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Archiv "Fallpauschalensystem: Verzögerte Infarktbehandlung belohnt" (22.04.2005)

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T H E M E N D E R Z E I T

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A1112 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 16⏐⏐22. April 2005

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ährlich werden die DRG-Fallpau- schalen durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) an die fachlichen Erfordernisse angepasst. Ungeachtet begründeter Anträge der Kardiologen im Neudefini- tionsverfahren für 2005 wurden gerade die Fallpauschalen für das akute Koro- narsyndrom (AKS) unverändert beibe- halten und setzen damit weiterhin An- reize, die den aktuellen Therapie-Leitli- nien widersprechen. Im Ergebnis kom- men Krankenhäuser mit Bereitschaft zur jederzeitigen Herzkatheterinter- vention bei Infarktpatienten oft nicht auf ihre Gestehungsko- sten. Krankenhäuser ohne Katheterlabor unterliegen starken Anreizen, Patienten entgegen den Leitlinien nicht sofort in Katheterklini- ken zu verlegen.

Im Jahr 2003 wurden in Deutschland mehr als 40 000 Patienten mit akutem Ko- ronarsyndrom durch Koro- narinterventionen (PCI) behan- delt. Von den circa 2 200 Akutkranken- häusern verfügen knapp 300 über Herz- katheter-Labore, die PCI vornehmen.

Die Chance eines Infarktpatienten, primär in ein „Nichtkatheterhaus“ auf- genommen zu werden, ist also in den zwölf Flächen-Bundesländern nicht ge- ring. Die gültige DRG-Systematik verhindert jedoch, dass sich in solchen Fällen Nichtkatheterhäuser und Kathe- terkliniken gleichzeitig leitlinienge- recht, betriebswirtschaftlich rational, kapazitäts- und beitragssatzschonend verhalten können.

Wird ein Patient mit AKS etwa in ei- ne Katheterklinik mit einem Basisfall- preis (BFP) von 3 000 Euro aufgenom- men, dort mit zwei Stents versorgt und

zu Ende behandelt, fällt dem Haus ein Erlös von 6 237 Euro zu (DRG F24Z).

Da das deutsche DRG-System Verle- gungsfälle mit Abschlägen versieht, er- hält dieselbe Klinik, wenn sie denselben Patienten nicht „von der Straße“ auf- nimmt, sondern von einem Nichtkathe- terhaus zuverlegt bekommt, für exakt dieselbe Leistung nur einen Erlös von

4 827 Euro (minus 22,7 Prozent). Sollte die Katheterklinik den Patienten be- reits nach einem Tag in das heimatna- he Zuweiser-Krankenhaus zurückver- legen, beträgt ihr Erlös lediglich 3 981 Euro (minus 36,1 Prozent). Sie wird also dafür bestraft, dass sie ihre Kapa- zitäten für spezifisch von ihr zu behan- delnde Fälle freihält.

Auch beim Nichtkatheter-Kranken- haus stellen sich nicht vertretbare Er- gebnisse ein (hier berechnet für einen BFP von 2 500 Euro): Verlegt das Kran- kenhaus den Patienten mit AKS sofort nach Aufnahme leitliniengerecht in die Katheterklinik, beträgt der Erlös 438 Euro. Dieser Erlös deckt kaum die Ko- sten der angezeigten Therapie mit GP-

IIb/IIIa-Antagonisten, geschweige denn alle anderen Kosten des Krankenhauses in dieser Notfallsituation. Erhält das Krankenhaus den Patienten zurückver- legt und behandelt ihn noch drei Tage, steigt sein Erlös jedoch fast um das Siebenfache, auf nämlich 2 888 Euro.

Denselben Erlös realisiert das Haus aber auch, wenn es die vier Behand- lungstage nicht vor und nach, sondern nur vor der Verlegung in die Kathe- terklinik erbringt. Hierin liegt, Beob- achtungen in der Realität belegen diese Erwartung, ein starker Anreiz, den Patienten nicht sofort in die Ka- theterklinik zu verlegen, sondern leitlinienwidrig mit unterschiedli- chen Begründungen die Indikation zur Katheterdiagnostik verspätet zu stellen. Ein adäquates Ent- geltsystem würde bei einer sol- chen, durch zweifelsfreie Evi- denz belegten Entscheidung das medizinisch richtige Verhalten belohnen und nicht bestrafen.

Rationalitätenfalle

Die Transportkosten für die „Auf- wärts“-Verlegung in die Katheterklinik gehen zulasten der Krankenkasse des Patienten, wohingegen die Kosten der

„Abwärts“-Verlegung zurück in das Heimatkrankenhaus durch die Kathe- terklinik zu tragen sind. Hierin liegt, zu- mal es sich meistens um arztbegleitete Verlegungen handelt, ein wesentlicher Grund, warum Verwaltungen und Ärzte in Katheterkrankenhäusern zur eige- nen Kostenminimierung solche Trans- porte zu vermeiden suchen. Ihr zuwei- ser-freundliches Verhalten bezahlt die Katheterklinik anderenfalls mit redu- zierten Erlösen und höheren Kosten.

Fallpauschalensystem

Verzögerte Infarktbehandlung belohnt

Auch im Jahr 2005 setzen die Fallpauschalen für Krankenhäuser Fehlanreize für die Behandlung des akuten Koronarsyndroms.

Zeichnung:Erik Liebermann

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ehr zurückhaltend klingt Dr. med.

David Rath, wenn er von der tsche- chischen Gesundheitsministerin – Dr. med. Milada Emmerová – spricht.

Die Tschechische Ärztekammer (ÄK), an deren Spitze Rath als Präsident seit 1998 steht, versuche zwar, im Rahmen wöchentlicher Treffen im Gesundheits- ministerium mit Emmerová zu koope- rieren, indem man Ideen austausche und über die jeweiligen Konzepte der Gegenseite spreche. Aber, meint Rath,

„an eine langfristige Zusammenarbeit mit Emmerová glaube ich nicht“.

Erst seit August 2004 ist Milada Em- merová im Amt, sie ist die zwölfte Ge- sundheitsministerin in 14 Jahren – die dritte seit 2002.Das Mitglied der sozialde- mokratischen Regierung unter Minister- präsident Stanislav Gross* erfreut sich noch weniger Beliebtheit als die Regie- rung an sich. Zu zaghaft sei sie, kritisieren viele Ärzte, um notwendige Reformen im Gesundheitswesen anzugehen, zu unge-

schickt seien ihre bisherigen Vorstöße ge- wesen, an der desolaten Lage der tsche- chischen Krankenhäuser etwas zu än- dern. Bei dem kürzlich beschlossenen

„act of not-for-profit hospitals“ – habe man zwar an einem Strang gezogen, be- richtet Rath. In dem Entwurf spreche sich das Ministerium gegen die weitere Priva- tisierung der Krankenhäuser aus, damit Übrigens steigen bei diesem zuweiser-

freundlichen Verhalten die Gesamtauf- wendungen der Gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV) um bis zu 46,5 Prozent, wohingegen die GKV durch die Verlegungsabschläge auch bis zu 18 Prozent einsparen kann.

Weniger kompliziert, aber im Prinzip ebenso unbefriedigend war die Rege- lungslage unter den DRG 2004. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie e.V. (DGK) hatte deshalb für 2005 eine Neudefinition beantragt, bei der die ge- nannten Verlegungsabschläge entfallen sollten. Dieser Antrag wurde vom InEK abgelehnt, unter anderem mit der unzutreffenden Begründung, für die Lyse-Therapie gebe es keine OPS- Katalognummer (die Nummer lautet

„8-020.8“). Die DGK hat für 2006 er- neut einen Antrag unterbreitet, die Ent- geltbildung des AKS neu zu regeln, um die dargestellten Fehlsteuerungen zu eliminieren.

Fehlanreize

Obwohl es in den letzten Jahren gelun- gen ist, die Hospitalmortalität des aku- ten Koronarsyndroms erheblich zu senken und obwohl eine klare Leitlini- en-Lage besteht, bestraft das Entgelt- system beteiligte Leistungserbringer in unsystematischer, vom einzelnen Krankenhaus nicht vermeidbarer Wei- se. Das System bewirkt zurzeit, dass je- der Leistungserbringer versucht, so viele Fälle wie möglich zu behandeln, und dabei jeweils so geringe Abschlä- ge für Unterschreitung von Grenzver- weildauern und Verlegungen zu riskie- ren, wie er es mit seiner Kapazität ge- rade noch vereinbaren kann. Soweit Kooperationen von Krankenhäusern geschlossen werden, um diese Um- stände zu verbessern, steigen in der Regel die Gesamtaufwendungen für die GKV.

Erneut wird deutlich: die zum Nor- malfall erhobene Konstellation, in der Bürokratie und die „Selbstverwaltung“

das komplizierte System und die DRG- Systematik feiern. Dagegen müssen die Fachgesellschaften und Leistungser- bringer auf fachliche und ökonomische Nachteile unablässig hinweisen.

Dr. med. Eckart Frantz, Frank Scharfe

T H E M E N D E R Z E I T

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A1114 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 16⏐⏐22. April 2005

Bildmontage:

Einige Daten zu Tschechien

> Einwohnerzahl: 10,28 Millionen (davon etwa 1,3 Millionen in Prag) (Deutsch- land: 82,8 Millionen)

> Bruttoinlandsprodukt (BIP): 80,6 Milliar- den Euro (Deutschland: 2 129 Milliarden)

> Arbeitslosenquote: 10,8 Prozent (Deutschland: 12,6 Prozent)

> Erwerbsquote: 59,9 Prozent (Deutsch- land: 67,4 Prozent)

> Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP:

etwa 7 Prozent (Deutschland: 10,7 Prozent)

> Anzahl der Beschäftigten im Gesund- heitswesen: 306 000 (Deutschland: 4,2 Millionen einschließlich Pharma- und Geräteindustrie und Sekundärwirtschaft)

Gesundheitssysteme Osteuropas (Teil 4):

Tschechische Republik

Ringen um mehr Zuzahlung

Obwohl die Ärzteschaft erneute Reformen im tschechischen Gesundheitswesen für dringend notwendig hält, übt sich die Regierung in Zurückhaltung.

*Stanislav Gross hat Anfang April wegen anhaltender Kritik seinen Rücktritt angekündigt. Ob die derzeitige Koalition be- stehen bleibt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

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