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Bislang befindet sich meines Wissens in den Büchereien Mitteleuropas kein Heft der russischen Urausgabe^

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Manücehr-Moschee zu Ani

Von Wilhelm Barthold

Deutsche Bearbeitung von Walther Hinz, Göttingen

Vorbemerkung des Bearbeiters

Die hier in deutscher Bearbeitung veröffentlichte Abhandlung Wilhelm

Baktholds^ geht über den Rahmen einer Inschriften-Untersuchung weit

hinaus. Sie darf als grundlegender Beitrag zur nahöstlichen Wirtschafts¬

und Sozialgeschichte im Mittelalter gelten.

Bislang befindet sich meines Wissens in den Büchereien Mitteleuropas

kein Heft der russischen Urausgabe^. A. ZekI VELint Togan hatte die

Freundlichkeit, mir in Istanbul das seine zur Verfügung zu stellen.

Eine türkische Ubersetzung, besorgt von Abdülkadie, erschien 1931

zu Istanbul unter dem Titel: llhanhlar Devrinde Malt Fa«i2/ei(,,Die Finanz¬

lage zur Ilchanidenzeit"^). Zum Unterschied von dieser wortgetreuen Über¬

setzung war ich bestrebt, die deutsche Bearbeitung dem heutigen Stand der

Forschung anzugleichen, jedoch ohne die Ausführungen Baetholds zu

verwischen. Nach Möglichkeit habe ich die von ihm aus persischen Hand¬

schriften angeführten Stellen auf die seit 1911 gedruckten Ausgaben be¬

zogen. Zusätze und Abänderungen wurden in eckigen Klammern gegeben.

Eine der Inschriften, die bei der Durchforschung der Überreste von

Ani* aufgefunden wmden, enthält den Wortlaut eines Erlasses (Yarlig)

des Mongolenfürsten Abü Sa'id, der von 1316 bis 1335 über Persien

herrschte. Der Erlaß war zum Schutz der Bevölkerung vor ungesetz¬

lichen und aussaugerischen Sondersteuern ergangen. Die Inschrift (sie

ist nicht ganz vollständig, es fehlt der Schluß) wurde an sichtbarer Stelle

in die Moschce-Außenmauer eingemeißelt, offenbar um ihren Inhalt einer

möglichst zahlreichen Einwohnerschaft bekanntzugeben, damit sie über

^ V. Baetol'd, Persidskaja nadpis' na stene Anijskoj meöeti Manuöe.

(Anijskaja serija No. 5). St. Petersburg 1911, 8°, 44 Seiten.

" Eine Ablichtung befindet sich in der Bücherei des Deutschen Archäolo¬

gischen Instituts zu Istanbul.

^ In Band I, S. 135—159 der ,, Zeitschrift für Türkische Rechts- und

Wirtschaftsgeschichte" (Türk Hukuk ve Iktisat Tarihi Meemuasi).

* [Ani ist der Name einer altarmenischen Ruinenstätte im Viläyet Kars

(Ostanatolien), am rechten Ufer des Arpafay, etwa 40 km vom Zusammen¬

fluß des Arpa^ay und des Aras entfernt; vgl. den Aufsatz Baetholds über

Äni in der Enzyklopaedie des Isläm.l

16 ZDMG 101

(2)

242 Wilhelm Babthold — Walthbe Hinz

ihre Rechte und die zu ihrem Schutz getroffenen Maßnahmen Bescheid

wisse. In der gleichen Absicht hatte (nach Rasldo'd-Din) schon der

Ilchan (jläzän (1295—-1304) in seiner Steuerverordnung vom 22. Februar

1304 (Mitte Ragab 703) verfügt, jedes Dorf, jeder Weiler habe sorgliche

Vorkehrung zu treffen um bekanntzumachen, wieviel die betreffende

Ortschaft aufzubringen habe. Diese Kundmachungen sollten aufgeschrie¬

ben werden „auf eine Holztafel, auf Stein, auf eine Kupfer- oder Eisen¬

platte, nach Gutdünken; man soll sie (die Inschrift) einmeißeln oder,

wenn man wih, in Stuck aus Gips anfertigen . Dann soll man sie am Dorf¬

tor, an einer Moschee, an einem Minaret oder an einer anderen Stelle

anbringen, die man dazu ausersehen will. In Ansiedlungen von Juden

und Christen soll sie am Dorftor, an den Bethäusern oder anderen örtlich¬

keiten aufgestellt werden, wo es ihnen beliebt. Bei Nomadensiedlungen

sind Pfosten (mit der Inschrift) an solchen Stehen aufzurichten, wo ihnen

dies zweckmäßig erscheint^." Auch Doulatääh berichtet, unter Abü

Sa'id seien an die verschiedenen Reichsgaue Verordnungen über Maße

und Gewichte usw. ergangen. An einigen Orten seien diese Verordnungen

in Holz oder Stein gemeißelt und sodann in den Moscheen angebracht

worden. Doulatsäh fügt hinzu, noch zu seiner Zeit, d. h. in der zweiten

Hälfte des 15. Jahrhunderts, seien in Horäsän und im Persischen 'Eräq

solche Inschriften erhalten gewesen-.

Die hier untersuchte, im Jahrel848 von N.V.Chanykov aufgefundene

Inschrift ist bereits zweimal veröffentlicht worden: zunächst durch

Chanykov selbst (im Wortlaut und mit französischer Übersetzung)',

sodann durch M. F. Beosset* (nur in französischer Übertragung) mit Zu¬

sätzen, die ihm Chanykov vermittelt hatte. Die BEOSSET'sche Über¬

setzung bringt im Vergleich zur Ausgabe Chanykovs nur eine wesent¬

liche Verbesserung: er las das Wort kädhodäyän richtig, übersetzte es

freilich unzutreffend mit ,, commandants". Die Verbesserungen fußten

vornehmlich auf Mitteilungen des türkischen Obersten 'Osmän 'Ali, eines

Mitgliedes des russisch-türkischen Grenzausschusses, mit dem zusammen

[Geschichte Gäzän-Hän's aus dem Ta'rih-i-Mubärak-i-Gäzänl des RaMd

al-Dln Fadlalläh b. 'Imäd al-Daula Abül-Hair, herausgegeben von Kael

Jahn (E.J.W. Gibb Memorial Series, New Series, xiv), London 1940,

S. 262. Babthold führt die Stelle im Wortlaut an. Die deutsche Über¬

setzung geht unmittelbar vom Persischen aus.]

^ The Tadhkiratu'sh-Shu'arä{„'M.emoiTS of the Poets") of Dawlatshäh bin

'Ald'u'd-Dawla Bakhtishdh al-Ghdzi of Samarqand, edited by Edwabd

G. Bbowne (Persian Historical Texts, vol. I), London-Leyden 1901, S. 228.

^ Melanges Asiatiques, II, 61—68. Drei Jahre vorher hatte Chanykov

im , .Bulletin" der Akademie einen kurzen Hinweis auf die von ihm ab¬

geschriebene Inschrift gebracht, jedoch ohne deren Wortlaut (ebenda I, 73).

■*M. Beosset, Les ruines d'Ani, St. Petersburg 1860, S. 30.

(3)

(Ansicht vor dem Einsturz der Mauer.)

(4)

Ani. Die persische Inschrift der Manücehr-^loschee

(nach den Aufränmimgsarbeiten des Jahres 1908 in der Marr-Straße 1909 wieder zusammengesetzt.)

(5)

Chanykov im Jahre 1857^ die Trümmer der Stadt Ani abermals be¬

sichtigt hatte. Es hieß, V. V. Vel'jaminov-Zernov werde den Erlaß ein¬

gehender untersuchen^; allein er führte seinen Plan nicht aus^.

Die Übersetzung Brosset's erweist anschaulich, daß an Hand der

damals vorliegenden Abschriften nur der ahgemeine Sinn des Erlasses

erarbeitet werden konnte, nicht aber sein genauer Wortlaut. Auf Grund

jener Abschriften waren die in dem Erlaß vorkommenden Fachausdrücke

nicht zu ermitteln, geschweige denn ihre Bedeutung zu bestimmen.

Mir standen hingegen Lichtbilder zur Verfügung. Tafel I wurde von

der Mauer aufgenommen, an der sich die Inschrift befand und die später

(in den neunziger Jahren) einstürzte. Tafel II gibt die Inschriftenbruch¬

stücke wieder, die 1908* vollzählig zusammengetragen wurden, als man

die Schuttmassen aufräumte, die dieser Einsturz hatte entstehen lassen.

(Die Aufnahme selbst stammt aus dem Jahre 1909.) Auf diesen Licht¬

bildern sind ahe Zeichen der Inschrift klar leserlich, und der Wortlaut des

Erlasses steht danach zweifelsfrei fest.

Wortlaut der Inschrift

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2

1 Nach Beosset im Jahre 1856; vgl. das Jahr 1867 in der Bibliographie

analytique des ouvrages de M. M.-F. Beosset, St. Petersburg 1887, Sp. 321

und 381.

2 M. BaossET, Les ruines d'Ani, a. a. O.

^ Vel'jaminov-Zeenov machte sich nämlich damals gerade an seine

Arbeit über die Fürsten und Prinzen von Kasimov; vgl. N. J. Vese¬

lovskij, Vlad. Vlad. V.-Z., Nachruf, St. Petersburg 1904, S. 12 (Sonder¬

druck aus dem, ^urnal Ministerstva Narodnago ProsveSöenija).

* Zapiski Vostoönago Otdelenija Imperatorskago Russkago Archeologiöes-

kago Obsöestva (abgekürzt ZVO), Bd. XIX, S. xxvi.

16*

(6)

244 Wilhelm Barthold — Waltheb Hinz

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.... j-j» jl j^^l 4j L.* (_iljo

Übersetzung*

1 „Allah ist gütig zu seinen Dienern*.

2 Abü Sa'id Bahädur Hän.

3 Erlaß ijarliq). — Nunmehr ergeht aus der Thronstätte des Beherr¬

schers (PädeSähs) der Erdoberfläche,

4 des Sultans der Welt, 'Alä'ud-Dunyä wa'd-Din'' — möge sein Reich

ewig währen! —

1 So deutlioh in der Inschrift statt des richtigen ot->.

^ Offensichtlich ist vor dem Worte weläyät das wä ausgefahen.

" [Die deutsche Übersetzung wurde nach der persischen Urfassung an¬

gefertigt, nicht nach der russischen Übersetzung Bartholds. Der fehler¬

hafte Satzbau der Inschrift wurde stillschweigend verbessert.]

* [Barthold übersetzt ,, Allah ergründet (die Geheimnisse) seiner

Diener" und bemerkt dazu: ,, Chanykov (Melanges Asiatiques ii, 66) ver¬

mutet, anscheinend zu Recht, daß das Wort latif hier nicht die Bedeutung

.gütig' hat, sondern im gleichen Sinne gebraucht wird wie in dem Koran¬

vers xxxi. 16. der mit den Worten endigt: ^1 ".]

^ Soweit mir bekannt, findet sich der Titel 'Alä'ud-Dunyä wa'd-Dln auf

den Münzen Abü Sa'ids nicht. Auch in den Chroniken wird von einem

solchen Titel des Ilchans nichts überliefert. Das v-artige Zeichen, das sich

auf der Inschrift hinter diesem Titel sowie hinter dem Worte hokm findet.

(7)

5 (stehen doch von Osten bis gen Westen die Irdischen im Schatten

seiner Gnade und Gerechtigkeit — möge Gott der Erhabene seinen

Erlaß und Befehl nachhaltigst wirksam werden lassen ! —)

6 der Befehl (hokm) also. Denn so wie die Erdoberfläche von seinem

Gebot, der Befehl des Diwän von seinem Federzug abhängt, so soll

niemand es vermögen, (etwas) hieran zu mindern oder zuzufügen:

7 Außer Tamgha und Zoll (häg) darf von Rechts wegen nichts erhoben

werden. Von niemandem darf auf Grund von qalan, nämäri, tarh?- imd

dergleichen etwas eingehoben werden.

8 Denn vordem sind von der Stadt Ani und den andern Provinzen

Georgiens als qalan und nämäri, durch nichtfällige Anweisungen und

als tarh übermäßig(e Steuern)

9 eingetrieben worden. Gewalt wurde verübt, und Verwüstung trat ein.

Die Bauern zerstreuten sich, die Schulzen in Stadt [und] Gau ließen

wegen qalan und trnägir Felder

10 und Fahrnis, Hof und Habe im Stich und wanderten ab. — Der Be-

fehP wmde aufgeschrieben, damit Gott der Erhabene seinen erlauch¬

ten Schatten von den Häuptern

11 [seiner Diener nicht abziehe ?]..."

Das Ende des Yarligs, das wahrscheinlich auch das genaue Datum der

Kundmachung enthalten hat, ist in der Inschrift nicht erhalten^, so daß

ersetzt wohl da, wo auf Verfügungen des Herrschers Bezug genommen

wird, Namen oder Titel des Fürsten; denn im Ausdruck hokm-e diwän

tritt es nicht auf. Ob dieses Zeichen auch auf irgendwelchen sonstigen

Erlassen erscheint, ist mir nicht bekannt. Es findet sich jedenfalls weder in

den Erlassen der Goldenen Horde noch in den Briefen Argüns und Ölgäitüs,

soweit man nach den Wiedergaben bei Abel-R^]musat urteilen kann

(Memoires de VAcademie des Inscriptions et des Belles-Lettres, Bd. vii,

Paris 1924).

[Die Deutung Bartholds trifft zu. Das v-förmige Zeichen findet sich

in dem Staatsschreiben Timurs an König Karl VI. von Frankreich, wo es

am Ende der zweiten Zeile Namen und Titel Timurs ersetzt, sowie durch¬

gängig in dem persischen Verwaltungshandbuch Sa'ädat-Nämä, wo es in

Buchungsbeispielen Namen und Titel von Herrscher und Emiren bezeich¬

net. Vgl. meinen Aufsatz ,,Das Rechnungswesen orientalischer Reichs¬

finanzämter im Mittelalter", Der Islam Bd. 29 (1949) S. 10.]

1 Über die Bedeutung dieser Fachausdrücke siehe weiter unten.

^ Das erneute Auftreten des in Anmerkung 5, S. 244, erwähnten v-artigen Zeichens an dieser Stelle läßt vermuten, daß liokm hier wieder eine persön¬

liche Verfügung des Herrschers bezeichnet.

^ Die Bemerkung Brosset's ,, l'espace ayant manquö pour l'entier

developpement de la pens6e souveraine" zwingt zur Unterstellung, nach

seiner Meinung sei von vornherein ein ,, Gedanke des Herrschers" auf der

Moschoemauer wiedergegeben worden. Indessen dürfte os kaum einem

Zweifel unterliegen, daß die Inschrift nur eine Abschrift, vielleicht sogar

(8)

246 Wilhelm Barthold — Walther Hmz

die Zeit der Veröffentlichung des Erlasses nur annähernd ermittelt

werden kann.

Der späteste Zeitpunkt ist natürlich Abü Sa'ids Todestag, nämlich der

30. November 1335 (13. Raht' II 736)i. Der früheste Zeitpunkt wird, wie

schon Chanykov bemerkt hat^, durch den Titel Bahädur bestimmt. Nach

Hamdo'lläh Qazwini und Häfez-e Abrü nahm der Ilchan Abü Sa'Id diesen

Titel im RaW II 719 (Mai — Juni 1319) an, nämlich nach der Nieder¬

schlagung des Aufstands des Statthalters von Georgien, QmmiSi, und

seiner Gesinnungsgenossen^. Die Aussage der Chronisten wird, wie be¬

reits Fraehn hervorgehoben hat*, von der Münzforschung bestätigt:

während der ersten Regierungsjahre Abü Sa'ids kommt auf seinen Mün¬

zen der Ausdruck Bahädur tatsächlich nicht vor.

Der Yarlig stammt somit aus den Jahren zwischen 1319 und 1335, und

zwar offensichtlich eher aus der zweiten als aus der ersten Hälfte dieses

Zeitabschnitts. Denn aus dem Erlaß selbst ist zu ersehen, daß bei seiner

Kundmachung die Landesbewohner infolge unerträglicher Steuerlasten

völlig erschöpft und zum größeren Teil unter Zmücklassung ihrer Habe

abgewandert waren. Einen Hinweis auf den Verfah der Stadt Ani wegen

zu krasser Besteuerung der Einwohnerschaft finden wir bereits in der

Inschrift eines der örtlichen Machthaber aus dem Geschlecht der Zähiri-

den namens Aqboga, des Bruders Sähaniähs II. Diese Inschrift stammt

aus dem Jahre 1303 oder 1304. Aqboga hatte ihr zufolge ,,im Namen des

Ilchans zu Heil und Segen seines Bruders Sähanlahs und seiner selbst"

nur eine Umschreibung des Wortlautes eines amtlichen Erlasses darstellt,

ja daß an der Mauer nur derjenige Teil des Yarligs veröffentlicht worden

ist, auf den man vorzugsweise die Aufmerksamkeit der Einwohner hin¬

lenken wollte.

^ [Bertold Spuler, Die Mongolen in Iran. Politik, Verwaltung und

Kultur der Ilchanzeit 1220 — 1350, Leipzig 1939, S. 127.]

' Melanges Asiatiques ii, 67.

•'' C. Muradgea d'Ohsson, Histoire des Mongols, depuis Tchinguiz-Khan

jusqu'ä Timour Bey ou Tamerlan, Bd. iv, Haag/Amsterdam 1835, S. 640;

Ta'rlh-e Qozldä, Hs. der Petersburger Universität Nr. 153, S. 336; [vgl. die Ausgabe The Ta'rikh-i-Ouzida or „Select History" of Hamdu'lläh Mustawfi-i-

Qazwini, compiled in A. H. 730 {A. D. 1330), and now reproduced in fac¬

simile from a manuscript dated A. H. 857 (A. D. 1453) with an introduction

by Edward G. Browne {Oibb Memorial Series, Bd. xiv), Bd. I (Text),

Leyden-London 1910, Bd. II (abridged translation and indices), ebenda

1913;] Fortsetzung der Chronik Raäido'd-Dins, Hs. des Asiatischen Mu¬

seums zu St. Petersburg Nr. a 566, Bl. 502b; [vgl. hierzu die Ausgabe

Häfez-e Abrü, Zeil-e Öäme'o't-Tawärlh-e RaSldl, hrsg. von Hänbäbä

BÄYÄNi, Tehrän 1317/1938; ferner B. Spuler, Die Mongolen in Iran,

S. 120].

* Memoires de l'Academie Imperiale des Sciences de St. Petersbourg,

Vliöme s^rie, Bd, II, St. Petersburg 1834, S. 518.

(9)

dreierlei Steuern aufgehoben^. In einer Inschrift aus dem Jahre 1320,

die von der Witwe eines anderen Zähiriden, SähanSähs III., stammt, ist

erneut von der Befreiung der Bewohner Anis von etlichen Auflagen die

Rede^. Hieraus wird deutlich, daß die Verarmung der Stadt schon lange

vor 1319 eingesetzt hatte. Allein, noch im Jahre 1320 zinste Ani unent¬

wegt nicht bloß an die Ilchane, sondern auch an die örtlichen Machthaber.

In eben diesem Jahre 1320 befreite nämlich der städtische Hebebeamte

(tamgäci) eines der Klöster in Ani von der Entrichtung des Binnenzolls

(der Akzise, persisch bäg)^. Demnach hat es einer gewissen Zeit bedurft,

bis die Stadt jenen Zustand der Verödung erreichte, von dem unser

Yarlig ausgeht; im Jahre 1320 war dieser Vorgang bei weitem noch nicht

abgeschlossen.

Es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Inschrift nicht die

Urfassung des Yarligs wiedergibt, wie er von Abü Sa'id erlassen wurde,

sondern lediglich seinen Inhalt. Denn in den auf uns gekommenen Ur¬

kunden der Ilchane* spricht der Herrscher wie zu erwarten in der ersten

Person, und nicht wie in der Inschrift zu Ani in der dritten.

Unsrer Inschrift kommt erhebhche Bedeutimg zu als einer Quelle zur

Geschichte nicht nur der Stadt Ani, sondern auch des Staatswesens, zu

dessen Bestand Ani damals gehörte. Nach der zutreffenden Meinung

Chanykovs widerlegt diese Inschrift eindeutig die armenische Geschichts-

überlieferung vom Untergang der Stadt infolge eines Erdbebens im Jahre

1319^. Vielmehr verelendete Ani ahmähhch infolge genau der gleichen

Ursachen, die den schleichenden Verfall der meisten der von den Mon¬

golen eroberten Gebiete verschuldet haben.

Oft wurde behauptet, der Mongolensturm habe für den Nahen Osten

noch vernichtendere Folgen gezeitigt als die Völkerwanderung für West-

1 Brosset, Les ruines d'Ani, S. 52. ^ Ebenda S. 50. ^ Ebenda S. 12.

* Vgl. den Wortlaut der bei RaSido'd-Din angeführten Erlasse, z.B. den

oben erwähnten Yarlig vom 22. Februar 1304 [Anfang in der Ausgabe

jAHN/(?i66 Memorial auf S. 257]; außerdem hat sich unter dem Titel

Dastüro'l-Käteb fl Ta'ylne'l-Maräteb eine Urkunden-Mustersammlung aus

der Zeit der öalä'eriden erhalten, die sich hierin völlig an ihre Vorgänger,

die Hülägiden, anlehnen. (Hs. Leyden Nr. 574; vgl. über diesen [von

Mohammad ben Hendüsäh zusammengestellten] Sammelband P. M. Me¬

lioranskij inZVO Bd. xiii, S. 015f. [St. Petersburg 1900; weitere Hand¬

schriften befinden sich in Wien (vgl. FLijOEL, Hs. Katalog, Wien 1865, Bd.l,

S. 235) und in Istanbul (Aya Sofya Nr. 3869 und 3870, KöprülüNr. 1241.]

^ Soweit ich sehe, erwähnen die persischen Quellen jener Zeit ein solches

Erdbeben überhaupt nicht. Dies ist umso bedeutsamer, als die Kriegs¬

handlungen von 1319, über die die Quellen ausführlich berichten —

nämlich über die Niederwerfung des Aufstandes des QurmiS! — sich gerade

in einem Ani nahegelegenen Gebiet Nordwestpersiens abspielten. Nach der

Niederwerfung der Empörung zog der Ilchan zum Winterlager nach dem

Qarabäg.

(10)

248 Wilhelm Barthold — Waltheb Hinz

europa^. Unbestreitbar standen die Mongolen des 13. Jahrhunderts, die

bei der Beisetzung ihrer Fürsten sogar Menschenopfer darbrachten^, auf

wesentlich niedrigerer Kulturstufe als die Germanen des 5. Jahrhunderts.

Trotzdem erlebte Vorderasien nach dem Mongoleneinfall keinen so um¬

fassenden und nachhaltigen Kulturverfall wie Europa nach dem Unter¬

gang des Römischen Reiches mit seiner Rückwendung von der Geld-

zur Naturalwirtschaft, von der Entfaltung städtischen Lebens zur Herr¬

schaft des Grundadels. Zwar konnte ein Absinken des allgemeinen Le¬

bensstandes unter dem Einfluß einer Barbarenherrschaft auch im Nahen

Osten nicht ausbleiben; doch blieb der Verwaltungsaufbau im wesent¬

lichen bestehen. Rascher als man erwarten durfte, übernahmen die mon¬

golischen Gewalthaber die landeseigene Kultm. Bereits vierzig Jahre

nach der Begründung des Ilchan-Reiches wmden in Persien Maßnahmen

zur Ordnung des Geldwesens ergriffen. Zu eben jener Zeit erstand dem

Land auch eine neue Hauptstadt. Täbriz, das sich Gäzän Hän hierfür

erwählte, entwickelte sich zur großen und reichen Stadt, die den persi¬

schen Hauptstädten der vormongolischen Zeit nichts nachgab. Zu Beginn

des 14. Jahrhunderts wurde eine weitere Hauptstadt begründet, Sol¬

täniyyä [zwischen Qazwin und Zängän]. Der Ort für die Anlage der

Stadt war so glücklich ausgesucht, daß sie ihre Bedeutung für den Handel

selbst dann noch behielt, als die Herrscher nicht mehr in Sohäniyyä Hof

hielten^. Solche Beispiele würden wir im Europa des frühen Mittelalters

vergeblich suchen. Der Unterschied erklärt sich wahrscheinlich daraus,

daß der Mongolen stürm seinem Wesen nach keine , Völkerwanderung'

war. Allen Anzeichen nach zu urteilen, verblieb die Masse der Mongolen

in ihrer innerasiatischen Heimat, wo keine solchen völkischen Wand¬

lungen eintraten wie in Germanien nach der Abwanderung eines Teiles

der Germanen.

Einerseits waren die Vertreter des mongolischen Herrscherhauses

schon in der heimatlichen Mongolei dem Einfluß von Kulturberatern

ausgesetzt gewesen*; die Vertreter des mongolischen Vöhdes andrerseits

waren zahlenmäßig zu schwach, als daß sie die allgemeinen Lebens¬

bedingungen hätten umgestalten können. Wenn Fälle vorkamen, daß

Mosleme mongolische Tracht anlegten, so geschah dies aus eigenem An-

' Th. Lindner, Weltgeschichte Bd. II, S. 98: ,,Dio gräßliche Verwüstung,

die diese entmenschten Horden anrichteten, ist weder mit denen der

Völkerwanderung, noch mit den Leiden einzelner Völker, wie der Deutschen

im Dreißigjährigen Kriege, zu vergleichen."

^ Vgl. über die Beisetzung Hülägüs d'Ohsson, Histoire des Mongols,

Bd. III, S. 407 [und B. Spuler, Die Mongolen in Iran, S. 176].

^ Vgl. W. Barthold, Istoriko-geografiöeskij obzor Irana (Geschichts- und

Landeskundlicher Überblick über Iran), St. Petersburg 1903, S. 140f.,

S. 146f, VgL hierüber ZVO Bd. x, S. 112.

(11)

trieb, nämhch um sich bei den Pürsten einzuschmeicheln^. In der Ver¬

waltung wurde, zumindest bei der Handhabung des Geschäftsverkehrs

im Innern, die Sprache der Unterworfenen beibehalten. Bereits am Hofe

Möngke Häns (1251—59) gab es unter den Kanzleibeamten Perser,

Uiguren, (Nord-)Chinesen, Tibeter, Tanguten und Angehörige anderer

Völkerschaften, damit jede die für sie bestimmten Erlasse in ihrer eigenen

Sprache erhalten konnte^. Diese Erlasse wurden — nach Rasldo'd-Dln^ —

auf Grund von Formularbüchern ausgefertigt, die gegenüber denen, wie

sie unter den Herrschern der vormongolischen Zeit in Gebrauch waren,

so wesentliche Verbesserungen erfahren hatten, daß diese Fürsten,

,, wären sie zum Leben zurückgekehrt, die in der Mongolenzeit geschaffe¬

nen Formularbücher gewiß übernommen hätten." Die Urkunden der

Ilchane unterscheiden sich von früheren sowohl hinsichtlich ihrer äußeren

Gestalt als auch mit Bezug auf ihre Amtssprache. Mit den Mongolen

drangen zahlreiche Fachausdrücke nach Vorderasien, die jene (schon vor

der Eroberung moslemischer Gebiete) von den Uiguren übernommen

hatten. Einigen dieser Fachausdrücke, die sich auf die Finanzverwaltung

beziehen, begegnen wir auch in unsrer Inschrift.

Über die Zustände im Nahen Osten unter den Mongolen, über die von

den Ilchanen ergriffenen wirtschaftlichen Maßnahmen und über deren

Auswirkungen besitzen wir ziemlich genaue Unterlagen. Die zeitgenössi¬

schen persischen Geschichtsschreiber* berichten nämlich umständhch

nicht nur über die äußeren Ereignisse, sondern auch über den inneren

Zustand des Landes unter jedem einzelnen Ilchan. Am ergiebigsten ist in

^ Elfachbi, Oeschichte der islamischen Reiche vom Anfang bis zum Ende

des Chalifates von Ibn etthiqthaga, herausgegeben von W. Ahlwardt,

Gotha 1860, S. 31.

^ Vgl. öowoini [The Ta'rikh-i-Jahdn-gushä of 'Ald'u d-din 'Atä Malik-i

Juwayni, Part III, Qibb Memorial Series XVI, 3, Leyden—London 1937,

S. 89.] Auf den gleichen Grundsatz verweifät auch der Verfasser des

Dastüro'l-Käteb so haben Wir als eine der Regierungskünste erkannt,

daß jedes Volk die Befehle in seiner eigenen Sprache geschrieben erhalte,

damit es diese so besser verstehe. Deshalb werden in der Stadt des Heiles,

zu Bagdäd, und in den übrigen Ländern des 'Iräq, die Befehle in arabischer

Sprache erlassen, den persischen Völkern im 'Eräq und in Färs persisch

hinausgegeben, und ebenso den Mongolen und Türken in ihrer Sprache und

in ihrer Schrift, daß sio diese leicht verstehen mögen." (Übersetzung nach

Hammer-Purgstall, Oeschichte der Qoldenen Horde in Kiptschak, das ist:

Der Mongolen in Rußland, Pesth 1840, S. 470.) [Vgl. ferner B. Spuler,

Die Mongolen in Iran, S. 289.]

" Hs. des Asiat. Museums a 566, Bl. 236a: wä dar ayyäm-e molük-e

büstän wä 'ohüd-e salätin-e mäziyä conin tartlb ö äyln-e tamäm nä-büdä,

yaqln ke agar zendä büdändl bed-ln tarlqä eqtedä' nämüdändl.

* [Vgl. hierzu W. Barthold Turkestan down to the Mongol Invasion

(Gibb Memorial Series, New Series Bd. V), London 1928, S. 39—50.]

/

(12)

250 Wilhelm Barthold — Walther Hinz

dieser Beziehung die Chronilt Rasido'd-Dins, der als Großwesir mit allen

Angelegenheiten der Reichsverwaltung befaßt war. Wo er von den Re¬

formen Cräzän Häns berichtet, geht er zugleich ausführlich auf die Mi߬

stände der voraufgehenden Zeit ein, durch die jene Reformen ausgelöst

worden waren. Ra§Ido'd-Din gibt eine ganze Reihe von Erlassen im Wort¬

laut wieder. Leider liegt bisher noch keine Übersetzung dieses Teiles der

Chronik vor. Von sonstigen Abhandlungen kommt für unsere Frage¬

stellung als besonders aufschlußreich der erdkundliche Teil des Werkes

NozhatoH-Qolüb des Hamdo'lläh Qazwini in Betracht, das im Jahre 1339

verfaßt worden ist. Der Urheber entstammt einem persischen Geschlecht,

dessen Vertreter seit alters die verschiedensten Ämter in der Finanz¬

verwaltung bekleidet hatten. Auch er selbst war in diesem Zweig des

Staatsdienstes tätig. Daher war er instandgesetzt, die Steuerbeträge aus

Originalurkunden auszuziehen, und zwar nicht nur für seine eigene Zeit,

sondern auch für die voraufgehende (seldschukische) Epoche, für das

Gesamtreich sowohl wie für einzelne Gaue^. Aus mehreren Stellen bei

Hamdo'lläh Qazwini erhellt, daß die Zahlen, die sich auf die Abgaben

einzelner Provinzen zur Mongolenzeit beziehen, einer Steuerliste des

Jahres 35 der von öäzän Hän begründeten ,,Ilchan-Ära" entnommen

sind^, das ungefähr dem [Rechnungsjahr] 1336 unsrer Zeitrechnung ent¬

spricht*.

Die Steuereinnahmen des Staates und seiner einzelnen Gaue führt

Hamdo'lläh Qazwini nach Tomän und Dinär an. Trotz des häufigen Vor¬

kommens des Ausdruckes Tomän in den Quellen zur Mongolengeschichte

gab es im europäischen Fachschrifttum bislang keine genaue Bestimmung

dieses Begriffs. E. Blocket kam durch phantastische Berechnungen zu

dem Ergebnis, daß der Staatshaushalt der Ilchane den Betrag von einer

^ [Das angezogene Werk ist von G. Le Strange veröffentlicht als

Bd. XXIII, 1 und 2 der Qibb Memorial Series {Nuzhatu'l-Qulüb of Ham¬

du'lläh Mustawfi; 1, Persian Text, Leyden-London 1915; 2. English

Translation, 1919).]

^ [Ebenda, persischer Text S. 29, engl. Übersetzung S. 36.]

' Der Beginn der Uchan-Ära läßt sich aus der Chronik Ta'rlh-e gozidä

des gleichen Verfassers wie folgt ermitteln. In der Handschrift Nr. 153

der Petersburger Universität heißt es auf S. 330: [,,Unter ihm (d. h. Gazan

Hän) wurde die Hänl-Äia., nach der man jetzt im Diwan datiert, am 12.

Ra^ab des Jahres 701 eingeführt."] Dieses Datum entfspricht dem 13. März

1302. In der Chronik Nozhato'l-Qolüb wird als Beginn jedoch Mittwoch der

13. Ra^ab 701 angegeben, d. h. der 14. März 1302 [bei Barthold ver¬

sehentlich der 15. März], vgl. die Handschrift 603bbc des Asiatischen

Museums, Bl. 29a — b, und J. von Hammer-Purgstall, Oeschichte der

Ilchane, Bd. II, [Darmstadt 1843], S. 175 und 358. [Das richtige Datum

ist Mittwoch der 12. Ra^ab 701/13. März 1302, vgl. meine Belege in Der

Islam Bd. 29 (1949) S. 5/6, Anm. 2.]

(13)

Milliarde Goldfranlien erheblich überschritten habe^. Träfe dies zu, so

müßte man unterstellen, daß Persien nie eine solche Blüte erlebt hätte

■wie zur Mongolenzeit^ und daß die Klagen aller persischen Geschichts¬

schreiber über die von den barbarischen Eroberern bewirkte Verarmung

ihrer Heimat völlig grundlos gewesen wären. Die Quellen geben uns in¬

dessen die Mittel zu einer völlig eindeutigen Bestimmung des Begriffes

,,Tomän" an die Hand, und diese führt uns zu gänzlich anderen Schlu߬

folgerungen.

Das Wort tömän, eigentlich tümän, entlehnten die Mongolen von den

Türken, die ihrerseits es höchstwahrscheinlich von den alteingesessenen

Bewohnern des heutigen Chinesisch-Turkistan übernommen hatten^. Es

bedeutet „zehntausend". Als Ausdruck zur Bezifferimg eines Geld¬

betrages hatte das Wort wahrscheinlich in don einzelnen mongolischen

Teilreichen einen unterschiedlichen Bedeutungsumfang je nach dem vor¬

herrschenden Geldwesen. Der Chronist Wassäf gibt an, in Nordchina

rechne ein Tomän zu 10000 BäleS zu je 6 Dinar*. In Persien kannte man,

den ChronUiien nach zu urteilen, den Ausdruck bäleS zu Beginn des 13.

und im 14. Jahrhundert kaum. Als von fiazan Hän genormte Geldeinheit

galt, Avie zahlreiche Münzen dieses Ilchans bezeugen, der Derham im

Gewicht von 2,15 Gramm, d. h. von 14 mesqäV". Man hätte nun vermuten

können, in Persien sei ein Tomän gleich 10000 solcher Derham gewesen.

Dies war anscheinend auch die Auffassung von d'Ohsson, demzufolge die

jährlichen Gesamteinkünfte der Ilchane 30 Millionen Derham betragen

haben sollten*. Allein, Hamdo'lläh Qazwini unterteilt den Tomän durch-

1 E. Blochet, Introduction ä l'Histoire des Mongols de Fadl Allah Rashid

ed-Din (Oibb Memorial Series Hd. xii), Leyden-London 1910, S. 135. Diese

phantastischen Berechnungen wurden alsbald von L. Zimin in seinen

Aufsatz ,,Neue Forschungsergebnisse über Rasido'd-Din" (Novyja svSdSnija

o RaSid-ed-dine) übernommen (Srednjaja Azija, Novbr. 1910, S. 73, An¬

merkung 1).

^ E. BlooHET (ebenda S. 299) bemerkt zwar: ,,dejä, ä l'öpoque sassanide, les revenus de l'Iran atteignaient une somme considerable", fügt aber hin¬

zu, in den Augen sämtlicher moslemischer Chronisten sei die Sassaniden¬

zeit für Iran eine Zeit höchster Blüte der äußeren Kultur gewesen, wie

sie das Land nie wieder erreicht habe. ^ ZVO Bd. XIX, S. xxiii.

* Ta'rlh-e Wa??äf, Bombayer Steindruck von 1269/1852—3, S. 506. Bei

M. ß. QuATBEMEBE, Histoirc des Mongols de la Perse ecrite en persan par

Raschid-eldin, Paris 1836, S. 321 heißt es versehentlich mille balischs, allein

die Lesung däh häzär findet sich auoh in den beiden Petersburger Hand¬

schriften (Hs. der Universität 4, Bl. 328a; Hs. der Öffentlichen Bibliothek V. 3, 24, Bl. 349).

' Vgl. A. Mabkov, Katalog Dielairidskich monet (Katalog der öalä'oriden-

Münzen), St. Petersburg 1897, S. Lxxviii.

* d'Ohsson, Histoire des Mongols IV, S. 543. In der Quelle, auf die er

verweist (bei Häfoz-o Abrü) findet sich diese Zahlenangabe nicht. Offenbar

(14)

252 Wilhelm Barthold — Walther Hinz

gehends mDtnäre, und nicht in Derham. Entgegen der Meinung Blochet's

sind unter Dinaren keine Goldmünzen zu verstehen^, sondern jene Silber-

Dinäre, wie sie Ra§Ido'd-Dln erwähnt. Ein Silher-Dinär solhe nach der

Vorschrift (jazan Häns 3 mesqäl (= 12,9 g) wiegen, mit anderen Worten,

einem Werte von 6 Derham entsprechen^. Vom Dinär im Werte von

6 Derham ist auch bei an-Nuwairi* und al-'Umari* (beide dem 14. Jahr¬

hundert zugehörig) die Rede. Münzforschungen ergaben, daß unter

Gazan Hän Silbermünzen im Werte von ^4. 1, 2 und 6 Derham geprägt

kam d'Ohsson zu ihr durch die gleichen Berechnungen, wie sie Blochet

angestellt hat, indem er von der gleichen Textstelle ausging wie dieser.

1 [An dieser Stelle fährt Barthold fortdie unter den Ilchanen wie

unter ihren Nachfolgern, den öalä'eriden, nur in begrenzter Anzahl ge¬

prägt wurden, nämlich bei feierlichen Anlässen." (Barthold verweist

hierbei auf Rasido'd-Din bei d'Ohsson, a. a. O. Bd. IV, S. 464f. und auf

den von Hammer-Purgstall in dessen Geschichte der Ilchane, Bd. II, S. 169

angeführten byzantinischen Chronisten Pachymeres.) ,,An anderer Stelle"

(nämlich bei d'Ohsson IV, S. 344, [in der jAHN'schen Ausgabe in der Gibb

Memorial Series, S. 185]) ,, erwähnt Rasido'd-Din im Zusammenhang mit

der Freigebigkeit Gazan Häns die Verteilung von 300 Tomän in Gold.

Wenn auch solche Fälle eintreten mochten, wo zu Geschenkzwecken eine

größere Menge Goldmünzen geprägt wurden, so legte man diese (Gold-)

Tomäne, wie eine weiter unten angeführte Stelle bei Hamdo'lläh Qazwini

verdeutlicht, jedenfalls nicht der Festsetzung der Höhe des Steuersolls zu¬

grunde." Im Gegensatz zu dieser Auffassung Bartholds hat A. ZekI VelidI

Togan in seinem Aufsatz über die wirtschaftliche Lage Anatoliens zur

Mongolenzeit (Mogollar devrinde Anadolu'nun iktisadi vaziyeti, in: Türk

Hukuk ve Iktisat Tarihi Mecmuasi, Istanbul 1931, Bd. I, S. lf.) zu

zeigen versucht, daß nicht Silber, sondern Gold die Währungsgrundlage

des Ilchanreiches gebildet habe. Tatsächlich beruhte das Geldwesen jener

Zeit auf einer von Gold und Silber gleichmäßig bestimmten Doppel¬

währung mit fester Wertbeziehung zwischen beiden Edelmetallen (12:1),

vgl. meinen Aufsatz ,,Ein orientalisches Handelsunternehmen im 15. Jahr¬

hundert", Die Welt des Orients Heft 4 (1949), S. 327. Barthold hat jedoch

darin Recht, daß in der Finanzverwaltung nm mit Silberwährung gearbei¬

tet wurde, wie aus zahlreichen Buehungsbeispielen in persischen Ver¬

waltungshandbüchern erhellt.]

^ d'Ohsson, a. a. 0., nach Rasido'd-Din, [Ausg. Jahn/G'i&& Memorial

S. 285]. Hammer-Purgstall, Geschichte der Ilchane II, 160, bezieht die

Angaben RaSido'd-Dins über die 3-mesg'äZ-Münzen irrigerweise auf Gold.

Über den mesqäl vgl. A. Markov, a. a. O. S.lxxx (Gewicht einer Gold¬

münze Abü Sa'ids mit der Aufschrift nim mesqäl).

" Angeführt bei d'OnssoN IV, S. 639.

* M. E. QuATREMiiRE, Noticc de l'ouvrage qui a pour titre Mesalek al-

Absar, in: Notices et Extraits des manuscrits de la Bibliotheque du Roi,

Bd. xiü, Paris 1838, S. 194 und 244; vgl. auch W. Tiesenhausen (V. Tizen-

gauzen, Sbornik materialov otnosjaSSiohsja k istorii Zolotoj Ordy — Samm¬

lung von Quellenunterlagen zur Geschichte der Goldenen Horde —), St.

Petersburg 1884, S. 242.

(15)

wurden^. Demzufolge war der Dinar die höchstwertige Silber¬

münze des Ilchanreiches.

Bestand nun ein Tomän aus 10000 solcher Dinäre, so bestimmt sich

der Wert eines Tomäns auf 60000 Derham. Tatsächlich entspricht nach

der Rechnung Hamdo'häh Qazwinis die Summe von 128 Mihionen

Derham einem Betrag von rund 2133 Tomän^.

Die von Gazan Hän festgesetzten Münzgewichte wurden nicht lange

beibehalten. Unter Abü Sa'id wog ein Derham — wie auch die Tängä

genannte Münzeinheit in der Goldenen Horde — nur 1/3 statt mesqäl,

d. h. eine 6-Z)erÄam-Münze wog nur 2 statt 3 mesqäl [zu je 4,3 g]*. Mög¬

licherweise hat der Derham auch noch unter den späteren Ilchanen

wenigstens im Rechnungswesen, besonders bei den Abrechnungen mit

der Staatskasse, seinen Neimwert behalten. Der Silber-Dmär Gazan

Häns kann auf Grund seines Silbergehaltes (3 mesqäl = 12,9 Gramm)

mit 75 Kopeken bewertet werden, was für den Wert eines Tomäns

7500 Rubel ergibt*. Die Kaufkraft des Geldes war im Persien der Mon¬

golenzeit natürlich wesentlich höher als heutzutage; doch läßt sich dieser

Unterschied schwerlich zahlenmäßig erfassen.

Nach Hamdo'häh Qazwini betrug die Summe des Steueraufkommens

der einzelnen Gaue (Horäsän ausgenommen, das unter den Ilchanen

finanztechnisch vom übrigen Persien abgetrennt war), jedoch einschlie߬

lich Mesopotamiens, Kleinasiens, Georgiens und der übrigen Gaue

Transkaukasiens, insgesamt über 1700 Tomän, [ d. h. rund 51 Mihionen

Goldmark]. Infolge der Reformen Gazan Häns [um 1300], die sich

fördernd auf den Wohlstand der Bevölkerung auswirkten, steigerte sich

dieser Betrag auf über 2100 Tomän [= mehr als 63 Millionen Mark],

1 A. Markov, a. a. O. S. lxxviii.

^ [Hamdo'lläh Qazwini, Nozhato'l-Qolüb, ed. Le Strange, Text S. 29,

engL Übersetzung S. 35. Bartholds Ermittlung des Tomän zu 60000

Derham wird bestätigt durch Ibn 'Arabsäh, Kitäb 'agä'ib al-maqdür fl

ahbär Timür, Steindruck Cairo 1285/1868, S. 52, sowie durch die Chronik

des Aqsaräyi, Mosämarato'l-Ahbär, Ankara 1944, S. 210.]

^ A. Markov, a.a.O. S. Lxxix. Über das tängä in der]Goldenen Horde vgl.

I. I. Kaufman in den Zapiski Numizmatiöeskago Otdilenija Imp. Russk.

A.rcheolog. Obicestva (Denkschriften der Münzkundlichen Abteilung der

kaiserl. Russ. Archäolog. Gesellschaft), Bd. I, Lieferung i, S. 129 (S. 37 des

Sonderdruckes) .

* [Barthold berücksichtigte bei seiner Umrechnung nicht, daß 1911

in Rußland Silber, gemessen an Gold, erheblich billiger war als im mittel¬

alterlichen Persien. Um 1300 war das Wertverhältnis dort 12:1, also galt

ein Silberdinar von 12,9 g Gewicht soviel wie 1,075 g Gold, oder, da 1 g

Gold = 2.88 Goldmark, rund 3.— M. Dieser Wert des Gazan-Silberdinars

beträgt somit fast das Doppelte des von Barthold errechneten. Ent¬

sprechend galt damals 1 Toman = rund 30000.— Goldmark.]

(16)

254 Wilhelm Barthold — Waltheb Hinz

»

d. h. um fast 25 v. H. Zur Zeit Hamdo'lläh Qazwinis [um 1339] gelang

es aber schon nicht mehr, auch nur die Hälfte dieser Summe einzutreiben,

da die Bevölkerung wegen der Mißwirtschaft im Innern und infolge der

häufigen Truppendurchzüge ihre Felder nicht mehr bestellte^.

Um darzutun, wie sehr der Wohlstand des Landes seit der Seldschuken¬

zeit abgesunken war, führt Hamdo'lläh Qazwini aus der Resälä-ye

MaleksähP die Gesamteinkünfte des Seldschukenreiches an, nämlich im

Betrag von mehr als 21500 Tomän in damaligen, ,rotgoldenen' Binären.

Da ein seldschukischer Gold-Dinär soviel galt wie 2^/3 mongolische

( Silber-)Z)fwäre (also = 14 Derhami), so ergäbe diese Summe nach

mongolischer Rechnung über 50000 Tomän [d. h. mehr als 1,5 Milliarden

Goldmark ?]*. Ebendort führt der Verfasser aus, gegenüber der Sassani¬

denzeit stelle auch die Seldschukenherrschaft einen Rückschritt dar.

Bei der Bezifferung der Staatseinkünfte des Sassanidenkönigs Hosrou

Parwiz im 18. Jahr seiner Herrschaft (607—608. n. Zw.) nennt Ham-

do'häh Qazwini die gleichen Zahlen wie Ibn Hördädbeh* und Tabari^,

nämlich 420 Mihionen. Aber da er statt Derham hierbei Gold-Dinäre ein¬

setzt, so kommt er zu einer um ein Vielfaches höheren Summe, als in den

Urquehen verzeichnet steht. Dieser Umstand gibt Anlaß, die von Ham-

do'häh Qazwini überlieferten Angaben über die Staatseinkünfte und über

das Steueraufkommen der einzelnen Gaue in vormongolischer Zeit stark

anzuzweifeln, besonders in solchen Fällen, wo er nicht die in seinen Quel¬

len enthaltenen, echten Zahlen wiedergibt.

Über den Wert des Gold-Dinärs der Seldschukenzeit fehlen Unter¬

lagen®. Möglicherweise galt ein minderwertiger seldschukischer Dinar''

tatsächlich 2^/3 mongolische Silher-Dinäre. Es erscheint jedoch kaum

glaubhaft, daß die Einkünfte des Seldschukenreiches sich auf 215 Millio¬

nen solcher Dinäre belaufen haben sohten, denn diese Summe übersteigt

i [Nozhato'l-Qolüb, ed. Le Strange S. 27, engl. Übers. S. 33.]

" Vgl. hierzu ZFO Bd. xix, S. 131.

'■'[Nozhato'l-Qolüb, ed. Le Stbange, S. 27, engl. Übers. S. 34.]

* Bibliotheca Geographorum Arabicorum Bd. VI, 10, 6 u. f.

= Tabari I, 1042, 2 u. f.

° A. K. Mabkov machte mich aufmerksam auf einen Aufsatz von

H. Sauvaibe, Materiaux pour servir ä l'histoire de la numismatique et de la

metrologie musulmanes {Journal Asiatique 7, xiv, xv, xviii und xix); doch

sind die Angaben dort nur sehr knapp und unklar gehalten, unter anderem

auch über jene seldschukische Münze, der man in den Chroniken öfters

begegnet, nämlich über den Dlnär-e roknl {Journ, As. 7, xv, S. 453).

[Der Dlnär-e Roknl, nach dem Buyiden Rokno'd-Doulä (932—76)

genannt, bestand nur zu "Ja aus Gold. Um 1280 gingen 75 solcher Rokni-

Dinäre in Bagdäd auf 600 mesqäl Silber, was einem Wert von ca. 7. — GM

für einen solchen Golddinar entspricht. Vgl. Goweini I 16.]

' Vgl. ZVO iv, 298.

(17)

erheblich sogar den Staatshaushalt des 'Abbäsiden-Chalifats zur Zeit dessen höchster Blüte^.

I Es wäre kulturgeschichtlich aufschlußreich, die Einkünfte eines Ilchans

mit denen der zeitgenössischen abendländischen Herrscher zu vergleichen.

Allerdings dürfte sich das Einkommen eines Feudalfürsten genauer Er¬

mittlung entziehen. Nach W. Sombart^ belief sich in Frankreich das

ordentliche Steueraufkommen im Jahre 1311 insgesamt auf ungefähr

3 Mihionen damaliger Franken. Die Einkünfte des Königs von England

betrugen im Jahre 1300 etwas über 4 Millionen. (Sombarts eigene Be¬

rechnungen stimmen übrigens nicht mit den von ihm angeführten Zahlen

überein.)

Bei der Aufzählung der einzelnen Gaue folgt Hamdo'lläh Qazwmi der

Verwaltungseinteilung, wie sie unter den Ilchanen bestand. Ani gehörte

wie schon in vormongolischer Zeit zum Gau Georgien, dessen Hauptstadt

Tiflis war.

Georgien {Gorgestän wä Abhäz) zinste an die Ilchane 120 Tomän

2000 Dinär, [d. h. rund 3,6 Mihionen Goldmark]. Unter seinen früheren

(georgischen) Fürsten entsprach hingegen das Steueraufkommen des

Gaues einem Betrag von 500 mongolischen Tomänen [= 15 Mil¬

lionen GMk.]*. Die vorher genannte Zahl erweist, daß Georgien als Steuer¬

quelle wesentlich ergiebiger war als die meisten übrigen Gaue des Ilchan¬

reiches, im besonderen leistungsfähiger als seine Nachbargaue.

Von den sonstigen Reichslanden zeigen verhältnismäßig hohe Steuer¬

erträge nm

Kleinasien (mit 330 Tomän [= rund 9,9 Mihionen GMk]*), der

(arabische) 'Iräq (mit über 300 Tomän [= 9 Millionen GMk])^ und

Färs (mh 287 Tomän 1280 Dinär [= 8.613.840.— GMk])«.

^ Ebenda iv, 130. [Ich möchte annehmen, daß es sich hier nicht um Gold¬

dinare, sondern um Silberderham handelt. Dann würden 215 Millionen

solcher Derham nach meinen Berechnungen einem Wert von rund

107 500000.— GM entsprechen, was sich mit dem Staatshaushalt der

Ilchanzeit, der um 1304 etwa 65 Millionen GM ausmachte, durchaus in

Einklang bringen ließe.]

^ Der moderne Kapitalismus, Bd. I, Leipzig 1902, S. 241 f.

^ Hamdo'lläh Qazwini im Anhang zu Charles Schefeb's Ausgabe des

Siasset Nameh, {Publications de l'ecole des langues orientales Vivantes,

serie III, vol. vü,) Paris 1891, S.

^ Hs. der Petersburger Universität 171, Bl. 214b. Es könnte unwahr¬

scheinlich klingen, daß gerade Kleinasien eine so leistungsfähige Provinz

gewesen sein soll, um so mehr als sogar unter Gazan Hän insgesamt nur

60 Tomän [= 1,8 Milhonen GMk.], vgl. d'Ohsson IV, S. 203 und ZVO

xviii, S. 0128) von dort eingingen. M. Th. Houtsma verweist als auf ein

besonders überzeugendes Beispiel für die Auswirkungen der Mongolen-

lierrschaft auf das Schicksal Kleinasiens, ,,das vor dem Einfalle der Mon-

(18)

256 Wilhelm Barthold — Waltheb Hinz

Von den Georgien benachbarten Gauen zinsten

Sirwän: insgesamt 11 Tomän 3000 Dmär [rund 339000.— GMlc]i;

Arrän: 30 Tomän 3000 Dinär [rund 909000.— GMk]^;

Groß-Armenien: 39 Tomän [1,17 Mill. GMk]*; als Hauptstadt dieses

Gebietes galt damals Ahlat (Ahlät).

Von den sonstigen Hauptprovinzen Persiens führten damals an die

Staatskasse ab :

Kermän: 67 Tomän 6500 Dinär [rund 2029500.— GMk]*;

Isfahan: 50 Tomän [1,5 Mill. GMk]^;

Hüzestän: 321/2 Tomän [975000.— GMk]*.

Bezüglich der Steuererträge Georgiens unter dessen früheren (ein¬

heimischen) Herrschern standen Hamdo'lläh Qazwini schwerlich irgend¬

welche Urkunden zur Verfügung'; doch fällt auch für jene Zeit der Ver-

golen eins der reichsten Länder war, von ihren Kriegszügen verhältnis¬

mäßig wenig zu leiden hatte und dennoch von ihrem Steuersystem voll¬

ständig zugrunde gerichtet wurde." (Qöttinger Gelehrte Anzeigen 1896,

Nr. 9, S. 713, wahrscheinlich auf Grund von d'Ohsson IV, 204f.) Wenn die

Zahlenangabe Hamdo'lläh Qazwinis einer Originalurkunde entstammt, so

ist zuzugeben, daß die gerechte Herrschaft des Statthalters Timurtas

(1317—1327) tatsächlich der Provinz ,,ein ganz anderes Gesicht" verliehen

hat. (d'Ohsson IV, 688, nach Häfez-e Abrü, Hs. des Asiat. Museums a 666,

Bl. 516b: wä In weläyät be-gäyät-e haräbl rasldä hüd wä hälä be-doulät-e

soltän be-häl-e 'emärat bäz rasldä äst.) al-'Umari (Notices et Extraits xiii, 378) verzeichnet die Tatsache, daß selbst in der Zeit völligen Verfalls des

Ilchanreiches nach dem Tode Abü Sa'ids 1335 die Mongolen in Kleinasien

nicht eines der Gebiete einbüßten, die sie unter TimurtaS beherrscht hatten.

° Hamdo'lläh Qazwini bei Scheper S. Nif.

* Hs. der Petersburger Universität 171, Bl. 221b.

1 Hamdo'lläh Qazwini bei Schefer S. VYV.

^ Ebenda S. fYf sl (30) ist offensichtlich verdruckt statt se (3), so Hs. der Petersburger Univ. 171, Bl. 213a.

=>Ebenda S. VYV-

* Hs. der Petersburger Univ. 171, Bl. 230b.

* Hamdo'lläh Qazwini bei Schefeb, S. \V\.

« Hs. der Petersburger Univ. 171, Bl. 220a.

' Fürst I. A. DÄAVACHOV verwies mich auf Johann von Piano Carpini

[Geschichte der Mongolen und Reisebericht 1245 — 1247, übersetzt und er¬

läutert von F. Risch, Leipzig 1930], demzufolge dio Mongolen in der ersten

Zeit nach der Eroberung von den Georgiern und Abohasen bis zu 40 bzw.

50000 Hyperper (yperperorum sive Byzantiorum) erhoben haben. Die

Gegenüberstellung der Abgaben Kleinasions, wie sie in der Mosämarato'l-

Ahbär (ZVO xvüi, 0128: 20 Tomän = 200.000 Dinär oder 1.200.000 Der¬

ham) angeführt werden, einerseits, und der im Speculum historiale ent¬

haltenen andrerseits (d'Ohsson III, 83: 1.200.000 Hyperper), führte zu

der Schlußfolgerung, daß der im Speculum historiale gebrauchte Ausdruck

(19)

Die persische Inschrift an der Mauer der Manücehr-Moschee zu Ani 257

gleich mit den übrigen Reichsgauen zugunsten Georgiens aus. Nach den

Unterlagen des gleichen Gewährsmannes war in jenen Gauen die Spanne

zwischen den Einkünften in vormongolischer Zeit und den Staats¬

einnahmen unter den Ilchanen noch wesentlich krasser.

Aus der Beschreibung des Zustandes, in dem sich Iran beim Herr-

schaftsantritt Öazan Hans (1295) befand, geht bei Rasido'd-Din^ klar

hervor, daß die Ursache des Verfalls des Landes nicht etwa in der über¬

mäßigen Höhe der Lasten zu suchen war, sondern in dem Verfahren der

Beitreibung und im Fehlen jeglicher Gewähr dagegen, daß die von der

Bevölkerung aufgebrachten Abgaben nicht mehrmals hintereinander von

ihr eingefordert wurden. Die Steuern wurden beispielsweise an gewissen

Orten zwar eingesammelt, aber nicht an die Staatskasse abgeführt. Die

Regierung war infolgedessen der Meinung, diese Orte hätten noch nicht

gezinst. Sie bezahlte bei ihr eingehende Lieferimgen daher in gutem

Glauben mit Anweisungen auf die entsprechenden (in Wirklichkeit schon

gezahlten) Steuerbeträge. Unter dem Vorwand der Einlösung jener gar

nicht fähigen Anweisungen erpreßten die Inhaber die Steuergelder ein

zweites Mal von den Einwohnern. Auf solche Vorkommnisse dürfte sich

die Wendung von den „nichtfälligen Anweisungen" unsrer Inschrift

beziehen^.

„Hyperper", d. h. eigentlich Goldstücke (vgl. V. Langlois, Essai de classi¬

fication des suites monetaires de la Georgie, Paris 1860, S. 48 f.), in diesem

Falle für den seldschukischen Derham steht. DerAom-Münzen ungefähr

gleichen Wertes prägte man auch in Georgien (vgh hierüber Zapiski

Numizmatiöeskago OtdUenija Imperat. Russk. Archeolog. Obsöestva, Bd. I,

vypusk iv, S. 121 f.). Wenn bei Piano Carpini gleichfalls Derham gemeint

sein sollten, so überstieg die Steuerlast der Ilchanzeit erheblich die gering¬

fügige Summe, die von den Mongolen in Georgien in der ersten Zeit nach

tier Eroberung eingehoben wurde. [Das von Babthold angeführte Werk

Mosämarato'l-Ahbär ist einwandfrei gleich dem sogenannten Tazkerä-ye

Aqsaräyi, das PIkeet Isiltan bearbeitet hat (Die Seltschuken-Geschichte

des Akseräyl, Leipzig 1943, 8°, 143 S.). Die von Babthold angezogene

Stelle bezüglich der Steuern Kleinasiens findet sich bei Isiltan auf S. 51,

in der 1944 zu Ankara erschienenen Ausgabe auf S. 62.]

1 [Ausgabe JAHN/Gibb Memorial, S. 234f.]

2 Mit „assignations" gibt d'Ohsson (IV, 371 f.) genau den Ausdruck

hawälä wieder, der auch in unsrer Inschrift steht. Vgl. Easido'd-Din

[Ausgabe jAWsjOibb Memorial S. 244: ,,In Horäsän waren acht von zehn

.solcher Anweisungen (hawälät) nicht eintreibbar (bäqi büd), so daß Staats¬

boten (ilciyän) und Inhaber von Anweisungen (arbäb-e hawälä) mit den

Steuerschecks (barät) in der Hand wieder zur Staatskasse kamen."] Mit

dem Ausdruck hawälä bezeichnete man ferner Anweisungen, die dann aus¬

gestellt wurden, wenn irgendwelche Zahlungen von bestimmten Gebieten

oder Personen zu leisten waren. Vgl. z. B. Waij^äf (Bombayer Steindruck

S. [317): ,, Hundert Tomän ließ er auf die Krongüter (ingü) von Siräz anwei¬

sen (hawälät farmüd)",] und weiter unten: [,,Die Beträge, die auf den

17 ZDMG 101

(20)

258 Wilhelm Barthold — Waltheb Hinz

Vergleichsweise günstiger als die Lage eines gewöhnlichen Untertans

war die solcher Personen und Gemeinden, die sich unter den Schutz von

Mitgliedern des Herrscherhauses oder von mongolischen Großen begeben

hatten. Einen derartigen Schutz erlangten gegen eine kleine Gefälligkeit

jene, die in betrügerischer Weise von der Staatskasse Geld für Waren

zu erhalten wünschten, die sie in Wirklichkeit gar nicht geliefert hatten-^.

Um diesen Schutz zu erlangen, stellten die Betreffenden gegen geringe

Vergütung ihre Söhne den Prinzen, Prinzessinnen oder Würdenträgern

zur Verfügung^. Gestützt auf ihre Schirmherren begannen diese Leute,

mit gefälschten Urkunden rechtmäßigen Eigentümern ihren Grundbesitz

streitig zu machen*. Es ist nur natürlich, daß es auch für ganze Gemein¬

den — städtische oder bäuerliche — vorteilhaft war, sich unter den

Schutz von Angehörigen der Familie des Ilchans zu begeben, um sich vor

der Wihkür der Steuereintreiber zu retten. Die Aufnahme in den Bestand

solcher Kronländereien wurde deshalb als ,, Schutz" betrachtet, der einem

bestimmten Ort seitens eines Mitgliedes des Fürstenhauses oder eines

Reichswürdenträgers verliehen wmde*. Derartige Fähe legten den Grund

zu neuen Mißständen. Indem die Einheber sich das Fehlen genauer

Steuerlisten zunutze machten, nahmen sie eine weit höhere Summe von

den Einnahmen des Diwäns aus (d. h. von jenen Beträgen, die sie an die

Staatskasse hätten abführen müssen), als überhaupt auf die betreffende

Gegend als Steuersoh entfiel^.

Die Einbeziehung von Ländereien in den Bestand der Krongüter und die

Dienstbarkeit Einzelner* gegenüber Mitgliedern der Herrscherfamilie

bezeichnete man mit dem Ausdruck „ingü"''. Zu derartigen Kron-

Tümän (= Landschaft) 'Eräq angewiesen worden waren. ."] Bei Häfez-e

Abrü (Hs. des Asiat. Museums a 566, Bl. 487a): [,,Auf jeden, den man

festgenommen hatte, wurde eine Anweisung über 100 oder 200 Dinär

gezogen (hawälät raftä büd)."} Im Dastüro'l-Käteb (Leydener Hs Bl.

204b): [,,Er soll die (Bar-)Beträge (wogüh), Steuerschecks (barawät) und

Steueranweisungen (hawälät) des Fiskus (diwän) in besserer Weise (als

bisher) von den Untertanen (ra'äyä) kassieren und den Einnehmern aus¬

händigen."] 1 d'Ohsson IV, 390. ^ Ebenda IV, 398.

^ Ebenda IV, 454; daher das Verbot an die Mitglieder des Herrscher¬

hauses und an die Großen des Reiches, sich in Grundstückshändel ein¬

zumischen und strittiges Eigentum aufzukaufen, ebenda IV, 447 f.

* Bei Rasido'd-Dm heißt es [(Ausgabe jAnsjOibb Memorial, S. 260):

„. . . oder wenn jemand von Prinzessinnen, Prinzen oder Emiren örtlichen

Schutz (hemäyät-e mouze'l) erlangt hat.."]. * d'Ohsson IV, 382.

' Mit „en servage" übersetzt d'Ohsson (IV, 398) den Ausdrucköe-m^w'*

bei Rasido'd-Din; die entsprechende Stelle [JAHN/Öifcft Memorial S. 270]

findet sich auch bei QuatbemÄre, Histoire des Mongols de la Perse, Paris

1836, S. 131.

' [Dieses Wort wurde in Persien damals wahrscheinlich Ingü ausge¬

sprochen, iäs kommt vom Mongolischen inge.]

(21)

ländereien gehörte auch die Stadt Ani. Zwar ist hiervon in unserer In¬

schrift nicht die Rede ; aber in der armenischen Inschrift an der Stadt¬

mauer über dem Haupttor heißt es, die ,, Residenzstadt Ani wurde

,Leib-Krongut' (häss-ingü)"'-. Die Verbindung des Ausdruckes in^ü mit

dem arabischen Eigenschaftswort häss „privat, persönlich, speziell,

Leib-" war auf armenischem Boden nicht heimisch; vielmehr ist sie der

damaligen Amtssprache entnommen und mehrfach auch bei Rasido'd-

Din anzutreffen. Außer auf die Bemerkungen bei Quateemere'^ über

einen „Leib-Kronbesitz" Argün Häns sei noch auf den Bericht über den

Loskauf mongolischer Gefangener durch Gazan Hän verwiesen, die da¬

durch zu seinen ,, Leibwächtern (käbtä'ül) und Leibeigenen (tngü-ye häss,

jLeib-Kronbesitz')" wurden*, sowie auf die Notiz, wonach zum Unterhalt jeder ,Horde' {ordü, d. h. des Hofstaates jedes Prinzen bzw. jeder Prinzes¬

sin) ein Gebiet innerhalb des ,Leib-Kronbesitzes' bestimmt war*.

Über die rechtliche Lage der kroneigenen (ingü) Ländereien und

Hörigen besitzen wir keine genauen Unterlagen. In den Verordnungen

CrazanHäns bei Rasido'd-Din werden die in^w-Länderien den (staatlichen)

Dwäw-Ländereien gegenübergestellt; diese wiederum sind beide unter¬

schieden von Grundstücken in Privatbesitz (melk-e mardom)^. Aus den

angeführten Stellen erheht, daß die Einkünfte der Kronländereien

(ingü) nicht der Staatskasse (dem Diwän) zuflössen, sondern zur Be¬

streitung der Kosten des Hofstaates des Ilchans selbst, der sonstigen An¬

gehörigen des Herrscherhauses und vielleicht noch des mongohschen

Heeres verwendet wurden. Für die Verwaltung der Krongüter gab es

einen eigenen Diwän*.

1 ZVO viü, 77f. 2 QuATBEMÄRE, o. a. 0. S. 130.

* Rasido'd-Din, [Ausg. Sxn^jOibb Memorial S. 312: gomlä käbta'ül

wä tngü-ye hä?§ gästä moläzem bäSänd.) Vgl. d'Ohsson IV, 431. [Über den

Ausdruck kabta^Ul vgl. Babthold, Turkestan down to the Mongol Invasion,

Oxford 1028, S. 383, Anm. 6, und P. Pelliot, Toung Pao 1930, S. 31.]

* [EasIdo'd-Din, Ausg. Jahn, S. 330.]

6 Basido'd-Din, ed. Jahn S. 351, vgl. d'Ohsson IV, 417 [und Spulee,

Die Mongolen in Iran S. 330/1]; weitere Beispiele bei Quateemäee,

a. a. 0. S. 131.

' QuATBEMÄBB, a. a. 0. S. 130 (nach Wa§?äf). [Babthold fährt dann

fort: ,, Möglicherweise legte man diesem Diwän im 14. Jahrhundert die

Benennung , Groß-Diwän' bei, obschon als solcher bei Rasido'd-Din"

(z. B. S. 260 der Ausgabe von Jahn im Qibb Memorial, S. 380 in Bd. IV

bei d'Ohsson u. a.) ,,nur die Staatskanzlei und das Beichsfinanzamt

gelten, nicht aber die Verwaltung der Domänen." Babthold verweist

hierbei auf die Begriffsbestimmung von ,,in§ü" bei Mohammad Sabänkä-

rä'i in äesseri Magma'o'l-Ansäb (Hs. des Asiat. Museums d 566, Bl. 231,

vgl. Babthold, Turkestan down to the Mongol Invasion, S. 46): In^ü mäl-e

Jv䧧-e pädeSäh wä amläk-e dlwän-e bozorg äst. (Zu deutsch: ,,ingü sind das

Sondervermögen des Herrschers und die Ländereien des Gioß-Dttvän" ;

17»

(22)

260 Wilhelm Babthold — Walthee Hinz

Wie es auch um die gesetzhch verankerten Vorrechte der kroneigenen

Ländereien und Hörigen bestellt gewesen sein mag, es ist jedenfahs kaum

anzunehmen, daß angesichts der allgemeinen Mißwirtschaft des Mon¬

golenreiches und der häufigen Hinrichtungen von Prinzen und Würden¬

trägern diese Vorrechte stets und überall völlig unangetastet geblieben

seien. Unter den handschriftlichen Bruchstücken, die in Chinesisch-

Tmkistan aufgefunden wmden, befindet sich nämlich unter anderem eine

aufschlußreiche Beschwerde an den mittelasiatischen Chan Qutlug Tä-

mür (1348—1362/3^), wonach unter allen früheren Chanen, angefangen

mit der vormongolischen Zeit, bei der Eintreibung des qalan die Be¬

schwerdeführer — irgendwelche Kron-(iwgfit-)Gärtner (oder -Garten¬

besitzer) steuerfrei ausgegangen seien, während jetzt, in den für sie

schweren Zeiten, die Entrichtung doppelten g-atow-Zinses verlangt werde^.

Zweifellos werden sich derartige Fälle auch in anderen mongolischen

Staaten zugetragen haben.

In dem eben erwähnten ostturkistanischen Bruchstück wird der gleiche

Ausdruck qalan verwendet, der auch in unserer Inschrift vorkommt,

obschon im übrigen dieser Ausdruck in der Verwaltung des persischen

Mongolenreiches anscheinend selten benutzt worden ist. Bei Rasido'd-

Din findet er sich nur zweimal : einmal in dem Yarlig (jäzan Häns, in dem

von der Befreiung der geistlichen Richter, der Gelehrten und der Nach¬

kommen 'Alis von der Entrichtung von qalan und qobcur auf Grund des

„Großen Yarlig" die Rede ist*; zum andern Mal in dem Bericht von der

im heutigen persischen Sprachgebrauch bezeichnet amläk-e häs^ä oder ein¬

fach amläk den Domänenbesitz des Großkönigs.) Trotz dieser Stelle glaube

ich, daß der ,,Groß-Diwä«." sowohl für die Krongüter zuständig war als

auch für Staats- und Privatgrundbesitz.]

^ Vgl. über diesen Chan Baetholds Aufsatz in: Pamjatnaja kniSka

Semireö. obl. Statist, kom II, 142 f.; über sein Grab den Aufsatz Otöet o

poSzdkS V Srednjuju Aziju (St. Petersburg 1897), S. 65f. sowie ZVO xv,

0132; xvi, S. xiv; xviii, S. 277.

^ [W. Radloff, Uigürische Sprachdenkmaler. Materialien nach dem Tode

des Verfassers mit Ergänzungen von S. Malov herausgegeben, Leningrad

1928, S. 28—32 (Nr. 22). Babthold hatte bereits 1910 die Druckfahnen

einsehen können.]

^ d'Ohsson IV, 446: „ni colan, ni coitchour" (so wird dieses Wort durch¬

gehends im IV. Band geschrieben; im II. Band, S. 264 lautet der gleiche

Ausdruck countchour; bei Hammbe-Puegstall, Geschichte der Ilchane

II, 170: Koitschur). [Die Stelle bei Basido'd-Din (jAHN/(?i66 Memorial,

S. 218) lautet auf deutsch: ,,Da der Befehl des Großen Yarlig dahin geht,

daß Kadis, Gelehrte und 'Aliden weder qalan noch qoböur entrichten, so

haben Wir verfügt, daß sie in diesem Betracht frei und ledig (mo'äf ö mo-

sallam) seien und man von ihnen weder Steuern (mal) noch qoböur ein-

hebe."] Aufschlußreich ist die Bezugnahme auf den ,, Großen Yarlig"

als eine Art ,Verfassungsgrundgesetz', mit dem die einzelnen Yarligs in

(23)

Abschaffung überflüssiger Falkner und Jägermeister^, mit dem Zusatz,

daß diejenigen, die sich früher unter deren Schutz befanden, jetzt unter

die qalan-Zinsendei) fallen^.

Worin ursprünglich der Unterschied zwischen qalan und qobcur be¬

stand, läßt sich bislang nicht eindeutig ausmachen*. Der Wortlaut des

angezogenen ostturkistanischen Bruchstückes legt den Scbluß nahe, daß

man unter qalan die Abgaben von angebauten Ländereien, ja die von der

seßhaften Bevölkerung aufzubringenden Steuern schlechthin verstand.

Im Gegensatz hierzu nannte man qobcur, wie Quatremeee ausführt*,

den ein vom Hundert betragenden Viehzins von den auf die Weide ge¬

triebenen Herden. Demnach ist die qobcur genannte Steuer ihrer ur¬

sprünglichen Bedeutung gemäß hauptsächlich von den Nomaden er¬

hoben worden. Hieraus erklärt sich, daß im persischen Ilchan-Reich auch

die Mongolen, die dessen Kriegerstand verkörperten, qobcur zinsten^.

Allein, aus einer von Quatremeee angeführten Stehe bei Goweini ist

ersichtlich, daß man bereits vor dem Verfall des Mongolenreiches, näm¬

lich zur Zeit Möngke Häns, unter qobcur auch eine Kopfsteuer verstand,

die von der seßhaften Bevölkerung in Geld erhoben wurde. In der gleichen

Einklang gebracht werden mußten. Wa?§äf gebraucht in dieser Bedeutung

den Ausdruck ^j, JUCL", was nach ihm soviel wie .allgemeine Verfügung' (holcm-e kolli, ,, grundsätzlicher Befehl", Bombayer Steindruck S. 470)

bedeutete. Dort heißt es, zu Beginn der Herrschaft Ölgäitüs (1304) sei ein

JUSS über die Einhaltung des moslemischen Glaubensgesetzes (der

Sarl'at) sowie über die fortdauernde Geltung der Verordnungen früherer

Mongolenherrscher ergangen. Damals seien auch Abgesandte des Groß-

Chans mit einem ^j. JliCL" eingetroffen mit dem Vorschlag eines Bundes

aller Mongolenstaaten {ebenda S. 475). In China gab es eigens Beamte,

die dafür zu sorgen hatten, daß die Verfügungen der Machthaber mit dem

Jli^l" übereinstimmton bzw. dio gegen solche Verordnungen Ver¬

wahrung einzulegen hatten, die dieser Bedingung nicht genügten {ebenda

S. 498): »I j>-j\o\j. -Iii; ^J. [hier JU-T] JUJl" 0_j>^ jl Jjf

.JlAi jyx/i Ij»xA» j ) Jjj

1 d'Ohsson IV, 440f.

2 [Rasido'd-Din, Ausg. Jahn S. 344: wä änän ke dar hemäyät-e iSän

büdänd dähel-e qalän äodä änd.]

^ W. Radloff, Versuch eines Wörterbuches der Türk-Dialecte, St. Peters¬

burg 1893—1911, gibt für Kcwa« die Bedeutung ,, Tribut, Abgabe, Steuer"

an; das Wort wnnyp fehlt überhaupt. Vgl. ferner W. Radloff, Uigürische

/Sprachdenkmäler S. 9 ,,Kiptschur", im Mongolischen hiböur, Trudy

Vostoönago Otdilenija Imper. Russk. Archeolog. Obäöestva XVI, Beilage A.

L. Budagov, Sravnitel'nyj slovai- turecko-tatarskich nareöij (Vergleichendes

Wörterbuch der türk-tatarischen Dialekte), St. Petersburg 1869, erklärt

das Wort qoböur nach Quatbemäre. ^ A. a. O. S. 256 f.

" d'Ohsson IV, 420, nach Rasido'd-Din, [Ausg. Jahn S. 306].

(24)

262 Wilhelm Barthold — Walther Hinz

Bedeutung kommt das Wort qobcur bei einem persischen Dichter vor,

dessen von Doulatsäh überlieferte Verse gleichfalls bei Quateemeee

angeführt sind. In der eingangs erwähnten Steuerverordnung Gräzän

Häns aus dem Jahre 1304^ werden die gesamten Abgaben, die nach den

üblichen Grundsätzen in nichtbevorrechteten Bezirken erhoben wmden^,

in drei Gruppen eingeteilt: 1. qoböur und Steuergelder {motawaggehät)

von der bäuerlichen Bevöhterung {ra'äyä-ye deh-nestn), in zwei Raten

jährlich zu zinsen; 2. qobcur und Steuergelder von den Nomaden [sahrä-

neSlniyän), zu Anfang des Jahres [d.h. um den 21. März] zu Zinsen;

3. die Tamgha, deren Höhe für jeden Gau [weläyät), wo diese Steuer er¬

hoben wurde, gesondert festgesetzt war. Der Betrag wurde auf einer

Tafel angeschrieben, die am Tor jeder tomsfÄapflichtigen Siedlung anzu¬

bringen war*. Hieraus kann man schließen, daß unter qobcur alle unmit¬

telbaren Steuern verstanden wurden, und zwar sowohl die von den

Bauern wie die von den Wanderhirten aufzubringenden, zum Unter¬

schied von der Tamgha, einer in den Städten erhobenen mittelbaren

Steuer.

Der Ausdruck tamgä bezeichnet nicht nm „droits de douane et de

transit", wie d'Ohsson behauptet*. In dieser Bedeutung entspricht

tamgä dem persischen Ausdruck bä^, den schon in den ersten Jahrhunder¬

ten des Islam die arabischen Geographen verwendeten^, und der zuweilen

in den Wörterbüchern mit dem Wort tamgä zusammengeworfen "wird*.

Das Wort bäg (Binnenzoll, Akzise) kommt in unserer Inschrift gleichfalls

vor; wie sich aus einer armenischen Inschrift ergibt, gebrauchten es auch

die heimischen Bewohner Anis'. Außerdem verstand man jedoch unter

Tamgha sämtliche Abgaben, die in den Städten von der handels- und

gewerbetreibenden Bevölkerung einschließlich selbst der öffentlichen

1 Ausg. Jahn, S. 202.

^ Weiter werden lediglich erwähnt: 1. harä§ als Grundsteuer, die ,,seit

alters" (äz qadim) in gewissen Gegenden erhoben wurde; 2. harä^, der an

gewissen Orten wie in Bagdäd im Sommer zur Erntezeit erhoben wurde;

3. Naturalabgaben in warmen und kühlen Gauen (Garmslr und Sardslr),

die als Winter- bzw. Sommerlager aufgesucht zu werden pflegten. (Ra§i-

do'd-Din, [Ausg. Jahn, S. 264/5].)

" [Ebenda S. 264.]

* A. a. O. IV, 386. Diese Bemerkung wurde aufs Geratewohl hinge¬

schrieben, denn bei Ra§ido'd-Din findet sie sich nicht.

° Bibliotheca Geographorum Arabicorum Bd. VII, S. 168, Z. 3 (Ibn Rusta).

Ungefähr die gleiche Bedeutung hatten die arabischen Ausdrücke

(Bibl. Oeogr. Arab. IV, 285) und ,_r^l (Liber Mafätih al-Olüm, ed. G.

VAN Vloten, Lugd. Bat. 1895, S. 59, Z. 10.).

* L. BuDAQOV, a. a. O. unter (tamgäöi = bä§-girändä).

' M. F. Bbosspt, Lea ruines d'Ani, S.ll f. (in der Übersetzung „douane").

(25)

Häuser erhoben wurden^. Daher ist mit dem Begriff Tamgha nicht so

sehr die Vorstellung von Landstraßen und Wegezöllen verbunden als

vielmehr die von Städten und städtischen Abgaben. (Die Beamten,

welche die TamgJm erhoben, hießen tamgäci.) Dementsprechend ist bei

Ra§ldo'd-Dln^ von der ,, städtischen Tamgha" und von den „Tamgha-

Einhebern der Städte" die Rede. In der Sammlung galä'iridischer Staats¬

urkunden des Mohammad ben Hendüiäh* findet sich ein Erlaß über die

Ernennung eines neuen ,,ramg^Aa-Vorstehers", die deshalb notwendig

wurde, weil die „TamörAa-Einnahmen der Stadt X" nicht mehr an die

Staatskasse flössen, da kein tüchtiger Finanzwalter {motasarref) da war

und gewissenlose Unterbeamte sich dies zunutze machten.

Von dergleichen städtischen Abgaben verlautet in der Sari'at natürlich

nichts. Sie galten infolgedessen in den Augen der Vertreter des moslemi¬

schen Glaubens als Lasten, die mit den Glaubensvorschriften unvereinbar

waren und deren Abschaffung ein Allah wohlgefälliges Werk bedeutete.

Die Aufhebung der Tamgha wird, zusammen mit der Einschmelzung von

Gold- und Silbergeschirr, unter jene Taten eines Herrschers gezählt, die

vor seinem Tode oder bei der Reue über seine Sünden angesichts drohen¬

der Gefahr als unabweislicb galten. So gab Bäbur vor dem Krieg mit dem

mächtigen R&gputen-Fürsten Rana Sanga einen Befehl aus, wonach

hinfort die Tamgha ,, weder in Städten noch auf Dörfern, weder an Furten

noch auf Pässen noch in Häfen" erhoben werden dürfe*. Auch die Nach¬

folger Bäburs in Indien erließen mehrfach Verordnungen zwecks Auf¬

hebung der Tamgha; ahein, die bloße Tatsache der ständigen Wieder¬

holung dieser Maßnahme erweist, daß das Verbot nie lange in Kraft

blieb^. Man konnte eben nur schwer auf diese Einkünfte verzichten, die

einen der wichtigsten Posten im Staatshaushalt bildeten. Unter den

Ilchanen in Persien galt ja die Tamgha als ,, flüssigste aller Steuern des

Reiches"*.

1 Vgl. Wassäf, Bombayer Steindruck S. 521 (Erlaß Sultän Ölgäitüs):

,,Dio Weinschenken und Freudenhäuser sind gänzlich zu schließen, die von

ihnen zu zahlende Tamgha ist aus den Diwän-Hüchern zu streichen."

^ [Ausg. Jahn S. 245: tamgä-ye Sähr; S. 289: tamgäiiyän-e Sähr-hä;} vgl.

d'Ohsson IV, 373 und 468 [sowie Spulee, Mongolen in Iran, S. 309 (un¬

genau und sehr knapp).]

^ Dastüro'l-Käteb, Hs. Leyden Nr. 574, Bl. 197 b: dar In waqt öön 'arzä

däätänd ke tamgä-hä-ye folän äähr be-säbäb-e än-ke motasarrefl-ye Zäbet wä

käfl mougüd nlst, aksar-e amwäl-eän dar mahall talaf mto{täd,wä bitlgöiyän

wä 'amalä-ye häyin be-del-e höd iasarrofät minämäyänd, wägeb ämäd be-

tadärok-e än ehtemäm nämüdän.

* The Bdbar-Ndma, edited by A. S. Beveridge, Oibb Memorial Series

Bd. I, London-Leyden 1905, Bl. 314. ^ Elliot, History of IndiaVl, 493.

" d'Ohsson IV, 401, [ferner V. Minoesky, Bull, of the School of Oriental

Studies X, London 1941, S. 781.] Wortlaut bei Rasido'd-Din [(Jahn

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