§ 6 Schwache Konvergenz
6.1. Satz. Die Abbildung
J :`1 →(c0)0, (Jx)(y) :=
∞
X
n=1
xnyn, x∈`1, y∈c0
definiert einen isometrischen Isomorphismus.
Beweis. Seix= (xn)∈`1 undy= (yn)∈c0. Dann gilt
|J(x)(y)| ≤
∞
X
n=1
|xnyn| ≤ kyk∞
∞
X
n=1
|xn|=kyk∞kxk`1.
Weiter istJ(x) :c0 →Knatürlich linear, alsoJ(x)∈c00. Die obige Ungleichung zeigt kJxk ≤ kxk`1. Sei
αNn :=
(signxn, n≤N, 0, n > N.
Dann gilt αN ∈c00,kαNk∞= 1 und
|J(x)(y)|=
m
X
n=1
|xnyn|=
m
X
n=1
|xn|.
Dies zeigt kxk`1 ≤ kJ(x)k, also ist J eine Isometrie (und deswegen auch injektiv). Wir zeigen nun die Surjektivität vonJ. Seiϕ∈c00. Setzexi:=ϕ(δi), wobeiδi ∈c0 die Folge mit 1in der Koordinateiund Null sonst ist. Dann ist (xn)⊂`1, da
N
X
n=1
|xn|=
N
X
n=1
xnαNn =ϕ(αN)≤ kϕk.
Ferner gilt J(xn) =ϕ, denn aus der Definition folgt J(xn)(y) =ϕ(y) für alle y ∈c00. Da J stetig und c00
dicht in c0 ist, folgt J(xn)(y) =ϕ(y) für alley∈C0, also die Surjektivität von J.
Satz: Seiy∈`1 und das Funktionalϕy :`∞→K gegeben durch
J :`1→(c0)0, ϕy(x) :=
∞
X
n=1
xnyn, x∈`∞.
So definiertJ(y) :=ϕy eine normerhaltende lineare AbildungJ :`1 →(`∞)0, die auch injektiv ist. Wir sagen
`1 ⊆(`∞)0.
Bemerkung: Es geben lineare Funktionale ϕ∈(`∞)0 die nicht im Bild von J liegen!
6.2. Satz. SeiX ein normierter Vektorraum und X0 separabel. Dann istX auch separabel.
Beweis. Sei {ϕ1, ϕ2, . . .} eine dichte Menge in X0. Für jedes n ∈ N wähle xn ∈ X mit kxnk ≤ 1 und
|ϕn(xn)| ≥ 1/2kϕnk. Definiere Y := lin{xn : n ∈ N}. Seiϕ ∈ X0 mit ϕ = 0 auf Y. Wir zeigen nun, dass ϕ= 0 überall, dann folgt auch X=Y.
kϕ−ϕnk ≥ |(ϕ−ϕn)(xn)|=|ϕn(xn)| ≥1/2kϕnk ≥1/2kϕk −1/2kϕ−ϕnk, also 32kϕ−ϕnk ≥ 12kϕk, d.h. kϕk= 0, da{ϕ1, ϕ2, . . .} dicht in X0 ist.
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§6. SCHWACHE KONVERGENZ 27
Bemerkung:
a) X separabel 6=⇒ X0 separabel (z.B.X =`1,X0'`∞).
b) Ist X separabel, so existiertϕ1, ϕ2, . . . , ϕn, . . .∈X0, so dass für jedesx∈X kxk= sup
n∈N
|ϕ(x)| gilt.
c) c00'`1,(`1)0 '`∞ und(`∞)0 6'`1
6.3. Notation.
(a) Sei X ein normierter Vektorraum, X0 der Dualraum und X00 := (X0)0 dessen Dualraum. Dann heißt X00 derBidualraum vonX.
(b) Seix∈X. Betrachte die Abbildung:
ιX(x) :X0→K, ιX(x)(x0) :=x0(x).
Satz: Die AbbildungιX :X→X00, ist eine lineare Isometrie. (Wir schreiben manchmal nurι, wenn es klar ist um welchen RaumX es gerade sich handelt.)
Beweis. Es ist klar, dassιX(x)linear ist. Ferner istιX(x)stetig, denn|x0(x)| ≤ kx0kkxk, d.h. kιX(x)k ≤ kxk gilt. Somit istιX(x)∈X00. Klar ist auch, dass ιX linear ist. Nach Korollar5.6folgt kιX(x)k=kxk.
Bemerkung:
(a) Die Abbildungι:X→X00 heißt kanonische Abbildung von X in seinen Bidualraum.
(b) Im allgemeinen ist ι nicht surjektiv. [Betrachte zum Beispiel X =c0. Dann X0 '`1, X00 '`∞. Also kannιnicht surjektiv sein, denn c0 ist separabel und`∞nicht.]
(c) X ein normierter Vektorraum =⇒ι(X) ist abgeschlossen inX00. Wir bekommen daher:
[Vervollständigung eines normierten Vektorraums]
SeiX ein normierter Vektorraum. Dann istX isometrisch isomorph zu einem dichten Unterraum eines Banachraumes.
6.4. Definition. Ein BanachraumX heißtreflexiv, falls ιX surjektiv ist.
Bemerkung:
a) Ein reflexiver Raum ist immer vollständig.
b) Falls X reflexiv ist, dann X'X00. Die Umkehrung ist falsch wie gezeigt von James, 1951. D.h.X 'X00 impliziert nicht die Surjektivität von ιX.
Satz: SeiX Banachraum.
(a) X reflexiv =⇒ Jeder abgeschlossene Unterraum vonX ist reflexiv.
(b) X reflexiv ⇐⇒X0 reflexiv.
(c) IstX reflexiv und separabel, so ist X0 auch separabel.
§6. SCHWACHE KONVERGENZ 28
Beweis. (a) SeiU ⊆X ein abgeschlossener Unterraum vonX. Für u00 ∈U00 seix00(x0) :=u00(x0U),x0∈X0. Dannx00 ∈X00, denn |u00(x0U)| ≤ ku00kkx0k. Da X reflexiv ist, existiert einx ∈X mit x0(x) = u00(x0U) für alle x0 ∈X0.Behauptung: x∈U
Fallsx6∈U, so existiert, nach Korollar 5.6, einx0∈X0 mit x0(x) = 1und x0U = 0. Das ist ein Widerspruch zu
1 =x0(x) =u00(x0U) = 0.
Alsox∈U. Es bleibtu00(u0) =u0(u)für alleu0 ∈U0 zu zeigen. Seiu0∈U0 undx0 ∈X0 eine Fortsetzung von u0 nach Hahn–Banach. Dann giltu00(u0) =u00(x0U) =x0(x) =u0(x), d.h. u00=ιU(u) undU ist reflexiv.
(b) “⇒”: zu zeigen:ιX0 :X0→X000 surjektiv. Seix000 ∈X000. Betrachtex0:X →K,x0(x) :=x000(ιX(x)). Dann x0 ∈X0. DaX reflexiv ist, folgt, dass jedesx00∈X00die Formx00=ιX(x)hat. Daherx000(x00) =x000(ιX(x)) = x0(x) = (ιX(x))(x0) =x00(x). D.h. x000 =ιX0(x0).
“⇐”: Annahme: X0 reflexiv. Dann ist nach dem obigen Beweis X00 auch reflexiv. Da X isomorph zu einem abgeschlossenen Unterraum von X00 ist, folgt die Reflexivität vonX aus Teil a).
(c) X00∼X, also istX00 auch separabel. Somit istX0 separabel.
Beispiel:
(a) c0,c,`∞ und`1 sind nicht reflexiv.
Wir wissen, dassc0 nicht reflexiv ist. Also sind (c0)0 ∼`1 und (c0)00 ∼`∞ auch nicht reflexiv. Wärec reflexiv, so wäre c0 als abgeschlossener Unterraum in c auch reflexiv.
(b) Endlichdimensionale Räume sind reflexiv.
(c) Produkte reflexiver Räume sind reflexiv.
(d) SeienX, Y Banachräume und T :X →Y ein Isomorphismus. DannX reflexiv ⇐⇒ Y reflexiv.
(e) Sei1< p <∞. Dann ist `p reflexiv.
(f) Sei1< p <∞. Dann ist Lp(M, µ) reflexiv (später).
6.5. Definition. SeiX normierter Vektorraum.
(a) Eine Folge (xn)⊆X heißt schwach konvergent gegen einx∈X, falls
nlim→∞ϕ(xn) =ϕ(x) ∀ϕ∈X0.
(b) Eine Menge M ⊆ X heißt schwach folgenkompakt, falls jede Folge in M eine schwach konvergente Teilfolge besitzt, deren Limes in M liegt.
Bemerkung:
(a) Da X0 die Punkte von X trennt, d.h. für x 6= y ∈ X existiert ein ϕ ∈ X0 mit ϕ(x) 6= ϕ(y), ist der schwache Limes eindeutig bestimmt. Schreibweise:
xn
→σ x, σ−lim
n→∞ xn=x.
(b) Normkonvergenz impliziert schwache Konvergenz. Die Umkehrung gilt nicht.
(c) xn→σ x inX, dannkxk ≤lim inf
n→∞ kxnk(schwach Unterhalbstetigkeit einer Norm)
§6. SCHWACHE KONVERGENZ 29
(d) Sei(xn)⊂X mitxn
→σ x. Dann ist (xn)beschränkt.
Beweis. (a)-(b) Trivial.
(c) Es gilt
kxk= sup
ϕ∈X0 kϕk=1
|ϕ(x)|= sup
ϕ∈X0 kϕk=1
nlim→∞|ϕ(xn)| ≤ sup
ϕ∈X0 kϕk=1
lim inf
n→∞ kϕk · kxnk ≤lim inf
n→∞ kxnk.
(d) später.
Korollar:
(a) Sei X ein normierter Vektorraum und M ⊆ X konvex und abgeschlossen. Ferner sei (xn) ⊆M eine schwach konvergente Folge, xn σ
→x∈X, d.h. für jedesϕ∈X0 gilt ϕ(xn)→ϕ(x). Dann liegtx inM. (Die Menge M heißtschwach folgenabgeschlossen.)
(b) [Lemma von Mazur]
Sei (xn) eine schwach konvergente Folge in einem normierten Vektorraum, xn
→σ x. Dann gilt x ∈ conv{xn: n∈N}.
Beweis. a) Verwende den Trennungssatz, fallsx6∈M wäre.
b) Folgt aus a).
6.6. Satz. Es seiX reflexiv. Dann ist die abgeschlossene EinheitskugelBX(0,1)⊆Xschwach folgenkom- pakt.
Beweis. Sei xn ∈ BX(0,1) eine Folge. Betrachte Y := lin{xn : n ∈ N}. Dann ist Y separabel und auch reflexiv nach Satz§6. Für jedesϕ∈Y0 ist ϕ(xn) beschränkt inK. Daraus folgt, dassϕ(xn)eine konvergente Teilfolge besitzt. Sei {ϕn: n∈N} eine dichte Teilmenge inY0. Dann hatϕ1(xn) eine konvergente Teilfolge ϕ1(x1n). Durch Induktion erhalten wir eine Folge (xkn), so dass (xkn) ⊂(xkn−1) und ϕk(xkn) für n→ ∞gegen αk konvergiert. Dann konvergiertϕk(xnn) gegenαk.
Beh.:ϕ(xnn) konvergiert füralle ϕ∈Y0.
Da{ϕ1, ϕ2, . . .} dicht inY0 ist, existiert für ε >0 eink∈Nmit kϕ−ϕkk ≤ε. Wähle nunn0 ∈Nmit
|ϕk(xnn)−ϕk(xmm)| ≤ε, n, m≥n0.
Dann gilt:
|ϕ(xnn)−ϕ(xmm)|=|ϕ(xnn)−ϕk(xnn)|+|ϕk(xnn)−ϕk(xmm)|+|ϕk(xmm)−ϕ(xmm)| ≤ε+ε+ε,
Also konvergiert ϕ(xnn). Wir bezeichnen den Limes mit α(ϕ). Dann gilt α∈Y00=Y, denn die Linearität ist trivial und |ϕ(xnn)| ≤ kϕkkxnnk ≤ kϕk.
Es bleibt zu zeigen, dassϕ(xnn) für alleϕ∈X0 konvergiert, was ausϕ(xn) =ϕ|Y(xn) folgt.
Korollar: Sei X reflexiver Banachraum und (xn)⊆X beschränkte Folge. Dann besitzt(xn) eine schwach konvergente Teilfolge.