A 1508 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 29–30|
23. Juli 2012BÖRSEBIUS
Das ruhmlose Ende einer Schildkröte
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eit gut drei Jahren schleicht eine Schildkröte durch die Medien – Fernsehen und Print glei- chermaßen. Günther Schild, so heißt das stattliche Tierchen, steht für Behäbigkeit, Langsamkeit, di- ckes Fell (pardon, Panzer), aber auch für Stetigkeit und stures Nach- vorneblicken, bloß keine Hektik.Alles nach dem Motto, was lange währt, kann am Ende nur gut sein.
Günther Schild, ein von der Werbe- wirtschaft erfundenes Maskottchen für sicheres, stetiges Anschleichen an einigermaßen auskömmliche Renditen, füllte seine Rolle durch- aus gekonnt aus. Die Zielgruppe
der Privatanleger sollte zum Kauf von Bundeswertpapieren animiert werden, und das nutzten die deut- schen Anleger recht intensiv.
Aber nicht erst seit Günther Schild. Das Führen eines „Schuld- buchkontos“ bei der Finanzagentur des Bundes (früher Bundesschul- denverwaltung) ist eine Erfolgsge- schichte par excellence. Seit 40 Jahren können die Sparer dort kos- tenfrei (!) attraktive Bundeswertpa- piere kaufen und auch kostenfrei (!) verwahren lassen. Bereits 1969 wurde der Bundesschatzbrief als erste Bundesgeldanlage für Privat- anleger eingeführt, später folgten unter anderem Finanzierungsschät- ze und die Tagesanleihe des Bun- des. Die Leute liehen ihr Geld dem Bund gern und in Milliardenbeträ- gen. Eine rundum feine Sache also.
Nun kam der Blitz ohne jede An- kündigung. Aus heiterem Himmel kündigte das Finanzministerium den privaten Anlegern quasi die
Freundschaft und stellt den Verkauf von Schätzchen & Co ab dem Jah- resende ein. Als Grund wird „die kostengünstige Gestaltung der Kre- ditaufnahme des Bundes“ genannt.
Ich habe aber eher den Verdacht, dass die Lobbyarbeit der Banken geheime Früchte getragen hat.
Ob die Kampagne mit Günther Schild mehr der Werbewirtschaft nutzte als dem Kunden, vermag ich nicht zu sagen; immerhin wurden an Anzeigenkosten vermutlich sie- benstellige Summen verblasen. We- gen der Attraktivität des kostenfrei- en Schuldbuchkontos und der si- cheren Anlageform hätten die Anle- ger ihr Geld wohl ohnehin platziert.
Aber Günter Schild jetzt so ruhmlos zu begraben, ist eine Frechheit. Nur damit die Banken eine weitere Ein- nahmequelle haben. Eine Schild- kröte tritt ab und verwandelt sich in eine Kröte, die von den Anlegern geschluckt werden muss. Lustig ist das wirklich nicht.
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Wie an jedem 1. Samstag des Monats, können Sie auch am 4. August 2012 in der Zeit von 9 bis 13 Uhr Börsebius (Diplom-Ökonom Reinhold Rombach) anrufen (0221 985480-20). Die kostenlose Telefonberatung ist ein spezieller Service des Deutschen Ärzteblattes für seine Leser.