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Mindestkursaufhebung trifft Industrie | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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FRANKENSTÄRKE

26 Die Volkswirtschaft  11 / 2017

Trends zurückzuführen sein, die nicht mit der Aufwertung zusammenhängen. So beobachten wir in vielen entwickelten Volkswirtschaften, dass der Anteil der Industrie in der Gesamtbe- schäftigung seit über 20 Jahren stetig abnimmt.

Der Beschäftigungsrückgang könnte somit nicht auf die Aufwertung des Frankens, son- dern vielmehr auf die Globalisierung, den Auf- stieg von China zur Industrienation, aber auch auf technischen Fortschritt und die damit zu- sammenhängende Automatisierung von Pro- duktionsprozessen zurückzuführen sein.

Aufwertung 2015 führt zu Beschäf- tigungsrückgang

Um den Effekt der Aufwertung zu schätzen, wurden Schweizer Unternehmen mit einer Kon- trollgruppe in Österreich verglichen, die von denselben sektoralen und internationalen Ent- wicklungen, nicht jedoch von einer Währungs- aufwertung betroffen waren.2 Es zeigt sich: Vor der Aufhebung des Mindestkurses entwickelte sich die durchschnittliche Beschäftigung in Ös- terreich – abgesehen von etwas stärkeren Sai- sonschwankungen – parallel zur Beschäftigung in der Schweiz (siehe Abbildung). Direkt danach beobachtet man einen deutlichen Unterschied, der als kausaler Effekt der Aufwertung interpre- tiert werden kann.

Bereits nach einem Quartal ist eine gewisse Divergenz zu beobachten – und über zwei Jahre verursacht die Aufwertung einen Rückgang der Beschäftigung in der Industrie relativ zur Kon- trollgruppe um 4 Prozent. Der grösste Teil des zu Beginn erwähnten Beschäftigungsrückgangs von 4,6 Prozent ist somit nicht auf längerfristi- ge Trends, sondern auf die kurzfristigen Aus- wirkungen der plötzlichen Aufwertung zurück- zuführen.3

D

ie schubweise Aufwertung des Frankens im Januar 2015 stellt Schweizer Industrie- unternehmen vor grosse Herausforderungen.

Nach der Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) verteu- erten sich viele Schweizer Produkte quasi über Nacht um 10 Prozent.

Eine Analyse der KOF Konjunkturfor- schungsstelle der ETH Zürich im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigt: In den folgenden zwei Jahren reduzierte ein durch- schnittliches Industrieunternehmen in der untersuchten Stichprobe die Zahl der Beschäf- tigten um 4,6 Prozent.1 Die Gesamtbeschäfti- gung des Sektors «Verarbeitendes Gewerbe/

Herstellung von Waren» ging im selben Zeit- raum um 2,5 Prozent zurück.

Dafür kommen verschiedene Ursachen in- frage: Der Rückgang könnte darauf zurückzu- führen sein, dass Unternehmen nach der Auf- wertung versuchten, die Lohnkosten in der Schweiz zu senken, um die Profitmargen wie- der zu steigern oder um die Produktion an den Rückgang der Nachfrage nach Schweizer Pro- dukten anzupassen. Der Beschäftigungsrück- gang könnte allerdings auch auf längerfristige

Mindestkursaufhebung trifft Industrie

Die Aufwertung des Frankens nach der Aufhebung des Mindestkurses im Januar 2015 hat zumindest temporär zu einem Stellenabbau bei Schweizer Industrieunternehmen geführt. Dies zeigt eine KOF-Studie.  Daniel Kaufmann, Tobias Renkin

Abstract  Globalisierung und technologischer Fortschritt gehen auch in der Schweiz mit einer langfristigen Reduktion der Industriebeschäftigung re- lativ zum Dienstleistungssektor einher. Doch der Beschäftigungsrückgang nach der Aufhebung des Mindestkurses durch die Nationalbank im Janu- ar 2015 war besonders ausgeprägt. Eine Untersuchung der KOF Konjunk- turforschungsstelle der ETH Zürich im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) kommt zum Schluss, dass der Beschäftigungsrückgang in den zwei darauffolgenden Jahren, der in einer durchschnittlichen Industrie- firma über 4 Prozent betrug, in erster Linie auf die Aufwertung des Frankens zurückzuführen ist. Die Aufwertung hat nicht nur exportorientierte, son- dern auch inlandorientierte Unternehmen getroffen, die unter verstärkter Importkonkurrenz litten. Inwiefern die jüngste Abwertung diesen Beschäf- tigungsrückgang kompensieren kann, bleibt abzuwarten.

1 Kaufmann und Ren- kin (2017); die Zahlen beziehen sich auf ein durchschnittliches In- dustrieunternehmen im verarbeitenden Ge- werbe. Aufgrund der Schätzmethode be- schränkt sich die Analy- se auf Firmen, die min- destens 10 Angestellte haben und die zwi- schen 2014 und 2016 durchgehend befragt wurden. Dadurch ist die Stichprobe zwar nicht mehr repräsentativ für die Gesamtheit der Unternehmen des ver- arbeitenden Gewerbes, umfasst aber 46 Pro- zent der Beschäftigten in diesem Sektor. Nicht Teil der Analyse waren sowohl der Dienstleis- tungssektor als auch der Energie-, Bau- und Landwirtschaftssektor.

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  11 / 2017 27 Obwohl der Beschäftigungsrückgang selbst

eher langsam vonstattenging, haben Schweizer Firmen bereits direkt nach der Aufwertung So- fortmassnahmen ergriffen. Die Analyse zeigt weiter, dass die Anzahl offener Stellen im ersten Quartal 2015 im Durchschnitt um 15 Prozent ge- sunken ist und sich erst nach einem Jahr wieder normalisiert hat.

Inlandorientierte Sektoren bauen ab

Die Aufwertung hat nicht nur exportorientierte Industrieunternehmen getroffen. In Sektoren, die gemäss der KOF-Innovationsumfrage rela- tiv wenig Umsatz mit Exporten generieren, sank die Beschäftigung etwa gleich stark wie in den übrigen Sektoren. Auch auf Firmenebene wei- sen die Resultate darauf hin, dass die Beschäf- tigung in Firmen, die hauptsächlich für den Inlandmarkt produzieren, etwa gleich stark ge- sunken ist wie in Firmen, die auch exportieren.

Eine mögliche Erklärung für dieses Resultat ist,

dass die Importpreise deutlich stärker gesunken sind als die Preise von inländischen Unterneh- men. Somit litten diese Unternehmen vermehrt unter der Importkonkurrenz.

Die Auswirkungen auf diverse exportorien- tierte Sektoren fielen dagegen unterschiedlich aus. Stark betroffen waren zum Beispiel Produ- zenten von Datenverarbeitungsgeräten, elekt- ronischen und optischen Erzeugnissen (inklu- sive Uhrenindustrie), aber auch die chemische Industrie. Die Pharmaindustrie hingegen – ein Sektor mit hohem Exportanteil, aber auch ho- hen Margen – hat ihre Beschäftigung relativ zur Kontrollgruppe nicht reduziert.

Pharma als Ausnahme

Das Beispiel Pharma lässt vermuten, dass er- folgreiche und produktive Firmen eine Aufwer- tung gegenüber dem Euro ohne grössere Entlas- sungen überstehen können. Die Untersuchung zeigt jedoch, dass die Pharmabranche eher eine

2 Schätzungen basieren auf Besta-/ASSD-Fir- mendaten, siehe Kauf- mann und Renkin (2017) sowie Zweimüller et al.

(2009).

3 Für die mittelfristigen Effekte einer Wechsel- kursänderung auf die Beschäftigung in allen Sektoren siehe den Ar- tikel von Egger et al. auf Seite 22.

Folgenschwerer Entscheid: SNB- Präsident Thomas Jordan erklärt am 15. Januar 2015 die Aufhebung des Euro- Mindestkurses.

KEYSTONE

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FRANKENSTÄRKE

28 Die Volkswirtschaft  11 / 2017

Ausnahme darstellt: Gerade grössere und er- folgreiche Firmen haben ihre Beschäftigung stark reduziert. So weisen grosse Unterneh- men einen durchschnittlichen Beschäftigungs- rückgang um 7 Prozent auf, bei den mittelgros- sen Unternehmen sind es 4 Prozent. Für kleine Firmen beobachten wir hingegen keinen signi- fikanten Rückgang – was allerdings damit zu- sammenhängen könnte, dass kleine Firmen ihre Produktion ganz einstellten, was von der Studie nicht erfasst wird.

Besonders stark betroffen waren grösse- re Unternehmen, die im Jahr vor der Aufwer- tung stark expandiert haben. In dieser Grup- pe beträgt der Beschäftigungsrückgang relativ zur Kontrollgruppe 11 Prozent. Schliesslich be- obachtet man in Sektoren, die für innovative Hightech-Produkte bekannt sind, einen Rück- gang der Beschäftigung um gut 5 Prozent, was sogar etwas über dem Wert in den übrigen Sek- toren liegt.

Die Zukunftserwartungen in der Industrie bleiben eingetrübt. Nachdem die Anzahl Fir- men, die angeben, im nächsten Quartal die Be- schäftigung zu erhöhen, im Jahr 2015 gesunken war, legte sie bis Ende 2016 nicht zu – obwohl sich die Beschäftigungsverluste gemäss den

Schätzungen gegen Ende 2016 stabilisiert ha- ben und auch die Anzahl offener Stellen wieder auf ihr ursprüngliches Niveau zurückgekehrt sind. Es bleibt abzuwarten, ob die jüngste Ab- wertung des Frankens gegenüber dem Euro be- reits ausreicht, um die Industrieunternehmen wieder optimistischer in die Zukunft blicken zu lassen.

Daniel Kaufmann Assistenzprofessor, Uni- versität Neuenburg, und Forschungsprofessor, KOF Konjunkturforschungs- stelle der ETH Zürich

Tobias Renkin Doktorand, Universität Zürich, und KOF Konjunk- turforschungsstelle der ETH Zürich

Literatur

Kaufmann, Daniel und Tobias Renkin (2017). Manufacturing Prices and Employment After the Swiss Franc Shock, Studie im Auftrag des Seco.

Zweimüller, Josef, Rudolf Winter-Ebmer, Raphael Lalive, Andreas Kuhn, Jean-Philippe Wuellrich, Oliver Ruf, und Simon Büchi (2009). Austrian Social Security Database, NRN: The Austrian Center for Labor Econo- mics and the Analysis of the Welfare State, Working Paper 0903.

Durchschnittliche Beschäftigungsentwicklung in Firmen des verarbeitenden Gewerbes in der Schweiz und in Österreich (2013–2016)

BESTA, ASSD; BERECHNUNGEN: KAUFMANN UND RENKIN (2017) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Die Daten sind logarithmiert und vor der Aufhebung des Mindestkurses im vierten Quartal 2014 auf null normalisiert.

  Schweiz        Unsicherheitsintervall   Österreich        Unsicherheitsintervall 0,02 Logarithmierte Beschäftigung (Q4 2014 = 0)

SNB hebt Mindestkurs auf 0

–0,02

–0,04

–0,06

–0,08

2014 2015 2016

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FOKUS

Die Volkswirtschaft  11 / 2017 29

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