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Patienten mit Dyspnoe in der Notaufnahme

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Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:19–24

DOI 10.1007/s00063-012-0170-6 Eingegangen: 15. Januar 2013 Angenommen: 17. Januar 2013 Online publiziert: 6. Februar 2013

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

H. Lemm1, 2 · S. Dietz1 · M. Buerke2

1 Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Halle (Saale), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)

2 Medizinische Klinik II, St. Marien-Krankenhaus Siegen

Patienten mit Dyspnoe  in der Notaufnahme

Dyspnoe ist die Wahrnehmung unzu- reichenden und anstrengenden At- mens [1]. Patienten mit akuter Atem- not stellen eine Herausforderung hin- sichtlich Diagnostik und Therapie dar, da eine große Anzahl von Differen- zialdiagnosen bedacht und geprüft werden müssen (. Abb. 1). Gleichzei- tig muss bei einer vitalen Bedrohung die Erstbehandlung rasch begonnen werden. Sobald sich die akute Dys- pnoe zurückgebildet hat oder ausrei- chend stabilisiert wurde, können kli- nische Untersuchung, Diagnostik und Behandlung fortgesetzt werden.

Epidemiologie

Dyspnoe ist ein häufiges Leitsymptom bei Patienten in der Notaufnahme. In US- amerikanischen Notaufnahmen berich- ten etwa 3,5% aller Patienten über Dys- pnoe und etwa 7,6% über dyspnoebezo- gene Hauptbeschwerden, wie Husten und Engegefühl in der Brust [2]. Einer pros- pektiven Beobachtungsstudie [3] zufolge sind die häufigsten Diagnosen bei älteren Patienten mit akuter Atemnot die dekom- pensierte Herzinsuffizienz, die Pneumo- nie, die chronische obstruktive Lungen- erkrankung, Lungenembolie und Asthma.

Pathophysiologie

Das respiratorische System ermöglicht die Homöostase von Gasaustausch und Säure-Basen-Haushalt. Störungen der Sauerstoffversorgung bzw. des Sauer- stoffangebots sowie Azidosen und Alka- losen können zu Atembeschwerden füh- ren. Die Entwicklung der Atemnot ist ein komplexes Phänomen aufgrund der Akti- vierung und Stimulation von unterschied-

lichen Mechanorezeptoren in den Atem- wegen, der Lunge und der Brustwand, Chemo rezeptoren am Karotissinus und in der Medulla, vaskulärer Rezeptoren der Herzvorhöfe und der Pulmonalarte- rie sowie zentralnervöser Regulationszen- tren. Die Pathophysiologie der Entwick- lung und Wahrnehmung von Dyspnoe ist nach wie vor unklar.

Anamnese

Die Anamnese ist entscheidend für die Beurteilung des Patienten mit akuter Dys- pnoe. Sofern möglich sollten im Rahmen der Diagnostik und Risikostratifizierung Details zur akuten Symptomatik und zur Krankengeschichte und zur Risikostratifi- zierung erfragt werden.

F  Akute Symptomatik:

1 Gab es Ereignisse im Vorfeld, insbe- sondere Symptome oder spezifische Auslöser der Dyspnoe (. Tab. 1)?

Beispielsweise können Nichtein- haltung der Medikamenteneinnah- me oder eine Diät zu einer akuten dekompensierten Herzinsuffizienz (ADHF) führen.

1 Fragen zum Auflauf der Atemnot, ob sie sich plötzlich oder allmählich entwickelt hat, sind für die Risiko- beurteilung wichtig (. Tab. 2).

1 Der Schweregrad der Dyspnoe kann mit einer Skala von 1 bis 10 erfasst werden (1 = kaum bemerk- bar, 3 = leichte Dyspnoe, 5 = mä- ßige Dyspnoe, 7 = mäßig schwere Dyspnoe, 9 = sehr schwere Dys- pnoe und 10 = Panik/Erstickung).

1 Schmerzen in der Brust in Verbin- dung mit Atemnot treten häufig bei Krankheiten wie akutem Koro-

narsyndrom (ACS), Pneumothorax oder Lungenarterienembolie auf.

1 Verletzungen können über Betei- ligung des Halses, der Brustwand, der Lunge, des Herzen, mediastina- ler Strukturen oder des Abdomens zu Atemnot führen.

1 Fieber kann zu Dyspnoe führen.

1 Hämoptysen treten häufig im Rah- men einer Lungenarterienembolie, bei Tuberkulose oder Tumoren auf.

1 Sputum kann diagnostisch hilfreich sein:

1 eitriger Auswurf – Lungenentzün- 1 weißes oder rosa schaumiges dung

Sputum, ADHF

1 blutiger Auswurf – Infektionen (z. B. Tuberkulose) oder pulmona- le Blutungen (z. B. Lungenembolie oder malignen Tumoren).

1 Husten ist ein unspezifisches Sym- ptom und kann bei zahlreichen Erkrankungen auftreten (u. a.

Asthma, Herzinsuffizienz, Atem- wegsinfektionen oder auch Lungen- arterienembolie).

F  Krankengeschichte:

1 Handelt es sich um eine neue oder wiederkehrende Dyspnoe. Bestehen Vorerkrankungen wie z. B. Asthma, COPD („chronic obstructive pul- monary disease“) oder koronare Herzkrankheit und hat der Patient ähnliche akute Episoden bereits er- lebt. Die Erfassung der Medika- mentenliste kann wichtige diagnos- tische Hinweise geben.

1 Patienten mit einer Intubation in der Vorgeschichte haben ein höheres Risiko für erneute schwere Erkrankungen und höhere Wahr- Redaktion

M. Buerke, Siegen C. Dodt, München

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scheinlichkeit für eine erneute In- tubation.

1 Wissen über den Tabak- und Drogenkonsum können Hinweise bezüglich der Differenzialdiagno- sen liefern. Tabakkonsum erhöht das Risiko für eine Reihe von chro- nischen Erkrankungen wie COPD oder Malignome. Intravenöser Drogenkonsum stellt ein Risiko für infektiöse Erkrankungen, inhala- tiver Drogenkonsum für struktu- rell-funktionelle Lungenerkrankun- gen dar (sog. Crack-Lunge, „ acute

respiratory distress syndrome“, ARDS).

1 Organische Ursachen müssen sorg- fältig berücksichtigt werden. Den- noch sind gerade bei jüngeren Patienten ohne andere medizini- schen Gründe psychogene Ursa- chen (z. B. Angstattacken) in Betracht zu ziehen [12, 13].

Ersteinschätzung

Der erstbehandelnde Arzt muss zunächst gezielt auf Anzeichen einer vital bedrohli- chen Atemnot hin untersuchen.

Dazu zählen:

F  eingeschränkte Vigilanz, F  Zyanose und

F  unzureichende Atemarbeit.

Viele Patienten mit Atemnot sind ängst- lich und sitzen aufrecht im Bett oder halten sich an Bettgittern, Stuhllehnen, Tischkanten fest, um die Atemhilfsmus- kulatur einzusetzen. Häufig ist die Atem- frequenz erhöht, und es treten weitere ve- getative Symptome wie z. B. Schwitzen auf. Fragen können aufgrund der fehlen- den Luft nur unvollständig beantwortet werden.

Weitere Zeichen einer schweren Atem- not sind:

F  Einziehungen und die Verwendung von Hilfsmuskulatur,

F  kurze, fragmentierte Redeart und F  Unfähigkeit flach zu liegen.

Sobald sich der Zustand des Patienten sta- bilisiert hat, kann eine gründliche körper- liche Untersuchung durchgeführt werden.

Klinische Diagnostik Atemgeräusche

Stridor tritt bei Obstruktionen der Atem- wege auf. Inspiratorischer Stridor tritt bei Hindernissen oberhalb der Stimmbän- der (z. B. Fremdkörper, Epiglottitis, An- gioödem) auf. Bei exspiratorischen Stri- dor oder gemischt in- und exspiratori- schen Stridor liegt das Hindernis unter- halb der Stimmbänder (z. B. Krupp, bak- terielle Tracheitis, Fremdkörper).

Beim Pfeifen, Giemen, Brummen liegt die Störung am ehesten auf einem Niveau distal der Luftröhre (Asthma, Anaphy- laxie, ein Fremdkörper in einem Haupt- bronchus, akute dekompensierter Herz- insuffizienz, ADHF).

Rasselgeräusche deuten auf das Vorhandensein von interalveolärer Flüs- sigkeit, wie bei Lungenentzündung oder ADHF, hin [15].

Verminderte Atemgeräusche sind Hin- weise verringerter oder fehlender Luft- bewegung in der Lunge (z. B. schwere COPD, schweres Asthma, Pneumo- thorax, Spannungspneumothorax und Hämatothorax).

Patient mit Dyspnoe

Klinische Untersuchung

Ggf. BGA Thorax-Röntgen

Anamnese 12K-EKG, RR,

Oxymetrie Ersteinschätzung:

Vitale Bedrohung

Eingeschränkte Vigilanz Zyanose Unzureichende Atemarbeit

Sauerstoffgabe iv-Zugang

Ggf. CT

Ggf. Sonografie

2-6 l/min per NS Ziel-SO2: 92-98%

Tachykardie Hinweise auf kardiale Ischämie

Auslöser Häufigkeit Vorerkrankungen Auskultation, Perkussion

Fremitus, Pulsstatus Zyanose

Basisdiagnostik & -therapieGgf. erweiterte DiagnostikArbeitsdiagnose & Therapie

Risikostratifzierung

Spezifische Therapie- empfehlungen

Stauung, Infiltrate, Ergüsse Herzgröße, Zwerchfellhochstand

Pneumothorax

Lungenarterienembolie Raumforderungen

Ergüsse, ARDS

Pneumothorax Hyperkapnie, Hypoxie

Indikation zur (nicht-)invasiven Beatmung

Aufnahme vs.

Entlassung

Befunde der Diagnostik Scoring-Systeme

Medikamentöse, operative oder interventionelle

Therapie

Aufnahme auf IMC, ITS, Station

Entlassung, Wiedervorstellung Abb. 1 9 Beispiel- algorithmus: Dyspnoe in der Notaufnahme

Leitthema

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Kardiovaskuläre Befunde

Das Auftreten von Herzrhythmusstö- rungen kann sowohl Reaktion auf eine Grund erkrankung (z. B. Tachykardie bei Lungenembolie, LE) oder selbst die Ursache der Dyspnoe (z. B. tachykardes Vorhofflimmern, chronische Herzinsuf- fizienz) sein.

Herzgeräusche treten z. B. bei ADHF oder signifikanten Herzklappenerkran- kungen auf. Ein dritter Herzton kann Ausdruck einer linksventrikulären systo- lischen Dysfunktion, ein vierter Herzton legt eine linksventrikuläre Dysfunktion bei schwerer Hypertonie, Aortenklappen- stenose, hypertropher Kardiomyo pathie, koronarer Herzkrankheit oder akuter Mitralinsuffizienz nahe.

Die Herztöne können bei einer Pe- rikardtamponade oder auch ausgepräg- ter Adipositas gedämpft oder „entfernt“

klingen.

Ebenso kann ein erhöhter Jugularve- nendruck im Rahmen einer ADHF oder einer Herzbeuteltamponade auftreten.

Ein Pulsus paradoxus tritt typischerwei- se bei Beeinträchtigung der rechtskardia- len Herzfunktion auf.

Verfärbungen der Haut oder der Schleimhäute können Hinweise auf eine Hypoxie, eine verminderte Durchblutung oder einer allergischen Reaktion sein.

Periphere Ödeme müssen nicht mit einer akuten Linksherzinsuffizienz einherge- hen, aber wenn sie vorhanden sind, kann eine ADHF als Ursache der Dyspnoe an- genommen werden.

Apparative Diagnostik

Die meisten Patienten mit akuter Atemnot erhalten in der Notaufnahme eine Rönt- genuntersuchung des Thorax und ein EKG. Weitere – insbesondere apparative – Diagnostik sollte im Kontext der Anam- nese und körperlichen Untersuchungs- befunde durchgeführt werden (. Tab. 3).

Bildgebung

Sofern vorhanden, ist es sinnvoll, die aktu- elle Röntgenaufnahme mit früheren Auf- nahmen zu vergleichen.

Typische Veränderungen bei Dyspnoe sind:

Das im Bereich der Notfallmedizin häufige Symptom Dyspnoe stellt eine diagnostische wie therapeutische Herausforderung dar.

Eine Vielzahl an Differenzialdiagnosen ist zu berücksichtigen und zu überprüfen, doch bei Hinweisen auf eine Bedrohung quoad vitam wie auch bei rasch reversiblen Ursachen ist eine (Erst-)Behandlung möglichst ohne Zeit- verzug einzuleiten. Aufgeführt werden die für eine initiale Einschätzung und Risikostra- tifizierung relevanten Aspekte, die sich aus anamnestischen Angaben, klinischem Ein- druck und ersten, direkt verfügbaren Scree- ningtests ergeben. Ausführlich beschrieben wird das klinische wie das apparative diag- nostische Instrumentarium, einschließlich

der Durchführung und Interpretation. Ein- gegangen wird auf die Relevanz einzelner Methoden im jeweiligen klinischen Kontext und auf mögliche Fehlerquellen bzw. Limi- tationen. Ein möglicher Algorithmus für das Management von Dyspnoe im präklinischen Setting − vom ersten Kontakt bis zur Aufnah- me bzw. bis zur Entlassung − wird graphisch wie schriftlich vorgestellt.

Schlüsselwörter

Säure-Basen-Haushalt · Akutes Koronarsyndrom · Herzinsuffizienz · Akutes Atemnotsyndrom · Chronisch obstruktive Lungenerkrankung Med Klin Intensivmed Notfmed 2013 · 108:19–24 DOI 10.1007/s00063-012-0170-6

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 H. Lemm · S. Dietz · M. Buerke

Patienten mit Dyspnoe in der Notaufnahme

Zusammenfassung

Patients with dyspnea in emergency admission

Abstract

Dyspnea is a common symptom in emergen- cy medicine and represents a diagnostic and therapeutic challenge. A multitude of dif- ferential diagnoses must be considered and checked but where there are indications of a life-threatening situation and also by rap- idly reversible causes an (initial) treatment must be initiated without delay. Initially im- plemented should be those aspects relevant for an initial assessment and risk stratification which result from anamnestic details, clinical symptoms and immediately available screen- ing tests. This article describes in detail the clinical and diagnostic instrumental arma-

mentarium including implementation and in- terpretation. Also discussed are the relevance of individual methods in the respective clini- cal context and possible sources of error and limitations. A possible algorithm for the man- agement of dyspnea in a clinical setting, from initial contact to admission or release, is pre- sented graphically and textually.

Keywords

Acid-base equilibrium · Acute coronary syndrome · Heart failure · Acute respiratory distress syndrome · Chronic obstructive pulmonary disease

F  Zeichen einer Herzinsuffizienz: Kar- diomegalie, kräftige Blutgefäße, inter- stitielle Ödeme (Kerley-B- Linien), peribronchiale Manschettenbildung und Stauung der Pulmonal gefäße.

Pleuraergüsse können vorhanden sein.

Zu beachten ist, dass das Röntgenbild hinter dem klinischen Bild hinterher- hinkt und etwa 20% der Patienten mit ADHF keinen dafür typischen Hin- weis im Röntgenbild aufzeigen [22].

F  Obwohl eine Röntgenaufnahme des Thorax als Goldstandard für die Diagnose Lungenentzündung gilt, lassen sich bei frühen Aufnahmen häufig noch keine Veränderungen finden, die auf eine Pneumonie hin- deuten [23].

F  Ein Pneumothorax, der akute Atem- not verursacht, ist in der Regel im Röntgenbild des Thorax sichtbar.

Eine Aufnahme in Exspiration oder in zweiter, lateraler Ebene kann hilf- reich sein [24].

F  Große Lungenvolumina und abge- flachte Zwerchfellkuppeln sind Hin- weise auf eine COPD und Asthma und treten durch Air-Trapping auf.

Einseitiges Air-Trapping weist auf eine Fremdkörperobstruktion hin.

F  Eine CT des Thorax wird verwen- det, um Lungenembolien, Tumoren, Lungenentzündungen oder ein Lun- genödem zu diagnostizieren. Aller- dings werden diese Krankheiten oft auch allein durch Anamnese, Unter-

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suchung und grundlegende Tests aus- reichend diagnostiziert.

Elektrokardiogramm

Ein EKG mit ST-Strecken-Hebungen ist ein Hinweis für eine kardiale Ischämie.

Allerdings schließt ein normales EKG keine koronare Herzerkrankung aus. Das EKG kann auch Hinweise auf eine Lun- genembolie (Rechtsherzbelastung) oder auf einen Perikarderguss geben (diffuse Niedervoltage, elektrischer Alternans).

Labordiagnostik

Erhöhte myokardiale Biomarker unter- stützen die Diagnose einer kardialen Ischä mie, jedoch sind diese in der Früh- phase wie z. B. Troponin I in der Notauf- nahme noch normal. Serielle Messungen der kardialen Biomarker sind notwendig, um ein akutes Koronarsyndrom auszu- schließen. Troponine können aber auch bei Lungenembolie, Sepsis, Perikarditis, Myokarditis oder Nierenversagen erhöht sein.

Die Bestimmung des BNP („brain natriuretic peptide“) kann hilfreich sein, um kardiale (z. B. ADHF) von nichtkar- dialer (z. B. COPD) Dyspnoe zu unter- scheiden.

Der Nutzen des D-Dimer-Tests ist abhängig von der Vortestwahrschein- lichkeit einer Lungenembolie. Bei Pa- tienten mit einem geringen Risiko für Lungenembolie nach einem validierten Scoring-System (Wells-Kriterien) und einem negativen D-Dimer-Test kann eine Lungenembolie ausgeschlossen werden. Es ist nicht sinnvoll, D-Dimere zum Screening für thromboembolische Erkrankungen zu verwenden.

Die Rolle der arteriellen Blutgasanalyse (BGA) in der Diagnose und Behandlung von Patienten mit akuter Dyspnoe ist begrenzt. Die Oxygenierung kann bes- ser und einfacher mit der transkuta- nen Pulsoximetrie beurteilt werden. Der Säure-Basen-Status und das Serum-Bikar- bonat können anhand einer venösen Blut- gasanalyse beurteilt werden. Ein vermin- derter CO2-Partialdruck (PCO2) bei aku- ter Dyspnoe ist häufig Folge einer Hyper- ventilation. Ein normaler oder erhöhter PCO2 bei Dyspnoe oder Tachypnoe deu- Tab. 1 Differenzialdiagnosen der akuten Luftnot

HNO-Bereich

Angiödem Allergisch, C1EI-Mangel, NSAID, ACEI

Anaphylaxie Allergisch: Nahrungsmittel, Insektengift

Pharyngeale Infektionen Epiglottitis

Fremdkörper Lebensmittel, Münzen, Spielzeug

Halstrauma Thorakal Rippenfraktur Pulmonale Ursachen COPD

Asthma Lungenembolie

Pneumothorax Cave: Spannungspneumothorax

Pulmonale Infektion ARDS

Lungenkontusion Lungenblutung Kardial ACS

ADHF Häufigste Ursache bei Patienten >65 J.

Lungenödem

Hyperdyname Herzinsuffizienz Thyreotoxikose, Anämie, Gravidität Kardiomyopathien

Arrhythmie

Klappendysfunktion Aortenstenose, Mitralinsuffizienz

Perikardtamponade Dressler-II-Syndrom

Neurologisch Apoplexia cerebri

Neuromuskuläre Erkrankung MS, GBS, Myasthenia gravis, ALS Toxisch/Metabolisch

Organophosphatvergiftung Paraquat (E605)

Salicylatvergiftung CO-Vergiftung Diabetische Ketoazidose Sepsis

Anämie

Gemischte Ursachen Hyperventilation Angstzustand Pneumomediastinum Lungentumor Pleuraerguss

Intraabdominaler Prozess Aszites

Schwangerschaft Adipositas

C1EI-Mangel C1-Esterase-Inhibitor, NSAID „non-steroidal anti-inflammatory drug“, ACEI „Angiotensin-conver- ting-enzyme inhibitor“, MS multiple Sklerose, GBS Guillain-Barré-Syndrom, ALS amyotrophe Lateralsklerose, ACS akutes Koronarsyndrom, ADHF akut dekompensierte Herzinsuffizienz, ARDS „acute respiratory distress syndrome“, COPD „chronic obstructive pulmonary disease“

Leitthema

(5)

tet auf einen drohenden Atemstillstand hin.

Oxymetrie

Die transkutane Pulsoxymetrie bietet wichtige Informationen über die arterielle Sauerstoffsättigung. Im Allgemeinen zei- gen, gesunde Personen eine Sauerstoffsät- tigung (SpO2) von 95% oder mehr. Ältere Personen, übergewichtige Patienten oder Raucher haben Werte zwischen 92 und 95%, Patienten mit schweren chronischen Lungenerkrankungen Werte <92%.

Notfallbehandlung

Für jeden Patienten mit akuter schwerer Atemnot sollten folgende Maßnahmen sofort durchgeführt werden:

F  Sauerstoffgabe per Nasenbrille, F  intravenösen Zugang legen und Blut

gewinnen für Labormessungen, F  EKG-Monitoring und Pulsoximetrie-

Überwachung,

F  Beatmungsgerät bereithalten und F  Screeninguntersuchung, einschließ-

lich einer Beurteilung der Atemwege.

Wichtig ist die Suche nach schnell rever- siblen Ursachen (Spannungspneumotho- rax, Perikardtamponade, Fremdkörper der oberen Atemwege). Ein bettseitiger Ultraschall kann von großem Nutzen sein bei der Bestimmung eines Pneumothorax oder einer Perikardtamponade.

Wichtige lebensbedrohliche Ursachen der Atemnot sind differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen:

F  akutes Koronarsyndrom, F  akute Herzinsuffizienz, F  Arrhythmie,

F  Perikardtamponade, F  Lungenembolie,

F  Lungenentzündung oder anderen Infektionen,

F  COPD-Exazerbation, F  Asthma,

F  Angioödem und Anaphylaxie, F  Vergiftung (z. B. Kohlenmonoxid) F  undTrauma (z. B. Pneumothorax,

Hämatothorax).

Drei Hauptziele gilt es für den Notfall- mediziner bei der Behandlung von Pa- tienten mit akuter Dyspnoe zu erreichen:

F  Beurteilung der Notwendigkeit einer Beatmung sowie

F  Diagnosestellung der Dyspnoe und Beginn einer kausalen Behandlung.

Bei Patienten mit leichter Atemnot und normaler Sauerstoffsättigung (SpO2) bei Raumluftbedingungen sind 2 l/min Sauerstoff über eine Nasenbrille in der Re- gel ausreichend. Für hypoxische Patienten mit Atembeschwerden sollten 5–6 l/min Sauerstoff über eine Maske bereitgestellt werden.

Bei Patienten mit bekannter COPD liegt die Zielsauerstoffsättigung bei 90 bis 94%. Zusätzliche Sauerstoffgabe kann zur Hyperkapnie führen und mit einem redu- zierten Atemantrieb einhergehen. Aller- dings lässt sich nur so bei einigen Patien- ten eine Beatmung verhindern.

Bei unzureichendem Gasaustausch steigert die nichtinvasive Beatmung mit einer Maske (Modus: „continuous posi- tive airway pressure“, CPAP, oder „bile- vel positive airway pressure“, BiPAP) das Atemminutenvolumen und reduziert die Atemarbeit. Dabei gelingt es vermehrt Alveolen zu rekrutieren, und die Hämo- dynamik wird verbessert. Nichtinvasive Beatmung verbessert die Prognose bei Pa- tienten mit akut dekompensierter Herz- insuffizienz (ADHF) oder einer COPD- Exazerbation. Bei Patienten mit akuter Exazerbation von Asthma und schwerer Pneumonie oder ARDS sollte eine früh- zeitige Intubation und kontrollierte me- chanische Beatmung eingeleitet werden.

Risikostratifizierung

Oft ist die Ursache der Dyspnoe nicht mit Sicherheit in der Notaufnahme zu ermit- teln. In solchen Fällen hat der Arzt die Aufgabe, eine Risikoeinschätzung des Pa- tienten durchzuführen.

Als Hochrisikopatienten müssen unter den Dyspnoepatienten folgende gesehen werden:

F  ältere Menschen,

F  immungeschwächte Patienten, F  Patienten mit schweren Lungen- oder

Herzerkrankungen und

F  Patienten mit unerklärlichen abnor- men Vitalfunktionen.

Aspirierter Fremdkörper Pharyngeale/Halsinfektionen

Trauma der Atemwege Pneumonie

Direkte Lungenverletzung Sepsis

Anaphylaxie „High output heart failure“

Angioödem Herzinsuffizienz

Lungenödem COPD-Exazerbationen

Lungenembolie Asthmaexazerbationen

Lungenblutung Pleuraerguss

Pneumothorax Lungentumor

Herzrhythmusstörungen ARDS

Akutes Koronarsyndrom Anämie

Herzbeuteltamponade Neuromuskuläre Erkrankung

Organophosphatvergiftung Kohlenmonoxidvergiftung

Hyperventilation Diabetische Ketoazidose

Panikattacke Salicylatvergiftung oder andere Toxine

Schwangerschaft Kardiomyopathie Valvuläre Dysfunktion Aszites

Intraabdominalen Prozess (z. B. Infektion, Obstruktion, ischämische Darmerkrankung) Massives Übergewicht

ARDS „acute respiratory distress syndrome“, COPD „chronic obstructive pulmonary disease“

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Patienten mit schwerer Erkrankung oder mit dem Risiko für eine rasche Ver- schlechterung sind engmaschig zu über- wachen und sollten auf einer Intensivsta- tion aufgenommen werden. Diejenigen mit weniger schwerer Krankheit oder Ver- besserung der Situation unter der initialen Therapie ohne signifikante Begleiterkran- kungen und Risikofaktoren werden auf die entsprechende Krankenstation gelegt.

Patienten, die entlassen werden, sollten bei Entlassung über die Diagnosen aufge- klärt werden und schriftliche Anweisun- gen erhalten, wie sie sich bei Verschlech- terung verhalten sollen bzw. welche wei- teren Untersuchungen ambulant durch- geführt werden sollten. Ein möglicher Al- gorithmus dazu ist in . Abb. 1 enthalten.

Korrespondenzadresse

Dr. H. Lemm Medizinische Klinik II, St. Marien-Krankenhaus Siegen Kampenstr. 51, 57072 Siegen h.lemm@marienkrankenhaus.com

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes- senkonflikt besteht.

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Comparison of upright inspiratory and expiratory chest radiographs for detecting pneumothoraces. AJR Am J Roentgenol 166:313

Tab. 3 Dyspnoe – klinische Zeichen und Ursache

Untersuchungsbefund Klinische Bedeutung Mögliche Diagnosen Verminderte oder fehlende

Atemgeräusche

Verminderte oder fehlende Ventilation

COPD

„Severe asthma“

Pneumothorax

Spannungspneumothorax Hämatothorax

Einsatz der Atemhilfsmuskulatur Muskuläre Erschöpfung Lungenversagen/ARDS Schwere COPD Schweres Asthma Exspiratorischer Stridor Atemwegsobstruktion

unterhalb der Stimmbänder Krupp Fremdkörper Bakterielle Tracheitis Inspiratorischer Stridor Atemwegsobstruktion

oberhalb der Stimmbänder

Fremdkörpeder Epiglottitis Angioödem

Hyperventilation Azidose

Sepsis

Salicylatvergiftung Angst

Gestaute Halsvenen ohne auskulta- torischen Lungenbefund

Rechtsherzversagen Perikardtamponade Lungenarterienembolie Gestaute Halsvenen mit pulmonalen

Rasselgeräuschen

Rechts-/Linksherzversagen Globale Herzinsuffizienz

ADHF ARDS

Herzgeräusch Herzklappenerkrankungen Herzklappendysfunktion

Pulsus paradoxus Wechselnde rechtskardiale Füllung

Rechtsherzversagen Lungenarterienembolie Kardiogener Schock Perikardtamponade Asthma

Rasselgeräusche Interalveoläre Flüssigkeit ADHF

ARDS Pneumonie

Giemen Atemwegsobstruktion unter-

halb der Trachealbifurkation

Asthma Fremdkörper ADHF COPD

ADHF akut dekompensierte Herzinsuffizienz, ARDS „acute respiratory distress syndrome“, COPD „chronic obstructive pulmonary disease“

Leitthema

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