Der Grosse Rat des Kantons Bern
Le Grand Conseil du canton de Berne
Montag (Nachmittag), 27. Januar 2014
Volkswirtschaftsdirektion
55 2013.1228 Motion 264-2013 Kast (Bern, CVP) Transparenz in der Wirtschaftsförderung
Parlamentarische Vorstösse. Gemeinsame Antwort des Regierungsra- tes
Gemeinsame Antwort zu M 264-2013 und M 265-2013
Vorstoss-Nr.: 264-2013
Vorstossart: Motion
Richtlinienmotion: ☐
Geschäftsnummer: 2013.1228 Eingereicht am: 11.09.2013 Fraktionsvorstoss: Nein Kommissionsvorstoss: Nein
Eingereicht von: Kast (Bern, CVP) (Sprecher/in)
Weitere Unterschriften: 0 Dringlichkeit verlangt: Nein
Dringlichkeit gewährt:
RRB-Nr.: 1704/2013 vom 11. Dezember 2013 Direktion: Volkswirtschaftsdirektion
Klassifizierung: Nicht klassifiziert Antrag Regierungsrat: Annahme als Postulat
Transparenz in der Wirtschaftsförderung
Das Wirtschaftsförderungsgesetz vom 12. März 1997 (WFG) ist mit einem neuen Grundsatzarti- kel zu ergänzen:
In Kapitel III. Vollzug, Übergangs- und Schlussbestimmungen ist folgender Gesetzesartikel neu einzuführen:
Art. 19 (neu)
1 Der Regierungsrat erstattet dem Grossen Rat jährlich Bericht über die Gesamtzahlungen pro folgendes Instrument der Wirtschaftsförderung:
– Finanzierungshilfen – Steuererleichterungen – Messebonus
2 Der Regierungsrat berichtet dem Grossen Rat jährlich über die Anzahl neuer Unternehmen, die im Kanton Bern angesiedelt wurden, und über die Anzahl Arbeitsplätze, die dadurch geschaffen wurden.
Begründung:
Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern verfügt über die Wirtschaftsförderung, um die Ansiedelung neuer Unternehmen im Kanton zu unterstützen. Das oberste Ziel muss für den Kan- ton jeweils die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen oder der Erhalt bestehender Arbeitsplätze
Dabei stehen der Wirtschaftsförderung gesetzesmässig verschiedene Instrumente zur Verfü- gung, wie zum Beispiel die Beratung und Unterstützung von Neugründern oder bestehenden Unternehmen, Finanzierungshilfen, Steuererleichterungen, Messebonus und Immobiliensuche sowie die Innovationsförderung. Jedes Instrument hat unterschiedliche Kostenfolgen.
Diskretion über Unternehmenszahlen und Geschäftsgeheimnisse gehören ebenso zur Wirt- schaftsförderung wie das private Bankkundengeheimnis zum schweizerischen Finanzplatz. Der Einsatz von Steuergeldern erfordert aber gleichzeitig Transparenz und Kostenwahrheit.
Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung soll der Regierungsrat dem Grossen Rat jährlich Bericht über die Gesamtzahlungen pro Instrument der Wirtschafsförderung (Finanzierungshilfen, Steuererleichterungen, Messebonus) erstatten. Diese Transparenz gefährdet die Wirtschafsför- derung des Kantons Bern nicht. Im Gegenteil: Sie stärkt und legitimiert die Arbeit der Standort- förderung des Kantons Bern.
Der Regierungsrat soll ebenfalls Bericht erstatten über die Anzahl neu angesiedelter Unterneh- men und die dadurch geschaffenen Arbeitsplätze. Der Steuerzahler und die Mitglieder des Gros- sen Rates sind legitimiert zu wissen, welche positiven Auswirkungen durch die wichtige Arbeit der Standortförderung erzielt werden.
Die Oberaufsichtskommission des Grossen Rates soll wie bisher Zugang zu weiteren sensiblen Daten der Wirtschaftsförderung haben.
Vorstoss-Nr.: 265-2013
Vorstossart: Motion
Richtlinienmotion: ☐
Geschäftsnummer: 2013.1229 Eingereicht am: 11.09.2013 Fraktionsvorstoss: Nein Kommissionsvorstoss: Nein
Eingereicht von: Sutter (Grosshöchstetten, FDP) (Sprecher/in) Luginbühl-Bachmann (Krattigen, BDP) Weitere Unterschriften: 0
Dringlichkeit verlangt: Nein
Dringlichkeit gewährt:
RRB-Nr.: 1704/2013 vom 11. Dezember 2013 Direktion: Volkswirtschaftsdirektion
Klassifizierung: Nicht klassifiziert Antrag Regierungsrat: Annahme als Postulat
Staatsbeiträge im Bereich der Wirtschaftsförderung
Der Regierungsrat wird ersucht, dem Grossen Rat eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen für die durch die Wirtschaftsförderung ausgerichteten Staatsbeiträge (Messebonus, Projektbei- träge etc.) zu unterbreiten, die mindestens Folgendes klar regelt:
1. Restriktive Kriterien für die Ausrichtung 2. Evaluationspflicht
3. Reporting an den Grossen Rat oder an die OAK
4. Transparenz (soweit mit Geschäftsgeheimnissen objektiv vereinbar) Begründung:
Die heutige Praxis der Ausrichtung der Beiträge ist wenig durchsichtig und vermag rechtsstaatli- chen Ansprüchen kaum zu genügen.
Gemeinsame Antwort des Regierungsrats
Die beiden Vorstösse beschäftigen sich mit dem Vollzug und einer möglichen Anpassung des Wirtschaftsförderungsgesetzes1. Sie werden deshalb gemeinsam beantwortet.
Der Vollzug des Wirtschaftsförderungsgesetzes und die Berichterstattung über die Leistungen der Wirtschaftsförderung haben den Grossen Rat wiederholt beschäftigt2. So behandelte der Grosse Rat in der Novembersession 2007 den Bericht Transparenz bei der Wirtschaftsförde- rung3. Dieser Bericht befasst sich ausführlich mit der Frage, ob und in welchem Umfang die Leis- tungen der Wirtschaftsförderung veröffentlicht werden sollen.
Jeweils anfangs Jahr veröffentlicht die Volkswirtschaftsdirektion eine Bilanz über die Arbeit der Wirtschaftsförderung. Zusätzlich sind diese Zahlen im Internet veröffentlicht4. Die Bilanz enthält neben allgemeinen Aussagen zur Förderung folgende Angaben:
– Anzahl der geförderten Projekte, unterteilt nach Ausbauprojekten bernischer Firmen, Neu- gründungen und Ansiedlungen
– Geplante zusätzliche Arbeitsplätze und Investitionen
– Regionale Verteilung der geförderten Unternehmen sowie Präsentation ausgewählter Namen (in Absprache mit den unterstützten Unternehmen)
– Umfang der Erstberatung für Start-up und KMU
– Anzahl der gewährten Messeboni sowie der ausbezahlte Gesamtbetrag
– Innovationsbeiträge an Firmen, die ein Projekt zusammen mit der Förderagentur für Innovati- on des Bundes (KTI) realisiert haben.
Der Kanton veröffentlicht damit regelmässig Zahlen zur Arbeit der Wirtschaftsförderung. Die In- formationen stimmen in Bezug auf die Transparenz grundsätzlich mit denjenigen des Bundes zu Steuererleichterungen überein. Auch der Bund veröffentlicht keine detaillierten Zahlen, die Rück- schlüsse auf einzelne Projekte zulassen würden5.
Ergänzt wird die Bilanz mit Aussagen zur effektiven Entwicklung der geförderten Vorhaben an- hand der tatsächlich getätigten Investitionen und der neu geschaffenen Arbeitsplätze. Bern war der erste Kanton, der nicht nur über die Projekte, sondern auch über die effektive Umsetzung Bericht erstattete. Zudem führt die Volkswirtschaftsdirektion jährlich ein Gespräch mit dem Aus- schuss FIN/VOL der Oberaufsichtskommission (OAK) durch. Der Ausschuss erhält dabei weite- re, sensible Informationen.
Aufgrund eines Beschwerdeentscheids der Volkswirtschaftsdirektion vom August 2013 wird die- se langjährige Praxis weiterentwickelt. Einzelheiten zum Messebonus dürfen neu ebenfalls veröf- fentlicht werden. Diese Informationen ergänzen ab dem Berichtsjahr 2013 die bisherigen Zahlen zur Arbeit der Wirtschaftsförderung.
Für Einzelheiten zu Projektbeiträgen und zu Steuererleichterungen gelten dagegen unverändert die im Bericht zur Transparenz bei der Wirtschaftsförderung genannten Gründe, die eine Veröf- fentlichung ausschliessen:
– Der Kanton Bern wird im Standortwettbewerb geschwächt. Mitbewerber erhalten Informatio- nen über die bernische Förderung, ohne selber die gleichen Informationen zu veröffentlichen.
– Die Bekanntgabe von Förderleistungen führt dazu, dass neue Gesuche frühere Leistungen als Massstab nehmen. Mit der Zeit findet eine Nivellierung nach oben statt.
– Die Bekanntgabe von Förderleistungen schreckt nicht nur «Subventionsjäger» ab, sondern auch Firmen mit einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse.
– Die einzelnen Wirtschaftsstandorte befinden sich in einem intensiven Wettbewerb, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Unternehmen siedeln sich dort an oder realisie- ren ihre Ausbauprojekte an jenen Standorten, wo sie die besten Rahmenbedingungen vorfin-
1 Wirtschaftsförderungsgesetz vom 12. März 1997; BSG 901.1.
2 Z.B. M 055-2000 Kantonale Wirtschaftsförderung; M 194-2005 Erhöhung der Transparenz bei der Wirt- schaftsförderung; I 102-2002 Messebonus auch für Schweizer Firmen; I 021-2006 Imageförderung des Südjuras auf den internationalen Märkten.
3 Bericht des Regierungsrats vom 22. August 2007 an den Grossen Rat betreffend Motion 194/2005 (PUK) Erhöhung der Transparenz bei der Wirtschaftsförderung.
4 www.be.ch/wirtschaft => Wirtschaftsförderung.
5 Vgl. Antwort auf die Interpellation „Wettbewerbsbehindernde Steuererleichterungen durch den Bund“;
Curia Vista Nr. 12.3889
den. Dazu gehören auch die Verfahren für Finanzhilfen und Steuererleichterungen. Vertrau- lichkeit im Einzelfall ist eine zentrale Anforderung der Unternehmen an eine staatliche Wirt- schaftsförderung.
– Die Förderung lässt unter Umständen Rückschlüsse auf die Geschäftstätigkeit des geförder- ten Unternehmens zu, beispielsweise über neue Projekte in einem frühen Stadium. Auch die Firma hat deshalb ein rechtlich geschütztes Interesse, die Förderung vertraulich zu behan- deln.
– Aussagen zu Steuererleichterungen unterstehen dem Steuergeheimnis6. Bereits die Namen der geförderten Firmen dürfen nur mit ihrer Zustimmung veröffentlicht werden.
Bereits heute sind also nicht nur die in den Vorstössen genannten Angaben, sondern weiter ge- hende Informationen öffentlich. Der Forderung nach Transparenz, wie sie in den Vorstössen for- muliert ist, wird Rechnung getragen. Eine umfassende Transparenz ohne Rücksicht auf die be- rechtigten Interessen nach Vertraulichkeit gewisser Angaben wird auch in den beiden Motionen nicht verlangt.
Der Standortwettbewerb hat sich in den vergangenen Jahren national und international deutlich verschärft. Damit der Kanton Bern in diesem Wettbewerb auch in Zukunft konkurrenzfähig bleibt, optimiert er laufend seine Instrumente und Strukturen. Diese Optimierung erfordert die Möglich- keit, die Kriterien für die Gewährung von Staatsbeiträgen anzupassen. Insbesondere bei der An- siedlung muss im Einzelfall auf die spezifischen Anliegen der Firmen eingegangen werden kön- nen. Deshalb sind im geltenden Wirtschaftsförderungsgesetz die Kriterien nur sehr allgemein formuliert. Im Vortrag zum Wirtschaftsförderungsgesetz7 wurde dazu ausgeführt:
«Die geldwerten Leistungen werden nicht nur durch die verfügbaren Mittel beschränkt, son- dern auch durch die Beurteilung des Vorhabens durch die Wirtschaftsförderung auf seine volkswirtschaftliche Bedeutung. Auf eine starre Verknüpfung, wie sie beispielsweise Arbeits- platzprämien bedeuten, soll dagegen verzichtet werden. Die Wirtschaftsförderung muss zur Erfüllung ihrer Aufgabe ein grosses Auswahlermessen haben. Einzelbetriebliche Förderung ist in dieser Beziehung nicht mit anderen Subventionen vergleichbar, in welchen nach gesetzlich genau bestimmten Kriterien an einen breiten Empfängerkreis Beiträge ausbezahlt werden. Ei- ne so ausgestaltete Wirtschaftsförderung würde erheblich mehr Mittel beanspruchen, ohne entsprechend wirksamer zu sein.»
Diese Beurteilung der Arbeit der Wirtschaftsförderung ist nach wie vor richtig. Für standardisierte Beiträge, wie dem Messebonus, legt dagegen das zuständige Amt für Berner Wirtschaft die je- weils gültigen Kriterien fest und veröffentlicht sie. Diese Flexibilität hat sich in den Jahren der Frankenkrise bewährt. Sie hat es ermöglicht, kurzfristig und unbürokratisch zu reagieren und die besonders betroffenen Unternehmen der Maschinenindustrie gezielt zu fördern. Verbesserungs- würdig war in diesem Zeitraum jedoch die Kommunikation über die Strategieänderung. Dieser Mangel ist erkannt und die nötigen Massnahmen zur Korrektur sind eingeleitet. Im Rahmen die- ser Korrektur wird ebenfalls zu prüfen sein, ob und in welcher Form das Instrument des Messe- bonus weitergeführt wird. Für kleine und mittlere Exportunternehmen ist dessen Wirkung aller- dings nicht zu unterschätzen.
Die Erfolgskontrolle von Staatsbeiträgen war bis 2005 im Staatsbeitragsgesetz vorgeschrieben und wurde im Projekt ERKOS (Erfolgskontrolle von Staatsbeiträgen im Kanton Bern) umgesetzt.
Im Rahmen der Strategischen Ausgabenüberprüfung SAR haben Regierungsrat und Grosser Rat entschieden, ab 2005 auf die Durchführung von Erfolgskontrollen von Staatsbeiträgen zu ver- zichten. Seitdem werden gezielte Evaluationen nach Bedarf durchgeführt. Im Bereich der Wirt- schaftsförderung werden periodische Studien zu Nutzen und Wirkungen durchgeführt (2003, 2007 und 2011, die nächste Studie ist in Vorbereitung). Über die Ergebnisse wird die Öffentlich- keit orientiert, 2006 im Rahmen des Transparenzberichts, bei den darauffolgenden Studien im Rahmen der Jahresberichterstattung. 2005/06 wurde zudem die Arbeit der Standortförderung
6Artikel 153 des Steuergesetzes vom 21. Mai 2000 (StG; BSG 661.11).
7Tagblatt des Grossen Rats 1996, Beilage Nr. 49
evaluiert und die Ergebnisse der Öffentlichkeit im Rahmen der Leistungsbilanz 2005 vorgestellt8. Auf Bundesebene werden die Steuererleichterungen im Rahmen der Evaluation des Mehrjahres- programms der Regionalpolitik analysiert9.
Aufgrund dieser Ausführungen kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass sich eine Revision des Wirtschaftsförderungsgesetzes nicht aufdrängt. Er ist jedoch bereit, gestützt auf die Bericht- erstattung 2013 zu prüfen, ob für die Umsetzung der in der Motion genannten Anliegen eine zu- sätzliche Verbesserung durch gesetzgeberische Anpassungen erreicht werden kann.
8Abrufbar im Archiv der Medienmitteilungen des Kantons Bern unter „Wirtschaftsförderung Leistungsbi- lanz“
9 Evaluation der Steuererleichterungen im Rahmen der Regionalpolitik; B,S,S. in Zusammenarbeit mit IRENE; Veröffentlichung Okto- ber 2013; abrufbar unter www.seco.admin.ch => KMU Politik => Steuererleichterungen im Rahmen der Regionalpolitik
Der Regierungsrat beantragt:
Annahme als Postulat
Gemeinsame Beratung siehe Geschäft 2013.1229
Abstimmung
Der Grosse Rat beschliesst:
Annahme als Postulat
Ja 128
Nein 0
Enthalten 0