrauch von Schmerzmitteln wurde von sie- ben operierten Patienten angegeben.

Die Spangenpatienten benötigten aus- nahmslos keine Schmerzmittel. Zu the-

rapiebedingter Arbeitsunfähigkeit mit einer durchschnittlichen Dauer von 14,2 Tagen kam es in der OP-Gruppe bei 10 von 12 in einem Arbeitsverhält- nis stehenden Patienten. Von den 8 ar- beitenden Spangenpatienten hatte keiner einen Arbeitsausfall. Die The- rapiedauer war in der mit Spangen be- handelten Gruppe mit durchschnitt- lich 77,3 Tagen um etwa das Dreifache länger als bei den operierten Patien- ten. Trotzdem liegen unter Berück- sichtigung der postoperativen Ar- beitsausfälle die geschätzten volks- wirtschaftlichen Gesamtkosten bei den Spangenpatienten um etwa 75 Prozent niedriger als in der OP-Grup- pe. Die Anzahl der Konsultationen war trotz der längeren Behandlungs- dauer der Spangenpatienten nicht höher als in der OP-Gruppe. Sco Scholz N, Harrer J, Schneider I: Die konservative Behandlung eingewachse- ner Zehennägel mit Nagel-Korrektur- spangen. Erfahrungen in einer ärztlichen Praxis. In: Akt Dermatologie 1999; 25:

340–345.

Dr. med. Norbert Scholz, Neusser Straße 28, 47798 Krefeld.

Konservative Behandlung eingewachsener Zehennägel mit Nagel-Korrekturspangen

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medi- zinisch-wissenschaftlichen Teil – ausgenommen Editorials, Kon- gressberichte und Zeitschriftenre- ferate – können grundsätzlich in der Rubrik „Diskussion“ zusam- men mit einem dem Autor zuste- henden Schlusswort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb vier Wochen nach Erscheinen der be- treffenden Publikation bei der Me- dizinisch-Wissenschaftlichen Re- daktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens einer Schreibmaschinenseite (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen, Literaturver- zeichnis mit bis zu vier Zitaten) wissenschaftlich begründete Er- gänzungen oder Entgegnungen enthalten. Für Leserbriefe anderer Ressorts gelten keine besonderen Regelungen (siehe regelmäßige

Hinweise). DÄ/MWR

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