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Sie zwingt Rosamunde zu sterben und läßt sie zwischen Dolch und Giftbecher wählen. Rosamunde entschließt sich, den dargebotenen

Giftbecher zu trinken; sie sinkt nach einigen Minuten lautlos zu­

sammen. Belmont hat aber vorher das Gift mit einem Schlaftrunk vertauscht. Der aus einem Feldzuge heimkehrende König glaubt, wie alle, Rosamunde sei tot, bis Belmont ihn über die Wahrheit aufklärt. Die Liebesszene zwischen dem König und Rosamunde wird durch die Dazwischenkunft der Königin gestört. Sie macht ihrem Gemahl bittere Vorwürfe über seine Untreue. Heinrich dagegen

*) Bgl. E. Meißner, Bodmer ott Parodist. Diss. Leipzig. Naumburg a. S.

1904.

nennt sie eine Mörderin und verstößt sie. Rosamunde erklärt, ins Kloster eintreten zu wollen, geht aber von ihrem Entschlüsse ab, als der König sie bittet, als seine Gemahlin mit ihm den Thron zu teilen.

Bei der Krönungsfeierlichkeit stürzt Ellinor herein und tötet sie dmch einen Dolchstoß ins Herz.

Bereits 1776 hatte sich der Kurfürst dmch den Minister von Hompesch an Wieland und an den Komponisten Schweitzer gewandt mit dem Aufträge, eine Oper für die Mannheimer Bühne zu liefern *).

Im Februar 1777 schreibt Wieland von Weimar aus an Merck2):

„Ihr Brief, mein theurer Hr. u. Fr., hätte mir nicht zu gelegenerer Zeit kommen können. Er kam gerade mir die Dienste eines Fläsch­

chens mit Englischsalz zu thun, denn seit einiger Zeit bin ich wegen der verdammten Oper Rosemund, die halb zu gut und halb zu schlecht ist, um das Tageslicht zu sehen, und die ich doch am Ende nolens volens werde geben müssen, so geschunden und schachmatt gemacht, daß ich oft den Tag, die Stunde und den Augenblick verwünsche, wo ich für meine Sünden auf den Einfall gekommen bin, mich in ein Fach ein­

zulassen, wovon ich nichts verstehe und wofür ich, wie es scheint und wie die Meister der Kunst sagen, gar keinen Sinn habe." Auch den ganzen März hindurch war Wieland noch mit seinem Singspiel be­

schäftigt; denn in einem Briefe an Merck') vom 16. April 1777 ent­

schuldigt er sich, daß er während des ganzen vorigen Monates so wenig geschrieben habe. „Verzeihen Sie's mir, um der heiligen Rosemunde willen, aus der ich si diis placet ein sehr erbauliches Singspiel alias Oper genannt, für Seine Kurfürstl. Durchlaucht zu Mannheim fabriziett habe. Ich hatte das Ding den ganzen März dmch dergestall im Leib, daß ich sonst Nichts sinnen noch beginnen konnte." Die „Rosemunde" ist ihm also nicht leicht von der Hand gegangen. Am 25. April 1777 schreibt Wieland an Jakobi: „Die Rosamunde, die ich für deinen Kurfürsten gemacht habe, ist kein

*) ©ruber 52, 338.

*) Briefe an Joh. Heinrich Merck von Goethe, Herder, Wieland und anderen bedeutenden Zeitgenossen. Herausgegeben von Karl Wagner. Darmstadt 1835.

S. 102.

*) Ebenda S. 105.

Werk der Liebe, sondern der Noth, des Dranges. Doch wird Schweitzer immer ein glänzendes Werk daraus machen."') Gleichzeitig oder unmittelbar darauf muß Jakobi das Manuskript in Händen gehabt haben. Denn in einem Briefe vom 4. Mai teilt er Wieland mit, er sei mit der Oper nicht zufrieden. Auch Hompesch wünsche eine Umarbeitung der zwei letzten Me *). Wie aus Wielands Antwort­

schreiben vom 9. Mai hervorgeht, war dieser äußerst erstaunt über die ungünstige Kritik und will nun Goethes Urteil hören *). Schon am 24. Mai schreibt Wieland an Jakobi: „Ich habe nun auch Goethes Meinung von der Sache, und sie stimmt völlig zu der deinigen. — Ich sehe nun hinterdrein Alles, was Ihr wollt und mehr dazu. — Aber der arme Schweitzer hat nun bald drey Akte ganz herrlich kom­

poniert, und der allein dauert mich."l * 3 4) So entschließt sich Wieland zur Umarbeitung und erbittet in einem Briefe vom 4. Juni Jakobis Rat5 * 7 ). Verschiedene Abänderungen, die später noch ausführlicher erwähnt werden sollen, werden sofort vorgenommen. Dafür spricht ihm Jakobi in seinem Briefe vom 11. Juni seine Anerkennung aus*).

Aus jenem Briefe Wielands vom 4. Juni ist auch ersichtlich, daß er dem Grafen Portta, dem Mannheimer Musikintendanten, erklärt hat, er könne das Stück wegen notwendiger Veränderungen dieses Jahr nicht mehr liefern. Die Mannheimer sind jedoch dmchaus nicht mit der Verzögerung einverstanden. Hompesch schreibt an Jakobi'), man würde ihm eher eine Mißrechnung von 100000 Gulden verzeihen, als die neue deutsche Oper nicht zu liefern. Unter­

dessen ist Wieland fleißig an der Arbeit. Der kritische Brief Jakobis vom 11. Juni 1777 gibt ihm wettvolle Ratschläge ®). Am 14. Oktober 1777 ist die umgearbeitete Rosamunde in Jakobis Händen: „Bon

l) Fr. H. Jakobis auserlesener Brieswechsel. Leipzig 1825. 1,252; abgedruckt bei Gruber 52, 339.

*) Ebenda I, 265; abgedruckt bei Gruber 52, 339.

3) Ebenda I, 267.

4) Ebenda I, 269; abgedruckt bei Gruber 52, 342.

8) Ebenda I, 270.

•) Ebenda I, 274.

7) Ebenda I, 272.

•) Ebenda I, 274.

meiner Rosamunde bettle nun, was du kannst, lieber Bruder; hier hast du sie für tot und lebendig. — Die schwache Seite des Dinges lernte ich wohl, aber den möcht' ich sehn, der bei der Aufführung Zeit behielte, darauf Acht zu geben, und darauf kommt doch in einer Oper alles an." Am 26. Oktober schreibt Meland an Sophie von La Roche: „Ich freue mich auf meine Reise nach Mannheim wie meine Kinder auf den heiligen Christ. Der Himmel gebe tun, daß nichts Fatales dazwischen komme! Es ist mir nun wieder so lange wohl und nach Herzenswunsch gegangen, daß ich mich ein Bißchen vor der Waage fürchte, worin uns Freuden und Leiden zugewogen tocrbcn1). Von Mannheim aus schreibt er am 24. Dezember 1777 an seine Freundin: „Mit der Rosamunde wirds allem Anschein nach sehr gut gehen, wenn uns nur die Krankheit des Kurfürsten von Bayem die Freude nicht zernichtet."2) In eben diesem Briefe berichtet er auch von der ersten Probe. Bon dem Spiele und der Stimme der Madame Wendling, die seine Rosamunde darstellen soll, ist er ganz entzückt. An Merck schreibt Wieland am 27. Dezember 1777: „Die erste Repräsentation der Rosamund ist — Gottes Gewalt vorbehalten

— auf den 11. Jänner angesetzt."') Wieland hat mit seinen trüben Ahnungen recht behalten; denn die Erstaufführung fand tatsächlich nicht am 11. Januar statt. Nach der zweiten Probe ttaf die Nachricht vom Tode des Kurfürsten von Bayem ein. Maximilian Joseph war am 30. Dezember 1777 gestorben. Der Kurfürst reiste von Mannheim ab, befahl aber die Fortsetzung der Proben und die Aufführung des Stückes nur vor Wieland bei geschloffenen Türen, da die öffentliche Aufführung wegen der Landesttauer unmöglich sei'). So wmde das Stück erst im Anfange des Jahres 1779 aufgeführt. Das genauere Datum läßt sich nicht bestimmen. Vielleicht wäre es früher in Weimar zur Darstellung gelangt, wenn nicht der Brand, der 1774 Schloß und Theater in Asche gelegt hatte, die theattalischen Unter

’) Wielands Briefe an Sophie von La Roche. Herausgegeben von Frani Horn. Berlin 1820. S. 187.

*) Ebenda S. 191.

*) Böttiger, Lit. Zust. u. Zeitgen. I. 229.

•) Böttiger, a. a. O. I, 230.

nehmungen daselbst gestört hätte * *). So blieb also die Erstaufführung der Mannheimer Bühne vorbehalten.

Über seine Quelle berichtet uns Wieland selbst2): „Aus Addi- sons, meines Lieblings, „Spectator" fiel mir nach langem Suchen die schöne Rosemunde ein." Ebendort berichtet uns auch Wieland, daß die Wahl des Stoffes in Mannheim großes Beftemden hervor­

gerufen habe, und daß man in sein Stück Beziehungen hineingelegt habe, an die er nicht im entferntesten gedacht hatte. Besonders die Kurfürstin sei recht ungehalten gewesen.

Wie der erste Entwurf im Vergleich zu der zweiten Fassung ausgesehen hat, läßt sich aus dem Briefe Wielands an Jakobi vom 4. Juni und aus dem Antwortschreiben Jakobis vom 11. Juni einiger­

maßen erkennen. In dem Briefe vom 4. Juni erklärt sich Wieland bereit, die Ermordung des „Ritters vom Thurm" zu streichen. „Sie ist unnöthig und soll gleich zuerst geändert werden." In der zweiten Fassung ergibt sich der Ritter der feindlichen Übermacht und wird gefangen genommen (II, 4). In demselben Briefe heißt es: „Daß Rosamunde am Ende noch von der Königin erstochen werde, fängt mir an einzuleuchten; dies würde den ganzen Gang der letzten Akte ändern." Der Ausgang war also in dem Entwurf ein anderer; jeden­

falls endete das Stück nicht mit Rosamundens Ermordung durch die Königin. Weiter meint Wieland: „In Rosamunde, nachdem sie wieder auflebt und den König sieht, muß der Kampf zwischen Liebe und Tugend viel hefttger werden." Diesen Kampf schildett Wieland in der zweiten Fassung, allerdings nicht in der Szene, wo Rosamunde wieder auflebt (III, 7 und 8), sondern in Szene 14. Diese Szene war also ursprünglich sicher kürzer gefaßt. Den Hauptfehler sieht Wieland endlich darin, daß er „das Stück zu erbaulich machen wollte".

Im Antwortschreiben Jakobis vom 11. Juni wird die Ab- änderung der Szene mit dem „Ritter vom Thurm" gelobt. Jakobi tadelt aber: „Daß die Königin mit Gift und Dolch auftritt und die Wahl anbietet, dieß ist so schrecklich verbraucht und hat für mich etwas

‘) Gruber 26, 190.

*) Bvttiger, a. o. O. I, 229.

Possenspielartiges." Jedoch diese Szene hat Wieland trotz Jakobis Tadel auch in der zweiten Fassung stehen lassen. Weiter sagt Jakobi:

„Vorher kann ich nicht wohl leiden, daß Rosamunde in den Schlas gesungen wird." Auch das hat Wieland nicht abgeändert (vgl.

Szene II, 9). Schließlich bemerkt Jakobi: „Am fatalsten ist mir das Vorhaben der Königin, ihren Mann wieder an seine vorige Zärtlich­

keit zu erinnern. Ich würde die Königin nicht von selbst kommen, fonbern vorfordern lassen; Heinrich könnte sagen: Vordem mußte ich wegen meiner Liebe zu Rosamunde Scheu tragen, nun darf ich sagen, ich liebte sie, darf es der Königin unter Augen sagen, der Mörderin all meines Glücks. Die Königin müßte der Wuth Heinrichs stolz zusehen und zuletzt voll Verachtung zu ihm sagen: Rosamunde lebt—und die herrliche Arie anstimmen: Du sollst sie haben. Wenn nun Rosamunde vorgeführt würde und der König ihr wirllich die Krone geben wollte, könnte die Gemahlin in einer Aufwallung von wüthendem Ekel das Mädchen ermorden und, wenn du willst, auch sich selbst. — Wenn Rosamunde und die Königin sterben, so kann die Oper ganz erbaulich werden, ohne zu choquieren. Denn so etwas macht einen stutzen, (einen, der in Heinrichs Lage ist). Das ist genug zur Herzensfreude aller Frommen." Auch in diesen Punkten ist Wieland nicht vollständig auf Jakobis Vorschläge eingegangen. Die Königin spricht zwar nicht von chrem Vorhaben; sie kommt aber un­

aufgefordert und erinnert den König an frühere Zeiten (III, 12).

Bei dieser Gelegenheit singt sie auch die erwähnte Arie. Die Reden, die Jakobi vorschlägt, konnte Wieland dem König und seiner Gemahlin nicht in den Mund legen; denn er hat hier den Gang der Handlung im Vergleich zum Entwürfe beträchtlich geändert. Als der König Ellinor gegenübersteht, weiß er schon durch Belmont (6), daß Rosamunde lebt; er hat sie sogar schon begrüßt (8). Die Königin braucht es ihm also nicht erst zu sagen. Wieland schließt das Stück mit der Ermordung der Rosamunde, wie Jakobi vorgeschlagen hatte (18). Im ersten Entwurf muß das also nicht so gewesen sein.

Die Königin dagegen ernwrdet sich nicht selbst; sie entflieht, und der König befiehlt die Verfolgung der Mörderin.

Wieland hat bei diesem Stücke außerordentliche Sorgfalt darauf verwendet, seinen Stoff gründlich zu dmchdringen und sich eingehend mit den Quellen besonnt zu machen. Davon zeugt alles das, was er im „Nachtrag zur Geschichte der schönen Rosamunde" und im Bor«

bericht der ersten Ausgabe (geschrieben 1778) sagt. Im Nachtrag be­

zeichnet er (gestützt auf David Humes „History of England“, Vol. II, Chap. IX) als historisch zuverlässig nur die Tatsache, daß Rosamunde, Lord Cliffords Tochter, die Geliebte Heinrichs II. gewesen und diesem zwei Söhne geboren habe: Richard, den späteren Grafen von Salis­

bury, und Gottfried, den nachmaligen Erzbischof von Bork. Me weiteren Umstände, die von dieser Liebesepisode erzähll werden, bezeichnet er (wieder im Anschluß an Hume) als fabelhaft. Er be­

gründet diese Auffassung weiter mit der Tatsache, daß die gleich­

zeitigen Chronisten nichts von einer gewaltsamen Todesart Rosa- mundens berichten. „Wenngleich einige als Stow, Hollingshed und Speed, darin übereinstimmen, daß sie ihren Tod für eine Folge der harten Begegnungen, welche sie von der Königin erlitten, ausgeben, so sind sie doch in chren Ausdrücken darüber so verschieden, daß man ebensowohl vermuthen kann, daß diese harte Begegnung in wört­

lichen Beleidigungen und Drohungen bestanden haben könne. Im Munde einer so stolzen Königin wie Eleanor von Guyenne war, kann ein Wort so gut als ein Dolch sein." Auch der Umstand, daß man auf Rosamundens Grabstein in dem Frauenkloster zu Godstow bei dessen Säkularisierung die Figur eines Pokals eingehauen fand, scheint chm nichts gegen diese Meinung zu beweisen. Er nimmt ausdrücklich Stellung zu der Meinung des Herausgebers der „Re- liques of Ane. Engl. Poetry“, Percys, (1765), daß eben dieser Becher, der vielleicht mit ein zufälliger Schmuck gewesen, in der Folge zu dem Wahne, daß Rosamunde vergiftet worden sei, Anlaß gegeben habe. Das hält Meland mit Recht für ganz unwahrscheinlich. Es ist in der Tat nicht einzusehen, warum man gerade einen Becher als Zierrat des Grabsteins hätte wählen sollen. Der Becher ist nach seiner Ansicht vielmehr aus der Sage heraus zu erklären. Die Sage war längst verbreitet, als das Grabdenkmal entstand; denn zwischen dem Tobe der Rosemunde und der Errichtung des Grabsteines liegt

ein Zeitraum von 40 bis 50 Jahren. Dies weist Wieland sehr gelehrt