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Archiv "Terminale Herzinsuffizienz: Unterstützungssysteme werden heute nicht nur passager eingesetzt" (08.04.2011)

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A 764 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 14

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8. April 2011

TERMINALE HERZINSUFFIZIENZ

Unterstützungssysteme werden

heute nicht nur passager eingesetzt

Bei hochgradiger Herzinsuffizienz sind mechanische Unterstützungssysteme eine zeitlich begrenzte Alternative zur Organtransplantation. Inzwischen wird das „Bridging“ für immer mehr Patienten zur Langzeitperspektive.

B

ereits seit Jahrzehnten kom- men bei Patienten mit termi- naler Herzinsuffizienz linksventri- kuläre Unterstützungssysteme (Ven- tricular Assist Device, VAD) zum Einsatz – meist zur Überbrückung der Wartezeit auf ein Spenderherz oder als lebensrettende Maßnahme im kardiogenen Schock. Nicht zu- letzt der eklatante Mangel an Spen- derorganen hat die Entwicklung von technisch ausgereiften Unter- stützungssystemen vorangetrieben, von denen allerdings noch keines voll implantierbar ist. Dennoch:

Die leichten, mit einer externen Energieversorgung gekoppelten As- sist-Systeme geben den Patienten ein Stück Lebensqualität zurück, und das nicht nur für wenige Wo- chen oder Monate.

Mehr als 8 000 Personen welt- weit stehen jährlich auf der Warte-

liste für eine Herztransplantation – weniger als 4 000 jedoch erhalten tatsächlich ein Spenderherz. Par - allel dazu hat sich das Indika - tionsgebiet für mechanische Un- terstützungssysteme ausgeweitet.

Derzeit gibt es drei große Grup- pen:

Bridge to Transplantation (zur Überbrückung der Wartezeit, wobei VAD durch Verbesserung der End- organperfusion die Erfolgsaussich- ten der Herztransplantation verbes- sern können). „Wird das Unterstüt- zungssystem relativ frühzeitig im- plantiert, können neun von zehn Patienten damit noch mindestens ein Jahr leben“, betonte Prof. Dr.

med. Jan Gummert (Bad Oeynhau- sen): „Auch die Zweijahresüberle - bens raten betragen bei Verwendung moderner, nichtpulsatiler Systeme nahezu 80 Prozent.“

Chronic Implantation (als Alternative zur Transplantation, wenn diese kontraindiziert ist oder abgelehnt wird)

Bridge to Recovery. Dieses Verfahren setzt eine vollständige Erholung der Myokardfunktion un- ter VAD-Therapie voraus, was be- sonders bei jungen Patienten – etwa solchen mit akuter Myokarditis oder mit dilatativer Kardiomyopathie – mitunter erreicht werden kann.

Die Wahl des Systems hängt von der Dauer der (geplanten) Unter- stützung, der Beteiligung der linken und/oder rechten Herzkammer, der noch vorhandenen kardialen Eigen- leistung, dem Alter und der Größe des Patienten ab.

Schwierige Grundsatzfragen Neben technischen Fragen wird die Kunstherztherapie auch von juris- tisch-ethischen Aspekten berührt.

Denn im Spannungsfeld zweier potenziell lebensrettender Thera- pien – Herztransplantation und VAD-Implantation – ergeben sich zwangsläufig Grundsatzfragen wie:

Welche Kriterien entscheiden darüber, ob transplantiert oder über- brückt wird?

Ist ein Patient mit VAD noch ein Kandidat für eine Transplan ta - tion?

Wenn das Kunstherz die finale Therapie ist – wann darf es aus - geschaltet werden?

Die Entscheidung für oder ge- gen ein (zumeist linksventrikuläres) Unterstützungssystem fällt bei kei- nem Patienten leicht, denn die Im- plantation eines VAD ist ein großer chirurgischer Eingriff an einem stark vorgeschädigten Herzen. Post- operativ sind ein erhöhtes Schlag- Bald eine Dauer-

lösung? Nach An- gaben der Deut- schen Gesellschaft

für Kardiologie müssen noch Pro- bleme hinsichtlich Gerinnung, Infektion und transkutaner Energieübertragung gelöst werden.

Foto: mit freundlicher Genehmigung von Thoratec Corporation

M E D I Z I N R E P O R T

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Deutsches Ärzteblatt

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8. April 2011 A 765 anfallrisiko und die vor allem

durch die implantierten Fremdkör- per bedingte Infektionsgefahr zu bedenken.

Bei Patienten, die zum Beispiel wegen ihres hohes Alters oder ei- ner onkologischen Grunderkrankung nicht transplantiert werden können, ist das VAD eine mögliche Alter - native („Chronic Implantation“).

Mit dieser Intention werden derzeit etwa 15 Prozent der Systeme im- plantiert; die meisten Patienten be- kommen das Unterstützungssystem primär zur Überbrückung bis zur Transplantation. Denn wenn sich der Gesundheitszustand auf der Trans- plantationswarteliste rapide ver - schlechtert, wird das Kunstherz zum temporären Lebensretter.

Mit einem Pumpvolumen von bis zu zehn Litern pro Minute sind die neueren VAD so leistungsstark, dass der Geräteträger wieder Trep- pen steigen und Rad fahren kann.

„Er braucht zwar eine Therapie mit Antikoagulanzien, aber deutlich we- niger Medikamente zur Behandlung

der Herzinsuffizienz“, sagte Gum- mert. Hinter der Aussicht auf mehr Lebensqualität und Lebenszeit – ei- nige Patienten tragen ihr VAD be- reits vier Jahre und länger – treten die Schattenseiten der Kunstherz - therapie leicht in den Hintergrund.

„Wir würden diese Patienten gern innerhalb eines Jahres transplan - tieren, denn bei längerer Trage - zeit steigt die Komplikationsrate“, erklärte Gummert. Ob allerdings VAD-Patienten mit Komplikatio- nen auch künftig die oberen Plätze auf der Transplantationswarteliste besetzen dürfen, wird in Fachkrei- sen heftig diskutiert (siehe Kasten).

Wann darf der Tod kommen?

Nicht minder brisant ist die Frage, wann das Kunstherz ausgeschaltet wird. VAD-Patienten haben auf- grund ihrer schweren Grunderkran- kung eine begrenzte Lebenserwar- tung und setzen sich in der Regel aktiv mit Sterben und Tod ausein - ander, erläuterte Dipl.-Psych. Ka- tharina Tigges-Limmer (Bad Oeyn-

hausen). Sie seien in einer beson- ders schwierigen psychischen Ver- fassung und entwickelten dem Ge- rät gegenüber ambivalente Gefühle, denn es sichere nicht nur das Über- leben, sondern verhindere auch das Sterben. Die Tatsache, dass der Herztod nur durch Abschalten des Geräts herbeigeführt werden kann, stellt für Patienten, Angehörige und für den handelnden Arzt eine große Belastung dar. In einer solchen Grenzsituation entscheiden sich manche Patienten dafür, die Verbin- dung zwischen Kabel und Implantat zu trennen.

Die Hemmschwelle für einen VAD-Suizid ist offenbar relativ nied - rig (Tigges-Limmer K et al.: J Heart Lung Transplant 2010; 29: 692–4), und dies unterstreicht die Notwen- digkeit eine intensiven psychologi- schen Betreuung von Patienten mit Unterstützungssystemen. ■

Dr. med. vet. Beate Grübler

Quelle: 5th European Mechanical Circulatory Sup- port Summit (EUMS), Bad Oeynhausen 2010

Was sind die wesentlichen Fort- schritte bei der mechanischen Herz- unterstützung?

Gummert: Die Entwicklung nichtpul - satiler Systeme hat uns wesentlich vor - angebracht. Diese Geräte erzeugen ei- nen kontinuierlichen Blutfluss, es ent- steht also keine Pulswelle mehr. Damit kommen die Patienten gut zurecht, die Komplikationsrate ist sogar geringer als bei den Vorgängermodellen. Die jetzt sehr kleinen und leichten VAD können teilweise in den Herzbeutel implantiert werden und bringen den Patienten deutlich mehr Lebensqualität. Noch besser wäre ein voll implantierfähiges System, aber das wird es frühestens in einigen Jahren geben.

Wird der Bedarf an mechanischer Kreislaufunterstützung zunehmen?

Gummert: Das ist aufgrund der demo- grafischen Entwicklung zu erwarten.

Auch wird heute tendenziell früher auf

eine mechanische Unterstützung ge- wechselt als noch vor einigen Jahren, als die Aussicht auf eine circa drei Kilo- gramm schwere Herzpumpe eine eher abschreckende Wirkung hatte. Die Indi- kation zu einem solchen Eingriff ist dennoch streng zu stellen, es handelt sich in der Regel um Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium IIIb/IV, die ohne Trans- plantation beziehungsweise Assistenz- system eine sehr ungünstige Prognose haben.

Mit der Entscheidung für ein VAD rückt der Patient auf der Warteliste für eine Transplantation wieder ans Ende. Erst bei schwerwiegenden Komplikationen mit dem System wird der Patient auf der höchsten Dringlichkeitsstufe eingestuft. War - um wird das so kritisch bewertet?

Gummert: Je früher ein VAD gegen ein Spenderherz ausgetauscht wird, umso

besser. Pro Jahr stehen aber nur etwa 350 Spenderherzen in Deutschland zur Verfügung, und wenn diese vorrangig an VAD-Patienten mit schwerwiegen- den Komplikationen gehen, müssen andere Patienten – darunter viele mit einer vergleichsweise besseren Pro - gnose – auf die Transplantation ver- zichten. Denn die Transplantation eines VAD-Patienten mit schweren Kompli- kationen ist mit einem deutlich erhöh- ten Risiko behaftet. Derzeit wird disku- tiert, wie man die Listung von VAD- Patienten mit und ohne Komplikationen ändern könnte, um eine möglichst ge- rechte und sinnvolle Verteilung der Spenderorgane zu ermöglichen. Das ist ein medizinethisches Problem, welches generell gelöst werden muss. Der ein- zelne Arzt kann das nicht entscheiden.

Wenn die Bereitschaft zur Organspen- de größer wäre, müsste überhaupt nicht über eine Rationierung nachge- dacht werden.

3 FRAGEN AN . . .

Prof. Dr. med. Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und

Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen

M E D I Z I N R E P O R T

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