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Die Zusammenstellung und Datierung des Chronographen 1 Das Problem der Einrichtung des Chronographen 1 Das Problem der Einrichtung des Chronographen

Im Dokument Das Kalenderhandbuch von 354 (Seite 66-70)

Anders als im Textteil, wo die Konsul- und Präfektenliste im Jahr 354 enden255, zeigt sich im Bildteil des Chronographen kein direkter Hinweis auf eine absolute Datierung in das Jahr 354.

Im Bildteil erschwert ein gewisser Widerspruch zwischen der Inschrift der Kaiserdedikation SALVIS AVGVSTIS und einer Datierung in das Jahr 354 seit Mommsen256 eine genaue zeitliche Zuweisung; denn im Jahr 354 ist Constantius II alleiniger Augustus und Gallus bis zu seiner Hinrichtung Ende 354 Caesar257. Die Inschrift des Schildes im Dedikationsbild: Salvis Augustis felix Valentinus setzt aber, wie das Vergleichsmaterial zum Formular „Salvis Augustis felix + nomen“ zeigt, mehrere Augusti voraus.258

Salzman259 sucht das Problem damit zu lösen, dass sie auf das Bildmaterial von Münzen und Medaillons unter Constantius II und Gallus vom September 352 – Winter 354 verweist, wo eine schildbeschreibende Victoria für den Augustus und für den Caesar mit genauer Nennung der

254 Vgl die Einleitung zu KAL.

255 Das Jahr 354 bedeutet hier ohne Zweifel einen Endpunkt unterschiedlicher Redaktionsstufen verschiedener Listen.

Wenn etwa in PraefUrb vom Modell einer Liste für den Zeitraums eines Jahrhunderts ausgegangen werden muss, ist in FastCons mit einer kontinuierlichen Fortschreibung der Konsulnamen zu rechnen. Dasselbe trifft auch auf CatLib und DepEp zu, während ComPasch mit dem Jahre 312 einsetzt und über 100 Jahre teilweise fortgeschrieben und teilweise voraus berechnet wird.

256 Mommsen CIL 254: Deinde cum tam supra relata inscriptio …. imagines ostendant partem certe operis eo tempore confecisse Philocalum, quo aut duo Augusti rei publicae praefuerint aut Augustus cum Caesare qui hac aetate saepe Augustorum appellatione comprehenduntur, alterum principem esse Caesarem Gallum.

257 Kienast 309. 313.

258 Nach Scheithauer 219 wurde bei diesen Widmungen auf korrekte Kaisertitulaturen geachtet, da es darum ging, dass der Herrscher die SALUS PUBLICA gewährleistete und die Dedikanten, die vor allem aus der Oberschicht kamen,

„um den Zustand des Gemeinwesens und die Unversehrtheit des leitenden Mannes“ besorgt waren. Vgl z.B. Text Nr. 24 aus den Jahren 293-305, AE 1907, 233 = ILAlg II 4668 (Thibilis, Numidia): Salvis Augg(ustis) et Caesarib(us) in perpetuum felix Thibilis. Ebenso die Darstellung von Maxentius mit der Carthago, die in beiden Händen Früchte hält, aus dem Jahr 306: SALVIS AVGG ET CAES FEL KART. RIC VI 51a (RIC VI 415f.).

259 Salzman 279-282.

Titel dargestellt ist260. Parallel dazu taucht nach Salzman diese Darstellung der Victoria mit der Aufschrift „Victoria Augustorum“ auf Münzen und Medaillons des Magnentius auf, der die Formel benutzte, um sowohl Constantius II wie sich selbst durch den Plural „Augusti“ zu ehren.261 Salzman262 schließt aus dem Befund folgendes: The survival and reuse of dies from the reign of Magnentius for the medallions of Constantius accounts for the strange medley of styles and treatment on Constantius’s medallions. Zu der mit der besonderen Formel SALVIS AVGVSTIS verbundenen Problematik äußert sie sich nicht.

Näher liegt es, daraus Folgerungen für die Entstehungsgeschichte des Chronographen zu ziehen.

1. Die Formel im Plural „Salvis Augustis“ bedingt die Regentschaft von zwei Augusti, d.h. dass das Jahr 354 für die Entstehung dieser Darstellung nicht in Frage kommt. Mögliche Zeiträume im 4. Jahrhundert sind, abgesehen von der tetrarchischen und der hier auszuschließenden theodosianischen Zeit, die teilweise durch die Usurpationen über drei Augusti gleichzeitig verfügen, besonders die Jahre 337-340 (Constans I und Constantius II) und 350-353 (Constantius II und Magnentius). Unsere Kaiserdedikation dürfte demnach in dem Zeitraum von 337 bis 353 entstanden und später im Zusammenhang des gesamten Bildteiles mit dem Frontispiz, das die Widmung an Valentinus und die Nennung des Künstlernamens Filocalus enthält, sowie weiteren Texten zum sogenannten Chronographen von 354 verbunden worden sein.

2. Durch einen solchen Blick auf die Entstehungsgeschichte wirkt zugleich eine weitere Ungereimtheit weniger anstößig, dass nämlich am Anfang des Werkes eine Widmung an eine titellose Privatperson steht. Gemäß den hierarchisierten Konventionen wäre es üblich, dass am Anfang eine Widmung stünde, die betont, dass das Wohlergehen des Regierenden dem in seinen offiziellen Funktionen genannten Dedikanten das Heil gewährleistet263. Hier dagegen handelt es sich um ein individuell zusammengestelltes Privatexemplar, bei dem auf einschlägiges Bild- und Textmaterial zurückgegriffen werden konnte.

3. Erklärt sich so auch im Frontispiz die Formulierung „Furius Dionisius Filocalus titulavit“.

Das Verb titulavit betont hier die Tätigkeit des Herausgebers, der eben nur das Frontispiz als Titel des Kompendiums hinzugefügt hat und der nicht als Schöpfer des aus Bildern und Texten bestehenden Gesamtwerkes gelten kann.264

Es gibt zusätzliche weitere Argumente, die für eine Datierung einzelner Teile vor dem Jahr 354 sprechen. Hier ist an erster Stelle die Darstellung der Personifikation der Stadt Trier zu nennen, die unter Konstantin dem Großen als Residenzstadt zur Blüte kam, deren Bedeutung als Kaiserresidenz nach Konstantin aber langsam sank. Damit stimmt überein, dass in KAL die Feste für Konstantin I den höchsten Stellenwert einnehmen. Ein schon immer vorgebrachtes Argument für die frühere Genese eines Einzelteiles des Kalenders ist die Depositio episcoporum265, die in kalendarischer Anordnung bis zum Tod des Silvester 335 geführt ist und an die später additiv die Todestage von Marcus und Iulius (a.p.336. a.p.352) angehängt werden.

Als Terminus post quem kann an erster Stelle die Darstellung der Constantinopolis gelten, die erst ab dem 11. Mai 330, der Einweihung von Konstantinopel, möglich ist. Weitere Angaben im

260 RIC 8,294, Nr.421. Das Beispiel Salzmans 281 Anm.8 zeigt zwar eine Victoria mit Schild auf den Knien, sie sagt aber nichts über die Aufschrift.

261 RIC 8, 290-292, 406-418. Auch hier ist das wesentliche Element der Datierung, die Inschrift, nicht berücksichtigt.

262 Salzman 282.

263 Scheithauer 213.

264 Anders Byvanck 181: Für die Bedeutung von titulare vergl. Passio VII monachorum 8: Nobis vero nullus de postibus frontium valebit evellere, quod in uno baptismate artifex Trinitatis dignatus est titulare. Commodianus, Carm. Apost. 462: (Ecce canit alius propheta), cuius voce tamen TITULATUR talis edictus.

265 Mommsen, Duchesne, Kirsch, Salzman.

Kalender schränken den Bereich noch stärker ein. Denn in KAL und NatCaes wird Konstantin der Große als „divus Constantinus“ bezeichnet, während bei Constantius der Zusatz divus fehlt266, d.h. dass diese Liste zu Lebzeiten des Kaisers Constantius zwischen 337 und 361 erstellt wurde. Somit steht hier angesichts der mit dem Jahr 354 endenden Textteile ein Zeitrahmen von 337 bis 353 zur Verfügung.

Ambivalent bleibt die Interpretation der sogenannten „Imagines imperatorum“. Hier kann man, wie es in der Forschung wohlbegründet auch geschah, auf Grund der Ikonographie267 sowohl zwei Kaiser als Konsuln dargestellt sehen268 als auch einen Kaiser und einen Caesar.269

6.2 Der Adressat des Kalenders

Der Empfänger des Exemplars ist uns leider nur dem Namen nach bekannt. Vermutungen zielen auf einen gewissen Valentinus, den zuletzt Salzman270 als Mitglied des „uppermost stratum of Roman society“ verortete und mit dem Bruder des Symmachus, Avianius Valentinus, über den man leider wenig weiß, zu identifizieren suchte.271 Mommsen war zu Recht zurückhaltender, was die Identifizierung des Valentinus betrifft.272

6.3 Die Intention des Werkes

Die Datierung des Gesamtwerkes unter Constantius II und Gallus erinnert an die Problematik, die durch das Verhältnis der Datierung der Gesamtzusammenstellung zu den Datierungen der einzelnen Werkteile gegeben ist; denn diese besitzen jeweils ihre eigene Tradition und Geschichte, für die es aber bei vielen Teilen keine Belege für Vorläufer und Parallelen gibt.

Zugleich mit der Zusammenstellung des Kompendiums verändert sich dessen Intention.

Während der alte Bildteil keinen Hinweis auf das Christentum bot, zeigt die Gesamtkomposition des Chronographen sowohl beim Frontispiz als auch bei den Textteilen (CatLib, DepEp, DepMart, ComPasch) eine deutlich christliche Konnotation. Die ursprünglich religiös-neutralen Kalenderteile wurden durch die neuen Teile in einen christlichen Kontext gestellt.

Die Erweiterung des älteren Bildteiles durch Texte ist möglicherweise über verschiedene Redaktionsstufen erfolgt. Dazu gehören eine Reihe von Verwaltungstexten, die fortgeschrieben und angepasst werden273: FastCons, PraefUrb. Hinzu treten auch christliche Texte. So erhebt sich die Frage, ob etwa FastCons schon auf einer frühen Redaktionsstufe den Konsulbildern gefolgt sind oder erst bei der letzten Zusammenstellung hier aufgenommen wurden. Es zeigen sich darüber hinaus bei den meisten Einzelteilen ältere Bearbeitungsstufen, die auf eine ursprünglich selbständige Überlieferung hinweisen. Auf solche Bearbeitungsstufen könnten die einschlägigen mittelalterlichen Texte zurückgehen wie z.B. Planetenbilder und die Zodiakuszeichen.

Weitere Beispiele für Redaktionsstufen finden sich in den christlichen Teilen, etwa bei der redaktionellen Bearbeitung der Depositio episcoporum und des Catalogus Liberianus. Dessen

266 NatCaes bringt hier das Attribut eines lebenden Imperators: dominus noster.

267 Diskutiert wurden die Gestik der beiden Figuren, ihre Bekleidung und ihr Nimbus.

268 Strzygowski 96. Er verweist darauf, dass Mommsen CIL 254 seine Meinung auf Grund der Konsulardatierungen in CatLib geändert habe und eine Entstehungszeit unter Constantius II und Gallus annehme.

269 Mommsen 1892, 37. 49, Stern 153, Salzman 279-282, vgl auch Imagines imperatorum, Teil V 3 S.83.

270 Salzman 26.

271 Salzman 199-202. Vgl Arnheim 81 Anm.14. Avianius Valentinus war vielleicht Consularis Campaniae von 364-375 und starb wohl vor 380. PLRE 1, Valentinus 7.

272 Mommsen CIL 254: qui fuerit ignoratur; potest fuisse Valentinus is qui cum fuisset primicerium protectorum et deinde tribunus, a.359 dux Illyrici factus est (Amm.Marc.18,3,5), deinde a.365 consularis fuit Piceni (cf. Gothofred.

prosopograph. cod. Theod. p.92). Zu Valentinus / Valentinianus vgl PLRE 1, Valentinus 3: primicerius protectorum, tribunus und dux Illyrici; PLRE 1, Valentinianus 2: consularis Piceni, öfters im Codex Theodosianus erwähnt.

273 So der 100 Jahre-Zyklus von PraefUrb.

erstem Teil bis zum Jahre 230 liegt die Chronik des Hippolyt zu Grunde. Ferner sind hier, beginnend mit Pontianus im Jahr 235, die genauen Todesdaten eingetragen. Diese weichen jedoch zum Teil von den Daten in der Depositio episcoporum ab.

Ein besonderes Problem stellt der Computus paschalis nach alexandrinischer Berechnung dar:

Er beginnt mit der Anerkennung des Christentums im Jahr 312 und geht über einen Zeitraum von 100 Jahren bis zum Jahr 411. In einer ersten sekundären Redaktionsstufe wird die Osterberechnung vom Jahr 354 bis zum Jahr 358 nachgetragen. Für das Folgende ist der Text verderbt: die Osterdaten von 359 bis 411 werden fortgeschrieben, bei den Jahreskonsuln liegt jedoch ein Sprung von 358 auf 368 vor, so dass das Konsulpaar für 368 in unserer handschriftlichen Überlieferung mit dem Osterdatum von 359 verbunden ist. Dieser Fehler setzt sich bis zum Jahre 410 der Konsulardatierung und dem Jahr 394 des Osterdatums fort. Danach werden ohne Angabe der Jahreskonsuln die Osterdaten von 395 bis 411 nachgetragen.

6.4 Die Struktur des „Chronographen“

Es ist bemerkenswert, dass keiner der verschiedenen Überlieferungsstränge über alle Bild- und Textteile verfügt. Der Codex V (Wien) ist die einzige Handschrift, die uns ein scheinbares

„Endexemplar“ bietet, d.h. die zeigt, in welchem Maße zu einem uns unbekannten Zeitpunkt inhaltlich verwandte Texte in eine Sammlung einschlägiger Texte eingefügt werden konnten.

Dabei dürfte das antiquarische Interesse der Humanisten ein entscheidender Faktor gewesen sein.

Eine eigene Überlieferung auch außerhalb der Tradition des Chronographen besitzen die Fasti Vindobonenses posteriores + priores sowie die Chronica ab origine mundi (teilweise dem Orosius zugeschrieben), die Chronica urbis Romae und die Regiones urbis Romae sowie auch die Versüberlieferung (Distichen und Tetrastichen). Wieweit die christlichen Texte in die martyrologisch-kalendarische Überlieferung, die zum Martyrologium Hieronymianum führte, eingegangen sind, muss offenbleiben. Einen gewissen Zusammenhang kann man bei der Entwicklung von CatLib zum Liber Pontificalis feststellen.

Die Akkumulierung unterschiedlicher historischer Listen speziell in V lässt sich am ehesten als ein humanistisches Kompendium beschreiben, das im Sinne der zeitgenössischen habsburgischen Kaisergenealogie und ihrer Mentalität die Kontinuität zur römischen Antike darzustellen suchte. Deutlich wird diese Tendenz bei Cuspinians Consules und seinem zweiten Hauptwerk, den „Caesares“. Diese zeigen vor allen an Hand von Münzbildern die bis in die frühe Neuzeit fortlaufende Tradition des nun bei den Habsburgern zu verortenden Kaisertums.

In diesem Umfeld spielt die Sicherung der Chronologie eine wichtige Rolle, wie die Tatsache zeigt, dass Cuspinian den Textteil der zeitgenössischen Handschrift V als sein Collationsexemplar benutzte. Eine andere wichtige Rolle spielten die kalendarischen Teile auch bei Humanisten, die nicht so sehr an der Chronologie als vielmehr an der Geschichte der Kirche in ihren Anfängen interessiert waren. Dabei spielt die Frage nach der Wiederentdeckung des vom Konzil von Nicaea approbierten Kalenders aus dem Jahre 325 eine maßgebliche Rolle, mit dem man paradoxerweise KAL identifizierte. Neben diesem vornehmlich liturgischen Interesse eines christlich akzentuierten Humanismus bekamen auch die übrigen christlichen Teile des Chronographen in der Katholischen Reform vor und nach dem Konzil von Trient eine zusätzliche Bedeutung als frühe Quellen für die Tradition der römischen Bischöfe und die martyrologische Überlieferung der Stadt Rom. Sie zogen deshalb auch gleich das Interesse der frühen Bollandisten auf sich.

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