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zwischen Klassenzimmer

Im Dokument Lehrende arbeiten mit dem Netz (Seite 167-170)

und Social Web

Wilfried Aigner Der Musikunterricht zählt nicht unbedingt zu jenen Fachbereichen, die für eine besonders intensive Auseinandersetzung mit digitalen Lerntechnologien bekannt sind. Der Musik-pädagogik fällt es seit Jahrzehnten nicht leicht, Technologie für „musikalisches Handeln (& Wissen) im Kontext“1 als Kernanliegen nutzbar zu machen. Die Gründe dafür reichen von emotional besetzten Vorbehalten gegen die „Unsinnlichkeit“ von Technologie über das, auch ohne digitale Kompetenzen, bereits unglaublich breite künstlerisch-hand-werklich-pädagogische Anforderungsprofil von professionellen Musiklehrer_innen bis hin zur fachspezifischen Komplexität musiktechnologischer Hard- und Software, die Lehrer_innen und Schüler_innen überfordert.2

Bis vor wenigen Jahren gab es nur zwei Pole: Auf der einen Seite professionell aus-gerichtete Musiksoftware ─ beispielsweise Digital Audio Workstations (DAWs) wie Cu-base, Ableton und Logic oder Notationsproramme wie Finale und Sibelius ─ und auf der anderen Seite mäßig befriedigende Freeware-Lösungen oder Anwendungen, die über musikalisch belanglose Spielereien kaum hinauskamen. Mit dem Trend zum Cloud-Computing haben sich mittlerweile netzbasierte Musikanwendungen etabliert, die Social Web-Vorteile wie universelle Verfügbarkeit, gute Usability und eingebaute Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten bieten und trotzdem professionellen musikalischen Ansprüchen gerecht werden. Beispiele dafür, was technologisch bereits möglich und allgemein verfügbar ist, sind webbasierte DAWs wie www.soundation.

com oder www.ohmstudio.com, die kollaboratives Songwriting und Recording online möglich machen – entsprechendes instrumentales oder vokales Können vorausgesetzt.

Pädagogisch interessanter sind konkret schulpraktisch nutzbare Anwendungen wie der

1 Diese Kernanliegen definiert das aktuelle, für alle Schulstufen geltende österreichische Kompetenzmodell als Zentrum musikpädagogischen Arbeitens (Knaus et al. 2013).

Online-Notationsdienst www.noteflight.com. Noteflight verbindet eine deutschspra-chige, übersichtliche und weitgehend intuitiv bedienbare Benutzer_innenoberfläche mit den umfangreichen Möglichkeiten eines digitalen Notationsprogramms und netz-basierten Austausch- und Kollaborationsoptionen.3 Notenschrift ist für das Musizieren wichtiges Handwerkszeug sowie Kommunikationsbasis in verschiedensten Genres und Stilen. Die Handhabung dieses komplexen Zeichensystems verlangt aber mühsa-me Übung. Mit Notation in Form eines Social Web-Werkzeugs entstehen jedoch neue Dimensionen musikalischen Lernens, die grundsätzlich mit dem Wesen netzbasierter Anwendungen zusammenhängen:

• Experimentieren als Zugangsweise: Der Zugang zum Notenschreiben ist grund-sätzlich voraussetzungslos – sowohl in technologischer Hinsicht durch den ins-tallations-, orts- und plattformungebundenen Web 2.0-Zugriff als auch in metho-discher Hinsicht: Für das Setzen von Noten in Noteflight braucht es zunächst einmal keinerlei musiktheoretisches Vorwissen. Ein paar Mausklicks oder Einga-ben am iPad reichen, um sofort klingende Ergebnisse als akustisches Feedback zu erhalten.

• „Flipping musical creation“: Traditionelle musikalische Lernwege werden umge-kehrt. Jeder_r kann gleich eine eigene Melodie kreieren ─ also durchaus „kom-ponieren“. Der Bedarf an musiktheoretischem Wissen und an Hilfestellung durch Profis (Lehrer_innen, Komponist_innen, Musiker_innen) wird dadurch nicht in Frage gestellt. Er entsteht nur anders ─ nämlich dann, wenn dieses Know-how zum Ausdruck eigener musikalischer Ideen ganz selbstverständlich gebraucht wird.

• Kreation & Kommunikation: Die in Musiker_innenkreisen oft geäußerte Befürch-tung, die Verwendung von Computertechnologie stehe im diametralen Gegen-satz zu den Werten des aktiven, gemeinsamen Musizierens und Musikerlebens, ist weitgehend unbegründet, wenn Social Web-Technologien im Spiel sind. In konkreten Schulsettings wie z.B. im Kompositionsprojekt ecompose Austria hat sich gezeigt, dass diese Technologien immer mit Kommunikation und Kollabora-tion zusammenhängen und reales gemeinsames Musizieren fördern.4 Die musi-kalischen Ergebnisse können durchaus überzeugen.

• Niedrigschwelliger Einstieg für Lehrende: Tools wie Noteflight erweisen sich als wertvolle Bausteine für die Eingewöhnung ins digitale Arbeiten. Die Erfahrung bei der Arbeit mit Lehramtsstudent_innen am Institut für Musikpädagogik Wien zeigt, dass vor allem wenig technologieaffine Student_innen mit niedrigschwelli-gen, musikspezifische Web 2.0-Werkzeugen die Hemmschwelle zum digitalen Arbeiten leichter überspringen. Technologie wird so als gut verfügbares und

be-3 Neben einer kostenlosen Basisversion existieren speziell auf den pädagogischen Bereich zugeschnittene Abonnementangebote, siehe https://www.noteflight.com/info#/k12.

wältigbares Handwerkszeug erlebt, das für die eigene Unterrichtsvorbereitung ebenso einsetzbar ist wie für musikalisch-kreatives Gestalten mit Kindern und Jugendlichen.

Netzbasierte digitale Arbeitsformen können also musikpädagogischer Alltag werden – digitale Vernetzung und musikalisches Handeln sind kein Widerspruch!

Literatur

Ahlers, Michael (2009): Schnittstellenprobleme im Musikunterricht. Fachhistorische und empirische Studien zum Einsatz und zur Ergonomie von Sequenzer-Programmen.

Augsburg: Wißner (Augsburger Schriften, 89).

Aigner, Wilfried (2015): Komponieren zwischen Klassenzimmer und Social Web. Ent-wicklungsorientierte Untersuchungen zum Einsatz digitaler Medien bei Kreations- und Kommunikationsprozessen im schulischen Musikunterricht. Dissertation. Wien, Univer-sität f. Musik u. darstellende Kunst Wien.

Knaus, Herwig; Peschl, Wolf, Rehorska, Walter; Winter, Christine (2013): Kom-petenzen in Musik. Ein aufbauendes musikpädagogisches Konzept von der Volksschule bis zur kompetenzorientierten Reife- und Diplomprüfung. In: Mu-sikerziehung SPEZIAL66 (3). Online verfügbar unter http://www.agmoe.at/

wp-content/uploads/2014/05/AGMOE_MA_Spezial_2013_3.pdf [20.9.2015]

Weitere Informationen und Literaturtipps finde Sie unter http://www.musiceducation.

at/das-institut/personen/aigner-wilfried/noteflight-infos/

MMag. Wilfried Aigner PhD

Senior Scientist am Institut für Musikpädagogik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw); 15 Jahre Unterrichts-erfahrung als Musiklehrer auf der Sekundarstufe; lehrt und forscht im Bereich der Musiklehrer_innenbildung und Mitglied der Studienkommis-sion für die Studienrichtung Musikerziehung.

Neben Musikdidaktik, kunstbezogener Projektarbeit und entwicklungs-orientierter Bildungsforschung liegt sein Arbeitsschwerpunkt auf der praxisorientierten Integration von digitalen Medien und Social Web-An-wendungen in den schulischen Musikunterricht.

Website, aigner-w@mdw.ac.at

SCHULE / UNTERRICHT

Hubert Pöchtrager

Lernen

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