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Akkestisgeschichte neben dem Hesiodischen Epos dem Euripides als Vorlage diente), sind noch auf zwei Schauspieler beschränkt. Schöne gibt im Anschluß an diese Ausführungen der sehr ansprechenden Ver­

mutung Raum, daß Euripides eben die Zweizahl bei Phrynichos vorgefunden und beibehalten habe. Wilamowitz ist der Ansicht, daß Alkeslis stumm sein müsse, weil ihr Reden dem Wunder jeden Glauben nehmen würde. Also genau das Gegenteil von dem, was Wieland sagt und was ihn zu seiner Abweichung von Euripides bewogen hat.

Im vierten Briefe spricht dann Wieland von den Veränderungen, die er an dem Charakter der Alceste vorgenommen habe. Obschon er den Abschied der Alceste, so wie ihn Euripides gibt, wunderschön findet („es ist keusche, unentheiligte Natur"), so muß er doch von einer ähnlichen Szene absehen. Dieses Zugeständnis ist ein Opfer, das er, wie er sich ausdrückt, dem Genius seiner Zeit bringen muß.

„Der Dichter befindet sich nur allzu oft ip dem Falle der Egyptischen Künstler, wenn sie Götter bildeten. Die Form ist ihnen vorge­

schrieben. Sie ist weniger schön als die Natur, aber Borurtheil und Gewohnheit haben den Begriff der Vollkommenheit damit ver­

bunden." Er glaubt sein Publikum zu verletzen, wenn er die Alceste in trostlosem Jammer Abschied vom ehelichen Gemache nehmen läßt, und ändert also diese Szene ab. Ferner durfte seine Alceste auf keinen Fall vor ihrem Tode den Gatten bitten, sich nicht wieder zu vermählen. „Was meynen sie, daß unser Parterre, oder wenigstens unsere Logen zu der langen Rede gesagt hätten, welche Euripides seine Alceste halten läßt, um ihren Gemahl zu bewegen, daß er ihr eydlich angelobe, sich nicht wieder zu vermählen?" Seine Alceste durfte nicht dem Manne, für den sie stirbt, „in acht schönen Versen die Wohlthat, die sie ihm erweiset, vorrücken". Freilich erscheint ihm das Verhalten der Alceste einigermaßen begreiflich; denn bei einem Admet, wie ihn der griechische Dichter schildert, war „eine solche Vorsicht nichts weniger als überflüssig". Einmal sagt er auch, ihr Verhalten sei „den Sitten ihres Zeitalters vollkommen gemäß".

Aber im ganzen wird er doch hier dem Euripides nicht gerecht und urteilt einseitig ohne rechtes Verständnis. Inwiefern das Verhalten

der Alceste nach antiker Auffassung berechtigt ist, sagt er nicht1).

Ebensowenig teilt er uns mit, inwiefern das Parterre und „gar die Logen" dadurch verletzt werden könnten, und was ihn also zu dieser Abänderung bewogen hat. Was unser Empfinden verletzen könnte, ist allenfalls der Umstand, daß Alceste es für nötig erachtet, diese Bitte überhaupt noch in Worte zu fassen. Es ist doch selbstverständlich, daß Admet, für den sie ihr Leben hingibt, nach ihrem Tode nicht einer andern Frau angehören kann. Die Tatsache s e l b st gibt Wieland nicht ganz richtig. Alceste spricht kaum davon, daß Admet nach ihrem Tode keine neue Ehe eingehen möge. Sie bittet ihn viel- mehr mit rührenden Worten, den Kindern doch keine Stiefmutter zu geben. Dieses Motiv steht vollständig im Vordergründe; sie denkt nur an die Kinder, nicht an sich. Wilamowitz findet2) für diese Handlungsweise der Alceste eine feinsinnige psychologische Erklärung:

Durch chren Tod tut sie ihren Kindern ein Unrecht; das muß sie gut machen, indem sie sie vor dyc Stiefmutter bewahrt. Das ist sicherlich fein und richtig empfunden. Als Alceste sich opferte, da war sie nur Gattin; sie hatte in diesem Momente ihre Kinder vergessen. Sie emp»

fand nicht als Mutter, sonst hätte sie nicht um des Gatten willen die Kinder verlassen können. Es ist so natürlich und selbstverständlich, daß ihr mütterliches Empfinden nun in ihr erwacht und sie drängt, ihr Unrecht in etwa gut zu machen. Wenn die Kinder schon ihre Liebe nun entbehren müssen, so sollen sie wenigstens nicht unter der Härte

') Nach antiker Ausfassung war der Begriff der ehelichen Treue für die Frau ein so ernster, daß eS fast als ein Unrecht galt, wenn sie sich nach dem Tode ihres Gemahls einem anderen Manne vermählte. So empfindet Andromache, die nur gezwungen die Rebenfrau des Neoptolemos ist, dies als eine Untreue gegen den verstorbenen Hektor. Ganz andere Grundsätze gelten für den Mann. Er darf sogar Rebenfrauen haben; Andromache rühmt sich <Andr. 222 ff.), daß sie die Kinder Hektar-, deren Mutter sie nicht war, mit ihren eigenen Kindern genährt und gepflegt habe. Das Berhalten Hektars bezeichnet sie allerdings als „eine Be»

törung durch CypriS", die aber im übrigen als durchaus begreiflich und verzeihlich angesehen wird. Vgl. SB. Nestle: Euripides, der Dichter der griech. Aufklärung.

Stuttgart 1901. S. 256. — Die Bitte der Alceste hatte also bei Euripides in der Tat nichts Befiemdendes; denn was sie verlangt, war nicht selbstverständlich.

•) a. o. O. III, 87.

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einer Fremden noch Schwereres leiden müssen; davor will sie sie noch in ihrer Todesstunde schützen.

Im „Hyppolytos" finden wir übrigens ganz den gleichen Ge­

danken, wenn Theseus an der Leiche Phaidras sagt:

„Da hängt an ihrer lieben Hand ein Brief.

Gibt es noch weitreS Unheil, oder trägt Sie scheidend mir für meinen Wittwerstand Und unsre Kinder eine Bitte vor?

DeS, arme Phaidra, kannst du sicher sein,

MS Gattin kommt kein Weib in TheseuS* Haus/")

Vom Charakter des Admet sagt Wieland ironisch: „Der Admet des Euripides scheint bei aller Liebe zu seiner Gattin sehr der Philo­

sophie Satans im Buche Job zugethan gewesen zu seyn: Mes was ein Mann hat gibt er für sein Leben." Wie kann uns dieser Admet, so meint Wieland, noch sympathisch sein, der es über sich bringt, das Opfer Alcestens anzunehmen und sich sein Leben mit dem ihrigen zu erkaufen? Wir können an seinem Schmerz nicht den geringsten Anteil nehmen, denn er erscheint uns unwahr. „Seine Klagen rühren uns nicht mehr, als die von Klageweibern, die gedungen werden bey einem Leichenbegängniß um baares Geld die Gesichter zu ver­

zerren." Und wenn Admet wirllich von tiefer Trauer erfüllt wäre, wie könnte er dann „eine Verordnung (über die Leichenfeier) publi­

zieren, wie sie sein Hofmarschall nicht besser hätte machen könnend Also die Annahme des Opfers zeigt uns Admet (nach Wieland) als lieblosen Egoisten, dessen scheinbarer Schmerz uns keine Teilnahme abnötigen kann. Übrigens ist es chm auch in seinen Klagen in der Hauptsache um sich selbst zu tun.

Um den Charakter des Admet zu heben, läßt also Wieland das Opfer ohne sein Borwissen geschehen. Daß er mit dieser Abänderung das Rechte getroffen hat, ist außer Zweifel. Die Annahme des Opfers würde unser modernes Empfinden verletzen und uns in der Tat den Charakter des Admet unsympathisch machen. Seuffert

*) Wilamowitz-Moellendorf, Euripides HippolytoS. Berlin 1891. S. 131.

spricht sich in demselben Sinne aus1). Aber in der Art, wie Meland

Euripides aburteilt, berücksichtigt er doch wieder nicht genügend die

antcken Verhältnisse. Admet war König und hatte somit nach griechi­