• Keine Ergebnisse gefunden

liebten sich zu ergehen, einmal von dieser glücklichen Zeit gesprochen

Narr, Wieland. 8

hätte, wo sie heüer und sorglos sich der Liebe zu dem vermeintlichen Ritter ergab. Von dieser ganzen Vorgeschichte erfahren wir nichts, sehr zum Nachteil des Stückes.

Stilgebauer meint (in seiner Inhaltsangabe), Rosamunde habe nicht gewußt, daß der König vermählt war. Das geht aus dem Gange des Stückes nicht hervor. Aus

II,

5 (erste Zusammenkunft der Königin mit R.) ist nur zu ersehen, daß sie die Königin nicht per­

sönlich kannte, sie nie gesehen hatte, was bei ihrer abgeschlossenen Erziehung im väterlichen Schlosse sehr wohl möglich war. Die

Bibi,

sagt darüber:

„Elle avoit

v6cu

jusqu’tiors dans une extreme solitude.“

Aber Wieland hat gar nicht daran gedacht, Rosamunde von der Tatsache, daß der König vermählt war, nichts wissen zu lassen.

Dieses Motiv wäre doch auch allzu unwahrscheinlich gewesen. Eben­

sogut wie in unserer Zeit wußte wohl auch im alten England jedes Landeskind, daß das Reich eine Königin hatte. Und nun gar Rosa­

munde, die Tochter des Aristokraten, der mit dem Hofe in totesten Beziehungen stand! Daß die Brüder der heranwachsenden Schwester niemals vom Hofe, von der Königin, von den rauschenden Festen sollten erzählt haben, ist doch kaum glaublich.

Also mit dem Augenblicke, wo Rosamunde erfuhr, daß der ver- meintliche Ritter Englands König war, wußte sie auch, daß ihre Liebe einem Ehebruch gleichkam. Die Darstellung der

Bibi,

ist auch ganz in diesem Sinne. Slls der König Rosamunde über seine Person aufklärte, heißt es da, war sie sehr beunruhigt, denn es graute ihr vor dem Verlust ihrer Ehre (da sie ja nur des Königs Geliebte sein konnte), und ebensosehr fürchtete sie die Rache der Königin,

„puisque la jalousie d’Eleonore 6toit d6jä connue comme trds capable de panir quiconque oseroit lui ravir le coeur du Roi, son 6poux“.

Und so hat es auch Wieland gemeint. (Bei Addison kennt Rosa­

munde die Königin. Das geht aus

II,

5 hervor.) *)

Daß nun der Dichter der „Johanna" und der „Clementtne"

ttotzdem auf feiten seiner Heldin steht und augenscheinlich den

Liebes-*) „Death to my eyes; what sight is this?

The queen, the offended queen I sec;

Open, o earth, and swallow me.“

bund des Königs mit Rosamunde rechtfertigen will, ist ein Beweis für seine vollkommene Sinnesänderung. Der Dichter der „Johanna Gray" ist hierin nicht mehr zu erkennen.

Eine andere Frage ist diese: Hat er alle Mittel benutzt, hat er alle Motive verwertet, die chm der Stoff bot, um diese Absicht zu erreichen, um uns Heinrich und Rosamunde in chrer Liebe sym­

pathisch zu machen und uns für sie zu gewinnen? Diese Frage kann nut mit Nein beantwortet werden. Er stellt uns der vollendeten Tatsache gegenüber. Bei Beginn des Stückes ist Rosamunde die Geliebte des Königs. Mr wissen gar nicht, wie das so geworden ist.

Wir würden dann alles viel eher begreifen und allem viel näher stehen, wenn wir des Königs Liebe in ihrer Entstehung gesehen hätten.

Der Umstand, daß Ellinor bedeutend älter war als Heinrich, und vor allem der launische, herrschsüchtige Charakter der Königin hätte benutzt werden können, um uns eine Entftemdung zwischen den Gatten begreiflich erscheinen zu lassen. Es wird uns aber im Gange des Stückes auch nicht ein Zug mitgeteilt, der uns den Charakter Ellinors verabscheuungswürdig machte. Es muß unS dccher ganz ungerechtfettigt erscheinen, wenn Heinrich III, 8 sagt:

„Ich konnte dich verlassen? Fern von mir dich sicher glauben? Dachte nicht, daß eine Schlang' ich hinter mir zurückließ, deren Athem dich vergiften würde?" Ebenso III, 17: „Ich will sie von mir werfen, die Schlange, die ich allzu lange duldend in meinem Busen hegte."

Wir wißen gar nicht, durch welche Handlungsweise es Ellinor verdient hat, eine Schlange genannt zu werden.

Auch den Umstand, daß Rosamunde so einsam und abgeschlossen erzogen wmde und infolgedessen sehr unerfahren war, hat Wieland nicht in genügendem Maße benutzt, um uns ihre Hingabe an den König begreiflicher erscheinen zu lassen. „Son coeur 6toit dieposS i la tendresse, mais aucun objet ne l’avoit encore toucMe.“ Auch diese Andeutung der Bibi, hat Wieland nicht verwettet.

Der Charakter Heinttchs ist uns auch viel zu unklar geblieben.

Wir müßten seine Handlungsweise viel besser aus seiner Eigenatt heraus begreifen. Das liebenswürdig Chevalereske, aber auch das Leidenschaftliche, Eigenwillige im Charakter des jungen Herrschers,

8*

der es nicht gelernt hat, sich etwas zu versagen, müßte viel schärfer herausgearbeitet sein.

Daß Meland uns nichts von Ellinors erster Ehe erzählt, die sie um Heinrichs willen gelöst hat, war freilich für seine Absicht günstig.

Das würde ja das Verantwortungsgefühl des Mannes der Frau gegenüber, die für ihn diesen Schritt getan hatte, in unseren Augen allenfalls vergrößern.

Den Umstand, daß Rosamunde sehr schön war, hat Wieland günstig benutzt, um uns begreifen zu lasten, wie sie einen so großen Zauber aus den König ausüben konnte. Die Bibi, sagt hierüber:

„C’6toit la plus belle personne qu’on eut vue jusqu’alors.“

Im übrigen ist die Charakterzeichnung der Rosamunde wohl das Schwächste am ganzen Stücke. Sie ist viel zu weich und haltlos.

Wenn sie den Mut hatte, sich in einem Falle so vollkommen über das Herkömmliche hinwegzusetzen, dann mußte sie auch im ganzen eine große starke Natur sein; nur dann können wir ihre Handlungs- weise aus chrem Wesen heraus begreifen. Sie ist aber nichts weniger als eine große, starke Natur. Wir hören sie immer nur in Liebes­

klagen ausbrechen; der hereinbrechenden Katastrophe gegenüber er­

scheint sie schwach und mutlos; sie fleht recht demütig um ihr Leben (II, 10) und bittet, den Rest chrer Tage im Kloster zubringen zu dürfen. Sie will durch diesen Ausblick offenbar die Königin milder stimmen. JhreBitte wiederhott sie dannHeinrich gegenüber (III, 14).

Aber wir haben es chr nie recht geglaubt und sind darum nicht sonder­

lich überrascht, als sie (III, 16) schnell und leicht von ihrem Entschluß abgeht.

Es ist schwer zu begreifen, woher ihr (II, 9) die rasche Erkenntnis kommt, daß sie unrecht gehandett hat, daß ihre Liebe „ein Ver­

brechen ist", wie sie sagt. III, 14 spricht sie noch einmal den gleichen Gedanken aus, indem sie chre Liebe ein Verbrechen, ein Blendwerk nennt. Und nun entdeckt sie uns auch die Quelle dieser plötzlichen Einsicht (III, 14): „Ach, Heinrich, diese schreckenvolle Nacht, hat mich erweckt aus meinem Traum." Es ist nicht eben groß, im Ungttlck zu Kreuze zu kriechen und das zu verurteüen, was man vorher nicht als Unrecht betrachtet hat. Wenn ihre Liebe ihr bis jetzt nicht als Schuld

erschien, warum kann ihr dann die hereinbrechende Katastrophe, die Rache der Königin, eine andere Auffassung geben? Sie kann chr Rechtsbewußtsein doch nicht davon abhängig machen, ob ihre Liebe entdeckt wird und einen schlimmen Ausgang nimmt oder nicht. In dem ersteren Falle mußte sie eben mit demselben Mute, der chr gestattete, sich über die herkömmlichen Schranken hinwegzusetzen, auch die Konsequenzen ihrer Handlungsweise tragen, nicht aber haltlos zusammenbrechen.

Me Rosamunde sich selbst beurteüt, ist ziemlich unklar. II, 9 nannte sie sich schuldig, ihre Liebe ein Berbrechen. II, 10 fleht sie zur Königin: „Laß meine Jugend — ach, ich wag' es nicht zu sagen — meine Unschuld dich erbarmen! Und doch, du, Himmel, weißt's." Sie will damit also ausdrücken, daß sie sich innerlich nicht in dem Maße schuldig fühlt, in dem sie von den Menschen verurteitt wird. Dazu paßt nun sehr schlecht II, 10: „Ich sterb', und sterbend bet' ich dich an, göttliche Gerechttgkeit, vor dir ist Rosemund' nicht schuldlos." Hier also bekennt sie sich wieder vor dem Himmel als eine Schuldige. Die folgenden Verse (II, 10) sind nun das Un­

glückseligste, was der Dichter seine Heldin konnte sagen lassen:

„Doch, wisse, du.

Durch deren Hand das Schicksal mich bestraft, Mein Herz betrog mich, aber rein

Und unbefleckt war meine Liebe.

--- Und auch dieses wisse, Grausame, Er ehrte meine Unschuld — liebte mehr AIS sein Vergnügen mich —

Wohl mir! Ich fall', ein reines Opfer!"

Die Stelle soll gewiß nicht deshalb getadell werden, well die Geschichte uns über Rosamundens Beziehungen zu König Heinrich andere Dinge berichtet. Der Dichter mag ja seine Heldin nach Be­

lieben idealisieren, wenn es das Interesse des Stückes fordett. Aber was bezweckt Meland hier mit dieser Idealisierung? Sind das Motte der Angst? Dentt Rosamunde, so die Königin zu besänfttgen und ihr Leben zu retten? Oder sollen wir ihr wirklich glauben?

Warum hat sie dann nicht so bösen Schein gemieden? Wenn der

König „ihre Unschuld ehrte", warum ließ er sie nicht in ihrem Väter- lichen Schlosse, warum mußte er sie heimlich nach Woodstock bringen und sie dadurch der üblen Nachrede preisgeben? Die Stelle ist ganz unglücklich und wäre weit besser unterblieben.

Mso Wieland hat weder das, was ihm die Borgeschichte bot, zur Erreichung seiner Absicht glücklich benutzt, noch hat er die Cha­

raktere Heinrichs, Ellinors, Rosamundens so gezeichnet, wie es diese Absicht verlangte. Der Liebesbund zwischen Heinrich und Rosa- munde ist bei Beginn des Stückes geschlossen; wir sollen ihn ohne weiteres billigen. Rosamunde ist nach III, 12 „ein Engel"; wir müssen das glauben, trotzdem wir auch nicht irgendeine Handlungsweise sehen, die uns diesen Glauben aufzwingt. Die Königin wird ab­

wechselnd „Furie" oder „Schlange" genannt, ohne daß wir irgend­

einen Grund dazu einsehen. Sie fügt sich nicht stillschweigend in die veränderten Verhältnisse; außerdem haben wir sie keine Taten ver­

richten sehen, die wir als „furienhaft" bezeichnen könnten.

Heinrich sieht in der Rettung seiner Geliebten einen „Wink des Himmels" und hebt sie, nachdem er seine Gemahlin verstoßen hat, auf den Thron. III, 13 sagt er:

„Holde Schönheit, deinem Rechte Huldigt Mes, Erd und Himmel. —

— Eile, Göttin des Gerüchtes, Ihren Sieg der Welt zu melden, Ihren Sieg und Heinrichs Glück."

Rosamunde triumphiert also durch die Macht ihrer Schönheit;

darauf gründet sich einzig ihr Recht. Wenn Stilgebauer nun sagt, Wieland habe hier kein Wort des Tadels für den vollendeten Ehebruch, dieser sei als selbstverständlich hereingeführt, die Geliebte des Königs sei wie eine Heilige emporgehoben, und die Frau, die — allerdings gewaltsam — zu ihrem Rechte kommen will, als eine Furie ver­

lästert, so ist das zwar etwas schroff ausgedrückt, aber im Kerne doch richtig. Wenn Wieland uns den Liebesbund zwischen Heinrich und Rosamunde sympathisch machen wollte, dann mußte er mit ganz anderen Mitteln arbeiten.

Aber ganz unbegreiflich ist Stilgebauers Auffassung des Cha­

rakters Belmonts. Er sagt im wesentlichen folgendes: Wieland arbeitet hier mit einem Operneffekt, der die Zuschauer rühren soll, nämlich das Wiederaufleben der totgeglaubten Rosamunde. Was in der Alceste der Halbgott tun mußte, das tut hier der in Belmonts Gestall herbeigerufene Zufall. Das verstößt aber gegen die Gesetze des Dramas, das seine Handlungen aus den Charakteren der Per­

sonen und nicht aus dem Zufall herzuleiten hat. Die ganze Figur des Belmont ist nur diesem Zufall zuliebe entstanden; sie hat sonst gar keinen Zweck.

Wer das Stück nicht gelesen hat, muß danach unbedingt zu der Auffassung kommen, das Vertauschen des Giftes mit dem Schlaf­

trunk sei ein Versehen Belmonts. Er habe durch Unachtsam­

keit oder durch einen Zufall die beiden Pokale vertauscht, ohne es zu ahnen. Dem ist aber nicht so. Es ergibt sich aus III, 6, daß er sein Handeln in bewußtem Gegensatze zu dem Willen der Königin gestellt hat. Er hat in der Absicht, Rosamunde zu retten, wissentlich das Gift mit dem betäubenden Trank vertauscht. Außerdem hat er ihr ein Gegengift gereicht, um sie wieder aus dem todähnlichen Zu­

stande zu erwecken (offenbar zwischen II, 12 und III, 6). Ich weiß nicht, wie dieses bewußte Handeln Belmonts ein „Zufall" genannt werden kann. Zu allem Überfluß informiert uns dieser noch recht genau über die Beweggründe seiner Handlungsweise, und gerade diese Beweggründe werfen ein so scharfes Licht auf seinen Charakter, daß für Belnwnt nur eine Auffassung möglich ist. AIs die Königin (II, 7) ihm den Befehl gibt, den Gifttrank herbeizuholen, sagt er:

„Bedenke, Königin, die Folgen einer zu raschen That! Sie wird zu grenzenloser Wut den König treiben. — Bei deinem Leben, große Königin, verzeih! Nur Treue gegen dich zwingt mich zum Ungehorsam." Er erscheint also hier als der Königin treu ergeben;

er toill nur ihr Bestes und ist nur deswegen ihr nicht zu Willen, weil es ihr Unglück bringen könnte. Bald hören wir ihn ganz anders sprechen. In dem Monologe II, 12, als er von ferne schon „den Jubelschrei der königlichen Schaar hört", kündigt er uns seine Sinnes­

änderung an:

„Ein wilder Sturm zieht gegen uns daher —

Was wird der Ausgang seyn?